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Ralf Schönbach

"Zu einem guten Kartenleser gehört schon Etwas..."1

Die Quellen der Balkan-Romane Karl Mays


Quellenstudien weisen in erster Linie auf benutzte Vorbilder hin, können aber darüber hinaus auch Aufschluß über die Intention des Autors geben, indem sie die Art und Weise, in der Quellen verwendet wurden, offenlegen.2 Bis jetzt waren weder ethnographische noch historische Quellen für Mays Balkan-Romane bekannt.3 Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es daher, einen ersten Überblick über die benutzten Vorbilder zu geben.

   Grundlage dafür ist die Bibliothek Mays, soweit sie nach einem sechzig Jahre alten Verzeichnis bekannt ist.4 Dagegen wäre einzuwenden, daß dieses Verzeichnis nicht vollständig ist, daß auf Bestreben der Witwe Klara May eine Reihe von Bänden aussortiert wurde und daß May schließlich nicht auch alles besessen haben muß, was er benutzte.5 Deshalb sei schon jetzt zu dem letzten Punkt als ein Ergebnis der Untersuchung vorweggenommen, daß May in der Regel die Bücher und Zeitschriften auch besaß, die er verwendete. Für die nicht aufgeklärten Textstellen ist anzunehmen, daß ihre Quellen sich in Bänden befinden, die von ihrem Inhalt her nicht als mögliche Vorlage einschätzbar sind.

   Nach der Durchsicht der ausgewählten Literatur per Fernleihe konnten bei einem Besuch in Bamberg die meisten Bände nach Anstreichungen untersucht werden, wodurch bis dahin gewonnene Ergebnisse bestätigt wurden. Demnach ergeben sich drei Gruppen von Büchern: solche, die sich schon vom Inhalt her ausschließen lassen6, solche, die May nicht benutzt hat7, und als dritte Gruppe die von May benutzten oder eingesehenen Bände.8

I. Die Reiseroute

Von Adrianopel9 (in Thrakien, auch heute noch Türkei) bis Skutari (heute Albanien), an der Straße von Otranto zwischen adriatischem und ionischem Meer gelegen, reisen Kara Ben Nemsi und seine Gefährten ziemlich gerade zwischen dem 41. und 42. Breitengrad. Schon Franz Kandolf hatte behauptet, daß May sich für die Balkan-Bände allein auf die "Karte von Handt-



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ke [Handtke], 'Karte der Balkanländer', herausgegeben bei Flemming 1880"10 gestützt habe. In anderen Werken folgte May gewöhnlich einer Reiseroute, die er in einer Vorlage fand.11 Kandolfs These kann als bestätigt gelten, denn es konnte kein Werk aufgefunden werden, das als Quelle für die gewählte Route hätte dienen können. Dagegen läßt Mays Text selbst nur allzu oft den Kartenleser erkennen.

   Zwischen Maden und Topoklu gelangt Kara Ben Nemsi "in ein Dorf, in welchem es ein Han gab" (DH XII 212; R1 248; IV 290). Obwohl dieses Gasthaus für mehrere Seiten Schauplatz des Geschehens ist, erfährt der Leser nicht den Namen des Dorfes. Mays Karte kennt auch kein Dorf zwischen diesen Orten. May war sich offenbar bewußt, daß er die Glaubwürdigkeit seiner Erzählung beeinträchtigte, wenn er etwa einen Namen erfunden hätte. Andererseits konnte er davon ausgehen, daß es genügend Dörfer gab, die nicht auf der Karte verzeichnet waren.

   In Ismilan antwortet Kara Ben Nemsi auf die Frage, wie weit es noch bis Menlik sei: "Ungefähr fünfundzwanzig türkische Aghatsch oder fünfzehn deutsche Meilen; ich meine in der Luftlinie." (DH XII 231; R1 255; IV 321) Und an anderer Stelle bemerkt der Erzähler: "Von da, wo wir uns jetzt befanden, bis zur Meeresküste beträgt die Luftlinie kaum über fünfzehn deutsche Meilen." (DH XIV 563; R2 219; VI 80) Mit dem Lineal lassen sich diese Angaben auf der Karte bestätigen.

   "Rumelia schien größer als Guriler zu sein." (DH XIV 515; R2 189; V 549) Ein Blick auf die Karte bestätigt die Aussage. Oder: "Hier ritten wir durch einige kleine Dörfer. Der größte und bedeutendste Ort dieser Ebene, Banja, blieb links von uns liegen." (DH XIV 529; R2 200; VI 3) Die Karte weist weit und breit keinen anderen Ort aus, folglich konnte May annehmen, daß Banja der bedeutendste sei, ohne daß er dazu einer anderen Quelle bedurfte.

   Zu Beginn der Erzählung Durch das Land der Skipetaren benützt May seine Kartenkenntnis, um die 'Authentizität' seiner Schilderungen hervorzuheben:

Die unter dem Scepter des Sultans befindlichen Länder gehören zu denjenigen, in welchen der Reisende [...] sehr oft erfährt, daß die Karten [...] nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmen.

   Zu einem guten Kartenleser gehört schon Etwas; aber selbst ein solcher findet sich gar oft in größter Verlegenheit, wenn er den Fehler begeht, sich der wahrheitswidrigen Zeichnung anzuvertrauen.


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   Da ist zum Beispiel auf vielen Karten eine Doppellinie verzeichnet, welche von dem alten, berühmten Seres nordwärts nach Demir-Hissa und Petrowitsch und von da gegen Nordwesten über Ostromdscha und Istib nach Köprili und Uskub fuhrt. Man schließt aus dieser doppelten Linie, daß da eine gut gepflegte, breite Land- oder gar Heerstraße vorhanden sei - aber wie sieht es in Wirklichkeit aus!

   Von einer Straße in unserm Sinn ist keine Spur. [...] Die Wege, auf denen unsere deutschen Bauern auf ihre Felder fahren, sind besser angelegt und unterhalten, als diese Heerstraße es war. (DH XIV 129; R2 7; IV 425f.)

