Glückliche Umstände haben ergeben, daß wir der ersten Werk-Monographie in der Reihe »Materialien zur Karl-May-Forschung« (»Winnetou IV« von Dieter Sudhoff) gleich eine weitere folgen lassen können. Während »Winnetou IV« als letzter May-»Roman« ohnehin einen hohen Stellenwert in Mays Werk einnimmt, ist »Am Jenseits« - immer wieder gern als »unvollendet« bezeichnet - kaum von minderer Bedeutung, da dieses Werk am Beginn der letzten Wandlung des Schriftstellers Karl May steht.
Wenig beachtet wurden bisher Mays eigene Äußerungen zu »Am Jenseits« in »Und Friede auf Erden«, die gar nicht so klingen, als ob er von einem unvollendeten Buch spräche.
Es gab bisher eigentlich nur zwei Arbeiten, die - Teilaspekte behandelnd - sich ausschließlich mit »Am Jenseits« beschäftigten, und die beide in dem vorliegenden Text, der Anspruch auf eine möglichst umfassende Werkanalyse erhebt, auch gebührend berücksichtigt werden.
Hartmut Vollmers Staatsexamensarbeit wurde unverändert und ungekürzt als Reprint gedruckt. Lediglich auf Seite 121 ist eine nachträgliche, zusätzliche Anmerkung angefügt. Wie schon dem Band 6 der »Materialien« wurde auch diesem 7. Band eine Seitenzahlenkonkordanz beigegeben (Seite 127-128), womit die vorliegende Arbeit auch für Besitzer der Fehsenfeld-Ausgabe brauchbar geworden ist.
Hansotto Hatzig
Schriftliche Hausarbeit vorgelegt im Rahmen der Ersten Staatsprüfung für das Lehramt Sekundarstufe I. Paderborn, im April 1982. Fachbereich 3 - Universität - Gesamthochschule - Paderborn.
Zu dieser Publikation
Der Erzähler, Seite 406: Diese Lektüre versetzte mich in jene meinen Lesern wohlbekannte Wüstennacht, in welcher wir den geheimnisvollen »Sohn des Lichtes« zu uns sprechen hörten. Ich las mich nach und nach vollständig in die Stimmung hinein, aus welcher ich dieses Buch geschrieben hatte. Auch die damalige Szenerie tauchte in meinem Innern auf. Ich las und sah und hörte zu gleicher Zeit ...
Euchar Albrecht Schmid im Kapitel Der Schlüssel, in Ges. Werke Band 34, Radebeul 1933, S. 508 f. bzw. im Kapitel Symbolik, ebd. , Bamberg 1968, S. 350 f.
Hans Wollschläger, Der Besitzer von vielen Beuteln ... (Charakteranalyse II), in JbKMG 1979, S. 99 f.
»Ich, der die Nächte wie ein Narr durchlief,
Zum Himmel schreiend tausend Wunder suchte«
Alfred Lichtenstein
A. Einleitung 1
I. Biographische Hintergründe. Vom Reiseschriftsteller zum »Großmystiker« 2
1. Der »Bruch« im Werk 4
2. Die Zeit der Krise. Psychologische Aspekte 4
B. Werkanalyse 8
I. Handlungsebene (I) 8
II. Autobiographische Ebene (II) 10
1. Vorbemerkungen 10
2. Der Vater-Sohn-Konflikt 13
3. Der Blinde 17
4. Die »Seelen-Großmutter« 19
5. Visionäre Geheimnisse. Das »Mutter-Trauma« 21
6. Die Vervielfältigung des »Ich« 28
a) Kara Ben Nemsi (Hadschi Akil Schatir) 28
b) Khutab Agha 31
7. Exkurs: Der Kameltausch 32
8. Mekka 33
III. Philosophisch-religiöse Ebene (III) 36
1. Vorbemerkungen 36
2. Der Ort des Geschehens 39
a) Die Wüste 40
b) Brunnen 43
3. Die Wüstenbewohner 44
4. Der »Seher« 46
5. Ben Nur 49
6. Die Vision des Münedschi 50
a) Die Bestimmung des Menschen 51
b) Die Wege zu Gott. Der Glaube 51
c) »El Mizan« 53
d) Sterben und Tod 55
7. Der Läuterungsprozeß Khutab Aghas 57
8. Die Liebe 59
9. Der Zufall 62
10. Der Dualismus Gut - Böse 63
a) Grundsätzliche Bemerkungen 63
b) Die Konfrontation in »Am Jenseits« 66
c) Tawil und die Mekkaner 66
11. »El Kanz el A' da« 69
a) Exkurs: Der Materialismus 71
b) Teppiche 73
12. Abd el Idrak 75
13. Religionen. Die Konfrontation Christentum - Islam 77
14. Quellen der Religiosität 81
a) Der Einfluß des Katholizismus 81
aa) Engel 82
bb) Origenes 85
b) Der Einfluß Swedenborgs 86
c) Der Spiritismus 88
IV. Strukturmerkmale 95
1. Allgemeine Bemerkungen 95
2. Der Vergleich mit dem Typus der Reiseerzählung 96
V. Der symbolisch-allegorische Charakter des Spätwerks 101
1. Symbol und Allegorie 102
2. Metaphysische Fragestellungen 104
C. Zusammenfassende Schlußbemerkungen 106
[Seiten-Konkordanz Pawlak-Fehsenfeld [127]]
//I//
Nachdem die letzten Jahre reich an Forschungsergebnissen waren, die ein weitgehend gerechtes und sachkundiges Urteil über den Schriftsteller Karl May ermöglichen konnten, läßt sich nun eine Tendenz entdecken, sich verstärkt der Untersuchung einzelner Werke Mays zu widmen. Davon zeugen etwa auch die umfangreichen Vorworte der von der Karl-May-Gesellschaft herausgegebenen Hausschatz-Reprints. (1) Gründe für diese Werkuntersuchungen sind weniger in einem Forschungsüberhang allgemeiner, globaler May-Fragestellungen zu suchen als vielmehr in der Bemühung, ein detaillierteres, damit also ein weitestgehend lückenloses May-Bild zu entwerfen. Dies bezieht sich zum einen auf Fragen nach der - inneren und äußeren - Biographie Mays, zum anderen auf Fragen nach dem Schriftsteller May und der Stellung in seiner Zeit. Die vorliegende Arbeit versteht sich als Beitrag zu einem sachgerechten May-Bild.
