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FLORIAN SCHLEBURG


»A very famous pleasure!«
Sprachwissen und Sprachwissenschaft bei Karl May*





Eine der Rollen, die Karl May als tagträumender Ich-Erzähler und, zu seinem Unglück, auch als Person des öffentlichen Lebens am liebsten spielte, ist die des Sprachenkenners. Im Manuskript zu ›Krüger-Bei‹ lässt sich der weitgereiste Doktor gar, wenngleich nicht ohne Signale ironischer Distanz, als Linguisten bezeichnen.1 Souveräne Polyglottizität und eine landeskundliche Vorbildung, die oft die Kenntnisse der Einheimischen übertrifft, verleihen dem uomo universale Kara Ben Nemsi/Old Shatterhand kulturübergreifende Autarkie und Unabhängigkeit von Vermittlern aller Art im Umgang mit Menschen und Texten, und wie das Kennenlernen von Land und Leuten kann das Studium fremder Sprachen auch selbst Zweck des Reisens sein:


Ich befand mich wieder einmal in Damaskus und hatte die Absicht, von da aus über Aleppo, Diarbekr, Erzerum und die russische Grenze zu gehen, um nach Tiflis zu gelangen. Ein Freund von mir, bekannter Professor und Sprachforscher, hatte es verstanden, mich für die kaukasischen Idiome zu interessieren, und ich hielt es, wie das meine Art und Weise stets gewesen ist, für am vorteilhaftesten, meine Studien nicht daheim, sondern an Ort und Stelle zu machen. (Schut, 537f.)2


Anders als die körperliche Kraft und Gewandtheit, mit denen der Schriftsteller seine Helden ausstattet, lassen sich deren geistige Fähigkeiten im Text nicht nur behaupten, sondern auch dokumentieren. Notwendig wäre dies wohlgemerkt nicht: Karl May könnte sagen »Ich heilte sie von einer Vergiftung« und »Ich grüßte ihn in arabischer Sprache«, ohne die Therapie zu beschreiben und den Gruß im Original zu zitieren. Dass er bei solchen Gelegenheiten Details zu liefern pflegt, trägt viel zur suggestiven Kraft seines Erzählens bei. Freilich offenbart er dadurch Umfang und Tiefe seiner Bildung vor einer nach Tausenden zählenden Leserschaft, und für den Fall, dass sich in die Herde andächtiger Bewunderer ein paar Besserwissende verirrt haben möchten, betont der Ich-Erzähler denn auch immer wieder voll kluger Bescheidung, er sei ja kein Fachmann (Wüste, 398; Kurdistan, 208; Balkan, 546; Friede, 409; Winnetou IV, 177). Es ist eine großzügig verstandene Allgemeinbildung, die ihn qualifiziert, in Abwesenheit von Experten notfalls psychologische Diagnosen zu stellen, Infanteristen zu schulen und zum Tanz aufzuspielen. Als Fachmann aber muss er sich gebärden auf dem Gebiet von Wortschatz und Gram-




* wegen der Nutzung fremdsprachlicher Zeichen (arabische Zeichen) kann es zu Darstellungsproblemen kommen (Utf-8)

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matik, wenn überhaupt der Schein der Möglichkeit an seinen ›Reiseerlebnissen‹ haften bleiben soll. Während Botanik, Geomorphologie und Kontrapunkt eher der Abrundung seines Profils als wandelnder Inbegriff des christlichen Abendlandes dienen und wenig zum Gang der Ereignisse beitragen, ist die perfekte Beherrschung der Landessprachen eine notwendige, wenngleich noch lange nicht hinreichende, Bedingung für die bloße Vorstellbarkeit der Romanhandlung, ebenso unentbehrlich wie Körperkraft, Schieß- und Reitkunst, Schleichtechnik, Scharfsinn und Sinnesschärfe - aber anders als sie alle am Text selbst nachprüfbar, sobald sich der Ich-Erzähler dazu hinreißen lässt, auch nur eine einzige fremdsprachige Äußerung aus der beschriebenen Welt zu zitieren.3 Denn weder das literarische Ich noch seine Gesprächspartner können mehr Kenntnisse vorweisen, als das reale Ich, das sie ersinnt, tatsächlich besitzt,4 sei es auch nur als Beute des Kurzzeitgedächtnisses für die Minuten nach der Konsultation seiner Enzyklopädie. Diese Blöße wurde von Karl Mays Gegnern sofort erspäht und bot ihren gehässigen Angriffen ein besonders lohnendes Ziel.

Es ist bekannt, dass Dr. Karl May, genannt Old Shatterhand, in den Jahren seiner größten Publikumswirksamkeit mehrere Dutzend5 oder auch über 1200 Sprachen und Dialekte6 beherrschte und sich in Kürschners ›Literaturkalender‹ als Übersetzer für außereuropäische Literaturen führen ließ.7 Später äußerte er sich bescheidener,8 wenngleich er die Aussage aufrechterhielt, Fremdsprachenunterricht nicht nur genossen, sondern auch erteilt zu haben.9 Krampfhaft verklärende Erinnerungen von Gattin Klara, die längeren indianischen Causerien beigewohnt haben wollte,10 und E. A. Schmid, der dem Dichter aus eigener Autorität Kenntnisse des amerikanischen »Slang(s)«, »indianischer Dialekte« und des Arabischen attestierte,11 hielten an einer infantilen Legende fest, von der sich der Autor selbst im bitteren Reifungsprozess der letzten Jahre verabschiedet hatte. Dass Karl May nicht können konnte, was Kara Ben Nemsi können sollte, das bedarf - und bedurfte - nun wahrlich keiner Beweisführung, aber auch in der seriöseren Forschung blieben, obgleich einzelne Mytheme ohne langes Rückzugsgefecht aufgegeben wurden, die Gesamturteile noch lange sehr vorsichtig.12 Man gewinnt den Eindruck, dass die traumatische Erfahrung des Schriftstellers mit dem Gemisch aus frechen Verleumdungen und unangenehmen Tatsachen, das ihm zu Lebzeiten ins Gesicht geworfen wurde, in einer frommen Scheu seiner Leser nachbebte, die selbstverständlichsten Unvollkommenheiten des Verstorbenen laut auszusprechen: »Karl May kann sich gegen Vorhaltungen [!] nicht mehr wehren; vor breitem Publikum [!] auf seinen Sprachschnitzern herumzureiten [!], ist daher unfair.«13 Zugegeben, die Durchleuchtung eines literarischen Textes auf seine Vereinbarkeit mit der Realität nimmt sich neben der Erhellung seiner biographischen, psychologischen und theologischen Hintergründe leicht ein wenig bodenständig und kleinkariert aus, und zu-



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mal wenn das Ergebnis längst festzustehen scheint, bringt man sich durch das Aufspüren immer neuer Fehler schnell in den Ruf, nur die eigene Überlegenheit in Szene setzen zu wollen, die mit dem wissenschaftlichen Fortschritt des 21. Jahrhunderts, den modernen Möglichkeiten des Wissenserwerbs und nicht zuletzt dem sozio-ökonomischen Vorsprung der meisten Kritiker vor dem autodidaktischen Webersohn May recht wohlfeil erworben wäre. Dennoch ist stellvertretende Empfindlichkeit fehl am Platze: es geht nicht um eine ›Ehre‹ des Autors, die nach jedem Worte des Zweifels durch den eiligen Hinweis auf die Glückserlebnisse, die wir ihm doch alle verdanken, restituiert werden müsste, sondern schlicht um die Rekonstruktion seiner Anschauungen und Kenntnisse. Übrigens wird niemand behaupten, dass referentielle Richtigkeit für sich genommen ein Kriterium literarischer Qualität sei - sonst wäre das Telefonbuch der Gipfel des Kanons und Dante nichts als ein Lügner. Gleichwohl fordert eine Erzählgattung, die sich, und wäre es auch weniger provozierend denn im vorliegenden Falle, als Wiedergabe realer Ereignisse geriert, freiwillig und -gebig Auskunft über räumliche, zeitliche und kulturelle Koordinaten erteilt und überdies den pädagogischen Anspruch auf das prodesse erhebt, zum Vergleich mit der Realität geradezu heraus. Ganz sicher gehört sie zu jenen Textsorten, deren Urhebern - neben anderen Qualitäten, versteht sich - sorgfältiges Recherchieren und eine realistische Einschätzung des eigenen Wissensstandes nicht schlecht ansteht. Karl May selbst hat durch sein eifriges Nachschlagen, Abschreiben und Einarbeiten historischer, geographischer und linguistischer Information den Beweis dafür geliefert, dass er auf die sachliche Richtigkeit und den Faktenreichtum seiner Werke Wert legte.14

Mit Herkunft und Korrektheit seiner Sprachproben beschäftigt sich eine nicht unbeträchtliche Zahl von Miszellen und Artikeln, die zum Teil recht trist um die Frage »Hatte Karl May doch (nicht) recht?« kreisen, aber auch so wertvolle Beiträge wie die Materialsammlungen von Jürgen Pinnow,15 die Arbeiten von Walter Schinzel-Lang16 über das Chinesische und die Quellenstudien von Helmut Lieblang17 einschließen. Alle Detailuntersuchungen bestätigen den Eindruck des kritischen Lesers, dass Mays Texte neben einigem richtigen, oder doch richtig gemeinten und nur oberflächlich entstellten, und manchem leicht verunglückten Material sehr viel Bodenlos-Katastrophales, wenngleich so gut wie keine reinen Phantasieprodukte enthalten. Der vorliegende Aufsatz trägt eine Reihe von Beobachtungen, bereits publizierte ebenso wie neue, zu Mays Umgang mit den verschiedenen Strukturebenen der Sprache zusammen und versucht, daraus ein Gesamtbild seiner linguistischen Vorstellungen zu skizzieren. Hierfür wird (und muss aufgrund des beschränkten Platzes) ein Bruchteil des Materials genügen, das sich bei der Durchsicht der Reise- und Jugenderzählungen aufdrängt. Eine vollständige Analyse der fremdsprachigen Ausdrücke in allen Teilen und Fassungen des Werkes,



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die den Rahmen selbst einer großangelegten Monographie sprengen müsste - von der Breite der erforderlichen Fachkompetenz einmal ganz zu schweigen -, würde aller Wahrscheinlichkeit nach kein wesentlich anderes Ergebnis erbringen. Dennoch bleibt es zweifellos ein Desiderat, etwa im Rahmen eines Kommentars, sämtliche Zitate auf ihre strukturelle und pragmatische Richtigkeit, ihre Abhängigkeit von den Vorlagen in Mays Bibliothek und ihre Relevanz für die Einschätzung seiner Kenntnisse zu untersuchen.



Form und Funktionen fremdsprachiger Elemente


Die jedem Leser vertraute, aber in ihrer literarischen Funktion wenig erforschte18 Durchsetzung des deutschen Textes mit fremdsprachigen Elementen, die für Karl Mays Erzählstil spätestens seit ›Die Gum‹ (1877) charakteristisch ist,19 lässt sich nach Art und Umfang der eingebrachten Ausdrücke in folgende Erscheinungsformen unterteilen:

- Reale oder vom Autor konstruierte Personen- und Ortsnamen, d. h. Nominalphrasen mit individueller Referenz. Im Unterschied zu echten Namen sind Mays eigene Erfindungen fast immer transparent und motiviert, also aus vertrauten Elementen der jeweiligen Gegenwartssprache zusammengesetzt und in ihrer Bedeutung unmittelbar einleuchtend: Asiento de la mortandad [Ansiedelung der Niedermetzelung],20 Schisch-tu [Schwarzer See] (Winnetou III, 618).

- Zitatwörter. In eine deutsche Satzkonstruktion werden einzelne fremdsprachige Konstituenten eingefügt, meist erläutert durch eine Fußnote oder eine unmittelbar folgende Paraphrase,21 aber auch ohne Erklärung, wenn die Bedeutung bereits genannt wurde oder im Anschluss thematisiert werden soll. Der Übergang von ad hoc übernommenen Elementen zu Fremdwörtern, die zumindest in einem fachsprachlichen Register des Deutschen bereits lexikalisiert sind, ist fließend. Bei den zitierten Formen handelt es sich nahezu ausschließlich um Substantive bzw. Nominalphrasen, nur sehr selten um Adjektive oder infinite Verbformen: faldschymisch [Verhext, bezaubert] (Wüste, 191), tschapuk kydschyklanyr [Kitzlich] (Silberlöwe III, 49), ›karket‹ [erwürgen, erdrosseln] ... ›tjulest‹ [küssen] (Pfaden, 47). Diese Einschränkung hat sowohl semantische als auch morphosyntaktische Gründe. In der Regel bezeichnen Zitatwörter kulturtypische Gegenstände oder Institutionen (Speisen, Kleidungsstücke, Waffen, Pflanzen, Tiere, Landschaftsformen, Bauwerke, Veranstaltungen, Personengruppen, Titel usw.), die natürlicherweise nominal ausgedrückt werden. Und die formale Integration eines Zitatwortes in den deutschen Satzzusammenhang ist praktisch nur möglich, wenn dabei die obligatorischen grammatischen Kategorien der jeweiligen Wortart zum Ausdruck kommen. In der Phrase »mit dem Chabir« (Wüste, 52) etwa



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kann das arabische Lehnwort problemlos das deutsche Substantiv Führer vertreten, das in der entsprechenden Konstruktion gleichfalls endungslos bliebe; der Artikel stellt klar, dass es sich um ein maskulines Substantiv im Dativ Singular handelt. Finite Verbformen hingegen sind im Deutschen meist durch Endungen markiert; Zitatwörter, denen die vertraute Kennzeichnung fehlt, lassen sich grammatisch nicht analysieren. Deshalb wäre das arabische Verbum der Bedeutung 'sich auskennen', das zu dem genannten Substantiv ›h(abi-r‹ 'Fachmann' gehört, kaum in einem deutschen Satz zu verwenden: *wir haben hier einen Mann, der jah(bur. - Bei der Einbettung fremder Ausdrücke in deutsche Syntagmen folgt Karl May keinem einheitlichen Prinzip. Den Plural fremder Substantive kennzeichnet er gerne mit dem produktiven Suffix -s: Wagare-Saritsches [Gelbe Hunde = Chinesen],22 unsere Talebs (Wüste, 224), die priesterlichen Mu-Yü's ... der gräßliche Lärm der Sona's und Kuantsu's (Friede, 618). Diese Endung kann im Englischen und Spanischen zufällig richtig sein, stimmt aber auch dort nicht immer: sheeps (Winnetou II, 167) sollte einen Nullplural haben, Policemens23 und horse-feets (Surehand II, 120) weisen eine doppelte Pluralmarkierung auf (einmal abgesehen davon, dass ›horsefoot‹ keine Fußbekleidung, sondern ein Krebstier ist). Statt der richtigen Pluralform ›peones‹ verwendet Karl May durchgehend Peons in ›Das Vermächtnis des Inka‹ und ›Am Rio de la Plata‹ und Peone in ›Winnetou IV‹; für die letztere Form ist wohl das Vorbild des deutschen Substantivs ›Knecht‹ verantwortlich. Das (pseudo-)englische Wort Girl-Robber zeigt neben dem Plural auf -s (Ocean, 483, 525f.) auch einen Nullplural wie deutsch ›Räuber‹ (Ocean, 505, 518), und auch Formen wie Estancien (Inka, 117) und Greenhörner24 enthalten deutsche Endungen. Nicht selten wird andererseits eine Mehrzahlform aus der Ausgangssprache übernommen: Kanasil [Arabischer Plural von Konsul] (Mahdi III, 190), Suwar [Plural von Sure = Kurankapitel] (Silberlöwe I, 287). Kurios ist eine Stelle in ›Am Jenseits‹, wo zunächst der deutsche s-Plural Bischarihnhedschihns verwendet wird und im nächsten Satz die Angabe folgt: Der Plural lautet Hudschuhn (Jenseits, 22); als dritte Variante findet sich Hedschan (Silberlöwe I, 306).25 Im Genus setzt Karl May fremdsprachige Substantive häufig mit dem nächstliegenden deutschen Übersetzungsäquivalent gleich; dies ist völlig nachvollziehbar und weithin üblich im Umgang mit Sprachen, die kein grammatisches Geschlecht besitzen (z. B. Englisch, Türkisch, Persisch): das großherrliche Möhür [Siegel], meinen Dscherid [Wurfspieß], die Ewlenma [Verheiratung] (Wüste, 230, 256, 266). Oft bleibt allerdings die Zuordnung willkürlich: »Der Duft der Tütün dschebeli« [Tschebelitabak] (Balkan, 32). Wenn die Gebersprache eine morphologische Markierung des Genus kennt, kann dieses gegen die deutsche Übersetzung erhalten bleiben: aus dem Rebaño (Herde) (Inka, 142); doch gibt es auch hier Fälle, in denen die Übersetzung den Gebrauch bestimmt: »auf dem Makbara« [Kirchhof] (Pfaden, 311; im Arabischen feminin).



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- Vollständige Sätze oder Ausrufe, meist als wörtliche Wiedergabe eines Dialogbeitrags. Wo es sich nicht um bekannte Floskeln handelt, wird meist nach einem Gedankenstrich eine deutsche Übersetzung nachgereicht. Zuweilen umfasst ein Zitat mehrere Sätze oder einen ganzen Kurztext, z. B. die erste Sure des Korans auf Arabisch (Schut, 148) oder das Ave Maria auf Quechua.26

- Metasprachliche Erläuterungen. Hierzu gehören die bereits erwähnten Übersetzungen der Zitate; in Einzelfällen wird auch eine wörtliche Paraphrase gegeben, die den Leser, recht unmotiviert, auf die abweichende Struktur hinweist: »Hesti irschad engiz - - gewährst du uns Sicherheit?« [Wörtlich: Bist du Sicherheit gewährend?] (Bagdad, 19). Nur ausnahmsweise macht die Handlung das explizite Nachdenken über fremde Sprachen erforderlich: Die arabische Schrift hat nämlich keine Buchstaben für die Vokale ... (Skipetaren, 523 beim Entziffern des Karanirwan-Briefes); Wer waren die Schatten? Jedenfalls Menschen; das schloß ich aus der Pluralendung »an« ... (Silberlöwe I, 408). Meistens hingegen betrifft der Kommentar eine ganz beliebige Einzelheit und legt dadurch den Schluss nahe, dass der Verfasser keine systematischen Kenntnisse der Materie sein eigen nennt, sondern nur zufällige Lesefrüchte einstreut. Biedere Hinweise zur Aussprache des Englischen und Spanischen wie Clan [Sprich Klänn] (Winnetou IV, 165), Ranchos (sprich Rantschos) (Inka, 117) wirken angesichts des unbekümmerten Umgangs mit indianischen und arabischen Lauten fast erheiternd: wo erklärt Karl May ›A'da = Glieder, sprich ?a?d.a-?‹? Etwas professioneller klingt schon: Cha'in, das ch so ausgesprochen wie im deutschen Worte Rache ... ; In allen diesen persischen Wörtern wird das ä, wenn es nicht durch ein h gedehnt ist, halb wie a, halb wie e und zwar ganz kurz ausgesprochen (Silberlöwe I, 341, 407) - freilich sind beide Bemerkungen insofern überflüssig, als sie nur die für den deutschen Leser ohnehin selbstverständliche Aussprache bestätigen. Ganz irrelevant ist die Erwähnung einer lautlichen Assimilation bei der Behandlung der Zahlenwerte arabischer Buchstaben: Das Kaf (K) bedeutet hundert und das Nun (N), welches aber in der feineren Aussprache vor einem B wie M gebraucht wird, nur fünfzig (Balkan, 276f.). In ›Von Bagdad nach Stambul‹ (571) äußert sich Karl May gratis zur Etymologie des Wortes Tscharschia (türk. çars,? 'Bazar'), das im ganzen Orientzyklus nur an dieser einen Stelle auftritt.27 Derartige Erläuterungen sind gerade so zuverlässig wie ihre Quellen, und der Verfasser tut sich mit dem Abschreiben unrichtiger oder halbverstandener Angaben nicht unbedingt einen Gefallen.28 Der wohl am häufigsten wiederholte metasprachliche Hinweis Karl Mays gilt dem Vorrat der Schimpfwörter im Arabischen (Orangen, 48, 360; Mahdi I, 289; Jenseits, 259).29

Zusätzlich zu diesen Erscheinungen des Fremden an der Oberfläche ist zu bedenken, dass innerhalb der literarisch-biographischen Fiktion die meisten Dialoge der Reiseberichte als übersetzt gelten müssen. Karl