Diese Doppellinie findet sich natürlich auf Handtkes Karte wieder. May wußte genau, daß er mit seiner Aussage über den wirklichen Zustand dieser Straße kaum fehlgehen konnte, denn in jeder seiner Quellen werden die schlechten Straßenverhältnisse angeführt.12

   Eine Folge der Tatsache, daß May sich für die Route nur auf die Karte stützte, ist die unzureichende Schilderung von Städten und Dörfern. Wenn sie überhaupt beschrieben werden, dann geschieht dies so unscharf und allgemein, daß May sicher sein konnte, nicht gegen die Wirklichkeit zu verstoßen: "So gleicht hier eine Stadt der anderen." (DH XIV 195; R2 37; IV 550)13

   In gleicher Weise bleibt die Beschreibung der Landschaft oft farblos und plakativ:

Was soll ich über die Gegend sagen? Man merkt sich bekanntlich nur diejenigen Orte gut, an denen man Etwas erlebt hat, und dies war hier nicht der Fall. Der Korbflechter führte uns durch meist unbewaldete Gebiete, denen kein landschaftliches Interesse abzugewinnen war. (DH XIV 347; R2 110; V 235)

Hin und wieder spricht May direkt den Erfahrungshorizont seiner Leser an, indem er Vergleiche zu Deutschland zieht, womit er sich durchaus in Übereinstimmung mit seinen Quellen befindet14 : " [...] wir ritten zunächst zwischen sanften Höhen dahin, daß man denken konnte, man befände sich im Thüringer Wald." (DH XIV 601; R2 239; VI 159)

   Manchmal ändert May die bei Handtke vorgefundene Schreibweise. So wird aus 'Tschingerly' bei May 'Tschingerli', aus 'Dere Köi' 'Derekiöj' oder aus 'Radovich' 'Radowitsch'. Auf diese Weise wollte May wohl diese Ausdrücke seinen sonst verwendeten türkischen angleichen. Er bevorzugt auch ganz klar eine lautmalende Schreibweise, was an dem letzten Beispiel deutlich wird. Schließlich gehören diese Änderungen sicher auch zu seiner Strategie der Quellenverschleierung.15


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II. Die ethnographischen Quellen Mays

Außer der von Kandolf genannten Karte ist bisher nur eine weitere Quelle für die Balkan-Bände vorgestellt worden. Erich Mörth weist im Rahmen seines Aufsatzes über das Buch von Schweiger-Lerchenfeld nach, daß May dessen Beschreibung der Moschee Selims II. in Adrianopel benutzt hat.16

May selbst gibt einen Hinweis auf eine andere Quelle:

Ich hatte einmal ein altes geographisches Werk über die Türkei in den Händen gehabt. Es war Seiner Königlichen Hoheit Karl, dem Fürst-Primas des Rheinischen Bundes, Großherzog von Frankfurt, Erzbischof von Regensburg u.s.w., dem "hochherzigen deutschen Fürsten, Kenner und Freunde der Wissenschaften und großmüthigen Beschützer der Gelehrten" gewidmet gewesen. Indem ich [...] nun gen Ostromdscha ritt, fiel mir ein, daß laut des erwähnten Werkes dieser Ort an dem Rand eines Hügels liege, auf dessen Höhe ein altes, verwüstetes Schloß stehe. In der Nachbarschaft wurde früher ein berühmter Markt abgehalten, und am Fuß des Berges sollten heiße Quellen zu finden sein. Aber wer kann einem "Panorama der europäischen Türkei" trauen, welches im Jahre 1812 das Licht der Welt erblickte! (DH XIV 129; R2 7; IV 426)

Die Suche nach diesem Werk gestaltete sich zunächst erfolglos, zumal May keinen Autor nennt. Schließlich aber fand es sich in seiner Bibliothek als 14. Band einer insgesamt 23bändigen Länder- und Völkerkunde, von der May 19 Bände besaß. Er hat dabei eine kleine Manipulation vorgenommen: aus dem 'Gemälde' im Titel machte er das damals als Bestandteil von Buchtiteln durchaus übliche 'Panorama' und verschleierte damit die Quelle. Die von May referierte Stelle findet sich dort auf S. 471. Das Buch weist einige Anstreichungen von seiner Hand auf, so z.B. in einem Kapitel über Nahrungsmittel. In der beigefügten recht groben Karte der Balkanhalbinsel einschließlich Griechenlands hat May die einzelnen Regionen farblich voneinander abgetrennt.

   Eine wichtige Quelle war für May das Werk von Cyprien Robert, dem er mehrmals paraphrasierend Textstellen entnahm. Mays Exemplare stammen übrigens aus einer Leihbücherei, wie aus einem Stempel hervorgeht. Um die Art und Weise, wie May seine Vorlage sprachlich änderte, darzustellen, werden Mays und Roberts Text im folgenden gegenübergestellt:17


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Ein Bulgarendorf oder Celo liegt sehr oft von der Landstraße, oder was man mit diesem Namen zu bezeichnen beliebt, entfernt und folglich unsichtbar für die Mehrzahl der Reisenden. Gewöhnlich dehnt sich der Celo der Länge nach auf einer Prärie am Rande eines Baches aus, der ihm als Graben und natürliches Schutzmittel dient.

   Jedes dieser Dörfer, die ziemlich eng auf einander folgen, zählt nur wenige Höfe, welche durch Grasplätze von einander getrennt sind. Sechs bis zehn Hütten bilden einen Hof. Diese Hütten werden entweder in die Erde gegraben und mit einem kegelförmigen Dache von Stroh oder Zweigen versehen, oder man errichtet sie aus Weidengeflecht, in welchem Falle sie das Aussehen von großen Körben besitzen. Jeder und Jedes hat seine abgesonderte Wohnung in diesen Höfen. Es gibt Hütten für die Menschen, für die Pferde, die Rinder, die Schweine, die Schafe und die Hühner. Diese Thiere verlassen beliebig ihre Wohnungen und wandern friedlich zwischen den Höfen umher.

(DH XI 787; Rl 179; IV 30f.)
Nichts erinnert mehr an die Flecken der Wilden, als ein Celo (Bulgarendorf). Stets von der Landstraße oder dem freien Boden, dem man diesen Namen gibt, entfernt, folglich unsichtbar für die Mehrzahl der Reisenden, dehnt sich der Celo meistens der Länge nach auf einer Prairie am Rande eines Baches aus, der ihm als Graben und natürliches Schutzmittel dient. Diese Dörfer sind sehr zahlreich und folgen sich beinahe Meile für Meile. Jeder Celo besteht aus vier bis fünf Höfen oder Gruppen von Häusern, die von einander durch Räume getrennt sind, worauf Gras wächst. Zehn bis zwölf Hütten bilden beinahe immer einen Hof. Diese Hütten sind bald aus Weidengeflechte gebaut, wodurch sie großen Körben ähnlich werden, bald sind sie in die Erde gegraben und mit einem konischen Dache von Stroh oder von untereinander geworfenen Baumzweigen bedeckt. Jedes Geschöpf hat seine abgesonderte Wohnung in dieser Arche der Wüste; man findet Hütten für Hühner, für Schafe, für Schweine, für Ochsen, für Pferde.