Die Einordnung des hier zu untersuchenden Werkes »Am Jenseits« in das literarische Oeuvre Karl Mays erweist sich als recht diffizil, denn einerseits wird es noch den Reiseerzählungen zugeordnet - betont wird hier die späte Reiseerzählung (2) -, andererseits jedoch (wenn auch mit Vorbehalten) in einen Kontext gestellt, der sich dem symbolisch-allegorischen Spätwerk widmet. (3)
Diese Zwischenstellung macht auch die Interpretation ein wenig diffizil, da diese eben sehr häufig davon bestimmt wird, von welcher Seite - von der Reiseerzählung oder vom Spätwerk - die Interpretation ausgeht, also welche bestimmten Prämissen eines »Interpretations- Blickwinkels« angelegt werden. Derartigen Problemstellungen, die die umfassende, gleichzeitige Behandlung der verschiedenen Interpretationsebenen notwendig machen, soll in der vorliegenden Arbeit nachgegangen werden. »Am Jenseits« gibt einen Einblick in die verschiedene Struktur von »Reiseerzählung« und »Spätwerk«, sein besonderer Charakter dokumentiert die Entwicklung
//II//
des Menschen und Schriftstellers Karl May.
Zitiert wird nach: Karl May, Am Jenseits. Herrsching o. J. Diese Ausgabe entspricht - bis auf orthographische Angleichungen - dem ungekürzten Text der ehemaligen Fehsenfeld-Serie.
»Jedes Kunstwerk hat einen persönlichen und einen kollektiven Ursprung: es ist Ausdruck eines Menschen und Ausdruck einer Zeit.« (4)
Ähnlich den Werken, die nach der großen Orientreise Mays entstanden sind, ist auch »Am Jenseits« vielschichtig aufgebaut. Diese Mehrdimensionalität, ein Charakteristikum des Mayschen Spätwerks überhaupt, macht es erforderlich, den Roman in bestimmte »Modelle« oder »Ebenen« einzuteilen (5), von denen die Interpretation auszugehen hat. Bei »Am Jenseits« sind drei Ebenen zu unterscheiden:
I. Handlungsebene,
II. Autobiographische Ebene,
III. Philosophisch-religiöse Ebene.
Dabei ist zu beachten, daß die einzelnen Ebenen sich oftmals bedingen, sich überschneiden, somit dann nicht eindeutig zu trennen sind. Besonders bei den Ebenen II und III wird dies zu sehen sein. Durch die verschiedenen Interpretationsebenen bedingt, kann z.B. die Funktion einer bestimmten auftretenden Figur differieren. Diese »Ebenen-Funktionen« machen die wiederholende, neuaufgreifende, die Mehrdeutigkeit darstellende Behandlung bestimmter Personen oder Orte zu einer notwendigen Forderung.
Die Entstehung dieser Vielschichtigkeit ist von biographischen - inneren und äußeren - Veränderungen Karl Mays, zu denen parallel die veränderte Intention des Schriftstellers May verlief, abzuleiten.
Um die ersten Hinweise zu bekommen, die Aufschluß über die Ursachen für diese Veränderungen im Leben und Werk Mays geben können, wird zunächst der biographische Hintergrund darzustellen sein. In der anschließenden Werkanalyse soll versucht werden, durch eine möglichst umfassende und detaillierte Interpretation die Spezifität des Werkes »Am Jenseits« herauszustellen. Hierbei
werden wesentliche Strukturmerkmale von »Reiseerzählung« und »Spätwerk« des Mayschen Oeuvres aufzuzeigen sein.
Als »Am Jenseits« 1899 erschien, war Karl May auf dem Gipfel des Erfolges, ein berühmter Schriftsteller; Autor von Reiseerzählungen, deren Helden, Winnetou, Old Shatterhand, Kara Ben Nemsi, Hadschi Halef Omar etc., nahezu in aller Munde waren. Seine Leser, seine Verehrer, überschütteten ihn mit Briefen und Besuchen. Sie alle wollten ihren Old Shatterhand resp. Kara Ben Nemsi näher kennenlernen. May hatte unmißverständlich dafür gesorgt, daß die Identifikation mit seinen Phantasiefiguren perfekt wurde. Er verschickte Photographien, die ihn in voller Kriegsausrüstung zeigten, Aufschrift: »Dr. Karl May, genannt Old Shatterhand«. (6) Immer wieder mußte er beteuern, die beschriebenen Abenteuer selbst erlebt zu haben: »Ich habe jene Länder wirklich besucht und spreche die Sprachen der betreffenden Völker ... Die Gestalten, welche ich bringe (Halef Omar, Winnetou, Old Firehand ... ) haben gelebt oder leben noch und waren meine Freunde ... « (7) Die Anfragen seiner Leser, die immer präzisere Angaben wünschten, zwangen May zu immer neuen, phantastischeren Ausflüchten. So wollte er beispielsweise eine unendliche Zahl von Sprachen und Dialekten sprechen, als ebenso unendlich gab er die Zahl seiner Reisen an. »Ich bin wirklich Old Shatterhand resp. Kara Ben Nemsi und habe erlebt. was ich erzähle ... « (8) Kein Zweifel konnte, ja, durfte aufkommen, die Fassade mußte sich in aller Pracht zeigen. Wenn man sich anschaut, welch eine Zeit hinter May lag - eine dunkle Vergangenheit, voller Elend und Leid -, so ist es nicht verwunderlich, daß er jetzt, da er auf dem Gipfel des Erfolges stand, dessen Ersteigung ihm die größten Mühen bereitet hatte, den Ruhm, auf den er solange warten mußte, den er nie gekannt hatte, mit allen Konsequenzen auskosten wollte. Wie wir wissen,
war es zweifellos ein harter Preis, den er dafür bezahlen mußte. Bereits im Juni 1899 leitete die »Frankfurter Zeitung« die massive Pressefehde gegen May ein, die dann bis zu seinem Tode und noch weit darüber hinaus nicht mehr abbrechen sollte.