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May thematisiert diesen Aspekt bei vielen Gelegenheiten, ebenso oft aber vergisst er ihn selbst und übersieht notwendige Konsequenzen. Häufig wird die Sprache, in der ein Austausch stattfindet, genannt oder ein Sprachwechsel im Dialog der zum großen Teil multilingualen Gestalten erwähnt: Wir hatten bisher nur immer englisch mit ihm gesprochen ... (Winnetou IV, 211). Zuweilen gibt der Erzähler die deutsche Fassung als freie Nachschöpfung zu erkennen oder ruft dem Leser in Erinnerung, dass ein auffälliger Ausdruck in ›Wahrheit‹ aus einer fremden Sprache stammte und in der deutschen Wiedergabe durch ein anderes Beispiel ersetzt werden muss: in seiner kurzen Weise, die ich deutsch wiederzugeben suche (Silberlöwe III, 22); Ich muß, da ich deutsch schreibe, andere Worte angeben ... (Surehand III, 324). Auch wo solche Hinweise fehlen, nimmt der mitdenkende Leser an, dass sprachliche Tics wie die Reimerei des Gunstick-Uncle oder die Echolalie von Sam Thin stillschweigend an deutsche Verhältnisse angepasst wurden. Figuren, die einen regionalen Dialekt des Deutschen sprechen, werden recht konsequent in schriftdeutscher ›Übersetzung‹ zitiert, sobald sie sich in der Welt der Erzählung anderer Sprachen bedienen; allerdings unterlaufen dem Staffelsteiner in der arabischen Unterhaltung mit Hassan Dialektformen wie nit und nix (Orangen, 130, 154), und Hobble-Frank redet mit einem britischen Lord sächsisch.30 Und dann geschieht es, dass Sir David das englische Wort für 'Fledermaus', das bekanntlich ›bat‹ lautet, in seine Silben zerlegt (Kurdistan, 149f.), dass im Arabischen ein Wortspiel mit 'geistreich' und 'Geist, Gespenst' angestellt wird, das nur im Deutschen gelingt (Jenseits, 266), oder dass man sich in einer Sprache über ›Du‹ und ›Sie‹ streitet, die eine solche Unterscheidung der Anredeformen gar nicht kennt.31 Karl May dürfte auch nicht berücksichtigt haben, dass die Ausklammerung von Verbkomplementen, die den Gesprächsbeiträgen seiner Beduinen und Indianer alttestamentliche Solemnität verleiht, als Stilmerkmal keine Entsprechung im Arabischen oder Englischen haben kann, da diese Sprachen die deutsche Verbklammer grundsätzlich nicht kennen.32 Die Illusion wird also nicht zu Ende gedacht, sondern nur selektiv herangezogen, wo sie die erwünschten Effekte liefert: Nachdem David Lindsays unerwartete Arabischkenntnisse einmal präsentiert und kommentiert sind, wird dem Autor die Dialogführung in Ein-Wort-Sätzen sehr bald zu mühselig (Silberlöwe III, 14). Dennoch beweist die häufige Bezugnahme auf den sprachlichen Code eine Sensibilität für Fragen der interkulturellen Kommunikation, die man in der Trivialliteratur gemeinhin vergeblich sucht.33

Die Funktionen der fremdsprachigen Elemente für den literarischen Text und seine Rezeption sind unter anderem folgende:34

- Durch das Zitieren und Erläutern kulturspezifischer Begriffe unterstreicht Karl May seinen Anspruch auf völker- und landeskundliche Belehrung des Lesers.



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- Der Nachweis ausgedehnter Sprachkenntnisse und das Anführen ›originaler‹ Dialogbeiträge dokumentieren auf zirkuläre Weise die historische Authentizität der Reiseberichte: die Beherrschung der Landessprachen ist zugleich Voraussetzung und Ergebnis jener autonomen Art des Reisens, die das Ich auszeichnet. Der Leser soll nicht nur erkennen, dass May über die unverzichtbaren Kenntnisse verfügt (was noch kein Beweis für ihre Anwendung im Ausland wäre), sondern auch die Schlussfolgerung ziehen, daß ich solche Studien unmöglich in der Studierstube gemacht haben kann.35

- Fremdsprachige Namen und Zitate gehören neben der Schilderung imposanter Landschaften, tropischer Flora und Fauna und pittoresker Gestalten zu den wichtigsten Bausteinen jener wohltuenden Illusion der Alltagsferne, die den hauptsächlichen Reiz der Reiseerzählung ausmacht. Oft erhalten die austauschbaren Versatzstücke der Handlung ihr spezifisches Kolorit erst durch die sprachliche Festlegung auf einen ganz bestimmten Kontinent. Da fast alle Dialoge als Übersetzungen ausgegeben werden, gibt es für die Beibehaltung einzelner fremdsprachiger Elemente im deutschen Text eigentlich keinen zwingenden Grund. Sicher angemessen ist die Übernahme der originalen Bezeichnungen, wenn Realien oder Konzepte fremder Kulturgemeinschaften in der eigenen Sprache nicht adäquat oder nur durch schwerfällige Umschreibungen bezeichnet werden können; Mays Zitatwörter suggerieren demnach eine unübersetzbare Fachterminologie, deren Beherrschung einmal mehr den Wissensvorsprung des Autors augenfällig macht. Freilich lässt die knappe Angabe eines einzelnen Äquivalents in der Anmerkung den Aufwand für einen Verweis überhöht erscheinen. Es ist sinnvoll, wenn im Text Kebab steht und die Fußnote beim ersten Auftreten des Wortes ein- für allemal enzyklopädisch erläutert: Fleischstückchen, an kleinen Hölzern über dem Feuer gebraten (Mahdi I, 345); wenn man aber Dscherrah mit dem einen Wort Wundarzt wiedergeben kann (Wüste, 207), so entfällt diese Rechtfertigung. Hinzu kommt, dass viele Zitatwörter beim besten Willen nicht als kulturspezifische Termini gelten können, so dass sich der Leser fragt, warum der Erzähler den ganzen Satz ›ins Deutsche überträgt‹ und ausgerechnet diese eine Form ›beibehält‹: »so läßt man dir nur zehn oder elf, zwischen denen sich einundzwanzig Chilahl [Zahnlücken] befinden« (Silberlöwe I, 290). Derartige Einsprengsel, die sich auf manchen Seiten ohne Notwendigkeit so häufen, dass die Lektüre durch das ständige Springen zwischen Haupttext und Fußnoten erschwert wird, erklären sich nicht durch spontane Assoziationen des Verfassers - es kann keine Rede davon sein, dass Karl May ausgerechnet das arabische Wort für 'Zahnlücke' parat hatte -, sondern nur durch seine Freude an der Benutzung von Wörterbüchern (siehe unten).

- Im Spätwerk tritt an die Stelle der geographischen Ferne die symbolische Abgehobenheit von Schauplatz und Handlung. Fremde, meist orien-



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talische Namen dienen nun nicht mehr der Verortung des Geschehens in den Koordinaten der Realität, sondern erschaffen ein eigenes, allegorisches Universum. Anders als J. R. R. Tolkien, der für seine Phantasiewelt konsequenterweise auch Phantasiesprachen erfindet, übernimmt Karl May neben vielen äußeren Motiven seiner konventionellen Abenteuerromane auch Ausdrücke aus existierenden, wenngleich für ihn selbst unwirklich bleibenden Sprachen in seine Privatmythologie. Obschon es sich unleugbar besser macht, wenn eine ›Arabische Fantasia‹ richtiges Arabisch enthält,36 ist eine empirisch argumentierende Linguistik für die Chiffren des Spätwerks nicht mehr recht zuständig. Es erscheint, wenn nicht ketzerisch, so doch müßig, sich zu fragen, ob Kara Ben Nemsi mit dem Ustad auf Kurdisch philosophiert (und aus dem Stegreif dichtet: Silberlöwe IV, 170), oder festzuhalten, dass 'wann' im Arabischen, das ganz offensichtlich bei den Ussul in Gebrauch ist, kein einsilbige(s) Wort ist (Ardistan I, 73f.; arab. Mata-, ?imta). Um seine Metaphern nicht auf banale ›sprechende Namen‹ zu reduzieren, verzichtet May jetzt häufig auf eine direkte Übersetzung der Begriffe: der Madarissee (Ardistan I, 11; arab. mada-ris 'Hochschulen'), der durch einen weiten Weg von Dschinnistan getrennt ist, bleibt unerklärt; zu Ikbal (Ardistan I, 1; arab. ?iqba-l 'Annäherung, Ankunft') wird nur die Betonung angegeben,37 und was man sich unter dem gehässig schwatzenden »Baum El Dscharanil« (Silberlöwe IV, 26; arab. g(ara-ni-l 'Zeitschriften', Plural zum französischen Lehnwort ›g(urna-l‹) vorzustellen hat, erfährt der Leser erst nach zehn Seiten ganz beiläufig. Simpler als eine solche Erhebung ins Allgemeingültige ist die Verfremdung realer Personennamen durch Übersetzung, wie sie Karl May im ›Gleichnis für Zieger‹ praktiziert hat.38

- Neben der großen Zahl schmückender Zitatwörter, die in den Texten nur ein einziges Mal auftreten, steht eine kleine Gruppe kulturspezifischer Begriffe, deren ständige Wiederholung zu jener beglückenden Suggestion der Herrschaft über ein wohlgerundetes Diskursuniversum beiträgt, die als zentrale psychologische Strategie der Leserfesselung in Karl Mays Werken gelten darf. Während einerseits immer wieder Umfang und Komplexität der Spezialkenntnisse hervorgehoben werden, denen der Reisende in feindseliger Fremde allein sein Überleben verdankt, bleibt doch die Anzahl der tatsächlich zur Anwendung kommenden Gedankengänge und Taktiken so überschaubar, dass der Leser spätestens im dritten oder vierten Roman dieselben Tricks wiederfindet und bereits verständnisinnig nicken kann, wenn er zum zweiten Mal vom legendenumwobenen Knieschusse hört. Da ihm die allesentscheidenden Informationen just zur rechten Zeit noch einmal in Erinnerung gerufen wurden, darf er sich, ein zweiter Kara Ben Nemsi, jenen Gestalten der Handlung überlegen fühlen, die sich vom Ich-Erzähler belehren lassen müssen oder nicht belehren lassen wollen, und so groß ist die Macht der Implikaturen, dass mancher der Einbildung erliegen mag, er habe sich durch die Lektüre der Anleitungen po-



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tentiell realitätstaugliche Fertigkeiten erworben. Zum Insiderwissen jedes Karl-May-Freundes gehört, um nur ein paar Beispiele aus dem Orient zu nennen, die Bedeutung von Wörtern wie Dschemma und Duar, Fez und Haik, Hadschi und Hedschin, Sihdi und Wadi, und der Fortgeschrittene hat keine Schwierigkeiten, der Reihe nach sämtliche Dienstgrade des osmanischen Militärs aufzusagen. Auch solche Bröckchen mögen, zumindest für den jugendlichen Leser, bildend sein; bedeutsamer sind sicher die Auswirkungen, die ein frühes Gefühl der Vertrautheit mit fremden Institutionen und Bezeichnungen langfristig auf seine Einstellung zu den beschriebenen Kulturen hat.39

- Durch ihre sprachlichen Fähigkeiten und ihre Ausdrucksgewohnheiten im Dialog werden die fiktiven Gestalten der Romanhandlung charakterisiert.40 Während sich die germanisch-indianischen Übermenschen durch die lückenlose Beherrschung aller Codes auszeichnen, offenbaren populäre Sympathieträger der zweiten Reihe ihre Schrulligkeit nicht nur in stehenden Redewendungen, sondern oft auch im eigenwilligen Umgang mit fremden Sprachen; hierunter fallen die deplazierten Latinismen des Dr. Morgenstern, die Verwechslungen des ›Vaters der elf Haare‹, die Malapropismen des Hobble-Frank und das code mixing im Brief des Kapitäns Turnerstick (Orangen, 158).

Schließlich muss man unter den Motiven, die Karl May bewogen haben, seine Texte weit über die literarischen Erfordernisse hinaus mit fremdsprachigen Ausdrücken zu verzieren, ganz sicher eine genuine Faszination durch das Exotische und einen ausgeprägten linguistischen Spieltrieb nennen, der ihn freilich oft weit über die Grenzen seiner Fähigkeiten hinausführt. In ›Der Schut‹ (533f.) versteigt er sich dazu, einen vollständigen Brief Halefs im türkisch-arabischen ›Original‹ zu veröffentlichen, das - eine erschöpfende Analyse der Fehler, Trugschlüsse und Interferenzen in dem kurzen Zitat würde viele Seiten füllen - mit jedem Wort beweist, wie wenig er von der Struktur dieser Sprachen und ihrem gegenseitigen Verhältnis begriffen hat. Es fällt schwer, sich die lustvolle Verbissenheit auszumalen, die ihn Stunden mühsamen Nachschlagens auf diesen ganz überflüssigen Beleg verwenden ließ und ebenso lange die durchaus naheliegende Einsicht fernhielt, dass sein Erzeugnis nicht im entferntesten als Äußerung eines arabischen Muttersprachlers, und sei er noch so possierlich in seiner Art, würde durchgehen können.



Graphie, Transliteration und Transkription


Für die Abschätzung von Karl Mays Sprachkenntnissen sind wir, da alle halbwegs zeitgenössischen Aussagen zu diesem Thema von erklärten Anbetern oder erklärten Todfeinden, durchgehend jedoch ahnungslosen Individuen stammen,41 ausschließlich auf schriftliches bzw. gedrucktes Ma-



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terial angewiesen. Zur Graphie fremdsprachiger Ausdrücke in Mays Werken wäre einiges zu sagen - wenn anders Hoffnung bestünde, aus derselben auf Wissen und Sorgfalt eines Autors schließen zu dürfen, der aufgrund seiner Arbeitsweise für die endgültige Form der gedruckten Texte nicht ernsthaft zur Verantwortung zu ziehen ist. Oberflächliche Entstellungen ungewohnter Wörter sind sicher in großer Zahl den Setzern anzulasten. Durch einfache Verwechslung ähnlicher Buchstaben erklären sich etwa das ‹ä› in Bir - iki - ätsch (Balkan, 117; türk. üç '3'), das ‹D› in Dass innabd (Silberlöwe III, 141; arab. h.assa an-nabd. 'Puls fühlen'), das ‹m› in Gedd el Isman (Silberlöwe I, 411; arab. ?asna-n 'Zähne') und das ‹n› in Injuy (Inka, 592; Jujuy in Nordwestargentinien); stärker deformiert ist Arroyscharo (Inka, 410; span. arroyo claro 'klarer Bach').

Von Schreibfehlern im landläufigen Sinn kann nur im Hinblick auf lateinschriftliche Systeme die Rede sein, die im 19. Jahrhundert bereits eine Standardorthographie kannten, und in der Tat häufen sich in Mays Texten kuriose Schreibungen englischer und spanischer Wörter, an denen zum Teil ganz offensichtlich deutsche Buchstabiergewohnheiten die Schuld tragen: welkome (Silberlöwe III, 18), Plazer (Winnetou III, 310), »Th'is clear« (Surehand I, 14), Joung (Winnetou IV, 384f.; sonst richtig Young), Kaja (Satan III, 174), Tertullia (Rio, 136), Ofiziales de la polizia (Satan I, 409), Guardia national (Rio, 250). Diakritische Zeichen sind recht zufällig verteilt: in »Que angustia, que martirio«42 fehlt der Akut (span. qué), in »Gracias à Dios« (Cordilleren, 562) steht dafür ein überflüssiger französischer Gravis. Das spanische ‹ñ› wird - mit einzelnen Ausnahmen: Zuni (Satan III, 41) - verlässlich wiedergegeben oder durch ‹nn› ersetzt: Sennor, Vicunna, Cabanna (Rio, 6, 276, 397). Diese Substitution ist historisch sinnvoll und praktisch eindeutig, da ‹nn› sonst im Spanischen kaum vorkommt; sie wurde einst in deutschen Druckerzeugnissen sehr oft vollzogen und in den Frühzeiten der E-Mail auch von Muttersprachlern verwendet.

Viele der außereuropäischen Sprachen, die Karl May zitiert, werden oder wurden in nicht-lateinischen Systemen oder überhaupt nicht geschrieben, womit einer Wiedergabe ihrer Laute mit unseren Buchstaben automatisch ein Element der Willkür anhaftet. (Ein Text im Apatsche, der englische Buchstaben verwendet, wie ihn Old Shatterhand in ›Winnetou IV‹ (243) von Tatellah-Satah erhält, ist kaum denkbar.) Während es heute internationale Konventionen für die Transliteration nicht-lateinischer Schriften und die Transkription von Lauten gibt, waren im 19. Jahrhundert hierfür oft mehrere rivalisierende Systeme im Gebrauch, die sich wahlweise an Konventionen des Englischen, Französischen oder Deutschen anlehnten. Aber ganz abgesehen vom Stand der Forschung und von der Mühe, die eine Einarbeitung in die Phonologie indianischer oder asiatischer Sprachen kostet, konnte Karl May an einer wissenschaftlich präzisen Wiedergabe seiner Zitate gar nicht gelegen sein: die Sondersymbole,



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die hierfür notwendig gewesen wären, hätten den Druck seiner Werke außerordentlich erschwert (selbst Buchstaben mit Akzent oder Trema mussten ja im Fraktursatz aus einer Antiqua-Schrift gewählt werden) und der Mehrzahl der Leser nicht den geringsten Gewinn gebracht. Diakritische Zusatzzeichen, die sich in seinen Vorlagen fanden, ließ er deshalb aus Prinzip fort.43 Wer einmal gesehen hat, wie sich wohlvertraute Ausdrücke in zünftiger Umschrift ausnehmen, wird ihm das nicht einmal verdenken: man prägt sich ›Hadschi Halef Omar‹ und ›Iltschi‹ eben doch leichter ein als ›h.a-g(i- h(alaf ?umar‹ und ›n'?tsh'i‹ (Navaho 'Wind'). Noch heute verfahren die Medien mit ausländischen Namen in eben dieser Weise. Von einem sprachkundigen »Lehrer seiner Leser« (Winnetou I, 153) würde man sich jedoch wünschen, dass er bei solchen Eindeutschungen eine gewisse Konsequenz walten ließe, sich also irgendein System schüfe oder zu eigen machte, das, ohne eine exakte Repräsentation der schwer vorstellbaren Originallautungen anzustreben, doch in sich schlüssig wäre. Dies würde allerdings neben abstrahierendem Umgang mit den graphischen Konventionen des Deutschen die Fähigkeit voraussetzen, die zugrundeliegenden Lauttypen der Fremdsprache in verschiedenem Gewande wiederzuerkennen, und es verwundert daher wenig, dass Karl May nicht imstande war, auch nur innerhalb desselben Textes, geschweige denn über längere Perioden seiner literarischen Produktion hinweg, dieselben Laute in denselben Wörtern auf dieselbe Weise wiederzugeben.44 Die erste Sure des Korans (arab. al-fa-tih.ah) heißt bei ihm Fatcha (Wüste, 46), Fathha (Balkan, 106), Fatiha (Schut, 580), Fathcha (Orangen, 281), Fatha (Jenseits, 318) und Fát'ha45 - keine dieser Formen ist ›falsch‹, aber ihr Nebeneinander spricht nicht für die wissenschaftliche Veranlagung des Autors. Für das arabische ›ta?a-l‹ 'komm' steht binnen weniger Seiten einmal ta'al, einmal ta'ahl (Silberlöwe III, 120, 127); dasselbe Apachenwort 'gut sein' sieht bei Vater Intschu tschuna und Tochter Nscho-tschi (Winnetou I, 110, 310) ganz verschieden aus, und Hans Wollschläger weist darauf hin, dass Kara Ben Nemsis Deckname Hadschi Akil Schatir ... (Jenseits, 16) einen Vater des Beinamens er Rani 'der Reiche' anführt, den, in der Form ›El Ghani‹, sein Widersacher in derselben Geschichte trägt;46 eine dritte Variante erscheint in Tamek er Rhani (Mahdi III, 421). Mit dem Buchstaben ‹h›, der in Transliterationen wie Ghani (Jenseits, 53; arab. äanij), Barkh (Silberlöwe I, 360; arab. barq), Thar (Silberlöwe I, 316; arab. ?a?r) nur eine modifizierte Aussprache des vorausgehenden Zeichens andeutet und auch in deutschen Wörtern wie ›thun‹, ›That‹ keinen eigenen Lautwert hat, verfährt der Autor recht achtlos. Häufig dient ‹h› nach deutscher Gewohnheit zur Kennzeichnung von Vokallänge: Sihdi (Wüste, 1), Kijahma (Jenseits, 1); in dieser Funktion konkurriert es mit Doppelschreibung des Vokals und Zirkumflex: er rahmaan er rahiim,47 Nûr es Semâ (Orangen, 463).48 Karl May fügt ‹h› aber auch ein, wo es gar nichts zu kennzeichnen gibt: Tabuth (Silberlöwe III, 337; arab. ta-bu-t; vielleicht



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irrtümlich für tabuht, vgl. Sklavenkarawane, 606), und ignoriert den Buchstaben, wo er einen bedeutungsunterscheidenden Konsonanten des Arabischen repräsentiert: der verschwundene Fluss in Ardistan heißt bei ihm Ssul (arab. s.ulh. 'Friede').49 Auch Amad el Ghandur und der Oberst Omar Amed (Wüste, 494, 560) dürften ihren Namen dieser Gleichgültigkeit verdanken (arab. ?ah.mad 'sehr preiswürdig'); im gleichen Band heißt aber Maleks Vater ›Achmed‹ (281).

