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Claus Roxin

Bemerkungen zu Karl Mays Orientroman


I. Einleitung

Karl Mays sechsbändiger Orientroman ist mit seinen 3 765 Seiten (nach der Zählung der bis 1945 fast unverändert nachgedruckten Erstausgabe) seine bei weitem umfangreichste Reiseerzählung. Sie ist im Bewußtsein der deutschen Leser bis heute mit ähnlicher Intensität gegenwärtig wie Mays Winnetou. Titel und Reihenfolge der sechs Bände und den Namen ihres orientalischen Protagonisten Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawud al Gossarah können zahlreiche Leser auswendig hersagen, und Tausende von Touristen haben beispielsweise den Schott el Dscherid und den Turm von Galata nur um ihrer Karl-May-Lektüre willen besucht.

   Wie in der Einleitung des vorliegenden Studienbandes näher dargelegt wird, sind die sechs Bände nicht in ihrer heutigen Form als jeweils selbständige Bücher konzipiert worden. Vielmehr bestand die Erstveröffentlichung im 'Deutschen Hausschatz' (1881-1888) aus sieben Erzählungen von sehr unterschiedlicher Länge: "Giölgeda padi[´s]hanün" (1 006 S.), Reise-Abenteuer in Kurdistan (266 S.), Die Todes-Karavane (347 S.), In Damaskus und Baalbeck (101 S.), Stambul (102 S.), Der letzte Ritt (518 S.) und Durch das Land der Skipetaren (1 315 S.); bei der Buchveröffentlichung (1892) kam noch der Anhang (110 S.) hinzu.1

   Diese sieben Erzählungen lassen sich in drei deutlich abgrenzbare und annähernd gleich umfangreiche Gruppen zusammenfassen: den Anfangsteil mit den ersten beiden Erzählungen, der die heutigen Bände Durch die Wüste und Durchs wilde Kurdistan umfaßt (1 272 S.); den aus vier kürzeren Erzählungen zusammengesetzten Mittelteil, der von Kurdistan bis auf den Balkan fuhrt und in der Buchausgabe die Bände Von Bagdad nach Stambul und In den Schluchten des Balkan (Kap. 1-6) umfaßt (1 068 S.); und den Schlußteil mit der Reise durch das sprichwörtliche 'Land der Skipetaren', der die beiden letzten Kapitel des Balkan-Buches, den Band Durch das Land der Skipetaren und den Schut (ohne Anhang), einnimmt (1 315 S.).



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   Die folgende Darstellung geht von dieser Dreigliederung aus. Eine solche Stoffeinteilung ist der durch reine Umfangserwägungen bestimmten Bandeinteilung der späteren Buchausgabe vorzuziehen und läßt die entstehungsgeschichtlich gewachsene Struktur des Romanzyklus deutlicher erkennen. Eine Inhaltswiedergabe der Geschichte ist nicht beabsichtigt2; die Kenntnis des Werkes wird also vorausgesetzt. Vielmehr will ich Hinweise zur literarischen Beurteilung, zu den Quellen, zur Wirkungsgeschichte und zur ideologiekritischen Bewertung von Mays Orientbild geben.

II. Von der Wüste durchs wilde Kurdistan

Qualitativ bewegt sich May schon im Anfangsteil seines Orientromans und auch in den Folgebänden auf einem Niveau, das er in seinen Reiseerzählungen nur noch gelegentlich erreicht und nie mehr übertroffen hat.3 Hans Demel nannte die ersten sechs Orientbände schlechtweg "das Beste, was Karl May geschrieben hat"4, und Otto Forst-Battaglia5 ist ihm in diesem Urteil ausdrücklich gefolgt. Wenn man sich fragt, worin diese Qualität begründet ist, so wird man sagen müssen, daß sich nirgends in Mays Abenteuerromanen erzählerische Meisterschaft (1) mit zuverlässiger völkerkundlicher Detailinformation (2), psychologischem Hintergrund (3) und ethisch-erzieherischer Vertiefung (4) so zwanglos und faszinierend vereint wie hier. Es ist in diesem Rahmen nicht möglich, das in umfassender Weise auszuführen, doch seien wenigstens einige skizzenhafte Hinweise gestattet.

(1) Es ist ein weitverbreiteter Irrtum, daß das Lesevergnügen, mit dem so viele Menschen sich in Mays Reiseerzählungen vertiefen, auf der 'spannenden Handlung' beruhe. Die Motive von 'Gefahr' und 'Rettung', 'Gefangenschaft' und 'Befreiung', aus denen sich im Orientroman wie in allen Reiseerzählungen Karl Mays die Handlungsereignisse fast ausschließlich entwickeln, sind überaus schlicht und wirken vom rein Stofflichen her in ihrer ständigen Wiederholung eher ermüdend. Aber May ist in der Lage, wo er auf der Höhe seines Könnens ist, dieselben Grundmotive immer wieder spannend zu machen, und zwar durch die suggestive Kraft des erzählerischen Vortrages: durch seinen Erfindungsreichtum bei der Ausgestaltung und Variierung der Motive, durch Genauigkeit und Anschaulichkeit bei der Beschreibung und szenischen Verlebendigung, durch die handlungsfördernde Gespannt-


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heit [Gespanntheit] des scheinbar lockeren Dialogs und durch vielfältige epische Kunstgriffe, die längst einmal umfassend hätten untersucht werden müssen.6

   May ist sich vermutlich bei diesem Roman, mit dem er sich nach den vielen Versuchen seiner Frühzeit erstmals wirklich 'freigeschrieben' hatte, dieser Fähigkeit auch bewußt geworden. Daher rühren die fast spielerische Leichtigkeit der Stoffbewältigung und ein gewisser Übermut, mit dem er sich über die Sache stellt. So nennt er selbst das Amadijah-Motiv, "daß ein Gefangener durch die Berauschung seiner Wärter befreit" wird, einen "verbrauchten Schriftstellercoup", über den er sich oft "geärgert" habe (Durchs wilde Kurdistan, HKA 213, F 2427). Das kann ein Autor nur sagen, wenn er weiß, welch erzählerisches Glanzstück er auf mehr als 200 Buchseiten diesem 'verbrauchten' Motiv abgewonnen hat!

   Hinzu kommt, daß über diesem Roman der Zauber des Anfangs waltet. Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar, zentrale Figuren im Kosmos seines Werkes, treten hier zum ersten Mal auf. May war kein großer Menschenschilderer. Aber diese beiden Gestalten, Verkörperungen seines Ich-Ideals und seines empirischen Ich8, in die er seine eigene psychische Substanz fast ohne ästhetische Kontrolle einfließen lassen konnte, sind literarisch bedeutende Schöpfungen9, die seit nun fast hundert Jahren eine unvergleichliche Lebenskraft bewiesen haben. Auch manche Handlungselemente gewinnen durch ihre Erstmaligkeit die Kraft des mythisch Prägenden: so die Einschließung der Feinde im 'Tal der Stufen', die dann bis Ardistan und Dschinnistan immer wiederkehrt, oder die früheste Begegnung mit den Frauengestalten der Hanneh und der Marah Durimeh, die von nun an mit dem Autor in sein späteres Werk hineinwachsen.

(2) Neben der epischen Gestaltungskraft des Verfassers hat auch der zuverlässige geographische und historische Hintergrund, den May seiner Erzählung geben konnte, wesentlich dazu beigetragen, die Fiktion zu realisieren. Schon für die Algerien-Episode am Beginn des Romans hatte May seinen vorzüglichen Gewährsmann in Josef Chavanne. Hans Plischke10 verweist als Quelle für die Schilderung des Schott el Dscherid auf dessen Buch Die Sahara oder von Oase zu Oase, Wien 1879, das sich auch in Mays Bibliothek befand.11 Franz Kandolf12 nennt desselben Autors Abhandlung über Das algerisch-tunesische Binnenmeer13,


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die auszugsweise bei Horst Heinke14 wieder abgedruckt ist und aus der sich der Leser selbst über Mays Geschick bei der Quellenverarbeitung informieren mag. Für die Schilderung Mekkas hat May wahrscheinlich das Buch Meine Wallfahrt nach Mekka (Leipzig 1865) von Heinrich von Maltzan benutzt.15 Eines der besten historisch-archäologisch-völkerkundlichen Werke, an die May je geraten ist, liegt dann der zweiten Hälfte des Bandes Durch die Wüste und dem ganzen Kurdistan-Buch zugrunde: die zweibändige Schrift Niniveh and its remains des berühmten Assyriologen Austen Henry Layard (1817-1894), die 1848/49 erschien und 1850 in der Übersetzung von Meißner unter dem Titel Ninive und seine Überreste, nebst einem Berichte über einen Besuch bei den chaldäischen Christen in Kurdistan und den Jezidi oder Teufelsanbetern in Leipzig veröffentlicht wurde.16 Diese Übersetzung besaß May17, und er hat durch ihre Auswertung dem vorliegenden Bande einen so authentischen Hintergrund geben können wie sonst keiner seiner Reiseerzählungen. Es ist hier nicht der Ort, im einzelnen darzulegen, wie May dabei vorgegangen ist. Doch soll immerhin vermerkt werden, daß auf diese völkerkundliche Ressource Mays schon im Jahre 1882 (also gleich nach dem Erscheinen des May-Textes) in der zeitgenössischen Presse hingewiesen wurde18, daß Franz Kandolf in einem Aufsatz Kara Ben Nemsi auf den Spuren Layards19 einen Überblick über die Art von Mays Quellenverarbeitung gegeben und daß Hans Hauser in seinem Kurdistan-Buch20 dieses Bild durch zahlreiche Einzelzüge ergänzt hat.

   Bemerkenswert bleibt, daß es May mit seiner Geschichte gelungen ist, das deutsche Leserpublikum in einer bis heute nachwirkenden Weise für das Schicksal der Kurden, der 'Teufelsanbeter' und der Chaldäer zu interessieren und daß auch die völkerkundliche Wissenschaft diesem Werk Mays wie keinem anderen ihre Aufmerksamkeit zugewandt hat. Das 'wilde Kurdistan' ist zum geflügelten Wort geworden. Der kurdische Sprachwissenschaftler Bedir Khan spricht vom "Ruhm dieses Wortes" und vermerkt21: "Kein anderer als Karl May ist es gewesen, der einst die von den Kurden bewohnten Gebiete als 'wildes Kurdistan' bezeichnet hat". Noch 1966 wird in dem Buch Erlendur Haraldssons Land im Aufstand... Kurdistan das Werk Karl Mays im Literaturverzeichnis angeführt.22 Auch Hans Hauser betont jetzt wieder, wie "topographisch außerordentlich präzise" May Kurdistan beschrieben hat23 und resümiert24: "So dürfen sich heute zwei Männer in


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das Verdienst teilen, Kurdistan dem Abendland nahegebracht zu haben: der abenteuernde Archäologe Layard als der Entdecker und der 'Jugendschriftsteller' als der Publizist."