Die literarische Ich-Gestalt der Reiseerzählungen mochte geradezu einladend gewirkt haben, May mit dem Phantasiehelden zu identifizieren.
Besonders Hans Wollschläger und Claus Roxin haben versucht, den Ursachen dieser »Maskeraden«, der »Old-Shatterhand-Legende«, nachzugehen. (9) »Mays Verhalten erklärt sich aus einem durch schwere Kindheits- und Jugendschicksale motivierten, überstarken Verlangen nach Liebe und Geltung; es wurde gefördert durch die Sehnsucht breiter Leserschichten, die wunscherfüllende Fiktion möchte wahr sein, und durch den eigenen Wunsch des Dichters, die Schatten der Vergangenheit zu tilgen und mit seinen Büchern Erfolg zu haben.« (10) Darüberhinaus weist Roxin darauf hin, daß bestimmte Absurditäten in der Mayschen Maskerade anderen Gründen entsprungen seien, passen sie doch gar nicht zu einer »scheinbar so kunstvoll aufgebauten Legende«. (11) Was hier stattfand, war ein Ausbruch der »aus unterbewußten Strebungen entstehenden Wünsche«, die »die kritischen Kontrollen der Ich-Instanz« (12) überrannten. Die Realität wird bei diesem Prozeß von der Phantasie geradezu überschwemmt, es entstehen »Fluchtlandschaften als Gegenwelten zur gesellschaftlichen Realität« (13). Da May beim Schreiben in starkem Maße aus dem Unterbewußtsein schöpfte, ein »Traumschreiber« war, der schriftstellerisch seine Träume befriedigte - auf Mays Schreibprozeß wird noch näher einzugehen sein -, ist diese dominante Rolle, die die Fiktion, die Phantasie in der Realität gewann - besonders in den Jahren 1895-1899 -, nicht erstaunlich. Das Schreiben bedeutete für May »die Abfuhr von Innen-Konflikten« (14). »So sind schon die Reiseerzählungen Mays Bilder seiner "Seele", Darstellungen seiner inneren Biographie.« (15) Vor diesem Hintergrund müssen diese Werke gesehen werden.
In Mays literarischem Schaffen sollten sich bald »Brüche«, zeigen. »Old Surehand Bd. III« leitete die »späten Reiseerzählungen« 1896 ein. Charakteristisch für diese Werke ist ein verstärkter Weg nach innen, seelisch-geistige Themen, philosophische Reflexionen, schieben sich massiv in den Vordergrund. Besonders die Todesproblematik nimmt eine zentrale Stellung ein, und in erster Linie »gebrochene Charaktere« - im Grunde alles May-Spiegelungen - werden hiermit konfrontiert. Diese besitzen - wie May - eine dunkle Vergangenheit, haben ihren Glauben und die Liebe verloren und werden vor die daraus entstehenden Konsequenzen gestellt. (16) Nur wer den Weg zur Umkehr, zur Reue und Läuterung findet, wird gerettet - letztlich durch die verlorene Liebe, die diese »Verlorenen« wiedergefunden haben. Die Problematik wird in »Am Jenseits« explizit aufzuzeigen sein. Die verstärkte »Innen-Schau« bedeutet gleichzeitig einen Verlust der Handlungs- und Abenteuerelemente, also einen schwerwiegenden Substanzverlust für den Charakter der klassischen Reiseerzählung Mays. »May verliert mehr und mehr die Freude an der oberschichtigen Handlung und an der Buntheit fremder Länder, die den Heldentaten seines Ich als Kulisse dienten. Das Repertoire der spannungserzeugenden Handlungsmotive vergrößert sich nicht mehr; May variiert nur noch frühere Muster.« (17) Rein äußerlich scheint dies alles auf eine Krise Mays hinzudeuten.