Die Funktionsweise des arabischen Alphabets hat Karl May seinen metasprachlichen Bemerkungen zufolge im Großen und Ganzen durchschaut. Er wusste natürlich, dass es von rechts nach links geschrieben wird und nur Konsonantenbuchstaben kennt; er erwähnt richtig, dass man Vokale durch Zusatzzeichen wiedergibt, erweckt aber den irrigen Eindruck, als sei diese Vokalisierung, etwa für das Osmanische Türkisch, im Alltag weithin üblich gewesen,50 und als eigne sich das Alphabet zur Wiedergabe von Dialektformen.51 Eine arabische Inschrift auf dem Grab von Abd el Kader malte er in sein Reisetagebuch ab,52 und seine Kenntnisse könnten schließlich ausgereicht haben, den Namen ›Ben Nil‹ unter einen Brief zu setzen, den er aus Kairo an Fehsenfeld richtete.53 Weniger gut scheint er die Struktur des wesentlich komplexeren chinesischen Schreibsystems begriffen zu haben; einiges spricht dafür, dass er die ›Radikale‹, die synchron als rein graphische Grundelemente dienen, als selbständige Wortzeichen auffasste;54 auch hier verwendet er im selben Zitat verschiedene Transkriptionssysteme.55



Phonetik und Phonologie


Sowohl die Aussprache einzelner Fremdwörter als auch der Lautvorrat anderer Sprachen insgesamt werden bei Karl May zum Thema: Kiowas [Dieses Wort wird Ke-i-o-wehs ausgesprochen] (Mustang, 20); er wusste von der an Schnalzlauten so reichen Namaqua-Sprache56 und lässt den Khoisan-Sprecher Quimbo das Holländische mit den in seiner Muttersprache vorkommenden Schnalz- und Klatschlauten spicken (Ocean, 480). In ›Kong-Kheou, das Ehrenwort‹57 exerziert Degenfeld die Zischlaute des Chinesischen vor (wobei nicht nur die Wiedergabe mit dem deutschen Alphabet sinnlos, sondern auch die Unkenntnis des Autors offenbar wird).58 Geradezu professionell liest sich hingegen die logopädische Diagnose für den Scheik ul Islam: Er sprach die gutturalen Spiranten mit mehr als gewöhnlicher kurdischer Schärfe aus und hatte ein so uvular schnarrendes Rrrrrr, als ob er an einer bösartigen Zäpfchenkrankheit leide (Silberlöwe IV, 267). Für die phonetische Interferenz, also das Durchschlagen muttersprachlicher Artikulationsgewohnheiten bei der Verwendung einer Fremdsprache, haben seine Helden ein feines Ohr. Winnetou weiß: »Sie sprechen viele Laute mit Zunge und Kehle zugleich aus, zu denen du nur



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die Zunge nimmst« (Mustang, 34). Old Shatterhand traut sich zu, jeden Indianer anhand seiner Aussprache des Englischen dem richtigen Stamm zuzuordnen (Mustang, 57f.), und auch Kara Ben Nemsi erkennt Kurden an ihrer Aussprache des Arabischen (Mahdi III, 188; Silberlöwe II, 496). Am Münedschi fällt ihm die Umsetzung genau jener arabischen Buchstaben auf, die Europäern notorisch Schwierigkeiten bereiten: Die beiden Ha, das Ain, den Unterschied zwischen dem Sin und Sad, des [richtig: das] Rain, Ren oder Ghen, das erste Kaf ... (Jenseits, 119), und er persönlich vermag sogar das arabische ›?as-sala-m ?alaikum‹ so vorzubringen, dass ihn ein Perser erstaunt fragt: »Du verstehst und sprichst persisch?« (Jenseits, 139f.)

Trotz solcher Einzeldemonstrationen dürfte sich Karl May von der Komplexität und Fremdartigkeit der Lautsysteme außereuropäischer Sprachen keine Vorstellung gemacht haben: Lebende Informanten standen ihm nicht zur Verfügung; artikulatorische Analysen in phonetischer Fachterminologie helfen nur einem Geübten, und impressionistische Charakterisierungen, wie in touristischen Sprachführern üblich, bekanntlich überhaupt nicht. In den Indianersprachen gehören Glottalisierung, Nasalierung und, wie im Chinesischen, Tonhöhenunterschiede, im Arabischen die Pharyngalisierung zu den distinktiven Merkmalen; eben diese werden von der abendländischen Forschung durch jene diakritischen Zeichen angegeben, die sich May in seinen Romanen zum größten Teil spart: das Exotische soll zieren, nicht stören. Die Folge ist, dass sich fremdsprachige Ausdrücke im geschriebenen Text viel heimeliger ausnehmen, als sie tatsächlich klängen, und dieser Vereinfachung sitzt auch der Autor selbst an vielen Stellen auf. Die chinesischen Wörter für 'Brücke' und 'Vogel' unterscheiden sich bei ihm nur durch das K anstatt des N (Ocean, 521): dies gilt wohl für seine Umschrift Kiao und Niao, nicht aber für chin. qiáo und nia(o, die ganz verschiedene Tonkonturen aufweisen; übrigens hat der Anlaut des ersten Wortes, eine aspirierte palatale Affrikate [t?h], mit unserem k nicht die geringste Ähnlichkeit. Auch kann man angesichts eines arabisch geschriebenen Textes unmöglich zu der Bemerkung gelangen »Das [nämlich ›Ali‹] ist ein Name und zugleich ein serbisches Wort, welches ›aber‹ bedeutet« (Bagdad, 640): Der Name ›?ali-j‹ hat im Arabischen einen anlautenden Konsonanten [?], der zwar in der Umschrift oft ignoriert, im arabischen Alphabet aber durch einen eigenen Buchstaben angezeigt wird, der in einem serbischen Wort niemals auftreten könnte. In den oben erwähnten Formen er Rani und er Rhani ist der Auslaut des arabischen Artikels ›?al‹ einem r angeglichen, das nur in der Transliteration, nicht aber in der Aussprache vorliegt: Im Unterschied zu echtem [r] (vgl. ?ar-rah.ma-n‹ 'der Barmherzige') verursacht anlautendes [?] keine Assimilation. Diese über das Ziel hinausschießende Anwendung der Assimilationsregel ist, wie oft bei Karl May, eine Übergeneralisierung, wie man sie begeht, wenn man einen ersten Einblick in das Funktionieren einer Spra-



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che gewonnen hat und die Reichweite der übergangsweise verinnerlichten Minimalgrammatik nicht abzuschätzen vermag.

Obgleich Hadschi Halef Omar seinem Sihdi bescheinigt, dass dieser das Hocharabische des Korans korrekter zu pronunzieren wisse als er, der Maghrebiner (Schut, 147), dürfte Karl Mays Aussprache der von ihm selbst eingeführten Namen und Begriffe über ein unschuldiges Ablesen der von ihm selbst manipulierten Buchstaben mit ihrem deutschen Lautwert kaum hinausgelangt sein. Es ist zu befürchten, dass er Bowiekneif (Surehand II, 10) für eine akzeptable Wiedergabe der englischen Lautung hielt. Wenn Frau Ebersbach den Scout als Schkuut anredet und der Kantor emeritus unbind als umbinden versteht (Oelprinz, 144, 675), so sind diese Fehler eigentlich nur denkbar, wenn ihre amerikanische Umgebung diese Wörter nach der Schreibung aussprach. Ein Indiz dafür, dass sich May auch bei der Verwendung eines ihm wohlbekannten englischen Namens von heimischen Gewohnheiten leiten ließ, gibt die Stelle, wo ein alter Araber gegen Kara Ben Nemsi einen Engländer erwähnt, der von seinem Führer Liseh oder Linseh genannt werde (Bagdad, 401). Da die Einheimischen den Namen ›Lindsay‹ nur aus dem Munde seines Besitzers vernommen haben können, müssen wir annehmen, dass Karl May aufgrund der Schreibung eine Aussprache ['l?nds??] für richtig hielt, während natürlich im Englischen nur ['l?n(d)zi] in Frage kommt.

Auch unter heutigen Karl-May-Lesern und -Popularisierern werden nicht wenige klassische Namen aus dem Œuvre unrichtig ausgesprochen: ›Rih‹ (arab. ri-h. 'Wind', übrigens ein feminines Substantiv) hat kein Dehnungs-h, sondern ein unüberhörbares [?] am Ende. Der Spitzname ›Droll‹ wird zwar im Text (Silbersee, 72) aus dem deutschen ›drollig‹ erklärt, kann aber in Nordamerika nur von engl. ›droll‹ 'erheiternd, grotesk' abgeleitet sein und muss daher [dro??] lauten. Zu ›Winnetou‹ gab der Blutsbruder selbst die briefliche Auskunft: Sein Name wird ausgesprochen Winneto-u, das o-u sehr schnell hintereinander als Diphtong.59



Wortschatz


Für Karl May, der einen beträchtlichen Teil seiner Sachkenntnisse während des Schreibvorgangs direkt aus Reiseschilderungen und Nachschlagewerken übernahm, war es am einfachsten und unbedenklichsten, fremdsprachiges Material in der isolierten Form einzusetzen, die seine Quellen anführten. Beispiele für einzelne Zitatwörter und Ausrufe, die keiner grammatischen Anpassung bedürfen, liefert fast jede Seite seiner Reiseerzählungen. Hin und wieder rollt der Erzähler Fundgut verschiedener Herkunft zu einer polyglotten Synonymenschlange auf: Ob Chaß etmek oder Frandschela, ob auf Deutsch Semmel oder auf Englisch roll, ob auf Französisch pain blanc oder im Italienischen piccoli pani, ob in polni-



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scher Sprache bulka und pszenna und in serbischer pletenitza, ob auf Walachisch pune albeh oder auf Russisch bulka, grad wie auch in Ostpolen ... (Balkan, 110; etmek ist Druckfehler für ›ekmek‹). Auch im Dialog zu Pferde findet Kara Ben Nemsi Zeit, Sir David mit exquisiten Verfremdungen des Banalen zu necken: »Wißt Ihr noch, was Pediculus capitis bedeutet? ... Oder wißt Ihr, welches liebliche Geschöpf der Araber ›Khamli‹, der Türke aber ›Bit‹ nennt? Der Russe sagt ›Woschj‹, der Italiener ›Pidocchio‹, der Franzose ›Pou‹ und der Hottentott ›t' Garla‹« (Schut, 377). Solche willkürlichen Fleißaufgaben haben, wenn man die gewaltsame Verletzung der ›Maxim of Manner‹ nicht um ihrer selbst willen witzig zu finden bereit ist, keine erkennbare Funktion; sie beweisen einzig, dass Karl May Spaß daran fand, Wörterbücher zu wälzen und entlegene Detailkenntnisse vorzutäuschen, welche nur einen sehr naiven Leser zu der Annahme verleiten würden, dass, wer spontan über das Hottentotten-Wort für 'Laus' verfüge, a fortiori nicht mit Zweifeln an seiner englischen oder französischen Ausdrucksfähigkeit behelligt werden dürfe.

Dass sich Karl May beim Nachschlagen einmal in der Zeile irrt,60 ist nicht der Rede wert, aber auch das sorgfältige Abschreiben hat seine Tücken. In der oben zitierten Stelle über die sprachlichen Eigentümlichkeiten des Münedschi fährt der Ich-Erzähler fort: Auch hatte er sich einiger Worte bedient, welche dem Araber zwar auch, aber nicht in dem gebrauchten Zusammenhange geläufig sind (Jenseits, 119f.). Beispiele kann er hier, anders als für die Aussprache, nicht geben, aber offenbar war dem Autor prinzipiell bewusst, dass sich Übersetzungsäquivalente in ihren Verwendungsweisen nicht unbedingt decken. Dennoch müssen wir ihm eine seltene Gabe bescheinigen, in seinen Quellen die jeweils ungeeignetsten Vokabeln aufzutun, also unter mehreren nicht exakt synonymen Ausdrücken mit großer Treffsicherheit den zu wählen, der die Stilebene meilenweit verfehlt oder im Kontext einen ganz unerwünschten Sinn ergibt. Es muss nicht jedes Mal so krass sein wie im Falle des chinesischen ›gua-n‹, wo er den Unterschied zwischen den Homonymen ›Pass‹ 'Ausweis' und ›Pass‹ 'Gebirgsübergang' verpasst.61 Spanisch ›desierto‹ heißt 'verlassen', aber el viejo Desierto (Cordilleren, 184) kann nur 'die alte Wüste' sein. Spanisch ›flujo‹ wird mit 'Fluß' übersetzt, und manches Wörterbuch wartet auch mit der fertigen Phrase ›flujo blanco‹ 'Weißfluß' auf. Leider handelt es sich dabei nicht um ein Gewässer (span. río), sondern um ein Krankheitssymptom: wichtige Abenteuer von ›Satan und Ischariot‹ spielen also an den Ufern der Leukorrhöe. Dass Karl May, der Lästerungen und Anstößigkeiten gerne durch Auslassungspunkte umgeht, einer niederländischen Magd mit Carajos (Ocean, 183) eine im Spanischen als ausgesprochen derb empfundene Bezeichnung des männlichen Geschlechtsorgans in den Mund legt, dürfte gleichfalls ein Versehen sein. »Arredro ... zurück«, »presto ... schnell«, »Quedo ... still« (Inka, 142, 59, 215) - das ›gibt‹ es selbstverständlich, aber was man wirklich sagt, ist doch



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eher ›atrás‹, ›rápido‹, ›cállate‹ (bzw. am Río de la Plata ›calláte‹). Blanker Zynismus wäre es, einem von Krokodilen verfolgten Schwimmer »Cheer up« zuzurufen.62 Auch mit den Bedeutungen der ›Trapperausdrücke‹, derer er auffallend wenige auffallend häufig in der Feder führt, nimmt es der Autor nicht so genau: ›to make meat‹, wörtlich 'Fleisch machen', bedeutet nicht 'auf die Jagd gehen' (Silbersee, 86; Mustang, 326; Winnetou II, 465), sondern 'Fleisch schneiden und trocknen'; ›pumpkin(s)‹, wörtlich 'Kürbis', ist nicht 'sehr viel' (Winnetou III, 33; Surehand II, 63), sondern 'etwas oder jemand von großer Bedeutung'.63 Manchmal scheint sich May auch ganz ohne Überprüfung auf sein Sprachgefühl verlassen zu haben - anders wären jene unfreiwillig turnerstickischen Formen kaum zu erklären, die in keinem Wörterbuch stehen: Alemano, Criminalo, Oficialo (Rio, 11, 129, 542); Indianos (Winnetou III, 128); Comantschos ... Apatschos (Rio, 498). Man vergleiche: »Yes, Sennoro! Ich bin Kapitäno Fricko Turnerosticko aus Newo-Yorko. Meine Barko heißt ›The windo‹« (Rio, 480f.).



Morphologie und Syntax


Im Umgang mit Flexion, Wortbildung und Satzbau - die Beobachtungen zu diesen Strukturebenen werden in einem Abschnitt zusammengefasst, da ihre Grenzen in verschiedenen Sprachen verschieden verlaufen - gibt Karl May auf zweierlei Weise Auskunft über seine Fachkenntnisse: durch die, meist implizite, Analyse fertig vorgefundener Konstruktionen und durch das aktive Kombinieren von Wörtern und Morphemen. Interpretationsfehler und Missverständnisse werden in der graphischen Segmentierung und der Übersetzung von Zitaten sichtbar. Mehrfach erscheint beispielsweise die erste Zeile des arabischen Vaterunser mit sinnloser Wortabtrennung oder Interpunktion;64 dies könnten theoretisch Druckfehler sein, doch beweist der Verfasser durch seine ausdrückliche Bezugnahme auf strukturell nicht zusammengehörige Bruchstücke des Textes, dass er die arabische Konstruktion nicht durchschaut.65 Auch im muslimischen Glaubensbekenntnis setzt er ein unsinniges Komma nach dem Wort für 'dass': »Aschahdu anna, la ilaha ill' Allah« (Silberlöwe I, 307). Obgleich der Satz ›la- ?ila-ha ?illa- lla-h‹ '(es ist) kein Gott außer Gott' bei ihm häufig in richtiger Übersetzung zitiert wird (z. B. Satan II, 379 mit verständlichem Arabisch), kennt Karl May auch eine verballhornte Form Allah il allah (z. B. Ocean, 122), die an zahlreichen Stellen der Orienterzählungen als Standardausruf des Erstaunens oder Erschreckens wiederkehrt und nachträglich sogar zum Buchtitel erhoben wurde. Karl May interpretierte diese im Arabischen unmögliche Zusammenstellung als 'Gott ist Gott' (z. B. Wüste, 180); vgl. auch die Wiedergabe »Allah ist Allah, und Mohammed ist sein Prophet« (Sklavenkarawane, 424).66 Den Ausruf Maschallah (arab. ma- ša-?a lla-h 'was Gott will') verstand er, wie viele Paraphrasen be-



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zeugen, als 'Wunder Gottes' (Mahdi II, 174; Silberlöwe III, 95; Friede, 44); mehrfach steht sogar »Masch Allah« (Wüste, 12). Und selbst das wohlbekannte Hamdulillah (arab. ?al-h.amdu li-lla-h, wörtlich 'der-Preis für-Gott') segmentiert er gelegentlich »El Hamd ul illah« (Wüste, 353). Hier wie im Falle von Allah il Allah fasst er wohl das vorletzte ›Wort‹ als eine Form des arabischen Artikels auf, der niemals vor dem Wort ›?alla-h‹ stehen kann, weil dieses ihn bereits enthält. Wie er sich in seiner Lautvorstellung nach der eindeutschenden Schreibung richtet, legt er seiner morphologischen Analyse die deutsche Übersetzung zugrunde: »Allah inhal el Agha; katelahum - Allah verdamme den Agha; er hat sie getötet!«, ruft Halef über der Leiche Bendas (Bagdad, 328). Diese Übersetzung ist in gewisser Weise korrekt (arab. qatala-hum 'er hat sie getötet'), allerdings bezeichnet das Suffix -hum mehrere Personen, während es hier um eine einzelne Frau geht, auf die man sich im Deutschen zwar ebenfalls mit ›sie‹, im Arabischen aber mit dem Suffix -ha- bezieht. Eine ähnliche Falle enthält das spanische Wort für 'duzen': »... sollst aber für dein freundschaftliches Hablarle de tu [Duzen, jemand du nennen] eine Anerkennung bekommen« (Satan I, 127). Das angehängte Pronomen -le steht nämlich für 'jemanden' und müsste im Kontext zu -me angepasst werden.