   Es verdient auch, festgehalten zu werden, daß gerade die Orientbände Karl Mays vielfach lebensprägend gewirkt und manchen Wissenschaftler bei seiner Berufswahl bestimmt haben. Dies berichtet z.B. Prof. Robert Bleichsteiner, der Veranstalter der Karl-May-Ausstellung des Wiener Völkerkunde-Museums, von sich25, und er fügt hinzu, er kenne "eine Anzahl lieber Kollegen, die in der gleichen Lage waren und heute einen ansehnlichen Ruf als Forscher auf dem Gebiet der Orientwissenschaften und der Völkerkunde besitzen". Auch Hans Hauser, der Geschichtsschreiber des kurdischen Volkes, bekennt26, daß ihn Karl May dazu inspiriert habe, "selbst ins wilde Kurdenland zu gehen und auch ein Buch zu schreiben, eine Art Fortsetzung der Abenteuer Kara Ben Nemsis hinter der Kulisse der düsteren, geheimnisvollen Berge".

(3) Die Handlungssubstanz selbst ist Karl Mays alleinige Erfindung. Es handelt sich dabei - von den psychischen Grundlagen her gesehen - weithin um die traumhafte Verkehrung innerer Ängste und biographischer Schockerlebnisse in Szenen sieghafter Befreiung. Nur im ältesten Bestandteil der Handlung, der Harems-Episode am Nil, die May schon 1876 in Form einer noch recht kolportagehaften Liebesgeschichte bei Münchmeyer veröffentlicht27 und für den 'Hausschatz' in die hier vorliegende endgültige Form gebracht hat, mag eine motivische Anlehnung bei Wilhelm Hauff feststellbar sein.28 Aber die Parallele erschöpft sich darin, daß in Hauffs Märchen Die Errettung Fatmes29 Mustapha seine geraubte Schwester Fatme befreit, indem er sich als Arzt ausgibt und sie durch eine alte Wasserleitung entführt. Das traumatische Erlebnis, wie Kara Ben Nemsi beim Schwimmen durch das faulige Wasser halb erstickt an das Gitter der Kanalröhre stößt und im "Kampf des Todes" mit letzter Anstrengung das Leben wiedergewinnt (Durch die Wüste, HKA 125f., F 140f.), ist ganz sein eigen und bildet den eigentlichen Kristallisationspunkt der Geschichte. Besonders Ernst Bloch30 hat wiederholt auf diese Stelle hingewiesen: "Die Handlung ist wie ein Angsttraum, aus dem man sich nicht herausfindet, oder wie eine Rettung, die man nicht müde wird, hundertmal zu hören." Szenen solcher Art sind der Inspirationsquell zahlreicher Episoden, aus denen sich die Handlung aufbaut: das Versinken im


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Sumpfe des Schott el Dscherid (Durch die Wüste, HKA 46-48, F 46-48), wo Kara Ben Nemsi "zwischen Leben und Tod hinwegfliegt"; die Fahrt durch den Nilkatarakt mit dem Mordversuch Abrahim-Mamurs (Durch die Wüste, HKA 136-139, F 152-156); die Gefangennahme durch die Seeräuber (Durch die Wüste, HKA 177f., F 200f.); die Entdeckungsszene in Mekka (Durch die Wüste, HKA 260, F 298f.) - das alles sind Augenblicke, wie man sie sonst nur im Alptraum erlebt, verdichtete Symbole der Ur-Angst und Errettung, die sich aus der Biographie Mays mühelos mit konkreteren Inhalten füllen lassen, deren überprivate Eindruckskraft aber gerade darin besteht, daß sie jeder Leser auf die Widerfahrnisse seiner eigenen Seele beziehen und dadurch in sehr unmittelbarer Weise miterleben kann.

   Heinz Stolte hat in zwei umfangreichen Abhandlungen31 nachgewiesen, daß im Handlungsablauf der Bände Durch die Wüste und Durchs wilde Kurdistan auch sonst Schlüsselerlebnisse aus der Biographie Mays - der angebliche Uhrendiebstahl des jungen Lehrers und die 'Affäre Stollberg' - verarbeitet sind. May hat sich von den quälenden Schatten der Vergangenheit befreit, indem er die Niederlagen seines Lebens durch die umbildende Kraft der Phantasie in Siege verwandelte. Stolte hat ferner gezeigt - und seine Analysen dürfen hier als bekannt vorausgesetzt werden -, wie diese kompensatorische Kraft auch im übrigen bis in die Einzelheiten der szenischen Gestaltung hinein (etwa bei der Begegnung mit Polizisten und Behörden) wirksam gewesen ist. Selten ist die therapeutische Funktion des Schreibens so unmittelbar Literatur geworden wie hier; die Literaturpsychologie hat in diesen Büchern eines ihrer ergiebigsten Beispiele. Der Heilungs- und Befreiungscharakter der Geschichten begründet auch die Traumsicherheit ihrer Atmosphäre, die Schwerelosigkeit des erzählerischen Duktus und das sich auf den Leser übertragende Vertrauen, es werde alles am Ende gut ausgehen. Überhaupt gelingt es May, durch die Transponierung der Geschehnisse ins Exotische und Urtümliche, durch Vereinfachung und Steigerung jene archetypischen Konfigurationen herzustellen, die seine Motivwelt dem Nur-Persönlichen enthebt und es einer großen Zahl von Lesern ermöglicht, sich und ihre seelischen Bedürfnisse darin wiederzufinden.32

(4) Das Geheimnis der Wirkung unserer Geschichte ist gleichwohl nicht hinreichend zu erfassen, wenn man nicht ihre erziehe-


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rische [erzieherische] 'Botschaft' in die Betrachtung einbezieht, die sich freilich auch hier wieder besonders deutlich auf Mays seelische Struktur zurückführen läßt. Bei genauerem Hinsehen läßt sich in unserem Doppelroman eine Wandlung erkennen, die ihn in seinem ethischen Gehalt auf eine höhere Stufe hebt, als May sie bis dahin erreicht hatte. Kara Ben Nemsi befleißigt sich zwar von Anfang an jenes humanen Verhaltens, das der vorhergehende 'Hausschatz'-Roman Deadly Dust noch nicht überall erkennen läßt.33 Aber diese Humanität zeigt sich doch zunächst vornehmlich darin, daß er die Schurken der noch im Stile seiner frühen exotischen Novellen episodisch aufgereihten Abenteuer laufen läßt. Mit der Ankunft bei den Haddedihn dagegen tritt Kara Ben Nemsi in den Dienst einer ethischen Mission: Er stellt sich nicht nur ohne Rücksicht auf die Unterschiede des Stammes und der Religion demonstrativ auf die Seite der unterdrückten Völkerschaften34, ob dies nun die Araber (Haddedihn), die Dschesidi, die Kurden oder die Nestorianer sind; er wirkt auch überall mit Toleranz, Objektivität und vorausschauender Umsicht für den Frieden durch Versöhnung verfeindeter Volksgruppen. Das Ende der Reise-Abenteuer in Kurdistan ist eine Apotheose des Friedens, der man in der rauhen und blutigen Welt dieser Geschichte eine ergreifende und in gutem Sinne 'bildende' Wirkung schwerlich absprechen kann.

   Die Wendung des Spätwerks zum Mütterlichen, die Hans Wollschläger in grundlegender Weise als die charakterliche Basis der pazifistischen Tendenzen Mays herausgearbeitet hat35, ist hier in ihrer psychischen Substanz vorweggenommen. So wundert es nicht, daß als Friedensstifterin eine alte Frau, Marah Durimeh, erscheint, die alle Züge des Mütterlichen trägt. May nennt sie "meine gute Mutter" (Durchs wilde Kurdistan, HKA 544, F 630). "Dabei sahen mich die alten Augen so mütterlich innig an, daß ich's nie vergessen werde" (Durchs wilde Kurdistan, HKA 549, F 636). Unter diesem Einfluß legt Mays 'Ich' denn auch dieses eine Mal seine Heldenrolle ab und beichtet, wie es nur ein Sohn gegenüber der Mutter tun kann. Er nennt sich einen "Emir des Leidens, des Duldens und des Ringens" (Durchs wilde Kurdistan, HKA 546, F 632) und bekennt die zentrale Not seines Lebens, die auch sein Schreiben bis zum Ende bewegte: "[...] auf wem das Gewicht des Leides und der Sorge lastete, ohne daß eine Hand sich helfend ihm entgegenstreckte, der weiß, wie köstlich die Liebe ist, nach der er sich vergebens sehnte" (Durchs wilde


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Kurdistan, HKA 546, F 633). Die schlichte Zeile "Herr, [...] ich liebe Dich!" (Durchs wilde Kurdistan, HKA 549, F 636) bedeutet wie das gesamte abschließende Zwiegespräch mit Marah Durimeh einen Höhepunkt im frühen Werk Mays. Man kann - was die psychischen, nicht die literar-ästhetischen Voraussetzungen betrifft! - den Gehalt der späten Romane aus dieser Szene entwickeln, auf die sich das ganze Kurdistan-Buch hinbewegt. Es ist daher kein Zufall, daß May ein Buch mit dem Titel Marah Durimeh lange Zeit als Abschluß seines Romanwerks vorschwebte36 und daß Marah Durimeh später zur beherrschenden Gestalt seiner Symbolwelt emporwuchs. Schon hier im wilden Kurdistan liegt eine der literarischen Wurzeln für Ardistan und Dschinnistan. Aber auch wenn man von der Bedeutung dieses Buches für Mays spätere literarische Entwicklung ganz absieht, darf man sagen, daß May, der von den Lehrern so viel Gescholtene und Belächelte, hier ein erzieherisches Niveau erreicht, das seine Reise-Abenteuer in Kurdistan (im Verein mit den übrigen Qualitäten des Buches) als Schullektüre besser geeignet macht als manches Werk des klassischen Bildungskanons.