Wie May dieses Werk bearbeitet hat, läßt sich an seinem Exemplar ablesen. Im ersten Band hat er die Einleitung Die Slawen des Orientes durchgesehen, im zweiten Band die beiden letzten Kapitel Die vier Albanien und Die Bulgaren. In anderen Teilen, die May vom Inhalt her auch nicht interessieren konnten, finden sich keine Anstreichungen. Auf dem hinteren Deckblatt des zweiten Bandes hat May sich eine Liste mit Stichworten und den dazugehörigen Seitenzahlen angefertigt. Selten finden sich in den von ihm benutzten Büchern auch Einlegzettel. Es ist aber davon auszugehen, daß May sich prinzipiell solche Zettel angefertigt hat - wenn sich im Buch selbst keine Liste befindet -, um während des Schreibprozesses innerhalb von kürzester Zeit die für ihn wichtigen Stellen in seinen Vorlagen finden zu können. Die meisten dieser Zettel werden wohl verlorengegangen sein.

   In seinem Werk Der Orient und Europa beansprucht Eduard Freiherr von Callot, Selbsterlebtes zu erzählen. Die ersten beiden Teile sind geographisch auf dem Balkan angesiedelt. Callot berichtet in der ersten Person, wie er 1829 aufbrach, um auf russi-


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scher [russischer] Seite gegen die Türkei zu kämpfen, womit er den Freiheitskampf der Griechen zu unterstützen hoffte.

   May hat in den ersten beiden Teilen vorwiegend türkische Redewendungen angestrichen, die durch lateinische Schrift aus dem Sütterlin-Schriftbild herausstechen. Dennoch scheint er das Werk kursorisch auch gelesen zu haben, denn zahlreiche Einzelheiten erinnern an May. Eine Stelle über die Schweigsamkeit der Türken auf Bazaren, die auch von May angestrichen wurde, kann als direkte Vorlage für Mays Text angesehen werden.18

   Interessant sind die Fertigkeiten des 'Ich' bei Callot. Er spricht oder versteht z.B. folgende Sprachen: wallachisch, französisch19, türkisch20, griechisch21, spanisch22, italienisch23 und russisch.24 Er ist außerdem ein tapferer Kämpfer. Einmal besiegt er drei ihn verfolgende Reiter, indem er die Schnelligkeit seines Pferdes dazu benutzt, sie einzeln zu bekämpfen.25 Eine weitere Szene, die den Kampf des Erzählers und seines Hundes Wachtel mit gleich fünf Räubern schildert26, erinnert frappant an die Omnipotenz Kara Ben Nemsis.

   Zwei Motive, die auch May verwendet, fallen ins Auge. Callot betätigt sich den Türken gegenüber als 'Arzt', indem er "Chininsulphat mit Extractum Centauri" gegen Fieber verteilt27 und stellt fest28:

Der Türke hält jeden gebildeten Europäer für einen Arzt und beehrt ihn mit dem Titel Hekim (Doctor). Es ist also gut, sich einige medicinische Kenntnisse anzueignen, wenn man im Orient reiset.

Sodann hat sich Callot die Türken verpflichtet, indem er

sie stets mit einem vortrefflichen Getränke aus Rum, Zucker, Wasser und Brausepulver bereitet, bewirthete, welches sie, nach meiner Versicherung, daß es kein Wein [...] sei, mit Begierde tranken.29

Wer denkt da nicht an Kara Ben Nemsis 'Spritzwein' beim Pascha von Mossul?30 An einer Stelle berichtet Callot, er habe die Yeziden auf einem Zug bis nach Mossul kennengelernt.31 May könnte Callot also schon vor der Niederschrift auch des Anfangs des Orientzyklus gelesen haben. Allerdings sind die zwei genannten Motive für die damalige Reiseliteratur über den Orient als topisch anzunehmen - wie etwa auch die dauernden Hinweise auf die schlechten Straßenverhältnisse auf dem Balkan -, könnten May also auch aus einer anderen Quelle zugetragen worden sein.

   Eine weitere wichtige Quelle für May war das Buch Von Widdin nach Stambul des Schriftstellers Hans Wachenhusen.


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Auch er berichtet als Ich-Erzähler und stützt sich auf eigene Erfahrung. 1853 begleitete er die türkischen Truppen im Donaukrieg, wurde von Arnauten als russischer Spion gefangengenommen und nur durch einen Adjutanten Omar Paschas vor dem Erschießen gerettet. Auf der Krim erkrankte er und kam so nach Konstantinopel.32 Ganz offensichtlich ist May durch Wachenhusen zu seinem Titel Von Bagdad nach Stambul inspiriert worden. Er hat das Buch, obwohl es abseits seiner Reiseroute angesiedelt ist, ganz durchgesehen, wie seine kontinuierlichen Anstreichungen beweisen. Auch hier markierte May gerne fremdsprachliche Ausdrücke und Redewendungen.

   Bei der Durchsicht konnten May zwar keine wörtlichen Entlehnungen nachgewiesen werden, doch stößt man ständig auf Motive oder Ausdrücke, die May verwandte. Besonders oft - und manchmal auch auf komödiantische Art und Weise, wie May es ja auch gern tat33 - weist Wachenhusen auf das Ungeziefer auf dem Balkan, aber auch in Konstantinopel, hin.34 Auch dieses Motiv kann als 'Topos' der damaligen Reisebeschreibungen des Orientes bezeichnet werden.

   Ein weiteres Motiv dieser Art ist die Behauptung, nur mit Grobheit gegenüber den Einwohnern weiterkommen zu können: "Wer in der Türkei nicht grob ist wie Bohnenstroh, der wird nie zum Zweck gelangen."35 Entsprechend verhält sich Kara Ben Nemsi. Opfer dieser Grobheit sind besonders oft türkische Beamte und Richter.36 May benutzte dieses Motiv ausgiebig, denn es brachte sowohl für seine Leserschaft im wilhelminischen Deutschland, als auch gerade für den Autor selbst aufgrund seiner kriminellen Vergangenheit einen besonderen Reiz mit sich, einen Staatsapparat in Frage gestellt und lächerlich gemacht zu sehen. Es waren also nicht nur Mays, sondern sicher auch kollektive Wunschträume, es einmal der Polizei oder der Justiz zeigen zu können, die sich hier manifestierten. Darüber hinaus kann man sicher auch Kritik an deutschen Verhältnissen ablesen37, doch ist diese leicht zu überschätzen.