Beim eigenständigen Bilden von Phrasen und Sätzen offenbart Karl May jene über alle Beschönigung erhabene Unbedarftheit, die in so fatalem Widerspruch zur Lehrerattitüde seiner weltläufigen Erzählergestalten steht. Obgleich er sich auf Nominalphrasen, Ausrufe und kurze Befehlssätze beschränkt und nie an komplexe Perioden heranwagt, begeht er zu Hunderten handfeste Solözismen, für die kein Setzer und keine Vorlage, kein ›Dialekt‹ und kein ›Slang‹ verantwortlich gemacht werden kann.67 Seine Fehler reichen von unschuldigen Verstößen gegen die tückisch abweichende Idiomatik einer Nachbarsprache wie »Welcome in the Sahar« (Orangen, 126) bis zum vollständigen Schiffbruch in Apache-Sätzen wie 'du diesen ich-habe-ihn-getötet Lasso dort'.68 Linguistisch gesehen handelt es sich zum großen Teil um strukturelle Interferenzen, Produkte also der unhinterfragten Annahme, dass eine im Deutschen gültige Regel auch für die jeweilige Fremdsprache oder gar universell Geltung habe. Dieser Sorte von Fehlern entkommt kein Lernender; sie lassen sich umso weniger vermeiden, je größer die typologische Distanz zwischen Muttersprache und Zielsprache ist. Karl May wagt sich aus Gründen des Kolorits besonders gern an nicht-indogermanische Sprachen Amerikas, Afrikas und Asiens, von deren morphosyntaktischer Andersartigkeit sich ein Laie kaum ein Bild zu machen vermag. Die Indianersprachen nehmen dabei insofern eine Sonderstellung ein, als sie vor hundert Jahren auch für Spezialisten kaum zu durchschauen waren und eine codifizierte Standardform als Referenzvarietät fehlt. Während Mays Alternativbiographie, die von langjährigem Umgang mit Muttersprachlern und uneingeschränkter Kommunikationsfähigkeit auf allen Kontinenten kündet, mit



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dem Abschreiben fremder Fehler natürlich nicht vereinbar war, wird der reale Autor durch den Kenntnisstand der zeitgenössischen Sprachwissenschaft entlastet. Die indianischen Ausdrücke, die er benötigte, musste er ohne Anleitung aus jenen Wörtern improvisieren, die er zufällig in unzuverlässigen Quellen aufgestöbert und ad libitum in eine aussprechbare Form gebracht hatte; auch ein Karl May musste sich darüber im Klaren sein, dass die Ergebnisse von Phantasieprodukten nicht weit entfernt waren.

In anderen Sprachen übersieht er verlässlich jene Regeln, die zufällig vom Deutschen abweichen: Dass sich im Serbischen der Vokativ von der Zitierform des Wörterbuches unterscheidet,69 dass in romanischen Sprachen das prädikative Adjektiv mit dem Subjekt kongruiert,70 dass im Türkischen innerhalb eines Wortes Vokalharmonie herrscht,71 Modifikatoren vorangestellt werden72 und ein Substantiv nach Zahlwörtern im Singular steht,73 ebenso wie im Arabischen nach Zehner- und Hunderterzahlen,74 oder dass im Chinesischen zwischen Zahlwort und Substantiv ein Klassenbegriff eingefügt wird,75 all das entgeht ihm, was sein Studium der betreffenden Grammatiken als recht selektiv erweist. Auch bei der Ableitung femininer Motionsformen überschätzt er die Universalität der ihm vertrauten Wortbildungsstrategie. Das im Griechischen, Romanischen und Slavischen verbreitete Suffix -a, das sich in der Aussprache ganz zufällig mit dem arabisch-hebräischen Suffix -ah (aus -at) trifft, hängt er an türkische, indische und sogar indianische Ausgangsformen an: Tschileka (Balkan, 113),76 Maharadschaya,77 Winnetah (Winnetou IV, 158).

Einer eingehenden Untersuchung wären drei nominale Fügungen wert, die sich inhaltlich nahestehen, auch sprachtypologisch korreliert sind und von Karl May besonders häufig zur Bildung von Namen und Beinamen herangezogen werden: a) Phrasen aus Adjektiv und Substantiv, b) Komposita und c) Genitivkonstruktionen.78

a) Adjektive stehen im Deutschen vor dem Substantiv, in Apache und Arabisch ist es umgekehrt. Der bei Karl May häufige Typ Intschu tschuna 'Gute Sonne' ist mithin falsch,79 und statt »tajib heiwan ... mein gutes Tier« (Balkan, 110) müsste Kara Ben Nemsi ›ja- h.ajawa-n at.-t.ajjib‹ sagen: 'o Tier das-gute'. Richtig ist die Stellung in »Sallam, ia Weli el kebir el maschhur - sei gegrüßt, du großer, berühmter Heiliger« (Mahdi II, 37). Im Englischen passt zwar die Voranstellung des Adjektivs, aber May scheitert notorisch am Gebrauch des Determinators: The thick Walker (Winnetou III, 390), ›Die Both Shatters‹.80

b) In deutschen Komposita steht das determinierende vor dem determinierten Element; durch die Übertragung dieses Musters kann May im Englischen und Chinesischen81 mögliche Wörter bilden, die natürlich in der jeweiligen Sprache noch nicht lexikalisiert sein müssen. Hierzu gehören so artige Erfindungen wie Bigmouth [Großmaul] (Surehand I, 48), Greenbill (Winnetou III, 6) oder Green-beacks [Grünschnabel], Brandy-



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thiner [Schnapsverdünner] (Surehand II, 119, 130), sowie der berühmte Fowlingbull (Wüste, 320), unter dem man sich nach den Regeln des Englischen einen Stier vorstellen dürfte, der zur Vogeljagd abgerichtet ist. Auch im Apache ist der Typ Nugget-tsil (Winnetou I, 482) strukturell korrekt, während im Türkischen und Russischen Komposita nach deutschem Muster unüblich sind: Derekulibe (Skipetaren, 225; 'Tal' + 'Hütte'), Orjeltschasta82 ('Adler' + 'Dickicht').

c) Die Genitivkonstruktion des Arabischen, die er auf Schritt und Tritt verwendet, hat Karl May im Leben nicht richtig begriffen. Eigentlich sind die Regeln ganz einfach: Man stellt die beiden Substantive, die Besitz (oder Zugehöriges) und Besitzer bezeichnen, in dieser Reihenfolge hintereinander. Im Hocharabischen verändern sich durch die Zusammenstellung auch die Endungen der beteiligten Substantive, aber diese sind in der Alltagssprache weggefallen. Nur in bestimmten Fällen nimmt das erste Substantiv auch hier eine eigene Form (Status constructus) an; insbesondere wird bei Feminina, die sonst auf -ah ausgehen, ein historisch vorhandenes -t hörbar. Einen bestimmten Artikel darf nur das zweite Element bei sich haben, und es hat ihn in der Regel, wenn die Phrase als ganze bestimmten Charakter trägt. Falsch sind also El Kanz el A'da 'Der Schatz der Glieder' (Jenseits, 123) und ›el Lukme esch Scharaf‹ [Ehrenbissen] (Schut, 100), weil ein Artikel vor dem ersten Element steht; auch die doppelte Genitivphrase ›Bauwaabe el bilad esch schark‹ 'Tor der Länder des Ostens' (Friede, 15) hat einen Artikel zu viel, die Konstruktion »fohk l'ischsch el Husan el bahr ... über dem Neste eines Nilpferdes« (Sklavenkarawane, 632) gleich zwei. Richtig konstruiert ist Abu Jadd ed darb 'Vater der Hand des Schlagens' (Sklavenkarawane, 88; der arabische Name Old Shatterhands). Umgekehrt fehlt in Ibn Asl (Mahdi I, 323) und Ben Nur (Jenseits, 98) der Artikel vor dem zweiten Element; richtig konstruiert ist Abd el Fadl 'Diener der Güte' (Orangen, 190). Das Nebeneinander von Ben Nil und Abu en Nil (Mahdi I, 346) zeigt, dass Karl May sich beim Ersinnen seiner Namen eher am Wohlklang denn an der Grammatik orientierte. Falsch sind Chukuhme el Matbach [Behörde der Küche] (Silberlöwe I, 530) und noch einmal ›el Lukme esch Scharaf‹, weil die femininen Substantive die Endung -t erhalten müssten; richtig sind Dschesirat el Arab (Wüste, 275) und Kubbet el Islam (Silberlöwe III, 2), die wohl als Ganzes abgeschrieben wurden. Dieselben Regeln gelten für das Anhängen von pronominalen Suffixen. Dass dem deutschen 'mein' im Arabischen das Suffix -i- entspricht, wusste Karl May im Gegensatz zu jenen Bearbeitern, die Tifli ... »mein Kind« (Silberlöwe III, 351) zu »Tifl« emendieren.83 Falsch aber sind dem oben Gesagten zufolge »nuri esch schems ... mein Sonnenlicht« (Schut, 553),



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weil ein Substantiv nicht durch ein Possessivsuffix und ein weiteres Substantiv gleichzeitig determiniert sein kann, Sah'a el motina ... Stunde unseres Todes (Pfaden, 458), da ein Substantiv nicht gleichzeitig durch den Artikel und ein Possessivsuffix determiniert sein kann, und »hajaji ... mein Leben« (Schut, 553), weil vor dem Suffix -t erscheinen müsste. Auch die Form ›Sihdi‹ ist mit einem solchen Suffix gebildet (hocharab. sajjid-i- 'mein Herr'), kann also nicht einfach mit weiteren Substantiven kombiniert werden: Sihdi-el-salssali (Orangen, 59).84

Das arabische Muster der Juxtaposition überträgt Karl May ganz ohne Berechtigung auf das Chinesische und die Indianersprachen: ›Hio thian-ti‹ [›Studium des Himmels und der Erde‹] (Ocean, 130),85 »Tscha Manitou« [Das Ohr Gottes] (Winnetou IV, 178).86 Auch im Türkischen darf der Nukleus der Phrase nicht an erster Stelle stehen: »Mekian rahatün ile eminlikün ile huzurun« ... »Herberge zur Ruhe, Sicherheit und Bequemlichkeit« (Balkan, 427) ist also (unter anderem) im Hinblick auf die Stellung regelwidrig; die korrekte Konstruktion zeigt Su deliki [Wasserloch] (Skipetaren, 467), wörtlich 'Wasser Loch-sein'.

In Ansätzen war sich Karl May der Unterschiede im Sprachbau natürlich bewusst. Immerhin gibt es zwischen der Selbstparodie des Autors in Kapitän Frick Turnerstick87 und der Selbstapotheose im Pangloss Kara Ben Nemsi noch den Missionar Dilke, dessen Gebrauch des Chinesischen, sehr intelligent, wie folgt beschrieben wird: Er sprach nicht fließend, aber deutlich, nicht richtig, aber verständlich, und wendete den nicht sehr großen Wortschatz, den er besaß, nach den Regeln seiner heimatlichen Grammatik an. Also, um ihn ganz begreifen zu können, mußte man der englischen Sprache mächtig sein (Friede, 622). Der Autor selbst erreichte ein vergleichbares Niveau allenfalls im Französischen, laut Schmidt der Sprache, die er »noch am besten - beziehungsweise am wenigsten schlecht - beherrschte«.88 Doch auch hier macht er sich der gröbsten Anfängerfehler schuldig. Man muss nicht einmal das wirre Fragment ›Ange et Diable‹89 heranziehen: »Et comme s'appelle votre ville natale - und wie heißt Ihre Vaterstadt?« fragt Kara Ben Nemsi in ›Von Bagdad nach Stambul‹ (379).



Pragmatik


Nicht minder streng geregelt als die grammatische Struktur einer sprachlichen Äußerung, und für den Kommunikationserfolg oft ungleich wichtiger, ist ihre Handlungsfunktion im situativen Kontext: Eine falsche Flexionsendung mag der Scheik dem Fremden wohl verzeihen, eine falsche Grußformel aber kann zu Mord und Totschlag führen. Was die kulturellen Institutionen außereuropäischer Gesellschaften, ihre Wertvorstellungen und Höflichkeitsnormen sowie die landesüblichen Gesten von Macht und Unterwerfung angeht, zeichnet sich der May'sche Heros bekanntlich durch eine fast untrügliche Sicherheit aus. Ebenso infallibel handhabt er den sprachlichen Teil seiner sozialen Kompetenz: Er enthört seinem Gegenüber die verborgensten Regungen und weiß virtuos dessen Stimmung zu manipulieren; er spielt Rollen und stellt Fallen, und zu erzieheri-



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schen Zwecken balanciert er mit Vorliebe am Rande der Beleidigung entlang - in der deutschen ›Übersetzung‹ nämlich. Für das idiomatische und situationsgerechte Formulieren in fremden Sprachen, das ja die große Stärke eines Kara Ben Nemsi oder Old Shatterhand sein müsste, der seine Kenntnisse nicht in der Gelehrtenstube, sondern durch die Bewältigung einer Unzahl von Problemstellungen erworben hätte, fehlte es Karl May schlicht und einfach an Material. Hie und da ist zwar auch von pragmatischen Phänomenen die Rede - so erfährt der Leser mehrfach, dass ein kurzes Sallam! (Silberlöwe II, 489) oder »Sal-al« (Ardistan I, 416) weniger höflich ist als der volle Gruß -, aber wenn nicht eine Vorlage ganz zufällig die passende Wendung fertig lieferte, war aus den Hilfsmitteln des 19. Jahrhunderts über den tatsächlichen Gebrauch der in Abstraktion aufgelisteten Ausdrücke wenig oder gar nichts zu erfahren. Die bloße Existenz einer Form wie ›zounds‹ oder ›heigh-day‹ besagt sehr wenig: Dass Karl May nicht Englisch sprach, geht schon daraus hervor, wie seine Engländer das doch zweifelsfrei existierende Wörtlein ›Yes‹ verwenden,90 von Ausrufen wie »Insaneness!« (Kong-Kheou, 35), »My sky!« (Bagdad, 12), »Eximious incomparable!« (Surehand I, 18) ganz zu schweigen. Wo kontrastive Daten fehlen, muss sich die ganze Welt der deutschen Idiomatik bedienen: Man ruft also 'Donnerwetter!' und 'Alle Teufel!' (oder auch einmal 'Donnernde Witterung!' und 'Zweihundert Dämonen!'),91 begrüßt einander mit 'Guten Tag, meine Herren!', nämlich »Good day, Mesch'schurs!« (Winnetou I, 478), und verwendet Anredeformen wie ›Sir‹ und ›Miss‹ als genaue Entsprechungen von ›Herr‹ und ›Fräulein‹: Sir Wolpole,92 Sir Latréaumont,93 Sir Lindsay (Wüste, 320), Sir Raffley (Ocean, 417), Miß Mary (Friede, 90).

Ohne die Unterscheidung von ›Du‹ und ›Sie‹ bzw. ›Ihr‹, die aus dem deutschen Sozialleben nicht wegzudenken ist, kommt Karl May auch auf anderen Kontinenten nicht aus. Grundsätzlich hat er zwar begriffen, dass man nicht überall Nähe und Distanz notwendigerweise im Personalpronomen codiert: mich, da er arabisch sprach, wieder du nennend (Bagdad, 368),94 das Englische aber hielt er offenbar für eine Sprache, in der dies der Fall ist: Diese Männer hatten sich jedenfalls nicht erst hier auf dem Steamer zusammengefunden, denn sie nannten einander »du« (Silbersee, 2); Es versteht sich von selbst, daß wir uns jetzt nicht mehr, wie am ersten Tage unserer Bekanntschaft, ›Ihr‹ sondern ›Du‹ nannten (Winnetou III, 91); »Du bist - - bist - - bist - - Ihr seid - - - seid Old Shatterhand?« stotterte er in seinem Schulbuch-Englisch (Weihnacht, 364).95 Auch der Hobble-Frank hält ›you‹ für eine als höflich markierte Form: »Für eenen Mann, wie ich bin, gehört sich das ehrfurchtsvolle Sie, das französische Wuh oder das englische Juh« (Mustang, 127). Wie sich der Autor, zwei bis drei Jahrhunderte zu spät, die weniger distanzierte Anrede vorstellte, geht aus der Beschreibung des Umgangstons zwischen Raffley und seinem Verwandten hervor: Sie nannten sich nicht thou, sondern you (Friede, 245).96



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Auch auf das Spanische werden unbesehen die deutschen Verhältnisse übertragen: Er redete mich mit dem unbestimmten Fürworte »man« an (Satan I, 119) - das es leider gar nicht gibt. Am Río de la Plata hat man auch die zweite Person Plural: tirad, sois (Inka, 57, 102) zugunsten der Form ›ustedes‹ (›tiren‹, ›son‹) aufgegeben. Das spanische ›señor‹ wird natürlich nicht mit der 3. Person Plural konstruiert: »Stehen Sennor bereits ...« (Rio, 22); von einem Anwesenden wird man höflicherweise nicht sagen: Dieser Sennor (Rio, 53), sondern ›este caballero‹, und den Besitzer einer Estancia nennt man, wie ein Blick in jeden Gauchoroman lehrt, nicht Sennor (Rio, 188), sondern ›patrón‹. - Mit einem Wort: Von der Pragmatik einer fremden Sprachgemeinschaft hätte jeder Reisende viel Interessantes zu erzählen; ein Schreibtischtourist aber kann nicht einmal erraten, womit er sich verrät.



Sprachwissenschaft, Sprachgebrauch, Spracherwerb


Karl Mays Interesse an fremden Sprachen gilt vor allem der praktischen Polyglottizität oder, noch enger, der Akkumulation von Wortschatz. Die Begriffe ›Sprachwissenschaft‹, ›Philologie‹ und ›Linguistik‹ fallen fast nur im Zusammenhang mit Clownfiguren wie Turnerstick und Hobble-Frank, und Sprachforschung ist, wenn man die These aufstellt, dass der Karanirwan-Khan einem schwarzbärtigen Mann aus Nirwan gehört (Skipetaren, 529). Von den 184 Titeln seiner Bibliothek, die der Abteilung »Sprachen« zugeordnet werden,97 ist allenfalls ein Dutzend theoretischer Natur: der Rest besteht aus Einführungen, Grammatiken, Konversations- und Wörterbüchern, Chrestomathien und Bibelübersetzungen. Zwar konnte die Kenntnis mehrerer Sprachen auch für die akademische Sprachwissenschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die historisch-vergleichend ausgerichtet war, als Grundvoraussetzung gelten, doch ging es den damaligen Gelehrten weniger um eine praxistaugliche Kommunikationsfähigkeit in lebenden Sprachen als um die Erschließung der frühesten schriftlichen Belege mit dem Ziel, Verwandtschaftsverhältnisse zu durchschauen und Regeln für den Sprachwandel zu formulieren. Vermutlich hätte sich mancher Philologe nicht viel leichter getan als Karl May, in jenen Sprachen, deren Entwicklung er beschrieb und deren klassische Zeugnisse er kommentierte, eine flüssige Unterhaltung über alltägliche Gegenstände zu führen.98 Old Shatterhand müsste den Linguisten seiner Zeit schon durch die Beherrschung einer einzigen aus erster Hand erworbenen Indianersprache weit überlegen gewesen sein. Seine Methode (wenn es denn eine wäre), durch Feldforschung Daten über lebende Mundarten zu erheben, wurde von der junggrammatischen Dialektologie der 1870er Jahre gerade entdeckt. In der Einbeziehung anthropologischer und kultureller Beobachtungen erinnert sie auch an die Erschließung der



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Indianersprachen durch den amerikanischen Strukturalismus im 20. Jahrhundert und die kontrastive Pragmatik der Gegenwart. Doch nach linguistischer Methode oder einer wie auch immer gearteten Verarbeitung des weltweit gesammelten Materials sucht man bei Karl Mays literarischem Ich vergeblich. Von sprachwissenschaftlichen Themen im engeren Sinn ist nur in dem eingangs erwähnten Manuskript ›In der Heimath‹ die Rede: Der Professor, ein weltfremder Kauz wie fast alle studierten Fachleute in den Werken des Autodidakten May, will beweisen, »›daß die Sprache der Tamulen mit den tatarisch-finnischen Dialekten verwandt ist‹«,99 er arbeitet an einem Manuskript des Titels »›Über die synthetischen Verbindungen der Präposition chi mit Nominalstämmen der Sprache der Pokonchi-Indianer‹«100 und beschäftigt sich mit den »›schallnachahmenden Elementen der Indianersprachen‹«.101 Obgleich der Ich-Erzähler zumindest das zweite genannte Projekt »›höchst interessant‹«102 findet, seinem ehemaligen Lehrer auch bereitwillig onomatopoetisches Material liefert und eine eigene Meinung zum Ursprung der menschlichen Sprache hat,103 ist unverkennbar, dass der Autor mit diesen Forschungsthemen ein in seiner Praxisferne irrelevantes Gelehrtentum karikieren möchte.