III. Von Kurdistan auf den Balkan

(1) Von den vier Geschichten, die den Mittelteil des Romans bilden, ist die erste, Die Todes-Karavane (= Von Bagdad nach Stambul, HKA 9-299, F 1-347), literarisch die beste. Sie hält durchaus die Höhe des abschließenden Kurdistan-Teils und gehört zu Mays bemerkenswertesten Reiseerzählungen überhaupt. Ihr psychologischer Hintergrund ist der Verlust der 'Liebe', die Kara Ben Nemsi auf den Höhen der kurdischen Berge durch die Mutterfigur der Marah Durimeh zuteil geworden war. Mit der zunehmenden Entfernung von diesem Quell der liebenden Versöhnung erfaßt Kara Ben Nemsi "eine Unruhe, eine Angst, als hätte ich etwas Böses begangen, dessen Folgen ich nun fürchten müsse" (Von Bagdad nach Stambul, HKA 45, F 44); Depressionen stellen sich ein (Von Bagdad nach Stambul, HKA 136, F 153), Heimweh überfällt den Dichter, und er spricht aus, worum es 'im Grunde' bei dieser Erzählung geht: "Die Eindrücke der Jugend sind niemals gänzlich zu verwischen, und die Erinnerung kann wohl schlafen, aber nicht sterben." (Von Bagdad nach Stambul, HKA 172, F 196) Es ist die Auseinandersetzung mit den Eltern, die den abenteuerlichen Text im tiefsten Untergrunde


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bewegt: "Gieb uns gute Mütter [...]. Das Herz der Mutter ist der Boden, in dem der Geist des Kindes Wurzel schlägt", ruft Hassan Ardschir-Mirza, der Flüchtling, zur Begründung der These aus, daß sein "Land eine Einöde ist" (Von Bagdad nach Stambul, HKA 179, F 204); das wirkt vom Standpunkt der oberschichtigen Handlung aus befremdlich, spricht aber die eigene Not des Dichters aus, der schon vorher von den "öden, einsamen Flächen" "im Innern des Menschen" und seiner Sehnsucht nach Wärme und Geborgenheit gekündet hatte: "Wie glücklich muß ein Mann sein, der eine stille Heimat hat [...]" (Von Bagdad nach Stambul, HKA 136f., F 154).

   Aber nicht nur die Trennung von der Mutter, auch der Vater-Sohn-Konflikt bestimmt das Geschehen. Mohammed Emin gehört zu den Vaterfiguren Mays, und der Streit zwischen ihm und Kara Ben Nemsi, der eine geradezu bebende Erregung des Autors verrät, macht deutlich, um was es hier geht: "Du hast vergessen, was ich an dir that", sagt Mohammed Emin. "Ich nahm dich auf [...]; ich beschützte dich; ich gab dir sogar das Pferd, welches mir die Hälfte meines Lebens wert war. Du bist ein Undankbarer!" (Von Bagdad nach Stambul, HKA 128, F 143) Kompetenz- und Autoritätsprobleme begründen den nie wieder ganz geheilten Bruch. May läßt Kara Ben Nemsi siegen und Mohammed Emin sterben. Aber er wird dieser Lösung nicht froh. Die Handlung treibt weiter in die Katastrophe: Auch Hassan Ardschir-Mirza, eine Spiegelung Mays, muß sterben, und selbst Kara Ben Nemsi und Halef, sein Alter ego, entgehen dem Tode durch die Pest nur aus Gründen erzählerischer Notwendigkeit.

   Die Todes-Karavane ist Mays düsterste Reiseerzählung.37 Es ist eine Geschichte von Einsamkeit und Tod; die Gefährten entfremden sich dem Helden, sie fallen im Kampfe oder verlassen ihn (im ersten Teil); sie verraten, morden und werden ermordet (im zweiten Teil). Das alles hat weite psychologische und biographische Perspektiven und würde eine umfassende Analyse verdienen, die hier nicht gegeben werden kann. Es ist aber auch erzählerisch meisterhaft ins Bild gesetzt. Die dunkle, beklemmende, todesstarre Landschaft Kurdistans, die historischen Exkurse über den Zerfall Bagdads und Babels und die Schilderungen vom lähmend-ekelhaften Dunst der Todeskarawane stimmen den Leser in suggestiver Weise auf das Handlungsgeschehen und dessen tieferen Gehalt ein.38 Als völkerkundliche Grundlage hat May vor allem das wertvolle Buch von Claudius James Rieh, Reise nach


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Kurdistan und dem alten Ninive, gedient, das sich auch in seiner Bibliothek befindet39; daneben weist Kandolf40 auf Kieperts Karte über Die Ruinenfelder von Babylon hin. Für die Todeskarawane, aber später auch für die Schilderung vor allem von Bagdad, Damaskus und Baalbeck hat May auf das Buch Der Orient von Amand von Schweiger-Lerchenfeld (1881) zurückgegriffen.41

   Auch für May selbst muß die Erzählung von der Todeskarawane neben der Marah-Durimeh-Episode eine Schlüsselstellung im Reiseerzählungswerk eingenommen haben. Er ist oft zu ihr zurückgekehrt und hat ihre Motive wieder aufgenommen: zuerst im Anhang des Schut-Bandes (HKA 474ff., F 536ff.), dann im Schlußteil des Mahdi (Bd. 3, F 153ff.) und schließlich in Im Reiche des silbernen Löwen, wo viele der alten Handlungszüge repetiert und vertieft werden und eine Krankheit von ähnlicher Schwere zur Auferstehung im verwandelten Spätwerk führt.

(2) Die beiden folgenden Erzählungen In Damaskus und Baalbeck und Stambul, die im Bagdad-Band das sechste und siebente Kapitel bilden, sind als eine zusammengehörige, wie Die Todes-Karavane zweiteilige, Geschichte zu betrachten. Sie bringen inhaltlich Fortsetzung und Schluß der im ersten Bande angesponnenen Abrahim-Mamur-Handlung und liefern gleichzeitig die Exposition für die zweite Hälfte des sechsbändigen Orientromans, in dem die Omar-Ben-Sadek-Handlung und die Galingré-Handlung aus den ersten Kapiteln des Bandes Durch die Wüste wieder aufgenommen werden; gleichzeitig werden alle diese Handlungsfäden miteinander verflochten und in einer Haupthandlung, der späteren Schut-Geschichte, zusammengeführt. Das ist erzählerisch mit großer Geschicklichkeit gemacht. Kompositorisch liegt freilich eine Schwäche darin, daß die Protagonisten der früheren Geschehnisse alle mehr oder weniger zufällig zur selben Zeit in Stambul wieder auftauchen. May hat das selber bemerkt und aus der Not eine Tugend gemacht, indem er auch noch allerlei Nebenpersonen aus früheren Episoden, für deren Wiedereinführung eine kompositorische Notwendigkeit an sich nicht bestanden hätte (wie den Griechen Kolettis aus der Haddedihn-Zeit, den Nasir Agassi aus der Dschesidi-Episode und den von der Senitza-Befreiung her bekannten angeblichen Barbier aus Jüterbogk), in das Geschehen einbezog und über die Vielzahl der (nun nicht mehr ohne weiteres als absichtsvoll arrangiert erkennbaren) Wie-


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derbegegnungen [Wiederbegegnungen] auch Kara Ben Nemsi in Verwunderung ausbrechen läßt: "Es war wirklich, als ob mir hier in Konstantinopel eine Rekapitulation meiner Erlebnisse beschieden sei." (Von Bagdad nach Stambul, HKA 463, F 543f.)

   Qualitativ reicht der in Damaskus und Stambul spielende Handlungsteil nicht an die Todes-Karavane heran, hält sich aber auf dem Niveau sehr spannender Abenteuerliteratur. Den Handlungskern bildet die Geschichte um Abrahim-Mamur, eine der negativen Vatergestalten Mays, wie sie später in der Figur des 'Ghani' die Thematik eines seiner bedeutendsten Romane (Am Jenseits) bestimmt hat.42 Wie hernach der Ghani tritt Abrahim-Mamur als Schatzräuber auf43; von einem Sohn (Omar Ben Sadek, dessen Handlungsfunktion durch seine Sohnschaft bestimmt ist) wird er vom Turm zu Galata hinabgestürzt (Von Bagdad nach Stambul, HKA 453ff., F 531ff.).

   Erzählerisch war es ein glänzender Griff Mays, nach der menschenleeren Einsamkeit der Landschaft Kurdistans in den folgenden Handlungsteilen den Orient nun auch "als Landschaft des Jahrmarkts, der wilden und geheimnisvollen Buden"44, dem Leser vor Augen zu stellen. So ist das menschenwimmelnde 'Traum-Stambul', in dem Karl May den "braven Juden" Baruch (Von Bagdad nach Stambul, HKA 465, F 545) die sympathischste Rolle spielen läßt, nicht nur die Drehscheibe der Handlung, sondern auch ein Kristallisationspunkt sehnsüchtiger Phantasie geworden: "Der Flitter des Jahrmarkts kam hinzu, der echte Budenorient, wie er zur Kolportage gehört, damit sich die Freizügigkeit nicht in kruder Natur erschöpfe, sondern färbt und in Traumschichten spiegelt".45

(3) Die abschließende Erzählung, Der letzte Ritt, ist etwa so umfangreich wie die übrigen zusammen. Sie ist wahrscheinlich die einzige Erzählung aus dem Orientzyklus, die neben der Arbeit an den Kolportageromanen zu verschiedenen Zeiten der Jahre 1884/85 niedergeschrieben worden ist. Die Erzählung ist gewiß nicht mißlungen, aber sie ist doch die relativ schwächste unseres Bandes wie des Orientromans überhaupt. Die Ursache wird man in der Gehetztheit Mays suchen müssen, dem in den kurzen Pausen zwischen seinen Kolportageromanen die Zeit zur Vorbereitung und ruhigen Ausarbeitung fehlte. Daraus resultieren vor allem zwei Mängel:


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   a) Die völkerkundliche Fundierung und der zeitgeschichtlich historische Hintergrund erreichen nicht die von May bisher bewiesene Zuverlässigkeit.46 Dem entspricht es, daß bisher, soweit ich sehe, eine ethnographische oder historische Quelle Mays für seine Balkan-Erzählung nicht aufgefunden worden ist. Er hat nach Handtkes (ausgezeichneter!) Karte der Balkanländer (herausgegeben bei Flemming, 1880) gearbeitet47, und Kandolf meint, er sei bei der "Schilderung der Reise durch die Balkan-Staaten" auf diese Karte "allein angewiesen" gewesen.48 Wesselin Radkov, der Balkan-Experte der Karl-May-Forschung, hat auf mündliches Befragen dieselbe Ansicht geäußert. Daneben wird May sich vermutlich auf Zeitungsberichte gestützt haben; er selbst erzählt, wie "in den gegenwärtigen Tagen [...] die Zeitungen fast ununterbrochen von Aufständen, Ueberfällen, Mordbrennereien" berichten (In den Schluchten des Balkan, HKA 24, F 19). Solche Zeitungsmeldungen pflegen aber widersprüchlich und von Interessenstandpunkten getrübt zu sein, so daß es nicht verwundern kann, wenn May bei Beurteilung der politischen und nationalen Situation der Balkanvölker nicht immer zur Klarheit gelangte.