   Das Buch von Rüstow, das sich sehr ausführlich mit der militärischen und politischen Situation auf der Balkanhalbinsel in den Jahren 1875/76 beschäftigt, ist von May nur sporadisch durchgesehen worden. Dabei hat er auf fünf Seiten Anstreichungen angebracht, die angestrichenen Stellen in seinem Text aber nicht verwendet.


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   Dagegen kann das Werk von White als eine Hauptquelle für alle Orienterzählungen Mays angesehen werden. Beide Bände weisen durchgängig - meist mehreremale auf einer Seite - Bleistiftanstreichungen von Mays Hand auf. Beim flüchtigen Durchsehen38 fielen zwei angestrichene Stellen ins Auge, die direkt für die Balkan-Bände verwendet wurden. White bemerkt über das Rosenöl: "Das berühmteste aber wird in der Nachbarschaft Adrianopels gemacht."39 Nicht weit hinter Adrianopel aber begegnet Kara Ben Nemsi dem Rosenzüchter Jafiz.40 Über den bösen Blick weiß May zu berichten: "Die Italiener nennen das bekanntlich Jettatura." (DH XIV 436; R2 155; V 419) Diese Information stammt aus dem zweiten Band von White.41

   May benutzte ebenfalls Artikel aus den Zeitschriften, die er in seiner Bibliothek hatte. Einem Aufsatz von Edwin Rockstroh entnahm er wichtige Informationen, u.a. über die Paßverhältnisse42

"Hast Du denn ein Teskereh für neun Piaster?"

   Ein Teskereh ist der gewöhnliche Paß, welchen ein jeder Reisende haben muß. An jedem Orte muß visirt werden. [...]

   Ich reichte ihm mein Buyuruldi hin. Das ist ein Empfehlungsschreiben des Pascha an die Behörden seines Paschaliks. [...]

   Ich entfaltete den großen Bogen. Der Ferman ist der höchste Paß. Er enthält oben zwischen kalligraphischen Schnörkeln die Titel des Padischa. Es wird den Behörden alle mögliche Rücksicht für die Wünsche des Reisenden anbefohlen. Auch sind allerlei für den Inhaber vortheilhafte Bestimmungen zu lesen, zum Beispiel zu welchem Preise er Pferde, Begleiter und Führer und Anderes haben kann. (DH XII 227f.; R1 252f.; IV 306f.)
Man hat dreierlei Pässe. Das Teskeré, der gewöhnliche Paß, muß jeder Reisende lösen - es kostet 9 Piaster - und in jeder Stadt, durch die er kommt, visiren lassen [...].

 Das Buyuruldi ist ein Empfehlungsschreiben eines Pascha an die Behörden seines Bezirkes [...].

   Der höchste Paß, der Fermán, von der Regierung selbst ausgestellt, ist [...] ein großer Bogen, auf dem oben in verschlungenen Schnörkeln der Titel des Padischa prangt und auf dem dann weiter den Behörden alle mögliche Rücksichtnahme auf die Wünsche des Reisenden anbefohlen wird. Meist ist auch bestimmt, zu welchem Preise dem Inhaber des Fermán Begleiter, Pferde [...] zu stellen sind [...].

Auch einer weiteren Artikelserie aus dem gleichen Jahrgang und vom gleichen Verfasser ist May verpflichtet. Rockstroh berichtet von einem Gasthaus, dessen Hof so voll Morast war, daß man ihn nur über einen Baumstamm balancierend erreichen konnte.43 May greift das Motiv auf und beschreibt ein ebensolches Gasthaus.44

   Für die Vampir-Geschichte, die Kara Ben Nemsi erlebt45, diente May ebenfalls ein Artikel46 als Vorlage, in dem sich alle von


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May genannten Einzelheiten wiederfinden, mit Ausnahme der Information, daß der Pfahl, der dem Vampir ins Herz gestoßen werden muß, "mit dem Fett eines acht Tage vor Weihnacht geschlachteten Schweines bestrichen" (DH XII 340; R1 279; IV 409) sein soll.

   Weitere Zeitschriften-Artikel hat May sicherlich eingesehen, ohne daß ihm eine Benutzung direkt nachgewiesen werden konnte.47

   Schließlich scheute sich May auch nicht, die damals neueste Auflage des Brockhaus zu benutzen, die nahezu parallel zum Orientzyklus von 1882-1887 erschien. Paraphrasierend übernahm er Stellen aus den Artikeln Albanesen48 und Osmanisches Reich.49

   Über die in seiner Bibliothek befindlichen Bücher und Zeitschriften hinaus hat May auch aktuelle Zeitungsberichte verfolgt50, die ihn vor allem von dem Vorhandensein eines starken "Räuberunwesens" überzeugten:

Dem Räuberunwesen auf der Balkanhalbinsel hat niemals gesteuert werden können; ja, grad in den gegenwärtigen Tagen berichten die Zeitungen fast ununterbrochen von Aufständen, Ueberfällen, Mordbrennereien und anderen Ereignissen, welche auf die Haltlosigkeit der dortigen Zustände zurückzuführen sind. (DH XI 785; R1 177; IV 19)

Wie eingangs am Beispiel Callots zu sehen war, berichteten auch Mays alte Quellen vom Räuberunwesen. Nun wird der Vorwurf erhoben, daß "May dem nationalen Befreiungskampf der Bevölkerung auf dem Balkan in seinen Romanen wenig Beachtung schenkte"51, und auch Ristau muß feststellen, daß May die Balkan-Banditen eher als Verbrecher denn als Sozialbanditen sieht.52 Claus Roxin führt als mögliche Gründe dafür Mays unzureichende Unterrichtung, die Anlage des Romans (Verfolgung einer Verbrecherbande) und seine Sympathie für die Türken an.53

   May kann aber nicht mit unzureichender Information entschuldigt werden, denn schon in dem relativ alten Werk von Robert hat May - wie seine Anstreichungen vor und nach dieser Stelle zeigen - folgendes gelesen54

Hier hinter seinem Felsen fühlt er [der Bulgare] sich auf eine furchtbare Macht, auf die Haiducken, gestützt. Es gibt wenige zahlreiche Familien, von denen nicht einige Glieder Haiducken oder Räuber im Gebirge sind. "Der Pascha hat mich geplündert und ich habe meinen Sohn unter die Haiducken geschickt," sagt Euch der Familienvater ganz ruhig. [...] Die Haiducken sind in mehr oder minder zahlreiche Banden getheilt, welche unter Kapitänen [...] die Pässe besetzen, die türkischen Karavanen und die [...] Steuereinnehmer angreifen, und diese Blutsauger ihres Vaterlandes aus dem Wege zu räumen suchen. [...] Der harmlose Reisende


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hat selten eine Tücke von ihnen zu befürchten; indem sie sich zu Räubern machen, folgen die Haiducken einzig und allein der Stimme, die ihnen zuruft, sie sollen die Unterdrückung der Ihrigen rächen, und sie glauben eine Pflicht zu erfüllen.