Hans Wollschläger und Hainer Plaul haben durch ihre Studien eindrücklich auf den Narzißmus Mays hingewiesen. (18) Während Wollschläger davon ausgeht, daß dieser Narzißmus aus der Liebesversagung der Mutter entstanden ist, hat Plaul versucht, nachzuweisen, daß vielmehr Liebe »am falschen Platz«, d.h. Verwohnung, ausschlaggebend gewesen sei. (19) Die »teuflische Spirale« sähe dann so aus: »Am Anfang stehen Verwöhnung, Aus-
bildung übertriebener Erwartungen, Ichhaftigkeit. Die Folgen sind Anpassungs- und Kontaktschwierigkeiten: Ablehnung und Liebesverweigerung durch die Gruppe, Kompensation durch Steigerung der Ansprüche (Geltungssucht), Verkümmerung der eigenen Liebesfähigkeit, extreme Zunahme der Liebesbedürftigkeit.« (20) Auch wenn die Ansätze Wollschlägers und Plauls differieren, so kommen sie doch zum gleichen Ergebnis: May litt in seinem ganzen Leben an der Liebesversagung (die zurückzuführen ist auf die Mutter, oder aber die Umwelt, die Gruppe Gleichaltriger, die den hohen Ansprüchen Mays, hervorgerufen durch Verwöhnung seitens der Mutter und Großmutter, nicht gerecht werden konnten). »Die Liebesbedürftigkeit des narzißtischen Neurotikers ist in gleichem Extrem gesteigert, wie seine Liebesfähigkeit sich reduziert hat: daß die Außenwelt ihm Liebe schuldig, ihm zur Liebe verpflichtet sei, ist eine der stärksten charakterlichen Reaktionsbildungen auf die erlittene Versagung und zugleich die Basis, auf der deren immerwährende Wiederkehr sich erzwingt.« (21)
Eine ausgiebige Narzißmusdefinition kann an dieser Stelle nicht gegeben werden, wir beschränken uns hier lediglich auf wesentliche Merkmale. (22)
Die Liebesversagung, das gestörte Wechselspiel zwischen Ichlibido und Objektlibido (die Libidoabgabe des Ichs findet keine Erwiderung von seiten des Libidoobjekts), führt beim Narzißten zum Rückzug auf sein Ich, denn »das Ich nimmt seine echolosen Besetzungsversuche als eine Kette von Substanzverarmungen wahr, und es bildet sich schließlich die unbewußte "seelische Erfahrung" heraus, daß Libido-Abgabe grundsätzlich gleich Ich-Verlust sei«. (23) Das Ich wird zu einem Ersatzziel für die Libidobesetzungen, »und zwar, da es durch die Grundschädigung traumatisch geschwächt ist, in psychisch erhöhter, gleichsam veredelter Gestalt, der des sogenannten Ich-Ideals«. (24) »Der Narzißmus erscheint auf dieses neue ideale Ich verschoben, welches sich wie das infantile im Besitz aller wertvollen Vollkommenheiten befindet.« (25) In der Regel nimmt beim Knaben das Ich-Ideal Züge des im Ödipuskomplexes hervortretenden
Vater-Feindes an, um auf diese Weise die väterliche Gefahr zu schwächen und zu neutralisieren. Die Mutterfixierung, die frühe Liebesanlehnung an die Mutter, muß von nun an als große Bedrohung für das Ich durch Verdrängungsakte unwirksam gemacht werden.
Mays vom Vater geprägtes Ich-Ideal, »frühes Befindensmodell dessen, was später in künstlich geschaffener Außenwelt Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi heißen durfte« (26), bedeutete die Balance zum »infantil fixierten Ich«. (27) Diese Balance dürfte dann für May, als er während seiner Haftstrafe in Waldheim zu schreiben begann - sehr wahrscheinlich ein Verdienst des dortigen Katecheten Kochta (28) -, die Rettung vor dem endgültigen Abgrund gewesen sein.
Mays Ich-Ideal bekam in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre Risse und Sprünge, der »seelische Umbruch« begann zur Zeit der späten Reiseerzählungen. Die Angst vor dem Zusammenbruch ist in den nun häufiger auftauchenden »gebrochenen Charakteren« zu sehen. Dieser Angst ist es wohl auch letztlich zuzuschreiben, daß es für May gerade zu dieser Zeit immer diffiziler wurde, Phantasie und Realität zu trennen. Der Versuch, sein Ich-Ideal real werden zu lassen, war Mays letzter Verzweiflungsakt zur Bewahrung der Vater-Identifikation. Die Konfliktbewältigung gelang schließlich nicht. Während der Orientreise, wahrscheinlich an einem Tag im November 1899, brach alles ein. Wollschläger vergleicht diesen Zusammenbruch mit dem Nietzsches 1889 in Turin: »... Es war nichts geringeres als ein totaler Zusammenbruch der narzißtischen Schutzpanzerung, eine schockartige Regression auf jene frühe Stufe der Analität, auf der die Anlehnung an die Mutter einst traumatisch fixiert worden war.« (29) Die Ursache für den inneren Zusammenbruch während der Reise läßt sich unschwer finden: es war der plötzliche Erkenntniseinbruch über das Auseinanderklaffen von Phantasiewelt, in der May eine Geborgenheit und Sicherheit finden konnte, und Realität, die so ganz anders aussah, als die Bilderwelt seines Inneren. In Wirklichkeit war er fremd, verlassen un-
sicher.
Nach der Orientreise schrieb May am 10. 9. 1900 an Fehsenfeld: »Zu ihrer Orientierung kurz folgendes: Alle meine bisherigen Bände sind nur Einleitung, nur Vorbereitung. Was ich eigentlich will, weiß außer mir kein Mensch ... Ich trete erst jetzt an meine eigentliche Aufgabe ... « (30) Das gesamte Werk, das nun entstand, war der neue Versuch, das alte Trauma zu bewältigen. Es gelang. Die Liebe wurde zu einem »Achsenwort« (31) dieses Spätwerks.