   b) Aber auch das Handlungskonzept der Erzählung befriedigt nicht recht. May scheint in der kurzen Zeit, die ihm für die Arbeit zur Verfügung stand, sich über den Fortgang der Geschichte nur in groben Umrissen klar geworden zu sein (der Name des 'Schut' fallt erstmals In den Schluchten des Balkan, HKA 24, F 19f.). So kommt es, daß das die Erzählung fortbewegende Motiv sich auf die Verfolgung zweier Verbrecher (Barud el Amasat und Manach el Barscha) reduziert, mit deren Erreichung es Kara Ben Nemsi und seine Gruppe nicht sehr eilig haben und deren sie auch tatsächlich bis zum Ende der Geschichte nicht habhaft werden. Das ist kein besonders tragfähiges Handlungsgerüst. Statt dessen bietet May novellistische Einlagen, mit denen er auf seine schriftstellerischen Anfänge zurückgreift. Die auf fast 200 Seiten zerdehnte Ehestiftungs- und Schmugglergeschichte um den Bäcker von Dschnibaschlü wiederholt das von Hainer Plaul so anschaulich analysierte Muster der frühen Humoresken49: Die Verbindung zweier Liebender droht am Widerstand des Vaters zu scheitern; dieser wird jedoch in eine kompromittierende Situation hineinmanövriert, aus der ihn nur die Zustimmung zur Heirat der beiden jungen Leute befreien kann. Auch das hinzukommende Pascher-Motiv stammt aus dem früheren Requisitenfundus. Die


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Vampyr-Novelle, die den Letzten Ritt abschließt, imitiert das Schema vieler Erzgebirgischer Dorfgeschichten50: das Motiv der "Liebe zweier Rivalen zum selben Mädchen" und der "Rache" des einen "aus verschmähter Liebe" wird mit einem Schuß von "Schauerromantik" zu einer dörflichen Kriminalerzählung verbunden. Die Gefangennahme Kara Ben Nemsis in Sabans Hütte repetiert gar nur ein soeben erst 'in Edreneh' verwendetes Motiv: die Hilfsbereitschaft des Helden wird ausgenutzt, um ihn in einen Hinterhalt zu locken.

   Das alles hat natürlich nicht die Faszinationskraft der Abenteuer in Mesopotamien, Kurdistan oder Stambul. Bei alledem hat aber auch Der letzte Ritt erzählerisch besonders geglückte Szenen: etwa die Begegnung mit dem Rosenzüchter Jafiz; die Auffindung Schimins ("im Finstern kann man alles greifen, bis in den Keller hinunter, wo der Schmied und sein Weib gebunden unter Kohlen liegen", heißt es bei Ernst Bloch51); die Entdeckung der dicken Bäckersfrau auf einer Fährte von Semmeln und Zuckerwerk und der groteske 'Durchfall' im Taubenschlag zu Menlik. Gleichwohl ist im ganzen ein Abfall im Verhältnis zu den vorhergehenden Leistungen nicht zu verkennen: Hier ist der Orientroman durch die Arbeit für Münchmeyer zwar keineswegs verdorben, aber doch ein wenig beeinträchtigt worden.

IV. Durch das Land der Skipetaren

(1) Versucht man - in ersten, groben Zügen - eine Analyse des Skipetaren-Romans, mit dem die große Orientreise endet, so fällt die ungewöhnlich einfache Struktur des Handlungsrahmens auf (beispielweise ist der gleichzeitige Geist der Llano estakata sehr viel kunstvoller angelegt): Kara Ben Nemsi und seine Gefährten verfolgen und suchen mehrere Mitglieder einer Verbrecherbande, die sich der Verfolger dadurch zu entledigen trachten, daß sie ihnen Hinterhalte stellen. Kara Ben Nemsi erfährt jedoch diese Pläne fast immer rechtzeitig (meist durch Belauschung) und vereitelt sie. Am Ende erleiden die Verbrecher die gerechte Strafe. Man würde kaum glauben, daß sich eine so schlichte Fabel zu 1 300 Seiten spannendem Erzählstoff verarbeiten läßt, wenn unser Roman es nicht bewiese. Doch zeigt sich hier, was für die meisten bedeutenden Erzähler gilt: Sie kommen mit einem Nichts an Fabel aus, und die 'Kunst' besteht gerade darin, aus Wenigem viel


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zu machen. Bei May wird das zunächst durch seine Virtuosität in der Abwandlung des immer gleichen Motivs ermöglicht: Jede der Gefahrenstationen - die Verhaftung in Ostromdscha, die Auflauerung durch die Aladschy, die Schluchthütte, der Mordversuch in Sbiganzy, die Begegnung mit dem Miriditen, die Abenteuer im 'Turm der alten Mutter', Halefs Gefangennahme in Treska-Konak, die Teufelsschlucht, die Juwelenhöhle, der Überfall vor Rugova, der alte Stollen und schließlich der kunstgerecht am Ende stehende Höllenschlund der 'Verräterspalte' - ist ganz verschieden ausgestaltet; Rettung und Sieg, die dem Leser von vornherein nicht zweifelhaft sein können, vollziehen sich in jeweils anderer Weise, und allein in diesem 'wie' liegt der spannungserhaltende Reiz.

   Es ist ein legendenhaftes Muster52, das auch dieser Erzählung zugrunde liegt: Der Held schreitet durch zwölf 'Prüfungen' , die ihn aber wegen seiner übernatürlichen Beschaffenheit nicht ernstlich anfechten können, zum Siege, der die Gerechtigkeit der göttlichen Ordnung bestätigt. Zu den Prüfungen, die ihm die Bosheit der Feinde bereitet, gesellen sich die Gefahren der entfesselten Natur, die Wassersnot und der wilde Bär, die ebenfalls siegreich bestanden werden. Es ist das ein wahrhaft urtümliches Dichten - mit aller Magie einer solchen Motivik. Doch bedeutet das nicht, daß May nicht seine Erzählmittel sehr bewußt und klug verwendet hätte. So entgeht er der Gefahr der Monotonie und der Abstumpfung des Lesers sehr geschickt dadurch, daß zwischen die anspannenden 'Prüfungen' breit ausgemalte burleske Szenen eingelagert sind, die dem Leser behagliche Entspannung ermöglichen. May selber motiviert das sehr hübsch (Skipetaren, HKA 252, F 299): "ich will uns nur einen Spaß machen. [...] Wir haben uns heute in Gefahr befunden und dürfen uns nun eine frohe Stunde gewähren." So folgen auf die Entlarvung des Mübarek die groteske Szene beim Apotheker und die Zauberkunststücke mit der Kugelfestigkeit (Skipetaren, HKA 82ff., F 88ff.); an die Überwältigung der beiden Aladschy schließt sich die Gipsschlacht mit Doktor Marterstein (Skipetaren, HKA 167ff., F 189ff.), eine wahre Slapstick-Komödie; die Gefahren in und um Sbiganzy werden durch behagliche Volksfestlichkeiten - "eine Menge von Genrebildchen", wie May sagt (Skipetaren, HKA 286, F 330) - mit teilweise sehr hübschen Kleinmalereien abgelöst; die Erlebnisse im 'Turm der alten Mutter' erhalten durch die "Einwässerung" (Skipetaren, HKA 403, F 470) der


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Feinde einen heiteren Abschluß; nach der dramatischen Wardar-Überfahrt kann sich der Leser bei Halefs Schinkenmahlzeit und den Künsten des kuriosen Schneiders erholen (Skipetaren, HKA 492ff., F 577ff.); für die Verschuldung der Treska-Konak-Ereignisse muß Halef durch den Genuß von Lebertran (Der Schut, HKA 61ff., F 61ff.) und 'Wurstdaumen' (Der Schut, HKA 80ff., F 82ff.) büßen. Erst mit dem Beginn des 'Gerichtes', also vom Tode des Mübarek an, auf den nun bis zum Ende Schlag für Schlag die Ergreifung und Bestrafung aller übrigen Feinde folgt, verlieren sich diese heiter-retardierenden Elemente der Erzählung mehr und mehr; das entspricht dem größeren Ernst, der nun vorherrscht, und steigert gleichzeitig die dramatische Wucht des Finales.

(2) Hinter dieser äußeren Fabel verbirgt sich aber nicht nur der Traum von der heldischen Bewährung, der durch eine jahrtausendealte Tradition literaturfähig geworden ist und den May durch die Beisetzung von Humor und Exotik auch unter den historisch verspäteten Bedingungen des 19. Jahrhunderts noch einmal darstellbar gemacht hat. Es stecken auch kühnere, vorwitzigere und eigentlich unerlaubte Tagträume des phantasierenden Ich dahinter. So ist z.B. der Mübarek, die tragende Figur des ersten Handlungsteils, ein falscher 'Doktor Heilig'.53 Das heißt: Er legt sich falsche Identitäten bei (Krüppel Busra); er gibt sich als mit überirdischen Mächten im Bunde stehend und als 'heilig' aus; er gibt vor, Kranke 'heilen' zu können, während er doch nur ein Schwindler ist. Aber das hintergründige Motiv dieser Entlarvung ist, wie sich bald zeigt, nicht eigentlich die bewährte Rechtschaffenheit unseres Helden, sondern der Umstand, daß der Mübarek eine Rolle usurpiert hat, die eigentlich Kara Ben Nemsi zukommt. Nun legt sich unser Autor ins Zeug, tut überraschenderweise genau dasselbe wie zuvor der Mübarek und zeigt, wer der wahre 'Doktor Heilig' ist: Er tritt ebenfalls als mit übernatürlichen Kräften begabt auf, indem er sich als 'kugelfest' darstellt und dabei sogar ein "Zauberbuch (Skipetaren, HKA 76, F 81) zu Rate zieht; er gibt sich (gegenüber den Aladschy) als 'heilig', nämlich als Scherif, aus und imitiert sogar die Krüppelhaftigkeit, indem er ein Bein nachzieht; er wird auch als Arzt tätig und heilt mühelos durch Handauflegen (Stipetaren, HKA 125, F 138f.), während er bald darauf den Gipsverband als neues Heilverfahren auf dem Balkan einführt. Dieses ganze Rollenspiel ist zwar mit


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der Fabel sinnvoll verknüpft, war durch sie aber nicht im geringsten gefordert. Trotzdem lebt die glänzende Erzähllaune des Skipetaren-Buches zum guten Teil von der lustvollen Verve, mit der diese Begleitmotive in Szene gesetzt sind. Wenn man nun weiß, daß der 'Dr. med. Heilig' eine Hochstaplerrolle des jungen May gewesen war54, muß man wieder einmal die seelische Kraft bewundern, mit der hier peinliche biographische Realien in Spiel und Kunst umgesetzt werden.