   An allen Punkten, wo ihn verborgene Haiducken-Banden beschützen, erhebt der bulgarische Bauer das Haupt seinen Unterdrückern gegenüber.

Wenn May von der 'Haltlosigkeit der Zustände' spricht, konnte er sich zum Zeitpunkt der Niederschrift allerdings nur auf die Neuordnung der Balkanhalbinsel auf dem Berliner Kongreß 1878 beziehen, auf dem die osmanische Herrschaft zurückgedrängt und mehrere selbständige, aber unter dem Schutz Rußlands und Österreich-Ungarns befindliche Staaten geschaffen wurden. Somit erklärt sich neben den beiden letzten von Roxin genannten Gründen Mays fehlendes Eintreten für die unterdrückten Balkanvölker m.E. vor allem dadurch, daß eine Unterdrückung durch die Türken zum Zeitpunkt der Niederschrift nicht mehr bestand. Dagegen konnte May die nach der Abschüttelung der Türkenherrschaft entstehenden Probleme wegen der Handlungszeit kaum in seiner Reiseerzählung thematisieren.

III. Fremdsprachliche Ausdrücke

Eine detaillierte Untersuchung der sprachlichen Quellen und Kompetenz Mays kann nicht erfolgen, denn dazu sind gründliche Kenntnisse in den zu behandelnden Sprachen unabdingbar. Dennoch sind ein paar Dinge anzusprechen, die sich im Laufe der Arbeit ergeben haben.

   Mit Mays Serbisch hat sich Helmuth Christmann55 beschäftigt. An einer Stelle wird dabei deutlich, wie hilfreich eine Quellenstudie sein kann, wenn es darum geht, zwischen Fehlern des Autors und Fehlern in der Quelle zu unterscheiden. Christmann führt die Falschheit der Ableitung des Wortes 'Tscharschia' vor, die May gibt. Es handelt sich aber nicht um eine "hübsche Maysche Interpretation"56, sondern um einen Fehler, den May von Robert übernommen hat57


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Tscharschia bedeutet Bazar und ist von dem slavonischen Worte tscharschit abzuleiten, welches "bezaubern" bedeutet. Es soll damit auf den Eindruck hingedeutet werden, welchen die Waaren auf den Beschauer machen. (DH XI 98; R1 150; III 571)Man trifft noch tausenderlei andere Waaren auf der Tscharschia, ein von dem slavonischen Tscharschit (bezaubern) abzuleitender Name, der den Bazar bezeichnet und den Eindruck andeutet, den dieser für die Künste des Luxus und für alle ihre magischen Produkte geöffneten Tempel auf die Eingeborenen hervorgebracht hat.

Mit Mays Quellen der türkischen Sprache hat sich bisher nur Werner Poppe am Rande befaßt.58

   May entnimmt für einen Absatz über die arabische Schrift Informationen aus der Grammatik von Berswordt.59 Mays Exemplar, das auf dem Deckblatt den Stempel 'Carl May Redacteur' aufweist, enthält Anstreichungen von seiner Hand sowie mehrere Einlegzettel. Einer ist mit "Fürwörter" überschrieben, ein anderer enthält Redewendungen, schließlich hat sich May auf einem Zettel eine Liste von türkischen Zahlen angefertigt.

   Neben seinen Wörterbüchern wird May vor allem auch Redewendungen aus den ihm als Quelle dienenden Reisebeschreibungen übernommen haben. Er pflegte sie durchweg anzustreichen. Doch wo er selbst Ausdrücke zusammenbastelte, sind ihm fast immer Sinn- oder Grammatikfehler unterlaufen.60

   Letztendlich erfüllen die fremdsprachlichen Ausdrücke in Mays Werken sehr gut ihre Aufgabe, fremdländisches Kolorit zu verbreiten. Ob sie nun richtig oder falsch sind, spielt für den Leser, der der entsprechenden Sprache meist sowieso nicht mächtig ist, keine übermäßige Rolle.

IV. Zusammenfassung

Karl May hat sich bei der ethnographischen Fundierung der Balkan-Bände mehr Mühe gemacht, als bislang angenommen wurde. Die Benutzung lediglich einer Karte für die Reiseroute bringt einige Unschärfen mit sich, ist ihm letztendlich aber hervorragend gelungen. Der Schein, der Autor habe die geschilderten Gegenden wirklich bereist, bleibt gewahrt. So fragte Karl Hock, der im Ersten Weltkrieg den Balkan gesehen hatte, halb im Ernst die Einheimischen, ob sie Kara Ben Nemsi gekannt hätten: "Zna[`´s] Kara Ben Nemsi?"61 - Ein anderer ehemaliger Soldat stellte fest62:

Zum Schluß meiner Betrachtungen kommend, kann ich sagen, daß ich den Balkan in seiner Charakteristik genau so gefunden habe, wie ihn


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Karl May geschildert hat. Ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, daß seine Balkan-Schilderungen nicht lediglich Nachschlagewerken entnommen sein können [...]. Nur persönliche Wahrnehmungen ermöglichen ein Gemälde, wie es Karl May in seinen Büchern schuf.

Zur Arbeitsweise Mays ist festzuhalten, daß er sich zielbewußt die Bücher und darin die Kapitel sowie die Artikel aussuchte, die er benötigte, sie durchsah und sich Stichwortlisten entweder im Buch selbst oder auf Zetteln anfertigte, um die Informationen während des Schreibens schnell präsent zu haben. Dabei benutzte er vorwiegend Werke, die zu seiner Zeit zwar teilweise veraltet waren, dabei aber nicht mehr so bekannt, daß die paraphrasierende Übernahme von Textstellen auffallen konnte.63

   Wie weit May, der ja erkennbar die Grammatik von Berswordt durchgearbeitet hat, sich wirklich die türkische Sprache angeeignet hat, wäre wohl noch von berufener Seite zu klären.