Parallel - in gewisser Weise vorbereitend - zu diesem seelischen Umbruch, zur seelischen Entwicklung, dürfte Mays Übergang »vom geistigen Kind zum Erwachsenen« (32), der intellektuelle Fortschritt, sowie der finanzielle Aufstieg zum Bruch im Werk geführt haben. Für die Analyse von »Am Jenseits« sind die Thesen von größter Bedeutung, denn dieses Werk entstand vor der Orientreise, läßt sich also vom fixierten Zusammenbruch nicht erklären. Die Problematik der Einordnung des Buches zeigt besonders Sibylle Becker auf. Wie einige andere Autoren, schließt auch sie sich aufgrund des May-Briefes vom 10. 9. 1900 der Auffassung an, die Werke als »Spätwerk« zu bezeichnen, die nach der Orientreise geschrieben wurden. Sie ist sich aber durchaus der Sonderstellung von »Am Jenseits« bewußt: »Die Handlung läuft zwar nach dem Schema der Reiseerzählungen ab, aber die Visionen des Münedschi und die theoretischen Erörterungen über Tod und Sterben fallen aus dem üblichen Rahmen der Reiseerzählungen heraus.« (33) »Auf Grund der Darstellung der Todesproblematik« zieht sie das Werk für ihre Behandlung der Spätwerke heran.
Obwohl »Am Jenseits« vor der Orientreise entstanden ist, soll im folgenden versucht werden, Charakteristika des Spätwerks bereits hier deutlich zu machen.
Der erwähnte »Bruch« im Werk Mays läßt sich in »Am Jenseits« explizit erkennen. Waren frühere Reiseerzählungen reich an bunten Schauplätzen und Abenteuern, die in schnellen Wechseln atemlos vorbeihuschten, so besteht »Am Jenseits« eigentlich »nur noch aus Wüstensand«, wie es Roxin treffend formuliert hat. (34) In einer endlosen Wüste, die lediglich von einzelnen Brunnen durchbrochen ist, spielen Abenteuer scheinbar nur eine sekundäre Rolle.
Sicher gibt es noch die May-typischen Handlungen, gibt es noch bekanntes Personal - die Bösewichter, die Guten, und diejenigen, die sich zwischen beiden Extremen befinden -, doch werden diese »abenteuerlichen Ansätze« nicht mehr in einem so großen Umfang ausgeführt, wie beispielsweise in dem vom Schauplatz her verwandten Werk »Durch Wüste und Harem« (1881). Stattdessen finden wir philosophisch-religiöse Betrachtungen, Todes-Szenen, die, wie bereits der Titel des Buches (ebenso die Kapitelüberschriften) impliziert, das Hauptanliegen Mays herausstellen, um das sich das abenteuerliche Geschehen nur noch als Beiwerk rankt. »Die ereignisarme Handlung bietet das Gerüst für die Beschäftigung mit dem Todesproblem, ohne das die Handlung im Gegensatz zu den Reiseerzählungen nicht bestehen könnte.« (35) Diese Veränderung ruft eine weit umfassendere Behandlung der Ebenen II und III hervor.
Im Gegensatz zum späteren Werk, in dem Handlungsebene und philosophisch-religiöse Ebene nicht mehr scharf zu trennen sind, gelingt eine Abgrenzung in »Am Jenseits« offenbar leichter. Diese relativ unverschlüsselte Deutlichkeit verführt den Leser natürlich, tiefere, unterschichtige »Geheimnisse« Mays, ohne deren Beachtung man dem Werk jedoch keinesfalls gerecht wird, zu überlesen.
Die äußere Handlung kann man einzig als die Auseinandersetzungen zwischen dem »Ich-Held« Kara Ben Nemsi
(hier: Hadschi Akil Schatir) / seinen Gefährten und den Mekkanern (primär El Ghani) / Scheik Tawil ansehen. Diese Auseinandersetzungen sind aber im Grunde alles Wiederholungen, immer wieder Gefangennahme und Befreiung. Wollschläger hat auf den Wiederholungscharakter des Buches hingewiesen. Er stellt es als einen »Rückblick«, als eine Rückschau vor allem auf den Anfang »Giölgeda Padishanüns« dar. (36)
Auch hierin zeigt sich Mays Krise: literarische Perspektiven voller Konflikte, eine verzweifelte Suche nach Auswegen. »Die Suche nach dem Wiedererkennen ältester Dinge ist Triebmotor des Buchs und bewegt seine pausenlose Unrast. In dieser Unrast stehen die Formen und Materialien wie angewurzelt, wie statische Bilder ältester, archaischer Vision.« (37)
Die äußere Fassade zeigt eine Ratlosigkeit Mays; er findet aus der Wüste nicht hinaus, der Weg nach Mekka ist durch Wüstensand verschüttet. Dieses eigentliche Ziel, Mekka, kann damit nicht erreicht werden; stattdessen begegnen die Haddedihn den für die weitere Handlung so wichtigen Personen, El Münedschi, El Ghani und dessen Sohn Ben Abadilah. Aus diesem Zusammentreffen entwickelt sich dann aber ein eher zähes, mühsames Abenteuer.
Daß »Am Jenseits« unvollendet bleiben mußte, scheint nur eine Folgerichtigkeit zu sein. May befand sich in einer Sackgasse. Dennoch kündigte er auf Drängen seiner Leser immer wieder die Fortsetzung an, »die selbst der Blindheit beide Augen öffnen (muß)« (38). Bestimmte, die Handlung betreffende Rätsel - etwa die Geschichte um den Münedschi, um das Ende El Ghanis - ließ er ungelöst. Noch am 17. 4. 1907 schrieb May an seinen späteren Verleger E. A. Schmid: »Der zweite Band von "Am Jenseits" wird unter dem Titel "Im Jenseits" sofort erscheinen, wenn ich sehe, daß der erste Band verstanden worden ist.« (39) Diese Ankündigungen sollten aber eigentlich nur entschuldigen und die Leser hinhalten. »May wußte am besten, daß es keine Fortsetzung geben konnte, ja, daß die Fortsetzung längst in anderen Büchern geleistet war.« (40) Die Fortsetzung wäre nach der Orientreise sehr wahrschein-
lich auch anders ausgefallen, als es »Am Jenseits« noch vorgab. Zu welchen Brüchen derartige Anknüpfungen führen konnten, zeigt besonders das Beispiel des vierbändigen »Im Reiche des silbernen Löwen«. Nein, »Am Jenseits« konnte nicht vollendet werden, es war dies »eine Konsequenz des seelischen Stoffes« (41).