Als aufmerksamer Leser sprach- und völkerkundlicher Literatur erweist sich Karl May durch sein Wissen um die Sprachen, die an den Schauplätzen seiner Bücher gebraucht werden. Kleinere Irrtümer hat man allerdings festgestellt: Seine Slovaken sprechen Slowenisch,104 seine Kantonesen Mandarin,105 seine Nikobaresen (Charley zuliebe) Malaiisch und Hindustani.106 Er nennt sein Serbisch arnautisch,107 verwechselt Russisch mit Polnisch,108 ist außerstande, drei spanische Wörter aneinanderzureihen, ohne ins Italienische zu verfallen,109 mischt (als Notlösung) ungehemmt Indianersprachen,110 hält auch arabische Dialekte nicht auseinander111 und hegt sehr eigenwillige Vorstellungen von der Austausch- und Kombinierbarkeit des Arabischen und Türkischen.112 Leider gibt er nirgends Beispiele für ›jenes‹ im Wilden Südwesten gebräuchliche Gemisch aus Englisch, Spanisch und ›Indianisch‹ (Oelprinz, 268; Winnetou II, 247; Satan I, 190), das ein hochinteressantes Resultat multilateralen Sprachkontakts gewesen sein muss.

Die ›gebrochene‹ Verwendung des Deutschen (bzw. der fiktiven Verkehrssprache), die viele komische und geistig tieferstehende Gestalten kennzeichnet, fabriziert Karl May recht freizügig um einen als charakteristisch empfundenen Fehlertyp herum. Interferenzen, wie er sie selbst in fremden Sprachen zuhauf beging, konnte er eben aufgrund seiner Unkenntnis der fremden Grammatik kaum realistisch simulieren.113 Das auf die Dauer hochpeinlich zu lesende Rumpfdeutsch seiner Negergestalten ist nicht mehr als eine literarische Kreation: »Massa jetzt essen viel' gut' schön' Sachen in Zimmer« (Winnetou III, 278); die durch den Apostroph hervorgehobenen Endungsverluste können im weitgehend flexionslosen Englischen keine Entsprechung haben. Bezeichnenderweise äußern sich



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grammatische Defizite von Schwarzen in kindlich-abgerissenem Massa-Gestammel, während ein Sir David auch im rudimentärsten Arabisch seinen Herrenton bewahrt (Silberlöwe III, 7ff.). »Ich sein Hahli,« antwortete der Neger in gebrochenem Arabisch (Sklavenkarawane, 522) - leider würde auch das eleganteste Arabisch diesen Satz als 'ich Hahli' bilden. Der Infinitiv, den es im Arabischen gar nicht gibt, ist für Karl May die ›gebrochene‹ Verbform par excellence. Bei ihrer Rückübersetzung ins Englische kommt, wohl durch mechanische Anlehnung an die Zitierformen eines Wörterbuches, immer der Infinitiv mit ›to‹ heraus, der im Pitchenenglisch der Chinesen ganz unnatürlich wirkt: »To want You money? I am money-exchanger; to be banker« ('Wünschen Ihr Geld?' wollte Karl May damit wiedergeben. 'Ich bin Geldwechsler, sein Bankier'); »I can not to understand ... Which money to wish You?«; »Ah, we shall to bear to Hong-kong-Hotel?« (Kong-Kheou, 51, 67). Aber was soll man sich noch über Chinesen wundern, wenn selbst Degenfeld, der als Engländer gelten (770) konnte, dolmetscht »He will to pay« (130) und der Amerikaner Rollins als Aufforderung »to unbind« verwendet (Oelprinz, 675)? Es erübrigt sich zu belegen, dass (trotz jiddischer Wortstellung114) weder das tautologische Mauscheln des Juden Silberstein noch das abenteuerliche Restidiom des Krüger-Bei die geringste Ähnlichkeit mit tatsächlich vorkommenden Varietäten des Deutschen aufweisen. Auf die Verwendung erfundener Dialekte in Mays Werken kann hier überhaupt nicht eingegangen werden.

Auf den Gipfel der Realitätsferne schwingt sich Karl Mays Wunschtraum vom perfekten Zweit- und Zwölftsprachenerwerb. Dass es viel Tüchtigkeit und Fleiß erfordern würde, sich ein paar Dutzend Sprachen anzueignen, das kann er sich vorstellen: Wieviel Arbeitsnächte wird mich das wohl gekostet haben?,115 gibt er einem jugendlichen Fan zu bedenken, und in der Aufzählung der Schwierigkeiten, die er David Lindsay in den Mund legt (Silberlöwe III, 37), spiegeln sich zweifellos die Bemühungen des Autors um die arabische Grammatik wider. Aber: »Die Sache ist sehr einfach die, daß man sich leichter in eine fremde Sprache findet, wenn man während seiner Schülerzeit einen guten philologischen Grund gelegt hat« (Ocean, 10). Daran scheint es seinen Helden nicht zu fehlen: Sie lernen gleichsam en passant die kompliziertesten Sprachen. Old Shatterhand lässt sich während einiger Herbstwochen in Winnetous Pueblo neben allerlei Wald- und Wiesenkompetenz gleich drei Apachendialekte beibringen (Winnetou I, 433);116 Degenfeld hat zwei Jahre mit einem Nachbarn Chinesisch getrieben und ist dann im Reich der Mitte allen Anforderungen gewachsen (Kong-Kheou, 2, 34). Hin und wieder muss zwar auch der Ich-Erzähler zugeben, dass er eine Sprache nicht versteht: Charley ist wegen seiner Unkenntnis des Mocoví auf den Gefährten Pena angewiesen (Cordilleren, 181, 346ff.), und ins Kurdische findet sich Kara Ben Nemsi wegen der vielfältigen Ablenkung nur nach und nach.117 Einmal erworben aber ist die Beherrschung einer fremden Sprache bei Karl



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May ein lebenslang gesicherter geistiger Besitz und so vollkommen, dass diatopische, diastratische oder diaphasische Variation, Verborgenheit des Sprechers, Flüstern, Nebengeräusche oder nervliche Anspannung kein Problem darstellen. Trotz des ständigen Überwechselns von einer Sprache in die andere und der gleichzeitigen Verfügbarkeit mehrerer eng verwandter Dialekte bleiben die Codes im Kopf des Sprechers säuberlich geschieden. Auch innerhalb der Reisegruppen, die meist aus Angehörigen ganz verschiedener Völker zusammengewürfelt sind, ergeben sich nicht die geringsten Verständigungsprobleme - ausgenommen natürlich jene Hans-Wurst-Gestalten, deren Hilflosigkeit und Selbstüberschätzung das Zungenreden der Identifikationsfiguren nur umso staunenswerter hervortreten lässt. Die Ausdrucksweise der Gefährten ist gewöhnlich hochdifferenziert, nicht selten rhetorisch geziert oder spielerisch verfeinert. Parallel zur Domestikation von Graphie und Lautung suggeriert der Text eine vollständige semantische Äquivalenz des fremdsprachigen Diskurses mit Weltbild und Sprachsystem des Deutschen: jede Äußerung ist auf Anhieb optimal und restlos übersetzbar.118 Freilich sind diese Beobachtungen nicht zu trennen von der allgemeinen Unwahrscheinlichkeit der May'schen Dialoge, in denen die Gesprächspartner zur Belehrung des Lesers fortwährend Hintergrundinformation explizieren, die für ihr Gegenüber selbstverständlich sein müsste, die Hauptperson selbst unter Zeitdruck geschraubt-abwägende Selbstrechtfertigungen liefert und die Feinde am Lagerfeuer aus Aufmerksamkeit für den Lauscher ebenso verlässlich wie unmotiviert ihre Identität und ihre geheimen Pläne rekapitulieren. Eine naturalistische Nachbildung spontaner Konversation wird ja im klassischen Roman nicht angestrebt.

Wenn jemand zwanzig Sprachen spräche und jahrelang nur in fremden Zungen redete, im Augenblick großen Schreckens oder großer Freude wird er sich seiner Muttersprache bedienen (Schut, 84) - das kennen wir. Old Shatterhand jedoch ruft im Niedersinken nach einem überraschenden Kolbenhieb »Schi motahr ho tli!«, da er dies für solche Fälle mit Winnetou verabredet hat (Weihnacht, 399). Die aktive Sprachbeherrschung des Ich-Erzählers ist so komplett, dass er sich stundenlang in der Höhle des Löwen aufhalten kann, ohne durch eine ungebräuchliche Konstruktion oder eine fremdartige Intonationskurve seine auswärtige Herkunft preiszugeben. Kara Ben Nemsi vermag in allen möglichen orientalischen Ländern für einen Einheimischen zu gelten (schon in ›Durch Wüste und Harem‹, S. 176, hält man ihn für einen Arab Dscheheïne), Old Shatterhand zumindest für einen Amerikaner oder Engländer (z. B. Satan II, 278ff.). In ›Der Kiang-lu‹119 tritt der deutsche Reisende mehrfach als Anführer chinesischer Flusspiraten auf, ohne mehr als seine fremde Kleidung rechtfertigen zu müssen, und die ganze Handlung von ›Am Rio de la Plata‹ nimmt ihren Ausgang davon, dass der Ich-Erzähler wenige Stunden nach seiner Ankunft in Montevideo mit



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einem einheimischen Offizier verwechselt wird, was natürlich nur durch den perfekten Umgang mit der Landessprache möglich ist - und in zwei Sätzen, in denen er dies dem Leser voller Demut zu verstehen gibt, begeht er prompt zwei spanische Anfängerfehler.120

Eine besonders kuriose Stelle dieser Art sei zum Ende etwas genauer betrachtet. Im zweiten Band von ›Der Mahdi‹ gibt sich Kara Ben Nemsi gegen eine Gruppe von Sklavenjägern als frommer Mudir aus. Als er in Verdacht gerät, ihr Erzfeind, der berüchtigtste aller Giaurs zu sein, muss er die sonst eher als Alkoholtest zum Einsatz kommende ›su-rat al-ka-firu-n‹ aufsagen.121 Er kennt sie natürlich, wie jeder Karl-May-Leser - aber leider, wie dieser, nur auf Deutsch:


»Im Namen des allbarmherzigen Gottes!
Sprich: O ihr Ungläubigen,
ich verehre nicht das, was ihr verehret,
und ihr verehret nicht, was ich verehre,
und ich werde auch nie verehren das, was ihr verehret,
und ihr werdet nie verehren das, was ich verehre.
Ihr habt eure Religion, und ich habe die meinige.«
(Mahdi II, 389)122


In der deutschen Uebersetzung, erläutert May, klingt diese Sure nur schwülstig; im Arabischen aber ist es noch ganz anders. Nun, einmal davon abgesehen, dass er selbst gewiss Schwülstigeres hervorgebracht hat, bleiben seine Angaben über die besonderen Schwierigkeiten der arabischen Fassung an den meisten Stellen dieser Art recht vage (Orangen, 89; Mahdi III, 161; Silberlöwe III, 53; Ardistan I, 353). Im zweiten Band des ›Mahdi‹ (387) gibt er ihrer eigenartigen Wortstellung die Schuld, dann heißt es: Die Beugung des Wortes »ihtaram« = verehren, ist da eine so eigenartige, daß es wirklich schwierig ist, die Affirmation nicht mit der Negation und die erste Person der Einzahl nicht mit der zweiten Person der Mehrzahl zu verwechseln (Mahdi II, 389). Mag es auch wie Schadenfreude aussehen - im Original klingt diese ›Sure der Prüfung‹, die bei Karl May so häufig zitiert wird, wie folgt:


bi-smi lla-hi r-rah.ma-ni r-rah.i-m
qul: ja- ?ajjuha- l-ka-firu-n,
la- ?a?budu ma- ta?budu-n,
wa-la- ?antum ?a-bidu-na ma- ?a?bud,
wa-la- ?ana- ?a-bidun ma- ?abadtum,
wa-la- ?antum ?a-bidu-na ma- ?a?bud.
la-kum di-nu-kum wa-li-ja di-n.


Die Wortstellung ist genau die zu erwartende. Zur Negation dient, eher einfacher als im Deutschen, das Wörtlein ›la-‹. Die erste Person der Ein-



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zahl und die zweite Person der Mehrzahl werden, wie im Deutschen, durch Personalpronomina und Endungen am Verb unterschieden. Die oben zitierte Übersetzung ist sogar etwas komplexer als das Original dadurch, dass sie die Verbformen der im Arabischen identischen vierten und sechsten Zeile verschieden interpretiert. Wo aber bleibt das eigenartige Wort ihtaram? Die Antwort ist: Es kommt im ganzen Koran nicht vor. Erfunden hat es Karl May nicht: ›ih.tarama‹ 'ehren, hochschätzen' ist aus derselben Wurzel gebildet wie das Lehnwort ›Harem‹. Das Verb jedoch, das in der 109. Sure durchgebeugt wird, ist ›?abada‹ 'dienen, verehren, anbeten'; jeder Leser kennt das zugehörige Substantiv ›?abd‹ 'Diener'. Karl May, der vom Motiv der Prüfungssure ganz offensichtlich fasziniert war und seinem orientalischen Alter Ego den Koran nicht nur um den Hals hängt, sondern auch (einschließlich aller Auslegungen) ins Gedächtnis trichtert, übersetzte lieber anhand eines Wörterbuches oder Sprachführers die zufällige Formulierung einer deutschen Übersetzung ins Arabische zurück, als den Koran aufzuschlagen.

Auf die Frage, ob posthume Freunde und moderne Herausgeber seiner Werke das Recht oder die Pflicht hätten, solche Missgriffe behutsam und liebevoll einzurenken und den Verewigten so Stücklein für Stücklein der Vollkommenheit entgegenzuführen,123 gibt es nur eine Antwort: Finger weg von den Originaltexten! Wohlmeinende Verbesserung der Sorte, die der schöpferisch-unbekümmerten Mittelmäßigkeit des Autors durch die sterilen Mittelmäßigkeiten unberufener Bearbeiter aufhilft, hat aus subjektiv glaubwürdigen und für die Forschung aussagekräftigen Texten ahistorische Bastarde gemacht, die nur noch die Schnittmenge von Stilgefühl und Gedankenfülle, dafür aber die Vereinigungsmenge aller Klischees der letzten hundert Jahre enthalten - in offenkundiger Missachtung von Karl Mays Forderung Der Leser soll mich so kennen lernen, wie ich bin, mit allen Fehlern und Schwächen ...124 Bekanntlich hat man in Volks- und Leseausgaben auch an den fremdsprachigen Zitaten herumgedoktert; einiges ist dadurch plausibler geworden, das meiste ist genauso falsch und inkonsistent wie immer - Mays ihtarama, das wenigstens noch ein Verb ist, wurde durch das Substantiv »ihtirâm« ersetzt.125 Ganz grundsätzlich muss der Glaube, man könne eine literarische Parawelt, die aus mythischen und märchenhaften Motiven, persönlichen Kompensationsphantasien und kulturspezifischen Stereotypen montiert ist, durch die Manipulation einzelner Elemente ›realistischer‹ oder gar überzeitlich gültig machen, als naiv bezeichnet werden. Wenn man alles, was an Zitaten, Namen, Landschaften, Entfernungen, Verhaltensweisen von Mensch und Tier, historischen Rahmenbedingungen und astronomischen Angaben in Karl Mays Geschichten realitätswidrig oder in sich widersprüchlich ist, berichtigen wollte, so käme dies einer völligen Auflösung der Texte gleich. Der dankbare Leser ist mit ›Intschu tschuna‹ völlig zufrieden; dem an Hintergründen Interessierten kann ein separater Kommentar, ohne den ein Text aus dem 19. Jahrhundert heute



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ohnehin nicht mehr verständlich ist, sagen, dass ›dzhi?gonaa'áí-&#x01F9zhó?‹126 richtiger gewesen wäre. Wer sich zum Verfassen von Abenteuergeschichten berufen fühlt, mag dies unter seinem eigenen Namen tun. Und wem Shakespeare weniger teuer wird, weil er Böhmen ans Meer verlegt, dem ist ohnehin nicht zu helfen.127



Fazit


Die Masse der Zitate in den Texten, die Zusammensetzung seiner Bibliothek, mancherlei Vokabellisten und Übungsblätter daneben128 sowie indirekt auch die zentrale Rolle der übermenschlichen Polyglottizität im pseudologischen Ich-Konstrukt der 1890er Jahre129 bezeugen ein aufrichtiges und lebenslanges Interesse Karl Mays an fremden Sprachen und eine ungewöhnliche Empfänglichkeit für ihren ästhetischen Reiz. Sein Verständnis bleibt jedoch so oberflächlich, dass er beim aktiven Formulieren höchstens zufällig einmal grammatisch mögliche Strukturen zuwege bringt, idiomatisch und pragmatisch adäquate Äußerungen aber so gut wie nie. Weit davon entfernt, in den vielbeschworenen ›Geist‹ anderer Sprachen einzutauchen, oktroyiert er dem Material oft auch ganz unbesorgt um grammatische Richtigkeit seine persönliche Vorstellung von Wohlklang auf. Es hat auf diesem Niveau keinen Sinn, von Sprachkenntnissen zu sprechen,130 und für die Authentizitätsillusion der Reiseerzählungen ist kein Verstoß gegen irdische Wahrscheinlichkeiten so unmittelbar letal wie die hanebüchene Fehlerhaftigkeit der meisten fremdsprachigen Belege. Ein gewisses Leseverständnis darf man Karl May wohl für das Englische und Französische zugestehen: Rund 55 englische und zehn französische Titel in seiner Bibliothek lassen sich kaum allein durch treuherzige Geschenke oder Käufe der Selbstüberschätzung erklären.131 Von einem amateurlinguistischen Ansatz, also von selbständigem Sammeln und Klassifizieren sprachlicher Daten, einer kritisch-systematischen Rezeption des vorgefundenen Materials oder auch nur dem wissenschaftlichen Grundbedürfnis nach Ordnung kann keine Rede sein. Obgleich wenig darauf hindeutet, dass Karl Mays Stärke gerade im Bereich des analytischen Denkens gelegen habe, wird man die Schuld für den Misserfolg seiner Bemühungen weniger in mangelnder Intelligenz als in seiner psychischen Instabilität und seiner kümmerlichen Ausbildung suchen. Solide Latein- und Griechischkenntnisse waren im 19. Jahrhundert nicht nur das Eintrittsbillet zur höheren Bildung: Sie lieferten auch das intellektuelle Instrumentarium und das selbstverständliche Bezugssystem aller grammatischen Reflexion.132 Für das Erlernen moderner Fremdsprachen fehlten May in den aufnahmefähigsten Jahren geeignete Vorbilder.133 Später, als er über weitreichende gesellschaftliche Kontakte verfügte, hatte er sich bereits so existentiell in seine Shatterhand-Lüge verstrickt, dass er sich vor den Leuten



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verstecken musste, von denen er hätte lernen können. Der wirtschaftlich begründete Produktionszwang und ein bestenfalls journalistisches Verhältnis zur Wahrheit ließen es zu ernsthaften Recherchen für seine literarischen Projekte nicht kommen, und die wild ausgreifende Ansiedelung seiner Geschichten in so vielen verschiedenen und so gänzlich heterogenen Kulturräumen schloss auch einen allmählichen Lernfortschritt, wie er sich durch vertiefende Wiederholung fast unvermeidlich einzustellen pflegt, praktisch aus. In der öffentlichen Präsentation selbstgebastelter türkischer oder arabischer Texte äußert sich eine entwaffnende Mischung von Naivität und Frechheit, die an die phantastischen Betrugsdelikte seiner verlängerten Jugend erinnert. Hätte er jemals in systematischer Weise und mit realistischer Zielsetzung eine einzige, vielleicht gar nicht-indogermanische Fremdsprache studiert, so könnte ihm nicht entgangen sein, welche gedanklichen Umwälzungen der Eintritt in ein anderes Weltmodell mit sich bringt, wie grundlegend die strukturellen Unterschiede auf allen Ebenen sind und an wie vielen Punkten Fehler und Interferenzen drohen - kurz: was es eigentlich bedeutet, eine Sprache zu sprechen. Doch seine Begeisterung für das Fremde, mit dessen Andersartigkeit sich nicht ernsthaft auseinanderzusetzen vermag, wer nicht bereit ist, die eigene Position radikal in Frage zu stellen, blieb eurozentrischer Exotismus, oberflächliches Dekorieren des geistigen Heims mit Arabesken und Chinoiserien, vergleichbar der heute modisch-grassierenden Verwechslung von Buddhismus mit Räucherstäbchen. Karl May hortete Dutzende von Lehrbüchern, deren jedes für sich ihm bei gründlicher Lektüre gründliche Unterweisung geboten hätte, und entnahm all seinen Quellen doch nur wahllos Splitter, die er irgendwo gutgläubig verwertete, ohne je zu einem Überblick zu gelangen. Das materielle Bereitstellen immer neuer Hilfsmittel mutet wie eine traurige Ersatzhandlung für das aus Mangel an Zeit und Disziplin nie verwirklichte Studium an. Noch in den Jahren nach seiner großen Orientreise erwarb er sprachkundliche Literatur, darunter allein sieben neue Einführungen ins Englische: Ausdruck sicherlich eines schmerzlich geweiteten Horizonts und des Wunsches, das ›eigentliche‹ Werk nun endlich auf einem seriöseren Fundament zu errichten. Tatsächlich geht er im Spätwerk mit den verbleibenden Fremdsprachen, wenn nicht nennenswert richtiger, so doch weniger verwegen um.