Anmerkungen


Zu danken habe ich Frau Klein von der Stadtbücherei Wipperfürth für die Bearbeitung der zahlreichen Fernleihebestellungen, Frau Sigrid Schröder, Wipperfürth, für die Unterstützung bei Fleißarbeiten, Herrn Lothar Schmid vom Karl-May-Verlag in Bamberg für die Erlaubnis zur Benutzung der Bibliothek Karl Mays und schließlich Herrn Bernhard Kosciuszko, Köln, der die Arbeit anregte und wertvolle Hinweise gab.

1DH XIV 129; R2 7; IV 425. Zitiert wird generell nach dem dem Manuskripttext Mays am nächsten kommenden Text im 'Deutschen Hausschatz'. Für die Buchausgabe hat May geringfügige Änderungen und Kürzungen vorgenommen. Zitatangaben erfolgen in dreifacher Gestalt: 1. Die Seite in dem jeweiligen 'Hausschatz'-Jahrgang, 2. die Seite in den Reprints der KMG, wobei R1 für Die Todes-Karavane / In Damaskus und Baalbeck / Stambul / Der letzte Ritt (Regensburg 1978) und R2 für Durch das Land der Skipetaren (Regensburg 1978) steht. Schließlich folgt die Angabe für den jeweiligen Fehsenfeld-Band, der meist - aber eben nicht immer - textgleich ist.
2Vgl. Ralf-Peter Martin: Sorgfalt und Kalkül. Karl Mays Umgang mit seinen Quellen. In: Karl May - der sächsische Phantast. Studien zu Leben und Werk, hg. von Harald Eggebrecht. Frankfurt/M. 1987, S. 235.
3Vgl. Claus Roxin: Einführung. In: R1 [Anm. 1], S. 4.
4Karl Mays Bücherei. Aufgezeichnet von Franz Kandolf und Adalbert Stütz. Nachgeprüft und ergänzt von Max Baumann. In: KMJb 1931, S. 212-291.
5Vgl. Siegfried Augustin/Rudolf Beissel: Quellen und Vorbilder Mays. Vorstudien zu einer Monographie. In: Vom Lederstrumpf zum Winnetou, hg. v. Siegfried Augustin u. Axel Mittelstaedt. München 1981, S. 60.


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6Bücher, die schon vom Inhalt her nicht als Quelle in Frage kommen (es werden jeweils die Nummern angegeben, die die Bände in Mays Bibliothek haben): Lewald, August: Atlas zur Kunde fremder Welttheile. 4 Bde. Leipzig 1836. Nrn. 708-711. [Die Bände enthalten Anstreichungen.] Petermann, H.: Reisen im Orient. 2 Bde. Leipzig 1865. Schwarz, Bernhard: Montenegro. Schilderung einer Reise durch das Innere nebst Entwurf einer Geographie des Landes. Leipzig 1883. Nr. 721. [Keine Anstreichungen.] Seydlitz, E. von: Kleine Schulgeographie. Breslau 1886. Nr. 816. [Keine Anstreichungen.] Sohr/Berghaus: Hand-Atlas über alle Theile der Erde in 100 Blättern. Glogau 6/1874. Nr. 2450. Welt-Gemälde-Gallerie oder Geschichte und Beschreibung aller Länder und Völker, ihrer Religionen, Sitten und Gebräuche. 10 Bde. oder 363 Lfgn. Bearb. v. Alexander Artaud u.a. Aus dem Französischen von C. A. Mebold. Stuttgart 1834-1840. Nrn. 712-716. [May besaß nur 5 Bände.] Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens. 13 Bde. Stuttgart 1877. Nrn. 1705-1710. [May fehlten Bd. 10 und 11. Außer Bd. 1 sind je zwei Bände zusammengebunden. Die Bände enthalten Anstreichungen.]
7Bücher, die May für den Balkan anscheinend nicht benutzt hat: Busch, Moritz: Die Türkei. Reise-Handbuch. Triest 1860. Nr. 704. [Keine Anstreichungen.] Jäck, Joachim Heinrich: Taschen-Bibliothek der wichtigsten und interessantesten Reisen in die Türkei. 3 Bde. Nürnberg 1828-1829. Nrn. 555-557. [Keine Anstreichungen.] Lux, A. E.: Die Balkanhalbinsel (mit Ausschluß von Griechenland). Physikalische und ethnographische Schilderungen und Städtebilder. Freiburg i. B. 1887. Nr. 559. [Keine Anstreichungen.] Meyers Reisebücher. Türkei und Griechenland, untere Donauländer und Kleinasien. Leipzig 2/1888. Nr. 1409. [Ist die Nummer in Mays Bibliothek ein Indiz für die Zeit, zu der es erworben wurde, dann dürfte May Meyers Reisebuch z.B. lange nach Lux erstanden haben. Ein weiteres Indiz dafür ist ein Doppelblatt DIN A 5, das in dem Buch lag. Es ist eine Einladung zu einer Exkursion von Athen nach Eleusis für Dienstag, 24. Februar 1891, die von dem Vorbesitzer stammen könnte. Die Anstreichungen, die vor allem im Konstantinopel-Kapitel zu finden sind, hat May wahrscheinlich im Zusammenhang mit seiner eigenen Orientreise angebracht.] Molbech, Chr., F. R. Chesney und Edw. H. Michelsen: Das Türkische Reich in historisch-statistischen Schilderungen. Leipzig 1854. Nr. 564. [Enthält eine Anstreichung. Mays Exemplar ist zusammengebunden mit Hansteen, Christoph: Reise-Erinnerungen aus Sibirien. Leipzig 1854.] Pococke, Richard: Beschreibung des Morgenlandes und einiger anderer Länder. 5 Bde. Erlangen 1791-1792. Nrn. 193-197. Stark, K. B.: Nach dem griechischen Orient. Heidelberg 1874. Nr. 793. [Keine Anstreichungen.] Stücker, C.: Sitten und Charakterbilder aus der Türkei und Tscherkessien. Berlin 1862. Nr. 738. [Keine Anstreichungen. Mays Exemplar ist ohne Einband. Es ist völlig zerfetzt, wohl weil es unsachgemäß aufgeschnitten wurde, teilweise ist es noch gar nicht aufgeschnitten.] Wutzer, C. W.: Reise in den Orient Europa's und einen Theil Westasien's, zur Untersuchung des Bodens und seiner Produkte, des Klima's, der Salubrität's-Verhältnisse und vorherrschenden Krankheiten. 2 Bde. Elberfeld 1860 u. 1861. Nr. 700. [Mays Exemplar konnte in Bamberg nicht gefunden werden.]
8Bücher, die May benutzt hat: Berswordt: Neueste Grammatik der türkischen Sprache für Deutsche zum Selbstunterricht. Nebst einer