Die Behandlung einer autobiographischen Ebene zeigt in starkem Maße die Schwierigkeit einer möglichst objektiven Interpretation. Gerade am Beispiel Karl May ist es bei der Ziehung von Parallelen zwischen fiktivem Text und autobiographischen Details unvermeidbar, in die Psyche Mays, in seinen Schreibprozeß einzudringen - so weit dies überhaupt möglich ist. Da es von vornherein ein großes Unterfangen bedeutet, können auch niemals endgültige, eindeutig feststehende Interpretationsergebnisse vorgelegt werden; »das Geheimnis des Schöpferischen ist, wie das der Freiheit des Willens, ein transzendentes Problem, welches die Psychologie nicht beantworten, sondern nur beschreiben kann. Gleicherweise ist auch der schöpferische Mensch ein Rätsel, dessen Lösung man zwar auf vielerlei Weise, aber immer vergebens versuchen wird.« (42) So sind es also immer nur Versuche, dem Menschen und dem Schriftsteller Karl May näherzukommen. Bei diesen Annäherungsprozessen ist es wichtig, zu beachten, daß immer aus subjektivem Blick interpretiert wird. Es gibt zwar eindeutige biographische Fakten - die Heranziehung autobiographischer Grundlagen ist hierbei durch die subjektive Bearbeitung des Autors schon problematisch -, doch inwieweit eine Konkordanz, eine Verarbeitung biographischen Geschehens im dichterischen Werk zutrifft, hängt letztlich immer auch vom Blickwinkel des Interpretierenden ab.
Bei der Beantwortung der Frage, inwieweit biographische Spiegelungen Mays in »Am Jenseits« eingeflossen sind, muß zunächst der Blick auf seinen Schreibprozeß ge-
richtet werden.
Wollschläger sagt zu Recht, daß »Mays schöpferische Arbeit ... nicht in der Komposition von mit höchster geistiger Anstrengung und Geduld erarbeiteten Mikrodetails (bestand), sondern in der Kanalisierung ausbrechenden, strukturell vordeterminierten Innen-Materials« (43). May äußerte zum Schreibprozeß: »Ich schreibe hundert, zweihundert, wenn es drängt (!) auch dreihundert Seiten ohne alle Pause, ohne zu schlafen und zu essen ... Wie es aus dem Herzen kommt, so fliegt es aufs Papier, und geht von da wieder zum Herzen. Es ist das eine direkte Sprache von Gemüt zu Gemüt, durch keinen Styl um ihre Ursprünglichkeit, Unmittelbarkeit und Herzlichkeit gebracht. Ich lese keine Manuskripte noch einmal durch; ich ändere kein Wort; ich schicke es fort, wie es aus der Feder kam, und ganz genau so muß es gedruckt werden... Ich künstele und feile nicht; mein Styl ist Natur.« (44)
C. G. Jung definiert Phantasie als »die Selbsttätigkeit der Seele, die überall da herausbricht, wo die Hemmung durch das Bewußtsein nachläßt oder überhaupt aufhört, wie im Schlaf.« (45) Es ist nur eine Konsequenz, daß bei einer derartigen schriftstellerischen Arbeitsweise, wie sie May beschrieb, beim direkten Schöpfen aus dem Unterbewußtsein, biographische Details hervortreten müssen. Die Psychoanalyse hat deutlich darauf hingewiesen, daß in der persönlichen Erlebnissphäre des Dichters Aufschlüsse über dessen Werk zu bekommen sind. (46) »Ein starkes aktuelles Erlebnis weckt im Dichter die Erinnerung an ein früheres, meist der Kindheit angehöriges Erlebnis auf, von welchem nun der Wunsch ausgeht, der sich in der Dichtung seine Erfüllung schafft; die Dichtung selbst läßt sowohl Elemente des frischen Anlasses als auch der alten Erinnerung erkennen.« (47)
Die Äußerung Mays, in seinen Reiseerzählungen »rein deutsche Begebenheiten« (48) darzustellen, die »ein echt deutsches, also einheimisches, psychologisches Rätsel in ein fremdes orientalisches Gewand kleide(t), um es interessanter zu machen und anschaulicher lösen zu können« (49), muß, da sie erst sehr spät entstand,
zwar kritisch gesehen werden - für die früheren Reiseerzählungen ist es sicher eine nachträgliche Schutzbehauptung -, speziell auf »Am Jenseits« angewendet, trifft diese Bemerkung - wie zu zeigen sein wird - deutlich zu. Biographische Spiegelungen sind in den späten Reiseerzählungen verstärkt zu finden, zurückzuführen auf Mays innere Konflikte, die gegen Ende der neunziger Jahre immer gewaltiger anwuchsen.