In seiner Autobiographie erwähnt Karl May ein Kräutterbuch, das die Namen der aufgeführten Pflanzen französisch, englisch, russisch, böhmisch, italienisch und sogar arabisch verzeichnete, und fügt hinzu: was später besonders mir ganz außerordentlich vorwärts half.134 Der Nachsatz klingt wie ein trotziges Rezidiv in die Globetrotter-Pose, ist aber (wie diese) nicht völlig aus der Luft gegriffen. Arabisch hat der junge May aus seiner botanischen Liste gewiss nicht gelernt, und die Vorstellung, dass ein paar vertrocknete Kräuternamen eine wertvolle Grundlage für ein späteres Sprachenstudium abgeben könnten, ist, wenn sie nicht von seinem Va-



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ter stammt, doch desselben würdig. Ohne weiteres denkbar ist aber eine frühe Anregung des entsprechenden Bildungs v e r l a n g e n s , und wer weiß, ob nicht infolge solcher Eindrücke von krauser Ehrwürdigkeit im Kopf des Ernstthaler Proletarierkindes erstmals das Traumreich surrealer Wunscherfüllung mit der geographischen Ferne assoziiert wurde. Weltfremd und märchenbuchartig blieb zeitlebens Mays Verhältnis zu den Sprachen der Länder, die er erst als greiser Tourist oder gar nie betrat. Wie er durch Auswahl, Mischung und Verlagerung der Landschaften, Motive, Menschentypen, die er in Reiseberichten beschrieben fand, neue Bilder von rein subjektiver Richtigkeit hervorbrachte, so planlos, so sehnsüchtig und so fruchtbar bemächtigte sich seine geistige Bedürftigkeit auch der Wort- und Gedankenwelt außereuropäischer Kulturen. Indem er, ohne wirklich zu lernen, in der Klausur seines Arbeitszimmers mit der Grammatik des Arabischen, Türkischen, Chinesischen rang, Wort für Wort die Ausrufe seiner Romangestalten zusammenstückelte und dabei fünf Sechstel der Strukturen aus seinem nie relativierten sächsischen Gefühl ergänzte, wurden diese Sprachen sein Eigentum nicht anders als der Henrystutzen, die Haddedihn oder der Wilde Westen, die alle ihr Vorbild in der Realität haben, aber in Karl Mays Texten nur nach Karl Mays Gesetzen funktionieren. Dass die Sprachen, in denen er mit kindlicher Einfalt dilettierte, nicht nur in Büchern existieren, sondern unter Millionen von Menschen in lebendigem Gebrauch stehen, dass man seinem Endolekt Fakten von draußen entgegenhalten könnte, dieser Gedanke scheint ihm lange Zeit merkwürdig fern gelegen zu haben. Vor Sprechern des Mescalero mochte er sich in Radebeul leidlich sicher dünken; Arabisch aber war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wahrlich kein esoterisches Geheimwissen mehr, und ratlos steht man vor der Frage, was sich Karl May dabei dachte, wenn er englische Sätze fabrizierte wie: »Yes, yes!« nickte Mr. Shower vergnügt. »This executership is an extra ordinary delightful!«135 - »Der Dichter beherrschte diese Sprache fließend«?136 Allenfalls im Heraklit'schen Sinne.

Misst man Karl May an jenen Lichtgestalten, die er uns im Sumpf gebar, so kann nur ein riesiges Minus herauskommen - aber gegen Kara Ben Nemsi müssten, fürchte ich, die meisten von uns in den meisten Disziplinen zurückstehen. May hat sich nur sehr mühsam und schwankend über die Niederungen seiner Herkunft erhoben. Als Denker und Wissenschaftler war er niemals satisfaktionsfähig; der eigentliche intellektuelle Diskurs seiner Zeit ist völlig an ihm vorübergegangen, und am Bild seiner linguistischen Ignoranz gibt es nicht viel zu rütteln. Wer immer sich jedoch näher mit diesem im mehrfachen Sinne ›gebrochenen‹ Leben befasst, dem wird die schiere Kraft seines Widerstandes gegen die Realität, die Sehnsucht nach Vervollkommnung mit ganz unzureichenden Mitteln, das anachronistische Streben nach einer Erkenntnis, die alle Einzelinformation übersteigt (und damit von allzu fleißigem Detailstudium dispen-



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siert), bemerkenswert erscheinen, tragisch vielleicht, auf verschrobene Art gar ›groß‹ - anrührend auf jeden Fall. Wenn ich ... mich bemühte, auf sprachlichem Wege die Seele der Völker, über die ich schreibe, zu studieren, so wird dies jeder achtbar denkende Mann als Fleiß bezeichnen:137 so ist es. Die ganz unnötige Entblößung seiner Ahnungslosigkeit in den Texten verrät neben viel Selbstüberschätzung ebensoviel Liebe zur Sache, und wir können nur ahnen, welche subjektive Leistung ihm selbst ein so mangelhafter Einblick in die Diversität und Komplexität menschlichen Sprechens und Denkens abforderte. »A very famous pleasure«138 - ›ein ganz famoses Vergnügen‹, und ›berühmt‹ dazu - war es jedenfalls für ihn.



Für den alten Karl-May-Leser Peter Schlichtherle und den zukünftigen Karl-May-Leser Julian Schleburg.




1 »›Darf ich bitten, mir zu sagen, was Sie eigentlich sind?‹ ›Linguist‹, antwortete ich, da ich in den Augen des Professors für einen solchen galt.« (Karl May's Gesammelte Werke Bd. 79: Old Shatterhand in der Heimat und andere Erzählungen aus der Werkstatt. Bamberg/Radebeul 1997, S. 29); die vom ›Hausschatz‹-Redakteur gestrichene Episode ›In der Heimath‹ kann immer noch nur unter Vorbehalt angeführt werden: Der Bamberger Erstdruck des Manuskripts wurde in Orthographie und Zeichensetzung modernisiert und »im Interesse des breiten Publikums« (ebd., S. 18) wieder einmal stilistisch verfälscht. Auch enthält der Text sachliche Fehler, die man Karl May nicht ohne weiteres zutrauen würde: Sollte er nicht imstande gewesen sein, aus einem gedruckten Buch zum Sanskrit die Wörter ›Parasmaipada‹ und ›A-tmanepada‹ abzuschreiben? S. 26 steht »Paramaipada« und »Akmanepada«. War er wirklich so achtlos, dass ihm ausgerechnet in einer Bravourstelle zur Harmonielehre (ebd., S. 109) eine enharmonische Vertauschung von Des-Dur (statt Ces-Dur) mit H-Dur unterlief?
2 Auf die Bände der zwischen 1892 und 1910 erschienenen Freiburger Ausgabe ›Gesammelte Reiseromane‹ (ab Bd. XVIII: ›Gesammelte Reiseerzählungen‹), Reprint Bamberg 1982-1984, wird in diesem Aufsatz wegen der Vielzahl der Belege mit Kurztitel und Seitenzahl verwiesen.
Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. I: Durch Wüste und Harem. Freiburg 1892 (Kurztitel: Wüste)
Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. II: Durchs wilde Kurdistan. Freiburg 1892 (Kurztitel: Kurdistan)
Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. III: Von Bagdad nach Stambul. Freiburg 1892 (Kurztitel: Bagdad)
Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. IV: In den Schluchten des Balkan. Freiburg 1892 (Kurztitel: Balkan)
Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. V: Durch das Land der Skipetaren. Freiburg 1892 (Kurztitel: Skipetaren)
Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. VI: Der Schut. Freiburg 1892 (Kurztitel: Schut)
Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. VII: Winnetou der Rote Gentleman I. Freiburg 1893 (Kurztitel: Winnetou I)
Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. VIII: Winnetou der Rote Gentleman II. Freiburg 1893 (Kurztitel: Winnetou II)



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Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. IX: Winnetou der Rote Gentleman III. Freiburg 1893 (Kurztitel: Winnetou III)
Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. X: Orangen und Datteln. Freiburg 1894 (Kurztitel: Orangen)
Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. XI: Am Stillen Ocean. Freiburg 1894 (Kurztitel: Ocean)
Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. XII: Am Rio de la Plata. Freiburg 1894 (Kurztitel: Rio)
Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. XIII: In den Cordilleren. Freiburg 1894 (Kurztitel: Cordilleren)
Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. XIV: Old Surehand I. Freiburg 1894 (Kurztitel: Surehand I)
Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. XV: Old Surehand II. Freiburg 1895 (Kurztitel: Surehand II)
Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. XVI: Im Lande des Mahdi I. Freiburg 1896 (Kurztitel: Mahdi I)
Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. XVII: Im Lande des Mahdi II. Freiburg 1896 (Kurztitel: Mahdi II)
Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XVIII: Im Lande des Mahdi III. Freiburg 1896 (Kurztitel: Mahdi III)
Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XIX: Old Surehand III. Freiburg 1896 (Kurztitel: Surehand III)
Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XX: Satan und Ischariot I. Freiburg 1897 (Kurztitel: Satan I)
Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXI: Satan und Ischariot II. Freiburg 1897 (Kurztitel: Satan II)
Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXII: Satan und Ischariot III. Freiburg 1897 (Kurztitel: Satan III)
Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXIII: Auf fremden Pfaden. Freiburg 1897 (Kurztitel: Pfaden)
Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXIV: »Weihnacht!«. Freiburg 1897 (Kurztitel: Weihnacht)
Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXV: Am Jenseits. Freiburg 1899 (Kurztitel: Jenseits)
Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXVI: Im Reiche des silbernen Löwen I. Freiburg 1898 (Kurztitel: Silberlöwe I)
Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXVII: Im Reiche des silbernen Löwen II. Freiburg 1898 (Kurztitel: Silberlöwe II)
Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXVIII: Im Reiche des silbernen Löwen III. Freiburg 1902 (Kurztitel: Silberlöwe III)
Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXIX: Im Reiche des silbernen Löwen IV. Freiburg 1903 (Kurztitel: Silberlöwe IV)
Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXX: Und Friede auf Erden! Freiburg 1904 (Kurztitel: Friede)
Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXXI: Ardistan und Dschinnistan I. Freiburg 1909 (Kurztitel: Ardistan I)
Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXXII: Ardistan und Dschinnistan II. Freiburg 1909 (Kurztitel: Ardistan II)
Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXXIII: Winnetou IV. Freiburg 1910 (Kurztitel: Winnetou IV)
3 Ähnlich heikel sind allenfalls Mays astronomische Angaben. Der Ich-Erzähler ist bekanntlich imstande, durch einen kurzen Blick zum Himmel unter stillschweigender Einbeziehung von Jahreszeit und geographischer Position aufs exakteste die Uhrzeit zu bestimmen. Gleichzeitig ermangelt jedoch der Verfas-



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ser selbst der grundlegendsten Kenntnisse der Himmelsmechanik: Wie bereits Arno Schmidt bemerkt, geht in Karl Mays Welt der zunehmende Mond grundsätzlich am Abend oder gar nach Mitternacht auf (Arno Schmidt: Sitara und der Weg dorthin: Eine Studie über Wesen, Werk & Wirkung Karl May's. Zürich 1993 (Bargfelder Ausgabe. Werkgruppe III. Band 2), S. 247f.). Wer sich in Karl Mays Namen ob dieser Häme grämte, könnte Schmidt im Gegenzuge darauf hinweisen, dass der Tageswechsel der Julianischen Datumsrechnung nicht um 0 Uhr Mitteleuropäischer Zeit stattfindet (Arno Schmidt: Die Abenteuer der Sylvesternacht. In: Kaff auch Mare Crisium. Ländliche Erzählungen. Zürich 1987 (Bargfelder Ausgabe. Werkgruppe I. Band 3), S. 462).
4 Interessant ist der Fall des Polnischen, das der Ich-Erzähler in ›Im Reiche des silbernen Löwen I‹ (wie Anm. 2, S. 544) nicht zu sprechen behauptet, obgleich er imstande ist, unverächtliche polnische Ausrufe wie Niegrzecznos'c'! (ebd., S. 507; 'Ungezogenheit') zu registrieren. Übrigens belauscht und versteht der Erzähler in ›Der Brodnik‹ polnische Gespräche mit der üblichen Leichtigkeit (z. B. Am Stillen Ocean, wie Anm. 2, S. 344, 377). Ähnlich protokolliert Kara Ben Nemsi in ›Durch Wüste und Harem‹ (wie Anm. 2, S. 563) Anreden in zwei kurdischen Dialekten, die er erst im späteren Verlauf der Handlung lernt, und Old Shatterhand in ›Winnetou I‹ (wie Anm. 2, S. 309) einen Apache-Satz, den er noch gar nicht verstehen kann.
5 Laut einem berühmt gewordenen Brief, abgedruckt in Klaus-Peter Heuer: Dr. Carl Jung, ein Freund Karl Mays im Rheingau. In: Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft (M-KMG) 75/1988, S. 15. Die genaue Zahl der Sprachen ist nicht zu ermitteln, da einige Sunda-Idiome zusammengefasst werden und unsicher bleibt, ob Lappländisch mitgezählt werden soll.
6 Pressebericht zitiert bei Claus Roxin: »Dr. Karl May, genannt Old Shatterhand«. Zum Bild Karl Mays in der Epoche seiner späten Reiseerzählungen. In: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft (Jb-KMG) 1974. Hamburg 1973, S. 25.
7 Erich Heinemann: Ijar und Yussuf el Kürkdschü. Joseph Kürschner, Karl May und der Deutsche Literaturkalender. In: Jb-KMG 1976. Hamburg 1976, S. 200
8 »Er selber habe bloß behauptet, daß er so viel von diesen [indianischen] Sprachen beherrsche, wie er für seine Bücher brauche.« (Rudolf Beissel: »Und ich halte Herrn May für einen Dichter ...« Erinnerungen an Karl Mays letzten Prozeß in Berlin. In: Jb-KMG 1970. Hamburg 1970, S. 24)
9 Karl May: Mein Leben und Streben. Freiburg o. J. (1910), S. 113; Reprint Hildesheim/New York 1975. Hrsg. von Hainer Plaul; ders.: An den Dresdner Anzeiger. In: Jb-KMG 1972/73. Hamburg 1972, S. 139
10 Klara May: Old Shatterhand und Buffalo Bill. In: Karl-May-Jahrbuch (KMJB) 1918. Breslau 1918, S. 203
11 Euchar Albrecht Schmid: Karl May's Tod und Nachlaß. In: Karl May's Gesammelte Werke Bd. 34: »Ich«. Radebeul 1916, S. 544f., vgl. auch S. 554. - Heermanns Frage, wie sich Karl May mit seinem arabischen Begleiter verständigt habe, findet ihre Antwort in den von Wollschläger und Bartsch gesammelten Materialien zur Orientreise: Sejd Hassan sprach Deutsch (Christian Heermann: Neue Aspekte und offene Fragen der Karl-May-Biographie. In: Jb-KMG 1990. Husum 1990, S. 137; Hans Wollschläger/Ekkehard Bartsch: Karl Mays Orientreise 1899/1900. Dokumentation. In: Jb-KMG 1971. Hamburg 1971, S. 183, zum 2. Oktober 1899). Vgl. auch Hans Wollschläger: Karl May. Grundriß eines gebrochenen Lebens. Interpretation zu Persönlichkeit und Werk. Kritik. Hrsg. von Klaus Hoffmann (Kapitel »Weltreisen«. Glanz und Elend einer biographischen Legende). Dresden 1989, S. 354f.
12 »Statt einer schlüssigen Antwort schälte sich das offene Problem heraus, über welche aktiven Sprachkenntnisse May überhaupt verfügte.« (Heermann, wie Anm. 11, S. 138) - »Im übrigen gibt es, was Mays tatsächliche Sprachkenntnisse



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betrifft, durchaus noch offene Fragen.« (Hermann Wohlgschaft: Große Karl May Biographie. Leben und Werk. Paderborn 1994, S. 335, Anm. 42)
13 Walther Ilmer: Lack-a-day? By Jove! In: M-KMG 20/1974, S. 28; nüchterner urteilt Jürgen Pinnow: Fremdsprachliche Angaben Karl Mays aus Osteuropa, Nord-, Zentral- und Südasien (Indien, Ceylon). Sonderheft der Karl-May-Gesellschaft (S-KMG) Nr. 89/90/1992, S. 6, Heft 1.
14 Selbst für die fiktionale Einkleidung höherer Wahrheiten erschien ihm dies (im Rückblick) erstrebenswert: Diesen Erzählungen wirkliche Reisen zugrunde zu legen, war nicht absolut notwendig; sie sollten ja doch nur Gleichnisse und nur Märchen sein ... . Trotzdem aber waren Reisen wünschenswert, zu Studienzwecken, um die verschiedenen Milieus kennen zu lernen, in denen meine Gestalten sich zu bewegen hatten. Vor allem galt es, sich tüchtig vorzubereiten, Erdkunde, Völkerkunde, Sprachkunde treiben (May: Mein Leben und Streben, wie Anm. 9, S. 139).
15 Jürgen Pinnow: Indianersprachen bei Karl May. Zwei Abhandlungen. S-KMG Nr. 69/1987; ders.: Aus der Geisteswelt der Apachen und Navaho + Indianersprachen bei Karl May II. S-KMG Nr. 74/1988, S. 32-41; ders.: Fremdsprachliche Angaben, wie Anm. 13
16 Walter Schinzel-Lang: Fundierte Kenntnisse oder phantasievolle Ahnungslosigkeit? Die Verwendung der chinesischen Sprache durch Karl May. In: Jb-KMG 1991. Husum 1991, S. 287-323 (mit einer Typologie der Fehler auf S. 300); ders.: Karl Mays chinesische Vokabelliste - ein Kommentar. In: Jb-KMG 1997. Husum 1997, S. 72-101
17 Helmut Lieblang: »Sieh diese Darb, Sihdi ...« Karl May auf den Spuren des Grafen d'Escayrac de Lauture. In: Jb-KMG 1996. Husum 1996, S. 132-204; ders.: »Der Inhaber dieses Buiruldu ...« Alfred Edmund Brehms Orient in Karl Mays Frühwerk. In: Jb-KMG 1997. Husum 1997, S. 232-271; ders.: »... Ben Nemsi, Nachkomme der Deutschen ...« Karl May und Gerhard Rohlfs. Analog und disparat. In: Jb-KMG 1998. Husum 1998, S. 293-304; ders.: Im Schatten des Großherrn. Karl May, Charles Didier, von der Berswordt. In: Jb-KMG 1999. Husum 1999, S. 270-296
18 Einzelanalysen bieten Patricia Casey Sutcliffe: A Treasure of Hidden Language Varieties and Their Meaning in Karl May's Popular Novel ›Der Schatz im Silbersee‹. In: Neophilologus 82/1998, S. 589-606; Hans-Walter Schmidt-Hannisa: »Kang-keng-king-kung-kong.« Sprachexotismus und Multilingualismus in Karl Mays ›Der blau-rote Methusalem‹. In: Ostasienrezeption zwischen Klischee und Innovation. Zur Begegnung zwischen Ost und West um 1900. Hrsg. von Walter Gebhard. München 2000, S. 305-328.
19 In den Wild-West-Erzählungen macht sich dieser Stilzug wesentlich später und sparsamer bemerkbar als in Texten mit anderen Schauplätzen; vgl. Werner Poppe: »Winnetou«. Ein Name und seine Quellen. In: Jb-KMG 1972/73. Hamburg 1972, S. 251f. Eine Auflistung der indianischen Ausdrücke in den frühen Erzählungen gibt Jürgen Pinnow: Neues zu Inn-nu-woh, Winnetou und anderen indianischen Eigennamen aus dem Frühwerk Karl Mays. S-KMG Nr. 95/1993, S. 52.
20 Karl May: Das Vermächtnis des Inka. In: Der Gute Kamerad. 6. Jg. (1891/92), S. 393; Reprint der Karl-May-Gesellschaft. Hamburg 1988; weiterhin zitiert mit dem Kurztitel Inka und Seitenzahl. Fortan werden Fußnoten aus dem Originaltext nach dem jeweiligen Wort kursiv in eckigen Klammern angeführt.
21 Zur wechselnden Methode der Erläuterung vgl. Wolfgang Hammer: Karl Mays Gebrauch von Fußnoten. In: M-KMG 108/1996, S. 8-13.
22 Karl May: Der schwarze Mustang. In: Der Gute Kamerad. 11. Jg. (1896/97), S. 72; Reprint der Karl-May-Gesellschaft 1991; weiterhin zitiert mit dem Kurztitel Mustang und Seitenzahl.