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reichhaltigen Sammlung von Gesprächen, sowie einer türkisch-deutschen und deutsch-türkischen Wörtersammlung. Berlin 1839. Nr. 661. Callot, Eduard Freiherr von: Der Orient und Europa. Erinnerungen von Land und Meer. 10 Teile. Leipzig 1854-1855. Nr. 678, 00-4. Handtke, F.: General-Karte der Europäischen Türkei und des Vladikats Montenegro. In: Vollständiger Hand-Atlas der neueren Erdbeschreibung über alle Theile der Erde, hg. v. K. Sohr, verm. u. verb. durch Heinrich Berghaus. Glogau und Leipzig 5/1860. Nr. 149. Neueste Länder- und Völkerkunde. Ein geographisches Lesebuch für alle Stände. 23 Bde. [May besaß 19] Weimar 1807-1827. Bd. 14: Gemälde der Europäischen Türkei. Ein Beitrag zur Länder und Völkerkunde, hg. v. Friedrich Ludwig Lindner. Weimar 1813. Nr. 187. Robert, Cyprien: Die Slaven der Türkei. 2 Bde. Stuttgart 1844. Nrn. 553-554. Rüstow, W.: Der Krieg in der Türkei. Zustände und Ereignisse auf der Balkanhalbinsel in den Jahren 1875 und 1876. Zürich 1877. Nr. 586. Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Der Orient. Wien, Pest, Leipzig 1882. Nr. 472. Wachenhusen, Hans: Von Widdin nach Stambul Streifzüge durch Bulgarien und Rumelien. Leipzig 1855. Nr. 734. White, Charles: Häusliches Leben und Sitten der Türken. 2 Bde. Berlin 1844-1845. Nrn. 525-526.
9Hier beginnt die eigentliche Reise durch den Balkan. Die Vorstellung der Quelle für Konstantinopel soll in einer gesonderten Untersuchung erfolgen, da May diesen Schauplatz auch in dem Kolportageroman Deutsche Herzen, deutsche Helden benutzt hat.
10Franz Kandolf: Schrittmesser und Landkarten. In: KMJb 1925, S. 160, auch in: KMJb 1979, S. 26. Bei einem Besuch in Bamberg fanden sich in der Bibliothek Mays zwar drei Rollen mit Karten, von denen eine mehrere enthielt, die die Reiseroute streiften, doch die von Kandolf genannte Karte wurde leider nicht gefunden. Allerdings enthält auch der Atlas von Sohr und Berghaus [Anm. 8], der sich ja auch in Mays Besitz befand - leider aber in der Bibliothek ebenfalls nicht aufzufinden war -, eine Karte von Handtke, die hier zugrundegelegt werden soll. Mit Ausnahme von zwei genannten Dörfern sind alle anderen Angaben Mays auf ihr wiederzufinden. Es erhebt sich die Frage, ob es sich nicht bei Kandolfs Angabe '1880' um einen Fehler handelt und eigentlich 1860, das Erscheinungsdatum des Sohr-Atlas, gemeint war.
11Vgl. Bernhard Kosciuszko: "Man darf das Gute nehmen, wo man es findet". Eine Quellenstudie zu Karl Mays Südamerika-Romanen. In: JbKMG 1979, S. 180.
12Vgl. z.B. Robert [Anm. 8], Bd. l, S. 48.
13Vgl. auch die Beschreibung von Sbiganzy (DH XIV 347; R2 110; V 237), Jerßely (DH XIV 429; R2 148; V 392) und Glogovik (DH XIV 557; R2 214; VI 57ff.).
14Wachenhusen [Anm. 8], S. 52: Das Dorf "lag in einem herrlichen, grünen Thal, das mich lebhaft an Thüringen erinnerte".
15Dagegen handelt es sich bei der Schreibweise 'Menlik' statt 'Melnik' nicht um eine Änderung Mays, sondern um die Schreibweise, die er in Handtkes Karte vorgefunden hat und die auch sonst damals üblich gewesen zu sein scheint. Walther Ilmers "reine Spekulation", warum May diese Änderung vorgenommen haben könnte, hat sich damit gelöst. Vgl. Walther Ilmer: Das Märchen als Wahrheit - die Wahrheit als Märchen. Aus Karl Mays 'Reise-Erinnerungen' an den erzgebirgischen Balkan. In: JbKMG 1984, S. 134.