Freud wies in seinem Vortrag »Der Dichter und das Phantasieren« (1907) auf die Antriebsmotoren des schöpferischen Aktes hin: »Man darf sagen, der Glückliche phantasiert nie, nur der Unbefriedigte. Unbefriedigte Wünsche sind die Triebkräfte der Phantasien und jede einzelne Phantasie ist eine Wunscherfüllung, eine Korrektur der unbefriedigenden Wirklichkeit.« (50)
May ließ den Stau seiner inneren Kämpfe durch die Schreibfeder abfließen, um so zumindest für einige Zeit frei von ihnen zu sein. »Diese Abfuhr, zu der gedämpftes Bewußtsein wie eine Bedingung gehörte, gedieh natürlich nie zur wirklichen Erledigung: die schubartige Wiederkehr ihrer Notwendigkeit bewirkte so Mays eigentliche, stupende Produktivität.« (51) Besonders auch in dem vor »Am Jenseits« entstandenen Werk »Weihnacht« (1897), ist zu sehen, wie die Erlösung - deren Wege May suchte - in den verschiedensten Figuren und Handlungen immer wieder durchgespielt wird; es sind alles Stellvertretungen für Mays ureigenste Konflikte. (52)
Zieht man weitere Werke hinzu, wird es verständlich, warum »die Wiederkehr des Ähnlichen in der Motivik« (53) auftreten mußte. Die seelischen Kämpfe Mays konnten nie endgültig beigelegt werden; er mußte sie in seinem Werk immer wieder neu aufgreifen, was »schon an der Oberfläche den Zwangscharakter des Zeremoniells« (54) erkennen läßt. In den späten Reiseerzählungen treten die inneren Konflikte immer deutlicher hervor, die geradezu manische Wiederholung bestimmt das Kolorit der abenteuerlichen Fabel. Dies veranlaßt Wollschläger, in seiner Interpretation zu »Am Jenseits« primär die autobiographischen Spiegelungen herauszuarbeiten, da sie die eigentlichen Antriebe und Ursachen für die Entstehung des Buches
seien. (55)
Bei der folgenden Behandlung der autobiographischen Ebene soll die Biographie Mays als Hintergrund dienen, die der Interpretation erklärend zur Seite steht.
Handlungsmotive in »Am Jenseits« wie Raub, Ermordung, Gefangennahme, Befreiung, sind bereits durch frühere Werke Mays bekannt, treten eigentlich in jeder Reiseerzählung kontinuierlich auf. Die Ursachen dafür sind wieder in Mays eigenen Erlebnissen, die sich traumatisch im Schreiben hervorschieben, zu suchen. So kann bei Auseinandersetzungen mit »Gewaltmenschen« (ein Begriff, der erst nach der Orientreise expliziert wird) davon ausgegangen werden, daß hier auch immer unbewältigte Vater-Konflikte mitspielen. (56) »Am Jenseits« beweist dies recht deutlich.
Schon Wollschläger wies darauf hin, daß El Ghani eine Spiegelung des Vaters, Heinrich August May, und der Münedschi »ohne Zweifel ein kindheitliches Selbstbildnis« (57) sei. Dieser These möchte ich zustimmen.
Die durch Blindheit bedingte Hilflosigkeit trieb den Münedschi in die Arme seines »Wohltäters« El Ghani. Dieser aber mißbraucht ihn und raubt mit dessen Hilfe sogar den »Schatz der Glieder«. In diesem Verbrechen lassen sich nun deutliche Hinweise auf die Biographie Mays finden. Wollschläger sieht in diesem Schatz »die Muttererbschaft, die der Vater (Mays) an sich riß und vertat« (58) und folgert weiter, daß Karl May diese Erbschaft als Raub auch an ihm persönlich ansah, »tief unbewußt offenbar sich selbst als den berechtigten Erben des Muttervermögens gefühlt hat ... und daß er, tief unbewußt, den Vorwurf, schuld an der Armut seines Lebens zu sein, mit zu den anderen Schulden des gehaßten Vaters fügte«. (59) - Bezeichnenderweise lautet die Übersetzung des Namen El Ghani »der Reiche«.
»Die Bösen unter den Reichen in Mays Werk ... sind Darstellungen des Vaters. In den Augen des Kindes ist der Vater als der Geldverdiener in der Familie stets reich,
so arm er auch an sich sein mag, und er ist dann böse, wenn er seinem Kind nichts abgibt.« (60)
»Mutter hatte ganz unerwartet von einem entfernten Verwandten ein Haus geerbt und einige kleine, leinene Geldbeutel dazu ... Das war ja ein Vermögen! Das erschien der Armut fast wie eine Million!« (61) Dieses Geld benutzte der Vater jedoch, um Taubenhändler zu werden. »Mit Widerwillen« (62) mußte die Mutter ihr Geld herausrücken. Zu allem Übel war die Anschaffung des Vaters ein totaler Mißerfolg, und es dürfte wohl zu Spannungen und harten Auseinandersetzungen im Elternhaus geführt haben, die May in seiner Selbstbiographie nur andeutet: »Dieses unstäte, unnützliche Leben förderte nicht, sondern fraß das Glück des Hauses ... Mutter gab gute Worte, vergeblich. Sie härmte sich und trug still, bis es Sünde gewesen wäre, weiter zu tragen.« (63) Erst viel später Konnte Karl May sich dafür rächen - in seinem Werk. Der Grimm saß tief, der Vater war der Schuldige, schuldig letztlich für Mays ganze verpfuschte Jugend. (64)
Das Bild, das May uns von seinem Vater gibt, ist äußerst zwiespältig: »Mein Vater war ein Mensch mit zwei Seelen. Die eine Seele unendlich weich, die andere tyrannisch, voll Uebermaß im Zorn, unfähig, sich zu beherrschen.« (65) Eindrucksvoll schildert May die Angst vor Bestrafungen: »Am Webstuhl hing ein dreifach geflochtener Strick, der blaue Striemen hinterließ, und hinter dem Ofen steckte der wohlbekannte "birkene Hans", vor dem wir Kinder uns besonders scheuten, weil Vater es liebte, ihn vor der Züchtigung im großen "Ofentopfe" einzuweichen, um ihn elastischer und also eindringlicher zu machen.« (66) Mit unterdrückter Verbitterung kritisiert May den Erziehungsstil des Vaters, schildert er doch die Qualen, die er ausstehen mußte, als dieser ihn zu einem gebildeten Mann erziehen wollte, indem das unsinnige Lesen einer wahren Büchermasse Vielwissen hervorrufen sollte. Auch der vom Vater initiierte Dressurakt des militärischen Exerzierens ist hier zu nennen. (67)
Die Vater-Kritik wurde neben der traumatischen Mutter-Liebe zu einem zentralen Thema im literarischen Werk Karl Mays. Alles drängte hier auf Kompensation, auf
Bewältigung unbefriedigter Wünsche.