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23 Karl May: Winnetou. Eine Reiseerinnerung. In: Omnibus. Illustrirtes Wochenblatt. 17. Jg. (1878), S. 479; Reprint in: Karl May: Der Krumir. Seltene Originaltexte Bd. 1. Hrsg. von Herbert Meier. Hamburg 1985; nicht richtiger ist die Form Policemans an der Parallelstelle (Karl May: Aus der Mappe eines Vielgereisten. Nr. 1. Inn-nu-woh, der Indianerhäuptling. In: Deutsches Familienblatt. 1. Jg. (1875/76), S. 8; Reprint in: Old Firehand. Seltene Originaltexte Bd. 3. Hrsg. von Ruprecht Gammler. Hamburg 2003).
24 Karl May: Der Oelprinz. In: Der Gute Kamerad. 8. Jg. (1893/94), S. 18; Reprint der Karl-May-Gesellschaft. Hamburg 1990; weiterhin zitiert mit dem Kurztitel Oelprinz und Seitenzahl.
25 In dem Ausruf »Woe to me! Louses! Lice!« (Der Schut, wie Anm. 2, S. 377) gebraucht auch der Engländer Lindsay eine falsche und eine richtige Pluralform nebeneinander.
26 Karl May: Christ ist erstanden! In: Benziger's Marien-Kalender. 1894. Reprint in: Christus oder Muhammed. Marienkalender-Geschichten von Karl May. Hrsg. von Herbert Meier. Hamburg 1979, S. 156
27 Vgl. Helmuth Christmann: Bemerkungen zu Mays Serbisch. In: M-KMG 72/1987, S. 26; Pinnow: Fremdsprachliche Angaben, wie Anm. 13, S. 35f., Heft 1; von dem Vorwurf, eine falsche Herleitung konstruiert zu haben, wird Karl May durch seine Unkenntnis der beteiligten Sprachen und der etymologischen Methodik natürlich dispensiert.
28 Recht sinnlos doziert er beispielsweise: Dieser Name wird auch Muhammed, Mohammad und Muhammad geschrieben, und aus Ehrfurcht vor dem Propheten wagt es nie ein Gläubiger, ihn in dieser Fassung zu tragen; das Wort wird dann meist in Mehemmed verwandelt (Von Bagdad nach Stambul, wie Anm. 2, S. 3; heißt nicht der Begleiter des Erzählers Mohammed Emin?); Dieses Wort darf nicht Mahdi, sondern es muß Ma'dijj geschrieben werden; es kommt von dem arabischen Verbum hahdaja her (Im Lande des Mahdi II, wie Anm. 2, S. 104; Quelle zitiert bei Bernhard Kosciuszko: »In meiner Heimat gibt es Bücher ...« Die Quellen der Sudanromane Karl Mays. In: Jb-KMG 1981. Hamburg 1981, S. 80); Dieses letztere Wort ist der [!] Indianersprache entlehnt; die beiden Buchstaben a u bilden keinen Diphthong, sondern werden getrennt ausgesprochen; man muß also Ga-utscho sagen (Das Vermächtnis des Inka, wie Anm. 20, S. 117f.; Anregung durch Delacour, zitiert bei Bernhard Kosciuszko: »Man darf das Gute nehmen, wo man es findet« Eine Quellenstudie zu Karl Mays Südamerika-Romanen. In: Jb-KMG 1979. Hamburg 1979, S. 177).
29 Quelle zitiert bei Lieblang: »Der Inhaber«, wie Anm. 17, S. 243f.
30 Karl May: Der Schatz im Silbersee. In: Der Gute Kamerad. 5. Jg. (1890/91), S. 634; Reprint der Karl-May-Gesellschaft. Hamburg 1987; weiterhin zitiert mit dem Kurztitel Silbersee und Seitenzahl. Zur Stelle vgl. Sutcliffe, wie Anm. 18, S. 602.
31 Siehe Walther Ilmer: Ein Strauß May-Kuriosa. In: Walther Ilmer/Annelotte Pielenz: »Kaum merklich geändert« oder Wie »original« sind Radebeuler Ausgaben? S-KMG Nr. 4/1976, S. 34; Helmut Schmiedt: Karl May. Studien zu Leben, Werk und Wirkung eines Erfolgsschriftstellers. Frankfurt a. M. 21987, S. 202; siehe auch unten den Abschnitt zur Pragmatik.
32 »Ich habe gesehen Bent es Sebira, die schönste Tochter deines Stammes« (Orangen und Datteln, wie Anm. 2, S. 236); »... möge dieser Trank sein Ma el Furkan für Saadis el Chabir, den Sohn der Beni Dedmaka!« (Ebd., S. 247); »Winnetou wird geben dem Manne mit den roten Haaren auch rotes Metall!« (Old Surehand II, S. 136); »Winnetou ist gewesen hinter ihrem Rücken« (ebd., S. 146)
33 Vgl. Sutcliffe, wie Anm. 18, S. 599f.
34 Außer den hier genannten lassen sich bei Anwendung bestimmter literaturtheoretischer Ansätze natürlich viele weitere Aspekte beibringen. Gert Ueding



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3 zieht beispielsweise eine Parallele zwischen Textstruktur und Inhalt des Kolportageromans: »[Fremdsprachige Wörter und Wendungen] zersetzen die Sprache, indem sie sie durchsetzen, bringen die Satzfolge so in Unordnung, wie der Abenteurer die gesellschaftliche Ordnung verunsichert« (Gert Ueding: Glanzvolles Elend. Versuch über Kitsch und Kolportage. Frankfurt 1973, S. 203). - Arno Schmidt spricht von einer »Anfälligkeit für verblasene Eigennamen und wohltönend=sinnlose Wortsalate« und sieht, ganz im Einklang mit seiner Etym-Theorie, in der Verwendung fremdsprachiger Ausdrücke das »dumpf=allgegenwärtige Tarnungsbedürfnis MAY'S« am Werk (Schmidt: Sitara, wie Anm. 3, S. 176). - Vgl. grundsätzlich zur Verwendung von Fremdsprachen in der Literatur András Horn: Ästhethische Funktionen der Sprachmischung in der Literatur. In: Arcadia 16/1981, S. 225-241; Paul Goetsch: Fremdsprachen in der Literatur. Ein typologischer Überblick. In: Dialekte und Fremdsprachen in der Literatur. Hrsg. von Paul Goetsch. Tübingen 1987, S. 43-68.
35 Brief an Gustav Jäger vom 9. 8. 1894; zitiert bei Hans Wollschläger: Karl May. Grundriß eines gebrochenen Lebens. Zürich 1976, S. 84.
36 Wagner sah gerade in ›Babel und Bibel‹ einen Beweis für Mays Arabischkenntnisse (Heinrich Wagner: Karl May und seine Werke. Eine kritische Studie. Passau 1906, S. 20; wieder abgedruckt in: Für und wider Karl May. Aus des Dichters schwersten Jahren. Hrsg. von Siegfried Augustin. Materialien zur Karl-May-Forschung Bd. 16. Ubstadt 1995). Nun bieten die zitierten Gebete und das symbolische Namensmaterial geringe Möglichkeiten, mit grammatischen Kenntnissen zu brillieren, doch ist festzuhalten, dass selbst so zentrale Phrasen wie Abú Kitál (arab. ?abu- l-qita-l 'Vater des Kampfes') und Bén Tesálah (arab. ?ibn at-tasa-luh. 'Sohn der Versöhnung') typische Konstruktionsfehler enthalten (Karl May: Babel und Bibel. Arabische Fantasia in zwei Akten. Freiburg 1906, S. 11); siehe dazu den Abschnitt Morphologie und Syntax. (Die waagrechten Striche über den Vokalbuchstaben, die Karl May in seinem Drama zur Kennzeichnung betonter Silben verwendet, werden hier, um Verwechslungen mit Längenstrichen zu vermeiden, durch den Akut wiedergegeben.)
37 Es ist bemerkenswert, dass May den jambischen Wortfluss, in dem der Name zum ersten Mal erscheint, nicht durch eine trockene Fußnote stört, sondern die Erläuterung zu Beginn des zweiten Absatzes nachreicht. Vermutlich wurde ihm das Problem der Betonung, die ihm sonst keine Anmerkung wert ist, gerade durch den poetischen Duktus des vorangegangenen Satzes bewusst.
38 Karl May: Der Zauberteppich. In: KMJB 1923. Radebeul 1922, S. 12-16
39 Die Lektüre Karl Mays wird immer wieder als Anregung für die spätere Wahl eines sprach- oder völkerkundlichen Berufes genannt; vgl. Claus Roxin: Einführung. In: Karl May: Giölgeda padis'hanün/Reise-Abenteuer in Kurdistan. In: Deutscher Hausschatz. VII./VIII. Jg. (1880-82); Reprint der Karl-May-Gesellschaft. Hamburg/Regensburg 1977, S. 3.
40 Vgl. Gerhard Neumann: »Ich spreche überhaupt alle Sprachen, wie Ihr von früherher wißt«. Die Kunst des Anfangs in Karl Mays Romanen. In: Jb-MKG 1993. Husum 1993, S. 160.
41 Eine hervorragende Stellung nimmt in diesem Punkte Herr Dr. Franz Sättler alias Musallam aus Prag ein, welcher sich, sollte es angesichts seines nachmaligen Wirkens als Vordenker des ›Adonismus‹ noch einer Disqualifikation seines Realitätssinnes bedürfen, durch das Geständnis desavouiert, Karl Mays orientalische Sprachkenntnisse seien ihm »allezeit ein Gegenstand aufrichtiger Bewunderung gewesen« (Gutachten zitiert bei E. A. Schmid, wie Anm. 11, S. 555).
42 May: Christ ist erstanden, wie Anm. 26, S. 153
43 Der Ausmerzung entgehen manchmal Akzentzeichen, Apostroph und Trema, die Setzern wie Lesern offenbar in geringer Dosis zugemutet werden konnten. Da jedoch ihre Bedeutung nirgends erläutert wird und ihr Gebrauch ganz spo-



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3 radisch bleibt, dienen sie in Formen wie »Aguan ute nshó« (Winnetou III, wie Anm. 2, S. 390; ute ist Druckfehler für ›nte‹), Ed d'em b'ed d'em (Durch Wüste und Harem, wie Anm. 2, S. 75) oder »Leïlkum saaïde« (Von Bagdad nach Stambul, wie Anm. 2, S. 188) eher einer spielerischen Verfremdung der Oberfläche als der linguistischen Korrektheit.
44 T. E. Lawrence, der nun wirklich mit dem gesprochenen Arabisch vertraut war, machte aus der Inkonsequenz ein Prinzip: »Arabic names won't go into English, exactly, for their consonants are not the same as ours, and their vowels, like ours, vary from district to district. (...) I spell my names anyhow, to show what rot the systems are«. Die launigen Antworten, die er seinem Verleger erteilte, als dieser ihn auf uneinheitliche Schreibungen in der Druckvorlage hinwies, sind berühmt geworden: »Slip 20. Nuri, Emir of the Ruwalla, belongs to the ›chief family of the Rualla‹. On Slip 23 ›Rualla horse‹, and Slip 38, ›killed one Rueli‹. In all later slips ›Rualla‹.« - »Should have also used Ruwala and Ruala« (zitiert im Vorwort von A. W. Lawrence zu T. E. Lawrence: Seven Pillars of Wisdom. A Triumph. New York 1991, S. 21).
45 May: Babel und Bibel, wie Anm. 36, S. 16
46 Hans Wollschläger: Der »Besitzer von vielen Beuteln«. Lese-Notizen zu Karl Mays ›Am Jenseits‹ (Materialien zu einer Charakteranalyse II). In: Jb-KMG 1974. Hamburg 1973, S. 159
47 Karl May: Die Sklavenkarawane. In: Der Gute Kamerad. 4. Jg. (1889/90), S. 197; Reprint der Karl-May-Gesellschaft. Hamburg 1984; weiterhin zitiert mit dem Kurztitel Sklavenkarawane und Seitenzahl.
48 Inkorrekt ist die Länge in Menzîl (Im Reiche des silbernen Löwen II, wie Anm. 2, S. 42; arab. manzil). In Mieloslaw (Am Stillen Ocean, wie Anm. 2, S. 358) kommt sogar gegen die Orthographie einer lateinschriftlichen Sprache das deutsche (ie( als Längenzeichen zum Einsatz (poln. Miloslaw).
49 Die Form Ssulh erscheint als Aufschrift eines Schildes in der Zeitschriftenfassung des Textes (Karl May: Der 'Mir von Dschinnistan. In: Deutscher Hausschatz. XXXV. Jg. (1909), S. 708; Reprint der Karl-May-Gesellschaft. Hamburg 21997; gestrichen in Ardistan und Dschinnistan II, wie Anm. 2, S. 361).
50 Die Enträtselung des chiffrierten Briefes in ›Durch das Land der Skipetaren‹ (wie Anm. 2, S. 523) macht diese Hintergründe relevant. Jürgen Pinnow beobachtet richtig, dass die Verwechslung der arabischen Buchstaben für m und w trotz oberflächlicher Ähnlichkeit der Grundform aufgrund ihrer unterschiedlichen Verbindungsregeln unwahrscheinlich ist (Pinnow: Fremdsprachliche Angaben, wie Anm. 13, S. 90, Heft 2). Noch grundsätzlicher wäre zu bemerken, dass sich die arabische Schrift sehr schlecht für polyglotte Spielereien eignet; die Vokale von Fremdwörtern werden nicht mit den von Karl May erwähnten ›Hareket‹, sondern durch ›Plene-Schreibung‹, also unterstützende Konsonantenbuchstaben wiedergegeben. Aber natürlich handelt es sich bei dem Geheimcode der Schut-Bande auch innerhalb der fiktiven Welt um eine Privaterfindung, die als solche nicht unmöglich ist.
51 Der Imam hatte sie [die Namen der Koransuren] nicht genau nach dem Buche des Propheten, sondern nach seinem eigenen Dialekte eingeschnitten ... (Sklavenkarawane, wie Anm. 47, S. 651)
52 Wollschläger/Bartsch, wie Anm. 11, S. 201 (10. Juni 1900)
53 Ebd., S. 169 (unter 22. April 1899); hätte sich May den einfachen Schriftzug von einem Einheimischen vor- oder ausführen lassen, so hätte er sicher erfahren, dass 'Sohn des Nils' ›?ibn an-ni-l‹ heißt. Die Kurzform ›Ben‹ (arab. bn), die er in fröhlicher Abwechslung mit ›Ibn‹ verwendet (vgl. den Namen Hadschi Halef Omar ...), kann nur in Apposition zu einem vorausgehenden Namen stehen.
54 Schinzel-Lang: Fundierte Kenntnisse, wie Anm. 16, S. 291; Schinzel-Lang: Vokabelliste, wie Anm. 16, S. 73f.



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55 Schinzel-Lang: Fundierte Kenntnisse, wie Anm. 16, S. 294
56 Karl May: May gegen Mamroth. Antwort an die »Frankfurter Zeitung«. In: Jb-KMG 1974. Hamburg 1973, S. 140
57 Karl May: Kong-Kheou, das Ehrenwort. In: Der Gute Kamerad. 3. Jg. (1888/89), S. 148; Reprint der Karl-May-Gesellschaft. Hamburg 1984; weiterhin zitiert mit dem Kurztitel Kong-Kheou und Seitenzahl.
58 Schinzel-Lang: Fundierte Kenntnisse, wie Anm. 16, S. 299
59 Zit. nach Heuer, wie Anm. 5; Karl May war in diesem Punkt allerdings selbst nicht konsequent: In ›Der Oelprinz‹ (wie Anm. 24, S. 492) reimt Hobble-Frank »Winnetou« auf »aber nu«.
60 Pinnow: Indianersprachen II, wie Anm. 15, S. 35
61 Schinzel-Lang: Fundierte Kenntnisse, wie Anm. 16, S. 306f.
62 May: Inn-nu-woh, wie Anm. 23, S. 11
63 Diese komplexen Phrasen kann der Autor nur in Übersetzung zitieren, da sie in die deutsche Syntax kaum zu integrieren sind und die Bildung eines vollständigen englischen Satzgefüges ihn überfordert hätte.
64 »›Ja abana iledsi fi ssemavati jaba haddeso smoka‹« (Sklavenkarawane, wie Anm. 47, S. 214); »Ja abana 'Iledsi fi' s-semevati jata haddeso 'smoka -« (Orangen und Datteln, wie Anm. 2, S. 195); »Ja abana 'Iledsi, fi 's - semavati, jata - - haddeso 'smoka« (Durch Wüste und Harem, wie Anm. 2, S. 7). Das Komma nach dem Relativpronomen ('o Vater-unser der, im Himmel') vererbt sich noch auf den Epigonen (Franz Kandolf: In Mekka. Bamberg, 284. Tsd., S. 25). Karl Mays Quelle ist zitiert bei Rudi Schweikert: Eins, zwei, drei: »Welch eine Überraschung! Das war ja das Vater unser!« Ein artistischer Trick Karl Mays: Nachschlagen und erzählen. Vom Beten und Zählen in fremden Zungen. In: die horen 178/1995, S. 45-52. Bereits der Artikel des ›Pierer‹ enthält Fehler: In der arabischen Zeile steht ›samawa-t_i‹ statt ›sama-wa-ti‹ (beim zweiten a fehlt die Kennzeichnung für die Länge; der letzte Konsonant ist ein ›t_a-?‹ statt eines ›&ta-?), und anstelle von »'Iledsi« und »jata-haddeso« waren sicher »'lledsi« und »jatakaddeso« gemeint (ebd., S. 52). ›Jataqaddasu‹ 'wird geheiligt' ist eine zusammengehörige Verbform; aus dem sinnlosen Bindestrich wird bei Karl May ein Wortabstand. Übrigens betet man gewöhnlich ›li-jataqaddasi‹ 'werde geheiligt'.
65 ... so begann es sein ›Ja abana Iledsi‹, das Vater unser, laut herzusagen (Orangen und Datteln, wie Anm. 2, S. 208; arab. ›ja- ?aba--na- llad_i-‹ entspricht 'o Vater-unser, der'); und als er »haddeso smoka« sagte (Sklavenkarawane, wie Anm. 47, S. 214; entspräche ungefähr '...rde dein Name').
66 Vgl. Wolfgang Hammer: Alfred Brehm als Quelle für Mays Arabisch. In: M-KMG 101/1994, S. 19; Pinnow: Fremdsprachliche Angaben, wie Anm. 13, S. 84, Heft 2. Gelegentlich heißt es sogar Allah illa Allah (Durchs wilde Kurdistan, wie Anm. 2, S. 154).
67 Die Entschuldigung grammatischer Fehler durch den Verweis auf mysteriöse ›Dialekte‹ (z. B. Wagner: Karl May und seine Werke, wie Anm. 36, S. 20) beruht auf der verfehlten Ansicht, der Dialekt sei eine primitivere Abart oder eine regellose Verfallsform der Standardsprache. Die mit dem Begriff verbundene Abwertung hat auch eine absurde Unterschätzung der von Karl May meist als Indianerdialekte bezeichneten nordamerikanischen Sprachen zur Folge. Zum ›Slang‹ vgl. Wollschläger: Karl May, wie Anm. 11, S. 354f.
68 »Ni ti salkhi lariat akaya - hänge Diesen mit dem Lasso da hinauf!« (Karl May: Waldröschen oder Die Rächerjagd rund um die Erde. Dresden 1882-84, S. 1829; Reprint Leipzig 1988f.); vgl. Pinnow: Indianersprachen, wie Anm. 15, S. 12.
69 Christmann, wie Anm. 27, S. 26; Pinnow: Fremdsprachliche Angaben, wie Anm. 13, S. 35, Heft 1