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16Erich Mörth: Karl May und Amand von Schweiger-Lerchenfeld. In: KMJb 1979, S. 91f. Ebd. S. 64 bemerkt Mörth, daß er das Buch auf eine Benutzung für die Balkan-Bände sorgfaltig geprüft habe, mit dem Resultat, daß May es nicht benutzt hat. Zu demselben Ergebnis bin auch ich gekommen. Seltsam ist die Tatsache, daß sich in Mays Exemplar keinerlei Anstreichungen von seiner Hand finden, was, wie weiter unten zu sehen sein wird, Mays Arbeitsweise widerspricht.
17Robert [Anm. 8], Bd. 2, S. 197.
18Callot [Anm. 8], Teil 3, S. 49f. als Vorlage für DH XII 268; R1 263.
19Ebd., Teil 3, S. 33.
20Ebd., S. 125.
21Ebd., S. 164.
22Ebd., Teil 2, S. 84.
23Ebd., S. 102.
24Ebd., S. 159.
25Ebd., Teil 1, S. 64f.
26Ebd., S. 22f.
27Ebd., Teil 2, S. 102.
28Ebd., S. 103. Bei May vgl. etwa I 84f. Vgl. auch Hans Höss: Kara Ben Nemsi als Hekim. In: Lederstrumpf [Mm. 5], S. 81-94.
29Callot [Anm. 8], Teil 2, S. 56f.
30Vgl. I 520ff. Auf dem Balkan trifft Kara Ben Nemsi zweimal auf die Spur eines deutschen Reisenden, der ein Bierrezept verbreitet hat: DH XIV 130f., 347f.; R2 8f., 110f.; IV 431ff.; V 239ff. In Teil 3, S. 94f., beschreibt Callot einen Besuch bei Halil-Pascha, dem er wegen seiner Erkältung einen Punsch braut!
31Vgl. Callot [Anm. 8], Teil 3, S. 71. Auch die anderen Teile von Callots Werk enthalten Randanstreichungen von May. Es ist geplant, auch diese einmal in einer Untersuchung auszuwerten.
32Vgl. Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Bd. 7. Bearb. v. Franz Brümmer. 6. völlig neu bearb. u. stark verm. Aufl. Leipzig o. J., S. 291f.
33Vgl. z.B. DH XIV 680; R2 294; VI 377.
34Wachenhusen [Anm. 8], S. 34, 47, 91, 107, 140f.
35Ebd., S. 91f. Vgl. auch ebd., S. 54f. Vgl. auch Callot [Anm. 8], Teil 1, S. 33.
36Vgl. z.B. die Gerichtsszene in Ostromdscha, DH XIV 236f.; R2 52f.; V 4ff.
37Vgl. Wesselin Radkov: Politisches Engagement und soziale Problematik in den Balkanbänden Karl Mays I. In: MKMG 21 (1974), S. 6f. (im vorliegenden Band S. 237-254).
38Es ist geplant, das Werk in einer speziellen Untersuchung vorzustellen.
39White [Anm. 8], Bd. 1, S. 383.
40Vgl. DH XI 788ff.; R2 180ff.; IV 31ff.
41White [Anm. 8], Bd. 2, S. 363.
42Edwin Rockstroh: Ueber das Reisen in der europäischen Türkei. In: Aus allen Welttheilen 5 (1874), S. 130.
43Edwin Rockstroh: Wanderstudien aus der europäischen Türkei. In: Aus allen Welttheilen 5 (1874), S. 283.
44DH XII 212; R1 248; IV 290f. Diese Stelle liegt zwischen der Textstelle, die die Pässe erklärt, und einer, an der er von Rockstroh


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(Reisen [Anm. 42], S. 130) Bemerkungen über das Geldwesen übernimmt: DH XII 209; Rl 245; IV 275f.
45DH XII 340ff.; R1 279ff.; IV 406ff.
46Julius v. Wickede: Der Vampyr. Eine Reiseerinnerung aus Bosnien. In: Aus allen Welttheilen 6 (1875), S. 368.
47Hermann v. Schlagintweit-Sakünlünski: Ueber die Gattung der Rosen in Hochasien, und über Rosenwasser und Rosenöl. In: Aus allen Welttheilen 6 (1875), S. 208. Geographisches über Oberalbanien. In: Das Ausland 54 (25.4.1881), Nr. 17, S. 321. Spiridion Gopcevic: Die albanesische Blutrache. In: Globus 39 (1881), S. 71. Spiridion Gopcevic: Die Ehe in Oberalbanien. In: Globus 39 (1881), S. 139. Die Behauptung von Kova[`´c]evi[´c], May habe die Zeitschrift 'Das Ausland' eifrig gelesen, muß für den Balkanraum - mit Ausnahme des in seiner Bibliothek befindlichen Bandes - verworfen werden. Jedenfalls brachte eine Durchsicht der entsprechenden Artikel für die Jahrgänge 1870 bis in die 80er hinein kein positives Ergebnis. Vgl. Katalin Kova[`´c]evi[´c]: Makedonien bei Karl May. In: Lenau-Forum (1971), Nr. 3/4, S. 104 (im vorliegenden Band S. 219-236).
48Albanesen. In: Brockhaus' Conversationslexikon. Bd. 1. 13. Aufl. 1882, S. 326 als Quelle für DH XIV 380; R2 124; V 292 und für DH XIV 656; R2 273; VI 290f.
49Osmanisches Reich. In: Brockhaus' Conversationslexikon. Bd. 12. 13. Aufl. 1885, S. 509 als Quelle für DH XIV 529; R2 200; VI 1f.

Ebd., S. 512f. als Quelle für DH XIV 483; R2 173; V 491f. (gegenüber DH gekürzt).
50Vgl. Roxin [Anm. 3], S. 4.
51Radkov [Anm. 37], S. 7.
52Vgl. Malte Ristau:Verbrecher oder Sozialbanditen? Zu einer speziellen Problematik der Balkanbände. In: MKMG 28 (1976), S. 13.
53Vgl. Claus Roxin: Einführung. In: R2, S. 4.
54Robert [Anm. 8], Bd. 2, S. 239f.
55Helmuth Christmann: Bemerkungen zu May s Serbisch. In: MKMG 72 (1987), S. 24-28.
56Ebd., S. 26.
57Robert [Anm. 8], Bd. 2, S. 211.
58Werner Poppe: Marah Durimeh. Eine Quellenforschung zu Karl Mays Reiseerzählung "Durchs wilde Kurdistan". Graff-Anzeiger, Sonderheft 1 (1975).
59Berswordt [Anm. 8], S. 4 als Quelle für DH XIV 491; R2 181; V 523.
60Zwanzig bis dreißig Ausdrücke und Redewendungen aus den Balkan-Bänden habe ich einem Türken zur Prüfung gegeben, der die grammatikalischen und Sinnfehler feststellte. Daß es sich bei nicht fehlerhaften Konstruktionen in der Regel um eine Übernahme aus einer Quelle gehandelt haben wird, ist eine Hypothese. Jüngst hat Anton Haider von einem im Nachlaß von Pfarrer Hock aufgefundenen Text eines österreichischen Generalkonsuls zu Konstantinopel berichtet, der über Mays Türkisch befindet: "Der Verfasser hat sich aus einem Sprachführer oder Wörterbuch eine Anzahl türkischer Wörter angeeignet, ist jedoch in den Geist der Sprache, namentlich in ihren von dem der unsrigen gänzlich abweichenden Satzbau in keiner Weise eingedrungen." (Anton Haider: "Karl der Deutsche". Miszelle in: MKMG 81 [1989], S. 54.)
61Karl Hock: "Zna[`´s] Kara Ben Nemsi?" In: KMJb 1933, S. 76-84.


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62J. Goebel: In den Schluchten des Balkan. In: KMJb 1925, S. 153.
63Auch wenn May damit kein Plagiat beging (Märtin [Anm. 2], S. 247 weist auf die dahingehende Meinung des Juristen Roxin hin. Vgl. Claus Roxin: Karl Mays 'Freistatt'-Artikel. Eine literarische Fehde. In: JbKMG 1976, S. 221), war er natürlich daran interessiert, keine Zweifel an der Authentizität seiner Schilderungen aufkommen zu lassen.



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