   Aber auch sonst betragen sich die Helden unseres Buches sehr sonderbar, wenn man ihre Aufführung an normalen bürgerlichen Verhaltensweisen mißt. Eine ihrer immer wiederkehrenden Beschäftigungen besteht nämlich darin, die Obrigkeit zu verprügeln. Das beginnt - psychologisch sehr fein - mit dem Khawassen, der Halef als "kleine[n] Mann" apostrophiert hatte (In den Schluchten des Balkan, HKA 440, F 510); es geht weiter mit dem Kodscha Bascha von Ostromdscha (Skipetaren, HKA 46f., F 46f.) und dem 'Richter' Murad Habulam und seinen Spießgesellen (Skipetaren, HKA 418ff., F 488ff.); es endet mit der Verprügelung des 'Chefgenerals' in Glogovic (Der Schut, HKA 72f., F 74f.) und der Züchtigung des Staroschin von Rugova (Der Schut, HKA 383, F 432). Der Anlaß dafür ist die dreiste Überheblichkeit der Behörden und der Umstand, daß sie mit den Schurken im Bunde sind. An ihrer Stelle bringen nun Kara Ben Nemsi und seine Gefährten die sozialen Verhältnisse nach Kräften in Ordnung, indem sie den Halunken das unrechtmäßig erworbene Geld wegnehmen und es an die Armen verteilen.

   Es ist ohne weiteres ersichtlich, daß es sich bei alledem nicht um die Schilderung einer - sei es auch exotischen - Realwelt, sondern um einen puerilen, wunscherfüllenden Tagtraum handelt. May hatte, wenn man seinen persönlichen und sozialen Hintergrund bedenkt, allen Anlaß, solche Wünsche zu hegen und sich durch ihre literarische Erfüllung für die Versagungen seines realen Lebens zu entschädigen. Ihre Dringlichkeit ist eine der Quellen für die offensichtliche Freude, mit der sich May in diesem Roman seinem erzählerischen Handwerk hingibt und auch der Befriedigungswirkung, die sich beim Leser einstellt. Wer hätte nicht - unterhalb der Schwelle seines kritischen Bewußtseins - gelegentlich den Wunsch, seine Beziehungen zu den Mächten dieser Welt und die sozialen Probleme auf so handgreifliche und einleuchtende Art in Ordnung zu bringen? Es handelt sich gewiß um einen kindischen Traum, der dem Licht des Tages nicht


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standhält. Aber er enthält doch, um mit Ernst Bloch55 zu sprechen, "Revolution, Glanz dahinter".

   Das künstlerisch Interessante an dieser Schicht des Romans liegt darin, wie May die Darstellung so heikler Phantasien möglich macht. Freud56 sagt in einem Aufsatz Der Dichter und das Phantasieren über solche Tagträume: "Der Erwachsene aber schämt sich seiner Phantasien und versteckt sie vor anderen, er würde in der Regel lieber seine Vergehungen eingestehen als seine Phantasien mitteilen"; es seien unter den seine Phantasien erzeugenden Wünschen manche, die es überhaupt zu verbergen nottut; darum schämt er sich seines Phantasierens als kindisch und unerlaubt". Nun war bei May die hemmende Kontrolle seines Bewußtseins von vornherein schwächer ausgebildet als beim Durchschnittsbürger; das ermöglichte die traumsichere Leichtigkeit und Geschwindigkeit, mit der er eine Erzählung wie den Skipetaren-Roman fast ohne Vorbereitung niederschreiben konnte. Aber May brachte - und auch das legitimiert ihn als Dichter - literarisch fast immer weit größere Disziplin auf als im wirklichen Leben; wo er in der Jugend und später in der 'Renommierzeit' mit derartigen Phantasien oft hemmungslos entgleiste, entgleitet der Stoff literarisch seiner Herrschaft und Formung nicht. Vielmehr gelingt es ihm mit Hilfe zweier Kunstgriffe, das seelische Rohmaterial literarisch zu bewältigen und in den Roman bruchlos zu integrieren.

   Zunächst schafft er eine Distanz zu diesen Wunschphantasien, indem er Kara Ben Nemsi sich dauernd davon distanzieren läßt. So widerruft Kara Ben Nemsi später seine ganze Zauberei als bloßen "Schein. Ich habe mir bereits Vorwürfe gemacht, jene Leute in ihrem Aberglauben bestärkt zu haben" (Skipetaren, HKA 193, F 220); er vermeidet bei der Heilung durch Handauflegen (s.o.) gegenüber dem Leser ängstlich jeden Anschein 'magnetischer' Wirkungen; er bringt wiederholt Bedenken gegen das Verprügeln vor (Skipetaren HKA 46, F 46: "Gern gestehe ich, daß ich der Sache nicht gar sehr sympathisch gegenüberstand"); er zeigt sich auch in Gelddingen äußerst skrupulös und kommt nur halb wider seinen Willen in den Besitz der Gelder, die er dann an die Armen verteilt. May setzt sich also einerseits mit den vorbewußten Wünschen des Lesers ins Einvernehmen, beschwichtigt aber andererseits gleichzeitig dessen kritischen Verstand und erzielt so eine doppelt befriedigende Wirkung.


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   Der zweite, genialere Kunstgriff aber ist die Figur des Hadschi Halef Omar: Dieses Alter ego unseres Dichters darf alles aussprechen, was zwar auch May in seinen tagträumerischen Phantasien meint, was aber von seinem 'Ich' gesprochen peinlich und lächerlich wäre. "Wir dringen durch Stein und springen durch Eisen und Erz." (Skipetaren, HKA 251, F 289) "Wir haben Thaten verrichtet, die uns unsterblich machen." (Skipetaren, HKA 501, F 587f.) "Was der Effendi will, das kann er." (Der Schut, HKA 23, F 17) "Achtet auf die Trompetentöne meiner Herrlichkeit!" (Der Schut, HKA 125, F 134) Der Autor geht mit seinem Hadschi öfters hart ins Gericht; er nennt ihn einen "unverbesserliche[n] Prahlhans" (Der Schut, HKA 48, F 46) und spricht ihm mit großer psychologischer Einsicht "ein wahrhaft kindliches Gemüt" zu (Der Schut, HKA 387, F 437). So verschafft er der Darstellung solcher Bewußtseinszustände die erforderliche literarische Objektivierung. Insgeheim ist er (und mit ihm der Leser) aber natürlich doch mit dem guten Halef im Bunde. May selbst bestätigt das sehr aufschlußreich in dem 4-5 Jahre später verfaßten Anhang (Der Schut, HKA 474, F 537): "Ich kann getrost sagen, daß dieses mir so liebe Kerlchen sich alle Herzen, und nicht etwa bloß das meinige, erobert hat. Was will man da nicht alles über ihn wissen! Ich könnte Briefe über Briefe schreiben und würde doch nie fertig werden, denn es gehen täglich immer wieder neue Fragen ein. Ich soll noch mehr, viel mehr von ihm erzählen." Tatsächlich ist die Entwicklung dieser Figur wohl die literarisch bedeutendste Leistung des Skipetaren-Romans. Sie verkörpert nicht nur den 'psychischen Motor' der ganzen Geschichte, sondern macht die Darstellung solcher Omnipotenzphantasien künstlerisch überhaupt erst möglich.

   Auch sonst finden sich in der Erzählung viele psychologisch aufschlußreiche Details, von denen hier nur noch einige gestreift werden können. So ist die Anekdote von den Verehrern, die des Meisters Haarspitzen sammeln - May liebte sie in seiner 'Renommierzeit' zu erzählen -, hier vorgebildet (Stipetaren, HKA 105, F 115). Das Hochstemmen eines schweren Tisches, das 'Dr.' Karl May später zum Beweise seiner Kraft vorführte57, ist in unserem Roman als Hochwuchten einer Eisenbahnschiene vorgeformt (Skipetaren, HKA 500, F 586). May sinniert über angemaßte und wirkliche Doktortitel (Skipetaren, HKA 83, F 89) und läßt sich von dem zweifelhaften Doktor "Beispiele seines großen Eheglückes" vertraulich mitteilen (Skipetaren, HKA 91, F 99).


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Gegenüber dem Richter in Sbiganzy nennt er sich sehr wahrheitsgetreu "einen Mann, von dessen Vergangenheit du nicht das mindeste Ungesetzliche kennst" (Skipetaren, HKA 253, F 291).58 Im einzelnen ist hier noch viel herauszuholen.

(3) Die weitläufige Geschichte - nach ihrer Substanz im Grunde ein mythologischer Stoff von zeitloser Wirkungskraft - hat aber auch einen nach Ort und Zeit fixierbaren Hintergrund, dem sich die Forschung neuerdings mehr und mehr zuwendet. Sie ist zeitlich auf den Herbst 1872 anzusetzen.59 Auf welche historischen und geographischen Quellen May sich gestützt hat, wissen wir bis heute nicht. Kandolf meint60, May habe allein mit Handtkes Karte der Balkanländer, Flemming 1880, gearbeitet. May selbst erwähnt ein Werk aus dem Jahre 1812 (In den Schluchten des Balkan, HKA 368f., F 426), ein "Panorama der europäischen Türkei", das er aber selbst als wenig vertrauenswürdig bezeichnet; die "neueren Aufzeichnungen", auf die er sich daselbst beruft, nennt er aber nicht. Seine Bibliothek weist immerhin einschlägige Bücher aus wie: A. E. Lux, "Die Balkanhalbinsel (mit Ausschluß von Griechenland), Freiburg 1887; Bernhard Schwarz, Montenegro, Leipzig 188361, und anderes mehr. Das Buch von Schweiger-Lerchenfeld, Der Orient, Wien 1882, das May besaß62, enthält ein Eingangskapitel über Albanien, ist aber von May anders als für den Band Von Bagdad nach Stambul für die Beschreibung des Skipetarenlandes offenbar nicht benutzt worden. Vielleicht wird man viele seiner unmittelbaren Quellen in der zeitgenössischen Presse zu suchen haben, auf die sich May denn auch in demselben Absatz beruft, in dem der Schut zum ersten Male erwähnt wird (In den Schluchten des Balkan, HKA 24, F 19f.).

   Wie dem aber auch sei: Neuere Untersuchungen von Radkov und Ristau63 haben jedenfalls dargetan, daß die ethnographischen Gegebenheiten und die politisch-sozialen Zustände auf dem Balkan bei Karl May ziemlich richtig dargestellt werden.64 Radkov hebt besonders hervor, wie treffend May die Unterdrückung und Ausbeutung der Balkan-Völker zu jener Zeit zeichnet, und Ristau legt im Anschluß an die Forschungen des englischen Sozialwissenschaftlers Eric J. Hobsbawm65 dar, daß May das Sozialbanditentum auf dem Balkan in vielen Einzelheiten richtig charakterisiert und daß es Banden wie die des 'Schut' tatsächlich gegeben hat66: "Es ist erstaunlich, wie weit die Feststellungen des Sozio-


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logen [Soziologen] aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit den Ausführungen des Schriftstellers aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert (oder auch dessen Quellen) übereinstimmen." Im einzelnen sei hier auf die genannten Schriften verwiesen.