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70 Estad atento (Das Vermächtnis des Inka, wie Anm. 20, S. 58), Quedad sentado (ebd., S. 72)
71 Jürgen Pinnow: Fremdsprachliche Angaben Karl Mays aus dem orientalischen Raum. In: M-KMG 83/1990, S. 41f.; eine Vorlage für Karl Mays Türkisch ist angeführt bei Lieblang: Im Schatten des Großherrn, wie Anm. 17, S. 287-291.
72 »Bin defa schükr weririz, ben we kyz kardaschim, odada ateschda durmak olan - wir danken euch tausendmal, ich und meine Schwester, welche drin am Feuer steht!« (Der Schut, wie Anm. 2, S. 487)
73 »Bin scheïtanlar - tausend Teufel« (Durch das Land der Skipetaren, wie Anm. 2, S. 454); »... ileri icki bin ademler tahminen ... ungefähr zweitausend Schritte weit.« (Ebd., S. 146)
74 »Gewiß über dreihundert Amtahr« [Meter] (Im Reiche des silbernen Löwen II, wie Anm. 2, S. 198)
75 Schinzel-Lang: Fundierte Kenntnisse, wie Anm. 16, S. 311
76 Pinnow: Fremdsprachliche Angaben, wie Anm. 13, S. 36, Heft 1
77 Karl May: Deutsche Herzen, deutsche Helden. Dresden 1885-87, S. 2609; Reprint Bamberg 1976; vgl. Pinnow: Fremdsprachliche Angaben, wie Anm. 13, S. 66, Heft 1.
78 Karl May besaß die Abhandlung Hammer-Purgstalls über die Namen der Araber und mag daraus Anregungen zur freien Erfindung zusammengesetzter Beinamen bezogen haben; von dem dort aufgeführten Material hat er offenbar keinen Gebrauch gemacht (Joseph von Hammer-Purgstall: Ueber die Namen der Araber. In: Denkschriften der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-historische Classe. Bd. 3. Wien 1852, S. 1-72).
79 Pinnow: Indianersprachen, wie Anm. 15, S. 5-7, 47
80 Karl May: Die Both Shatters. In: Für alle Welt. 5. Jg. (1881), S. 838; Reprint in: May: Old Firehand, wie Anm. 23; in der gleichen Erzählung erscheinen, korrekt konstruiert, The two Sams (S. 838, 850).
81 Beispiele gibt Schinzel-Lang: Fundierte Kenntnisse, wie Anm. 16, S. 311ff.
82 May: Deutsche Herzen, deutsche Helden, wie Anm. 77, S. 1595; vgl. Pinnow: Fremdsprachliche Angaben, wie Anm. 13, S. 21, Heft 1.
83 Karl May's Gesammelte Werke Bd. 28: Im Reiche des silbernen Löwen. Bamberg, 360. Tsd., S. 313
84 Anregung durch Brehm; zitiert bei Lieblang: »Der Inhaber«, wie Anm. 17, S. 245.
85 Vgl. Schinzel-Lang: Fundierte Kenntnisse, wie Anm. 16, S. 310.
86 Pinnow: Indianersprachen, wie Anm. 15, S. 46f.
87 Zur linguistischen Selbstparodie siehe Heinz Stolte: Narren, Clowns und Harlekine. Komik und Humor bei Karl May. In: Jb-KMG 1982. Husum 1982, S. 50f.
88 Schmidt: Sitara, wie Anm. 3, S. 28 - Karl Mays Statement ›Sur le rapprochement Franco-Allemand‹ (abgedruckt in: Jb-KMG 1970. Hamburg 1970, S. 156f.) ist eine Übersetzung aus dem Deutschen (vgl. Karl May's Gesammelte Werke Bd. 81: Abdahn Effendi. Bamberg/Radebeul 2000, S. 454-456). Mays Bearbeitung von ›Le Coureur des Bois‹ basiert auf einer deutschen Übersetzung (Hedwig Pauler: Bearbeitung: Gabriel Ferrys »Der Waldläufer«. In: Karl-May-Handbuch. Hrsg. von Gert Ueding in Zusammenarbeit mit Klaus Rettner. 2. erweiterte und bearbeitete Ausgabe. Würzburg 2001, S. 433-435).
89 Karl May: Hinter den Mauern und andere Fragmente aus der Haftzeit. In: Jb-KMG 1971. Hamburg 1971, S. 128f.
90 »Well! Werde meinen alten shoot-stick mitnehmen. All right! Bin David Lindsay! Mache keinen Spaß! Yes!« (Von Bagdad nach Stambul, wie Anm. 2, S. 122) - zu Mays Benutzung englischer Wörterbücher und Sprachführer siehe jetzt auch: Hans Grunert: Karl Mays Bibliothek in Zahlen. Zweiter Teil. In: Der Beobachter an der Elbe. Nr. 3/2004, S. 15-17.



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91 Englisch: Tempest (Oelprinz, wie Anm. 24, S. 143), Thunder-storm (Old Surehand III, wie Anm. 2, S. 233), All thunders (Old Surehand I, wie Anm. 2, S. 443), All lightnings, All devils (Schatz im Silbersee, wie Anm. 30, S. 114, 3), Thousand devils (Winnetou I, wie Anm. 2, S. 612); Spanisch: Tempestad, Tiempo tonitroso, Todos demonios (Das Vermächtnis des Inka, wie Anm. 20, S. 100, 394, 31); Arabisch: Kull ru'ud, Kull' Schejatin (Im Lande des Mahdi III, wie Anm. 2, S. 225, 183); Hausmacher-Persisch: Dusad diwwan (Von Bagdad nach Stambul, wie Anm. 2, S. 219); Polnisch: Burza z piorunami, Trzaskawica (ebd., S. 277, 282)
92 Karl May: Ein Abenteuer auf Ceylon. In: Frohe Stunden. 2. Jg. (1877/78), S. 238; Reprint der Karl-May-Gesellschaft. Hamburg 2000
93 Karl May: Tui Fanua. Ein Abenteuer auf den Samoa-Inseln. In: Für alle Welt. 5. Jg. (1881), S. 204; Reprint in: May: Old Firehand, wie Anm. 23
94 Dennoch verwendet Karl May das deutsche ›Sie‹ auch bei der Wiedergabe arabischer Konversation, etwa beim Gespräch zwischen Kara Ben Nemsi und Ali dem Buchhändler in ›In den Schluchten des Balkan‹ (wie Anm. 2, S. 98ff.), das als besonders höflich charakterisiert wird. Und in ›Die Sklavenkarawane‹ (wie Anm. 47, S. 46) ruft der Slovake, der mit dem ›Vater der vier Augen‹ bislang arabisch gesprochen hat: »Ein Ra-is et tibb! Und ich habe dich du genannt!«
95 Weitere Beispiele mit Auswertung bei Karl Otto Sauberbeck: Name und Anrede - Schema und Bild. Die vielseitige Verwendung einiger Darstellungsmittel bei Karl May. In: Jb-KMG 1997. Husum 1997, S. 217-223
96 Dieser Fehler wurde Karl May von Marie Silling im ›Dresdner Anzeiger‹ vorgehalten. Er entgegnete, die Gegenüberstellung der beiden Anredepronomina geschehe in einer höchst wichtigen, psychologischen Absicht, was durchaus sein mag, aber nichts daran ändert, dass er hier und anderswo von falschen Voraussetzungen ausgeht (May: Dresdner Anzeiger, wie Anm. 9, S. 126).
97 Franz Kandolf/Adalbert Stütz/Max Baumann: Karl Mays Bücherei. In: KMJB 1931. Radebeul o. J., S. 235-245
98 Noch 1935 bekannte der angesehene Romanist Victor Klemperer in seinem Tagebuch: »Ich bin so qualvoll hilflos. Weil ich ein Neuphilologe bin, der keine Fremdsprache spricht. Mein Französisch ist vollkommen eingerostet, ich habe Angst, auch nur einen Satz zu schreiben oder zu sprechen. Mit meinem Italienisch war es nie weit her. Und gar erst mit meinem Spanisch.« (Victor Klemperer: Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten. Tagebücher 1933-1941. Hrsg. von Walter Nowojski unter Mitarbeit von Hadwig Klemperer. Berlin 1995, S. 180 unter 7. Februar 1935)
99 May: Old Shatterhand in der Heimat, wie Anm. 1, S. 27
100 Ebd., S. 36
101 Ebd., S. 61
102 Ebd., S. 36
103 »›Ich bin kein Anhänger der sogenannten Ding-Dong-Theorie.‹« (Ebd., S. 65)
104 »Dann aber bist du wohl kein Magyar, sondern ein Slowak ...« »Sprichst du ungarisch? Ich bin auch des Slowenischen mächtig.« (Sklavenkarawane, wie Anm. 47, S. 44f.); vgl. auch Pinnow: Fremdsprachliche Angaben, wie Anm. 13, S. 29f., Heft 1. Im selben Roman steht mehrfach die Form ›slowakisch‹ (ebd., S. 46, 60, 576), und Karl Mays Ausdrucksweise, obgleich inkonsequent, muss nicht so falsch gemeint sein, wie sie heute klingt: immerhin lautet das slovakische Wort für 'slovakisch' ›slovensk?‹.
105 Schinzel-Lang: Fundierte Kenntnisse, wie Anm. 16, S. 295f.
106 Pinnow: Fremdsprachliche Angaben Karl Mays aus dem orientalischen Raum, wie Anm. 71, S. 45
107 »Tschit-i, ker, werujem, ti szi szlep - sei still, Hund! Ich glaube, du bist vollständig blind!« antwortete ich ihm arnautisch (Durchs wilde Kurdistan, wie Anm. 2, S. 135); vgl. Pinnow: Fremdsprachliche Angaben, wie Anm. 13, S. 37f., Heft 1;



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3 Michael Schmidt-Neke: Von Arnauten und Skipetaren. Albanien und die Albaner bei Karl May. In: Jb-KMG 1994. Husum 1994, S. 265.
108 Pinnow: Fremdsprachliche Angaben, wie Anm. 13, S. 13ff., Heft 1
109 Gitani; »Santa madre de dìo« (Karl May: Der Gitano. Ein Abenteuer unter den Carlisten. In: Der Beobachter an der Elbe. 2. Jg. (1875), S. 823; Reprint der Karl-May-Gesellschaft. Hamburg 1996); Sennor der Capitano de Caballeria (Winnetou II, wie Anm. 2, S. 233f.), »per todos los santos« (Winnetou III, wie Anm. 2, S. 127), »Santa madonna de la cruz!« (Am Rio de la Plata, wie Anm. 2, S. 65), Per dios (Old Surehand II, wie Anm. 2, S. 87), Monte impenetrabile (In den Cordilleren, wie Anm. 2, S. 157; mit der spanischen Bedeutung von ›monte‹ 'Wald' und der italienischen Form des Adjektivs), Tempesta neben Tempestad (Das Vermächtnis des Inka, wie Anm. 20, S. 592, 100). Phantasieformen sind Diabolo (Am Rio de la Plata, wie Anm. 2, S. 241), Gracia a deo und Zingarietta (Der Gitano, wie oben, S. 827, 828). Dieselbe Verwirrung herrscht im ›Waldröschen‹, wo man einander »Addio, Sennor!« zuruft und fortwährend den nicht existierenden Titel Contezza gebraucht (Waldröschen, wie Anm. 68, S. 33, 5); vgl. Werner Poppe: Und nochmals: Llano Estacado. In: M-KMG 24/1975, S. 34.
110 Pinnow: Indianersprachen, wie Anm. 15, S. 13f.
111 Häufig treten beispielsweise ägyptische Formen auf, ohne dass dies durch den Aufenthalt in Ägypten oder die Gegenwart von Ägyptern gerechtfertigt wäre: Higara (Im Lande des Mahdi III, wie Anm. 2, S. 288), Jom el Guma (Am Jenseits, wie Anm. 2, S. 101), Gedd (Im Reiche des silbernen Löwen I, wie Anm. 2, S. 411); vgl. auch Lieblang: »... Ben Nemsi«, wie Anm. 17, S. 294f.
112 In arabischen Konversationen fallen ohne ersichtlichen Grund türkische Wörter: Jeni dünja (Sklavenkarawane, wie Anm. 47, S. 88), Büjüdschih (Am Jenseits, wie Anm. 2, S. 195), Dawa wekeli (Im Reiche des silbernen Löwen III, wie Anm. 2, S. 129). Es ist anzunehmen, dass May viele Begriffe, die er nicht aus dem Wörterbuch, sondern aus landeskundlichen Werken abschrieb, gar nicht der richtigen Sprache zuzuordnen vermochte. Tatsächlich ergeben sich Überschneidungen im Wortschatz durch den starken arabischen Einfluss auf das Türkische im Bereich von Religion und Wissenschaft und die osmanische Herrschaft über Teile der arabischen Welt.
113 Eine Ausnahme sind vielleicht die nachgestellten Possessivpronomina des ›Vaters der elf Haare‹ (z. B. Sklavenkarawane, wie Anm. 47, S. 46), die immerhin an die ungarische Suffigierung erinnern; allerdings stellt der Sprecher gegen die Regeln dieser Sprache auch attributive Adjektive nach (z. B. ebd., S. 383).
114 Die Rechtsverlagerung von Verbkomplementen entspricht den Regeln der jiddischen Syntax: »Hat man auch Ihnen gegeben festes Engagement und gesagt die Mitteilung, welcher Art wird sein Ihre berufliche Thätigkeit?« (Satan und Ischariot I, wie Anm. 2, S. 43)
115 Zit. nach Heuer, wie Anm. 5, S. 15.
116 Da diese Sprachen untereinander sehr verwandt sind und keinen großen Wortschatz besitzen, so ging es auch mit diesen Uebungen schnell vorwärts (Winnetou I, wie Anm. 2, S. 433); zu diesem Irrtum vgl. Pinnow: Indianersprachen, wie Anm. 15, S. 16.
117 Dieser Lernprozess und die zunächst nur unzureichende Beherrschung des Kurdischen spielen für die Handlung keine Rolle, werden aber für punktuelle Effekte genutzt, z. B.: Ich mußte dabei den Dolmetscher machen, gestehe aber gern, daß mir bei dieser Arbeit der Schweiß in hellen Tropfen von der Stirne schoß. Meine Kenntnis des Kurdischen war gering, und das Arabische wurde ebenso wie das Türkische in einem Dialekt gesprochen, bei dem ich die Bedeutung der Worte und der Wortverbindungen mehr erraten als verstehen mußte. Dies gab Veranlassung zu zahlreichen Verwechslungen und Verdrehungen, über welche trotz aller unserer Würde lebhaft gelacht wurde (Durchs wilde Kurdistan, wie Anm. 2, S. 431).



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118 Vgl. Schmidt-Hannisa, wie Anm. 18, S. 327f.
119 Karl May: Der Kiang-lu. In: May: Am Stillen Ocean, wie Anm. 2, S. 67-318
120 »Dazu kam dann Ihre Aussprache des Spanischen, welcher man es nicht anhört, daß Sie ein Fremder, ein Alemano sind« (Am Rio de la Plata, wie Anm. 2, S. 11); ... hatte ich mich nach und nach in die Lenguage Española finden müssen (ebd., S. 12). - Zu Karl Mays Spanisch vgl. Christoph Rodiek: Komparatistische Anmerkungen zum Corrida-Motiv im »Vermächtnis des Inka«. In: M-KMG 59/1984, S. 16, Anm. 3.
121 Vgl. Lieblang: »Sieh diese Darb«, wie Anm. 17, S. 186.
122 Wegen der besseren Vergleichsmöglichkeit mit der Transliteration ist die Sure hier nicht, wie bei May, in fortlaufendem Text wiedergegeben.
123 »Diese Bearbeitung verträgt der Text« (Ilmer: Lack-a-day, wie Anm. 13, S. 28). Differenzierter argumentiert Pinnow: Indianersprachen, wie Anm. 15, S. 17, und ders.: Fremdsprachliche Angaben, wie Anm. 13, S. 6f., Heft 1.
124 May: Mein Leben und Streben, wie Anm. 9, S. 234
125 Karl May's Gesammelte Werke Bd. 17: Der Mahdi. Bamberg, 876. Tsd., S. 332
126 Pinnow: Indianersprachen, wie Anm. 15, S. 9
127 Zu weit geht die Texttreue, wenn noch die moderne Sekundärliteratur die Regelverstöße des Autors weiterverbreitet (z. B. »Sir Lindsay« bei Hermann Wiegmann: Werkartikel ›Der Orientzyklus‹. In: Karl-May-Handbuch, wie Anm. 88, S. 156, 158, 160).
128 Schinzel-Lang: Vokabelliste, wie Anm. 16; Wollschläger erwähnt Übungsblätter zum Altpersischen und Assyrischen (Hans Wollschläger: Arno Schmidt und Karl May. In: Jb-KMG 1990. Husum 1990, S. 16).
129 Roxin: »Dr. Karl May«, wie Anm. 6, S. 20ff.
130 »[Mays Englischkenntnisse] waren ›grauslich‹ - aber er besaß sie!« schreibt Karl Guntermann: Zum Thema: Frühreisen. In: M-KMG 4/1970, S. 24 - aber wie grauslich muss eine Kenntnis sein, damit man sagen kann, sie sei nicht vorhanden?
131 Zur Vorsicht mahnt allerdings Wollschlägers Hinweis, in der Bestandsliste seien zum Teil deutsche Übersetzungen unter dem Originaltitel aufgeführt (Klara May: Die Lieblingsschriftsteller Karl Mays. Mit Anmerkungen von Hans Wollschläger. In: Jb-KMG 1970. Hamburg 1970, S. 154, Anm. 8).
132 Seiner Autobiographie zufolge bekam May in jungen Jahren eine lateinische Grammatik vom Kantor geliehen (May: Mein Leben und Streben, wie Anm. 9, S. 68). In seine Werke ist das Lateinische nur in Form skurriler Wortschatzetüden eingeflossen. Die Tiraden des freilich als lächerlich dargestellten Dr. Morgenstern verraten einige Unsicherheit im Hinblick auf Wortbedeutungen und Wortarten: »... wie Sie zu einem Urteile gelangen, welches völlig unbegründet ist, inaniter würde der Lateiner sagen«; »Darauf können Sie sich verlassen, lateinisch durch fidus ausgedrückt« (Das Vermächtnis des Inka, wie Anm. 20, S. 102, 227).
133 May erzählt, er habe mit den Kindern einiger Ernstthaler Familien, die nach Amerika auszuwandern planten, Englisch gelernt; wer der Lehrer war, wird nicht erwähnt (May: Mein Leben und Streben, wie Anm. 9, S. 69). - Die seiner Heimatregion geographisch nächstliegende Fremdsprache, das Tschechische, kommt in seinen Texten kaum vor; überhaupt legte er auf die Kenntnis slavischer Sprachen in seiner eigenen Aufzählung (Heuer, wie Anm. 5) keinen Wert. Pinnow vermutet, dass er »durch slovakische Zigeuner (...) einiges Slovakisch und Sinti (Zigeunerisch) aufschnappte« (Pinnow: Fremdsprachliche Angaben, wie Anm. 13, S. 28, Heft 1), doch die Sammlung der Belegstellen zeigt, dass er nicht einmal so recht wusste, wie man östlich der Grenze 'Auf Wiedersehen!' und 'Geh zum Teufel!' sagt.
134 May: Mein Leben und Streben, wie Anm. 9, S. 28

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135 Karl May: Ein Phi-Phob. In: Der Gute Kamerad. 1. Jg. (1887), S. 313; Reprint in: May: Der schwarze Mustang, wie Anm. 22, S. 254; die für Mays Stil typische Reduktion einer prädikativ gebrauchten Nominalphrase auf den Artikel und das (im Deutschen flektierte) Adjektiv ist unverkennbar.
136 E. A. Schmid, wie Anm. 11, S. 544
137 May: Dresdner Anzeiger, wie Anm. 9, S. 139
138 May: Ein Phi-Phob, wie Anm. 135





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