   Einen gravierenden Mangel freilich kreiden alle Beurteiler der Darstellung Mays an, daß nämlich der Schriftsteller "dem nationalen Befreiungskampf der Bevölkerung auf dem Balkan wenig Beachtung schenkte", daß er "über das Wesen und die Entwicklung des Nationalkampfes der Balkanbevölkerung falsch unterrichtet war".67 Tatsächlich ist es auffallend, daß May, der sonst überall die Partei der unterdrückten Völker ergriff (sei es in Nordamerika, in Mexico oder Kurdistan), sich in den Balkan-Bänden politisch völlig zurückhält, obwohl er die Mißstände der türkischen Administration überaus drastisch darstellt. Am Anfang des Balkan-Bandes, in den Gesprächen mit Schimin (In den Schluchten des Balkan, HKA 54ff., F 67ff.), sieht es so aus, als wolle May sich auf die Problematik einlassen. Aber er tut es dann doch nicht und bagatellisiert das Problem, indem er die Zahl derer, "welche, von der Ungerechtigkeit, von dem Haß und der Verfolgung gezwungen [wurden], sich in die Berge [zu] flüchten", für "verschwindend klein" im Verhältnis zur Menge verbrecherischer Banditen erklärt (In den Schluchten des Balkan, HKA 397, F 460).

   Man wird die Ursachen dafür teilweise in der unzureichenden Unterrichtung Mays über die für den Mitteleuropäer damals tatsächlich schwer durchschaubaren Verhältnisse auf dem Balkan, teilweise aber auch in der Anlage des Romans und zu einem weiteren Teil sogar auch in der Einstellung Mays gegenüber dem türkischen Volk suchen müssen. Was zunächst die Romankonzeption betrifft, so ist es klar, daß die Durchführung der Handlung eine Verbrecherbande voraussetzte, deren Anhänger gerade nicht als 'Freiheitskämpfer' erscheinen durften. Ich vermute, daß eben diese Überlegung May auf den (freilich etwas wirklichkeitsfremden68) Gedanken gebracht hat, als Oberhaupt der Verbrecherbande einen zugereisten Perser einzusetzen und auch andere führende Mitglieder, wie die Brüder Amasat und Manach el Barscha, als Nichteinheimische darzustellen. Dadurch unterschied sich die Bande von vornherein von speziell nationalen Aufrührergruppen, deren Diskriminierung zugleich vermieden wurde.

   Sodann aber muß man bei Mays Zurückhaltung gegenüber den Freiheitsbestrebungen der Balkanvölker auch in Rechnung stel-


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len [stellen], daß er das türkische Volk liebte. Er verglich den 'kranken Mann am Bosporus' teils mit den Indianern (Winnetou I, Satz 1), teils mit den Preußen (Von Bagdad nach Stambul, HKA 387, F 451f.; In den Schluchten des Balkan, HKA 66, F 68), und sah die Türken selbst weniger als Herrscher denn als Opfer des europäischen Imperialismus (In den Schluchten des Balkan, HKA 66f., F 69). "Es thut mir immer wehe, wenn ich einen Türkenfresser behaupten höre, daß dem Osmanen nicht zu helfen sei", äußert May schon in Stambul (Von Bagdad nach Stambul, HKA, 387, F 452). "Auch der Türke ist gut. Er war und ist noch bieder, treu, wahrheitsliebend und ehrlich. Und wenn er anders wäre, wer hätte ihn anders gemacht?" (In den Schluchten des Balkan, HKA 65, F 68) May wollte also die Völker, die er allesamt unter der europäischen Großmachtpolitik leiden sah, nicht gegeneinander ausspielen. Im übrigen hat er die Mißstände der Verwaltung auf dem Balkan schonunglos gezeichnet.

   Die einfache Bevölkerung dagegen wird, soweit es sich nicht um Anhänger des Schut handelt, durchweg liebevoll und sympathisch charakterisiert (man denke an Gestalten wie den Rosenzüchter Jafiz, Schimin, Anka, Janik, Nebatja, den Miriditen, Kolami, Stojko, Ranko und viele, viele andere).69 Auch beweist unser Autor eine erfreuliche religiöse Toleranz. So spricht Kara Ben Nemsi am Grabe des Mübarek ein mohammedanisches Gebet (Der Schut, HKA 136ff., F 147ff.); er freut sich, auf der Reise Angehörige seiner Religion zu treffen, sieht in der Religionszugehörigkeit aber nicht von vornherein ein Kriterium moralischer Überlegenheit, sondern läßt eine einheimische Christin sogar sagen (Der Schut, HKA 14, F 7): "Herr, du bist ein Christ? O, die sind zuweilen die schlimmsten!" May hält sich also auch insoweit von einseitiger Parteinahme fern.

V. Zum Orientbild Karl Mays

Die Frage, inwieweit Karl May Land und Leute der im Orientroman durchquerten Regionen mehr oder weniger richtig oder falsch, Zuneigung oder Abneigung erweckend, vorurteilslos oder voreingenommen geschildert hat, ist umstritten und harrt noch einer umfassenden Untersuchung.70 Was die Schilderung des Balkans betrifft, den man auch im 19. Jahrhundert nur in einem erweiterten Sinne zum Orient rechnen konnte, so kann sich der Leser aus den in diesem Bande abgedruckten Abhandlungen von


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Kova[`´c]evi[´c] (S. 219-236) und Radkov (S. 237-254) über den gegensätzlichen Standpunkt zweier einheimischer Autoren umfassend informieren.

   Auch im übrigen stehen die Ansichten schroff gegeneinander. Wolfgang von Weisl schreibt71: "Ich kenne kein einziges Buch und keinen einzigen Autor, der über den Orient so viel Richtiges geschrieben, der seinen Geist so einsichtig erfaßt und so sicher dargestellt hat wie dieser Mann [...] und dasselbe sagten mir alle Deutschen, die ich hier im Osten traf: Konsuln, Archäologen und Kaufleute." Laila Hamaiel, eine Orientalin, kommt in ihrer 1989 vorgelegten Magisterarbeit über Das Orientbild in Karl Mays frühen orientalischen Reiseerzählungen72 zu einem anderen Ergebnis. Für sie spiegelt sich in Mays Darstellung und Bewertung des Orients "die eurozentrische Denkweise des 19. Jahrhunderts". Sie spricht von einer "durchaus klischeehaften und voreingenommenen Darstellung des Orients". May vergleiche ständig "das Verhalten der Orientalen mit dem ihm vertrauten Bild der mitteleuropäischen Gesellschaft". Danach könne "die für den Leser fremde und unverständliche Lebensweise der Orientalen nur negativ erscheinen". Sie macht dafür allerdings weniger Karl May persönlich als die "zwiespältige Haltung der Europäer im 19. Jahrhundert gegenüber der übrigen Welt" verantwortlich.73

   Der hier aufscheinende Gegensatz wird durch die auch heute noch keineswegs überwundene Kulturbarriere zwischen den christlichen und den islamischen Ländern nur allzu verständlich. Wenn Kara Ben Nemsi mit dem islamischen Verbot von Alkohol und Schweinefleisch seine Späße treibt, so ist das für den Westeuropäer ein Anlaß zum Schmunzeln, an eine Diskriminierung denkt er dabei nicht. Den Moslem aber müssen solche für ihn blasphemischen Scherze kränken. Und wenn Kara Ben Nemsi in quasi-theologischen Disputen die Überlegenheit des Christentums gegenüber dem Islam darzutun versucht, so findet ein in der westeuropäischen Tradition erzogener Christ darin nichts Anstößiges. Ein überzeugter Moslem aber wird schwerlich umhinkommen, von einer "intoleranten und bornierten Einstellung gegenüber dem Islam"74 zu sprechen.

   Bis zu einem gewissen Grade sind solche unterschiedlichen Sichtweisen unvermeidlich. Jeder Mensch ist von kulturellen Vorverständnissen geleitet, von denen er sich nicht ohne weiteres lösen kann. Karl May konnte es um so weniger, als er die geschilderten Länder und Völker nur aus der westeuropäischen Li-


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teratur [Literatur] kannte. Er hat das Problem gesehen und betont selbst (Durchs wilde Kurdistan, HKA 530, F 614): "Wie viele Bücher hatte ich über fremde Länder und ihre Völker gelesen und dabei wie viele Vorurteile in mich aufgenommen! Ich hatte manches Land, manches Volk, manchen Stamm ganz anders - und besser gefunden, als sie mir geschildert worden waren." Hamaiel scheint mir aber bei aller Anerkennung ihres Bemühens um Objektivität die positiven Aspekte der Orientdarstellung Karl Mays und seine schon durch das vorhergehende Zitat belegten Bemühungen um eine Lösung von überlieferten Klischees nicht ganz ausreichend zu würdigen. Es ist kein Zufall, daß zahlreiche deutschsprachige Leser ihre Liebe zum Orient und seinen Bewohnern aus Karl Mays Büchern geschöpft haben.

   So bemängelt Hamaiel Mays durchweg negative Darstellung der türkischen Beamten und Soldaten.75 Sie ist darin begründet, daß May hier seine schlechten Erfahrungen mit der deutschen Obrigkeit verarbeitet hat (s.o. IV, 2) und daß die türkische Administration vielen im Orientroman geschilderten Völkern, denen May Achtung entgegenbringt, als unterdrückende Fremdherrschaft erscheinen mußte. Daß May aber den Türken als Menschen hochschätzte, wird ein über das andere Mal betont (vgl. nur die Nachweise unter IV, 3).

   Hamaiel betont selbst76, daß "May für arabische Stammesführer" durchweg "Sympathie" hegt und daß auch "reiche Orientalen" bei ihm oft "sehr positiv" dargestellt werden. Um so mehr vermißt sie aber eine freundliche Schilderung armer Muslime und orientalischer Juden. Die armen Muslime würden durch "Geldgier, Schmutz und Dummheit" charakterisiert, die Juden erschienen als "unterwürfige Schmeichler".

   Dabei wird aber außer acht gelassen, daß Halef und Omar, die zu den tragenden Gestalten des Romans gehören und dem Leser große Zuneigung abnötigen, blutarme Araber sind und daß es auch sonst am Lob einfacher Leute keineswegs fehlt! "Wir hatten einander außerordentlich lieb gewonnen", sagt Karl May über den Schiffsführer Hassan und rühmt "sein altes, gutes, bärtiges Gesicht" (Durch die Wüste, HKA 104, F 114). "Ich lernte in meinen Begleitern fünf ehrliche Nomaden kennen, in deren Herzen kein Falsch zu finden war", erzählt der Autor (Durch die Wüste, HKA 323f., F 374). Der Ehrlichkeit und dem Mut eines braven Fuhrmannes verdankt Kara Ben Nemsi seine Rettung aus der Hand der Verbrecher (Von Bagdad nach Stambul, HKA


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511 f., F 607f.). Der Erzähler berichtet, "daß kein europäischer Ambassadeur korrekter hätte handeln können, als dieser junge, einfache Kurde", dem er "Achtung und Anerkennung" zollt (Durchs wilde Kurdistan, HKA 173, F 193). Später lesen wir: "Ungestört genossen wir die Gastfreundschaft des freundlichen Dschiafkurden." (Von Bagdad nach Stambul, HKA 147, F 166) Solche Beispiele ließen sich leicht vermehren. Der Jude Baruch aber, den Hamaiel negativ gezeichnet findet, gehört sogar zu den besonders liebenswerten Gestalten des Romans.77

   Es ist auch keineswegs so, daß May fremdartige Sitten und Gebräuche durchweg ablehnt, wie es bei Hamaiel den Anschein hat. Vielmehr paßt er sich ihnen an; darin liegt eine wesentliche Voraussetzung seiner Erfolge. Gewiß weist er unreinliche Speisen von sich, aber sonst kennt er keine 'europäischen' Skrupel. "Wer Austern, Weinbergsschnecken, Vogelnester, Froschschenkel und verfaulte Milch mit Käsemaden ißt, für den müssen Heuschrecken eine Delikatesse sein." (Durch die Wüste, HKA 215f., F 247) Auch der Verzehr von Eidechsen flößt ihm keine Abneigung ein: "Auf weiten Reisen lernt man am leichtesten alte Vorurteile ablegen." (Von Bagdad nach Stambul, HKA 330, F 383)

   Nicht hinreichend begründet erscheint mir ferner die Annahme, daß Karl May die orientalischen Frauen "mit seinen negativen Vorurteilen behaftet" habe.78 Denn Hamaiel bemerkt durchaus zutreffend, daß "alle christlichen Frauen [...] in irgendeiner Weise positiv" dargestellt seien und daß die Schilderung der muslimischen Frauen "differenzierter" sei; aber auch diese werden meist freundlich und bisweilen bewundernd beschrieben. Daß May dabei gelegentlich zu karikaturistischen Porträtierungen greift, ist ein Stilmittel, das er überall (z.B. auch bei der Schilderung deutscher und amerikanischer Westmänner) anwendet und das deshalb nicht auf eine national oder religiös motivierte Geringschätzung schließen läßt.

   Über Mays Auseinandersetzung mit dem Islam wurde oben schon ein Wort gesagt. Es ist klar, daß ein gläubiger Moslem jedes christliche Missionsbemühen als von Grund auf verfehlt ansehen muß. Sieht man davon aber einmal ab, muß man sagen, daß Mays 'Programm' sich durch Toleranz und Verständnis in der Tradition Lessings und Herders auszeichnet (auch wenn nicht jede einzelne Äußerung seinem Anspruch gerecht wird): "Dürfte ich doch ein Pionier der Civilisation, des Christentums sein! Ich


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würde nicht zurückdrängend oder gar vernichtend unter meine fernen Brüder treten, die ja ebenso Gottes Kinder sind, wie wir stolzen Egoisten; ich würde jede Form der Kultur und auch den kleinsten ihrer Anfänge schätzen; es kann ja nicht der eine Sohn Allvaters grad so wie der andere sein, und nicht dem Eigennutze, sondern nur der Selbstlosigkeit kann es gelingen, mit wirklichem Erfolge das erhabene Wort zu lehren, das 'den Frieden predigt und das Heil verkündigt'." (Durchs wilde Kurdistan, HKA 531, F615)

   Auch geht Karl May zwar von der Überlegenheit des Christentums aus. Aber er ist doch weit davon entfernt, den Glauben der Moslems lächerlich zu machen oder zu mißachten. "Er, der Muselmann, betete; ich aber, der Christ, ich konnte nicht beten, ich konnte keine Worte finden", heißt es nach der Todesszene am Schott el Dscherid (Durch die Wüste, HKA 49, F 49). Kara Ben Nemsi spricht von seiner "Ehrfurcht vor der tief im Herzen wurzelnden Religiosität dieser halbwilden Menschen, welche nichts thun und beginnen, ohne sich dessen zu erinnern, der in dem Schwachen mächtig ist", und bekennt seine Ergriffenheit beim Gebet der ersten Sure des Koran (Durch die Wüste, HKA 136, F 152f.). Über die betenden Haddedihn sagt er: "Es war ein erhebender Anblick, diese Hunderte im Staube vor jenem Herrn liegen zu sehen, der heute noch einen jeden von uns zu sich rufen konnte." (Durch die Wüste, HKA 368, F 427) Mays Urteile über die Gläubigkeit derer, die sich Christen nennen, sind durchweg viel zurückhaltender.

   Hamaiel wirft Karl May auch vor, den Fanatismus der Moslems zu sehr zu betonen.79 Es ist wahr, daß May solche fanatischen Züge nicht selten hervorhebt; die zeitgenössische europäische Literatur hat ihm dafür viel Material geliefert. Aber man darf nicht verkennen, daß auch Beispiele islamischer Toleranz bei May nicht selten sind. So sagt Scheik Malek zu Kara Ben Nemsi: "Du bist unser Freund und Bruder, obgleich du einen anderen Glauben hast, als wir" (Durch die Wüste, HKA 273, F 315), und ein ehrwürdiger Türke spricht zu ihm: "Effendi, du bist ein Christ, aber ein frommer Mann; du bist wert, ein Moslem zu sein, und ich ehre dich, als ob die Lehre des Propheten die deinige sei." (Von Bagdad nach Stambul, HKA 473, F 555)

   Gewiß waren und sind im Verhältnis der westlichen Länder zu den islamischen Völkern des Orients schlimme Vorurteile zu überwinden. Aber ich meine doch, daß Karl Mays Orientroman


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bei einer Auseinandersetzung damit kein Hindernis ist, sondern bei hinreichend differenzierter Betrachtung ein Helfer sein kann.

Anmerkungen

1Der Anhang wird im folgenden nicht behandelt; über ihn vgl. den Beitrag von Walther Ilmer in diesem Band (S. 277-293).
2Eine kurze, aber anschauliche Nacherzählung liefert Hermann Wiegmann, in: Karl-May-Handbuch, hg. v. Gert Ueding. Stuttgart 1987, S. 180-188.
3Dagegen wird heute mehr und mehr anerkannt, daß die Romane des Spätwerks, beginnend mit Am Jenseits (1899), literarisch noch über den relativ besten Reiseerzählungen stehen. Diese Auffassung, deren Durchsetzung nach frühen Vorarbeiten namentlich von Amand von Ozoróczy und Heinz Stolte in der Nachkriegszeit vor allem Arno Schmidt, Hans Wollschläger und Hansotto Hatzig zu verdanken ist, war keineswegs von Anfang an herrschend. Ernst Bloch hatte in seinem rezeptionsgeschichtlich sehr wichtigen Aufsatz Über Karl Mays sämtliche Werke ('Literaturblatt' der 'Frankfurter Zeitung' vom 31.3.1929; mit leichten Kürzungen und Änderungen unter dem Titel Traumbasar nachgedruckt im Karl-May-Jahrbuch [KMJb] 1930, S. 59-64; heute wieder in etwas abweichender Fassung unter dem Titel Die Silberbüchse Winnetous, in: Erbschaft dieser Zeit. Gesamtausgabe, Bd. 4. Frankfurt/M. 1962, S. 169-173) die letzten Romane für "verloren" erklärt ("Karl May wurde offenbar psychotisch" - diese Stelle fehlt im KMJb-Nachdruck). Otto Forst-Battaglia (Karl May. Traum eines Lebens - Leben eines Träumers. Bamberg 1966, S. 163) sieht noch in seiner May-Monographie von 1966 im Spätwerk nur "von Zeit zu Zeit" einen "Abglanz der alten Meisterschaft" aufleuchten (vgl. auch S. 87: "verworrenes Gedankengut").
4In seinem Aufsatz Karl May und der Orient, in: Karl-May-Ausstellung des Museums für Völkerkunde in Wien. Wien 1949, S. 11.
5Forst-Battaglia [Anm. 3], S. 171.
6Richtungweisend - aber mehr auf das Didaktische sehend und auf ein einziges Werk beschränkt - ist hier Heinz Stoltes umfassende vierteilige Abhandlung über Mays Sklavenkarawane, die unter dem Titel Ein Literaturpädagoge in den Jahrbüchern der Karl-May-Gesellschaft (JbKMG) 1972/73, 1974, 1975 und 1976 erschienen ist. Über Stil und Erzähltechnik des Orientromans vgl. aber nunmehr Hermann Wiegmann, in diesem Bande S. 113-127.
7Mit HKA wird die historisch-kritische Ausgabe der Werke Mays (Hg. Hermann Wiedenroth und Hans Wollschläger), mit F der erste Buchdruck im Verlage Fehsenfeld, Freiburg i. Br. 1892, bezeichnet, der 1982 vom Karl-May-Verlag in einem Reprint wieder vorgelegt worden ist.
8Diese Deutung stammt der Sache nach von May selbst, vgl. Mein Leben und Streben (Freiburg i. Br. 1910, S. 209-211). May, dem künstlerische Selbstkritik keineswegs abging, meinte übrigens, auch die Gestalt seines Halef sei von ihm nicht "künstlerisch durchgeführt und vollendet" (Leben und Streben, S. 229).


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9Hans Wollschläger (Karl May. Grundriß eines gebrochenen Lebens. Zürich 1976, S. 62f.) nennt Halef "eine Gestalt, so echt und singulär [...], daß man sie schon recht hoch einschätzen muß", und auch Forst-Battaglia [Anm. 3], S. 109, nennt ihn "die lebendigste, gewinnendste, echteste Gestalt, die von Karl May geschaffen worden ist".
10Von Cooper bis Karl May. Düsseldorf 1951, S. 116. Ich habe Plischke, der in der einen Hand den Chavanne und in der anderen den Band Durch die Wüste hielt, selbst noch aus diesen Texten vergleichend vorlesen hören.
11Vgl. KMJb 1931, S. 229.
12KMJb 1925, S. 158.
13In der 'Deutschen Rundschau für Geographie und Statistik', 2. Jg., Wien 1880.
14Durch die Wüste ins Wilde Kurdistan, 1. Teil. Wiesbaden 1975, S. 133-138.
15 Näher Inge Fortas: Karl May und Heinrich von Maltzan. In: MKMG 77 (1988), S. 41-46 und MKMG 78 (1988), S. 36-40.
16Das Buch ist (in gekürzter Form) unter dem Titel Auf der Suche nach Ninive (hg. v. Hartmut Schmökel) 1975 zuletzt im Verlag C. H. Beck, München, erschienen.
17KMJb 1931, S. 222, wo allerdings das Jahr 1854 angegeben wird.
18Näheres dazu MKMG 19 (1974), S. 30 und MKMG 17 (1973), S. 17 sowie Claus Roxin, JbKMG 1976, S. 221.
19KMJb 1922, S. 197-207. Der Aufsatz ist im vorliegenden Band (S. 195-201) wieder abgedruckt.
20Hans Hauser: Kurdistan. Schicksal eines Volkes. München 1975.
21In: Vertraue der Pranke, Löwe, die Heiligen werden Dir nicht helfen. Bilddokumentation Kurdistan 1963-1966, hg. v. K. Dettmann. Hamburg 1966, S. 9.
22Hier zitiert nach Ekkehard Bartsch, JbKMG 1975, S. 98, Anm. 15.
23Hauser [Anm. 20], S. 21.
24Ebd., S. 25.
25Im Ausstellungskatalog [Anm. 4], S. 5.
26Hauser [Anm. 20], S. 270.
27Unter dem Pseudonym 'M. Gisela' und dem Titel Leilet in der Zeitschrift 'Feierstunden am häuslichen Heerde' (1876/77), S. 7-11, 23-27, 39-43, 55-59, 71-73. Der Text dieses Urdrucks liegt als Reprint der KMG (1972) vor. Bekannt ist der Nachdruck, der unter dem Titel Die Rose von Kahira und unter Karl Mays Namen in Peter Roseggers 'Heimgarten' (2. Jg., 1877/78), S. 1-11, 81-95, 182-194 erfolgte. Vgl. dazu näher Alfred Schneider, JbKMG 1975, S. 227ff. Der Text findet sich auch in Bd. 71 der Bamberger Ausgabe, S. 162-232.
28Darauf weist Roland Schmid im Vorwort zu Bd. 71 der Bamberger Ausgabe, S. 6, hin. Freilich schöpfte Hauff selbst aus älterem Märchengut.
29Hier ist der Abdruck im ersten Band der Cotta-Werkausgabe, 1961, S. 629-645, beigezogen worden.
30Bloch [Anm. 3]; ferner auch in einer anderen Variante dieses Textes in der 'Literarischen Welt' vom 3.12.1926, die im JbKMG 1971, S. 11-16, wieder abgedruckt ist (Urfarbe des Traums).
31Die Reise ins Innere, in: JbKMG 1975, S. 11-33 (im vorliegenden Band S. 255-276), und Die Affäre Stollberg, in: JbKMG 1976, S. 171-190. Der Ansatz ist später von Walther Ilmer in vier weiteren Abhandlungen, in JbKMG 1982, S. 97-130; JbKMG 1984, S. 92-


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138 [= S. 92-138]; JbKMG 1985, S. 263-320; JbKMG 1990, S. 287-312, ausgearbeitet und auf den gesamten Orientroman übertragen worden.
32Vgl. dazu allgemein Roxin, JbKMG 1974, S. 49-55.
33Man vergleiche dazu meine Einführung zum KMG-Reprint Der Scout - Deadly Dust (Regensburg 1977).
34Noch in der Alterserinnerung erscheint Ernst Bloch in einem kurzen Statement dieser Zug besonders der Hervorhebung wert (JbKMG 1971, S. 16): "Selbst im Orient ist dieser Volksschriftsteller mit Rat und Tat auf Seite der unterdrückten Kurden und ihrer Revolte gegen die brutalen Kolonialherren in Mossul. Auch diese Sympathien sollten Karl Mays Reiseerzählungen nicht vergessen bleiben."
35JbKMG 1972/73, S. 11-92.
36Vgl. Im Lande des Mahdi III, F 566.
37Vergleichbar ist nur noch Im "wilden Westen" Nordamerika's, wo Winnetous Tod erzählt wird. Darin liegt ein Indiz für die Annahme, daß beide Erzählungen annähernd gleichzeitig (1882) entstanden sind.
38Vgl. die Hinweise in der Dissertation von Helmut Schmiedt: Karl May. Studien zu Leben, Werk und Wirkung eines Erfolgsschriftstellers. Bonn 1977, S. 201f.; Frankfurt 2/1987, S. 223.
39Vgl. KMJb 1931, S. 222, sowie Kandolf, KMJb 1925, S. 159.
40KMJb 1925, S. 160.
41Vgl. dazu Erich Mörth: Karl May und Amand von Schweiger-Lerchenfeld. In: KMJb 1979, S. 64-95.
42Dazu Hans Wollschläger: Der "Besitzer von vielen Beuteln". In: JbKMG 1974, S. 153-171 (S. 158 zu Abrahim-Mamur).
43Vgl. zur Deutung den in Anm. 42 genannten Aufsatz Wollschlägers; ferner: Martin Lowsky: Problematik des Geldes in Karl Mays Reiseerzählungen. In: JbKMG 1978, S. 111-141.
44Bloch: Silberbüchse [Anm. 3], S. 173.
45Ebd., S. 172.
46Vgl. dazu näher Wesselin Radkov: Politisches Engagement und soziale Problematik in den Balkanbänden Karl Mays. In: MKMG 21 (1974), S. 4-9 und MKMG 22 (1974), S. 3-8 (im vorliegenden Band S. 237-254); Malte Ristau: Verbrecher oder Sozialbanditen? In: MKMG 28 (1976), S. 10-14.
47Kandolf, KMJb 1925, S. 156.
48Ebd., S. 157.
49JbKMG 1977, S. 166.
50Vgl. Jürgen Heins Analyse von Mays Erzgebirgischen Dorfgeschichten im JbKMG 1976, S. 47-68. Die Zitate entstammen den Seiten 60 und 58.
51Bloch: Silberbüchse [Anm. 3], S. 171.
52Grundlegend dazu Gunter G. Sehm: Der Erwählte. In: JbKMG 1976, S. 9-28.
53Hansotto Hatzig sieht in ihm - gestützt auf Der Schut, HKA 34f., F 30f. - auch noch eine Spiegelung des alten Pollmer und glaubt das durch mannigfache Einzelheiten aus der Ostromdscha-Episode belegen zu können (vgl. Hansotto Hatzig: "Die Stadt ist Ostromdscha..." Eine Lesenotiz. In: MKMG 40, 1979, S. 9-11).
54Vgl. zu der vielfach dokumentierten Episode nur Wollschläger: Karl May [Anm. 9], S. 33.
55JbKMG 1971, S. 16.
56Studienausgabe, Bd. X. Frankfurt/M. 4/1969, S. 173.


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57Vgl. Franz Cornaro, MKMG 9 (1971), S. 22.
58HKA und F schreiben "mindest". Doch ist das wohl ein Druckfehler.
59Kandolf, KMJb 1923, S. 249.
60KMJb 1925, S. 157, 160.
61KMJb 1931,8.219.
62Ebd., S. 221.
63Wie Anm. 46.
64Peter Groma (Auf den Spuren Karl Mays. Frankfurt/M. 1964, S. 142-144) schildert, daß Mays Balkan-Bände im südlichen Jugoslawien in serbokroatischen Ausgaben als eine Art "Heimatdichtung" außerordentlich viel gelesen werden, und zwar in den verschiedensten Editionen: "in Leinen gebunden, in Taschenbuchformat, als Gesamtausgabe" .
65Sozialrebellen. Frankfurt/M. 1971; Die Banditen. Frankfurt/M. 1972.
66Ristau [Anm. 46], S. 12.
67Radkov [Anm. 46, MKMG 21], S. 7f.
68Kritik daran bei Ristau [Anm. 46], S. 11.
69Dies wird zwar in der Abhandlung von Katalin Kova[`´c]evi[´c], Makedonien bei Karl May (Lenau-Forum 3, 1971, H. 3/4), bestritten. Der Text ist in diesem Band, S. 219-236, wieder abgedruckt. Doch ist diese Arbeit, wie Radkov [Anm. 46, MKMG 22, S. 7f.] nachweist, gegenüber May nicht ohne Vorurteil; es beruht offenbar darauf, daß May nach Meinung der Autorin die 'Makedonier' nur als 'Bulgaren' darstellt.
70Das gilt nicht nur für Karl May, sondern für die gesamte westliche Orientliteratur. Edward Said, ein arabischer Palästinenser, vertritt in seinem Buch Orientalism (1978, bisher nicht ins Deutsche übersetzt) die These, das "Bild, das sich der Westen bis heute vom Orient gemacht habe, habe einen Zugang zu dieser Welt nicht eröffnet, ihn vielmehr bis heute verstellt" (Henning Ritter in 'Frankfurter Allgemeine Zeitung', 30.1.1991, S. N 3, mit eher kritischer Stellungnahme). Einen guten Überblick über den "erfundene[n] Orient in der europäischen Literatur vom 18. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts" liefert K. U. Syndram in dem umfassenden Ausstellungskatalog Europa und der Orient: 800-1900, hg. v. Gereon Sievenich u. Hendrik Budde. Berlin 1989, S. 324-341. Syndram behandelt auch Karl May (S. 340: "Es ist auch in diesem Fall ein Orient der europäischen Selbstdarstellung, der hier geschildert wird"); er folgt freilich weitgehend der These Saids, so daß das Ergebnis ohne näheres Eingehen auf die Einzelheiten der Schilderung Mays vorgezeichnet ist.
71KMJb 1927, S. 114; seine Ansicht ist näher ausgeführt in Karl May und der Islam, KMJb 1929, S. 284-314.
72Laila Hamaiel: Das Orientbild in Karl Mays frühen orientalischen Reiseerzählungen. Masch. Magisterarbeit. Berlin 1989. Die Schrift ist über den Leihverkehr der KMG (KMG-Presse, Karl Serden,

Sternenweg 16, 7526 Ubstadt) gegen Voreinsendung von DM 3,50 in Briefmarken für 30 Tage ausleihbar.
73Ebd., S. 124.
74Ebd., S. 119.
75Ebd., S. 51 ff.
76Ebd., S. 55-62 (55, 57, 59, 62).


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77Vgl. schon Hansotto Hatzig, MKMG 85 (1990), S. 2; ferner den Aufsatz von Helmut Schmiedt in diesem Band.
78Hamaiel [Anm. 72], S. 76f.
79Ebd., S. 105f.



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