Bereits beim ersten Zusammentreffen mit den Haddedihn zeigt El Ghani ein »listiges, rücksichtsloses, gewalttätiges Mekkanergesicht« (37). Ist es verwunderlich, daß bei den verschiedenen Begegnungen immer auch die Peitsche im Spiel ist, nun jedoch nicht mehr in Händen des Vaters (El Ghani), sondern auf der Seite des Ich-Helden? »Da sprang Halef auf, riß die Peitsche empor, sprang dem Mekkaner nach und langte ihm zwei oder drei so kräftige Hiebe zu, daß der Getroffene vor Schmerz brüllte« (52). (Später wird den Mekkanern auch mit der Bastonade - einer geradezu sadistischen Bestrafungszeremonie - gedroht.) Wir erkennen hier die Genugtuung für die Hiebe des »birkenen Hans«. Bekanntlich taucht die Peitsche in den im Orient spielenden Reiseerzählungen kontinuierlich auf.
Stellen wir die Hypothese auf, daß der kleine, blinde Karl an einem Tag, an dem die grausame und tyrannische Seite des Vaters dominierte, den »birkenen Hans« zu kosten bekam, und May, der seinen Vater dabei nicht sah, nur hörte und fühlte, stellte die Identität Vater/Peitsche - Gewalt her. Auch als er sehend wurde, fand er dann keine Anzeichen, die diese Identität korrigierte, sie wurde eher noch gefestigt. Aus diesen hypothetischen Betrachtungen ließe sich dann auch das häufige Auftreten der Gewaltmenschen erklären.
Die Peitschen-Bestrafung in »Am Jenseits« bringt jedoch nur noch weitere Schwierigkeiten und verstärkt den Haß der Mekkaner, ist also keine endgültige Lösung. So gibt es bezüglich El Ghani auch keine eindeutige Entscheidung, »unbewußt mußte bleiben, was mit dem Alten abzurechnen war, den das mächtige Über-Ich zu lieben und zu verehren befahl« (68). Die Entscheidung bleibt offen, offen wie der Vater-Konflikt. Die Bestrafung El Ghanis vollzieht sich jedoch durch den Tod seines Sohnes! Dieser Sohn, Ben Abadilah, wird zwar ebenfalls negativ charakterisiert - »er hatte etwas Unstetes, Ruheloses, Unzuverlässiges in seinen sich stets in Bewegung befindenden Augen« (37) -, doch spielt er im Vergleich zu seinem Vater nur eine sekundäre Rolle. Der tote Sohn - sein Tod ist die Gerechtig-
keit für einen begangenen Mord - ist nun blutüberströmt an seinem Vater festgebunden! Der Scheik Abd el Idrak, der die Mekkaner richtete, bemerkt dazu: »Dieser verlorene Mensch hat nur sich selbst und seinen Sohn geliebt, aber nie ein anderes Wesen... Er hielt ihn fest; er umklammerte ihn, und als wir beide auseinanderrissen, heulte er auf wie ein Tier, verfluchte sich, verfluchte die Menschheit, verfluchte die Himmel und schwor, wenn sein Sohn schuldig sei, so wolle er die Schuld desselben auf sich nehmen und tragen in alle Ewigkeit. Das war so schrecklich, daß ein heiliger Grimm über mich, über uns alle kam. In diesem Zorne verurteilte ich ihn, den Sohn diese Nacht tragen zu müssen, um nur eine Ahnung davon zu bekommen, was es heiße, ihn und seine Schuld durch die endlose Nacht der Ewigkeit zu schleppen« (416). Bekanntlich gab Heinrich August May vor, für seinen Sohn nur »das Beste zu wollen«, wodurch er aber gerade die Kindheit und Jugend seines Sohnes zerstörte. Die Folgen dieser verlorenen Kindheit sah Karl May sicher auch in seinen Straftaten - »Weihnacht« macht es bereits deutlich. Ist nicht auch Ben Abadilah unter dem Einfluß seines Vaters zu einem Verbrecher, ja, zum Mörder geworden? Auch dieser Sohn konnte sich nicht vom Vater lösen, umklammert ihn noch im Tode. Es ist die Schuld des Vaters, die hier gezeigt wird: wenn er den Sohn im Leben nicht loslassen wollte, so soll der tote ihn nun um so mehr belasten - bis in alle Ewigkeit! Der tote Sohn, der seinen Vater belastet, mag für den toten May, den der Straftaten stehen. Diesen muß der Mitschuldige, der noch nicht gesühnt hat, tragen. Noch in »Mein Leben und Streben« schrieb May: »Keine Pflanze zieht das, was sie in ihren Zellen und in ihren Früchten aufzuspeichern hat, aus sich selbst heraus, sondern aus dem Boden, dem sie entsprossen ist, und aus der Atmosphäre, in der sie atmet. Pflanze ist in dieser Beziehung auch der Mensch. Körperlich ist er freilich nicht angewachsen, aber geistig und seelisch wurzelt er, und zwar tief, sehr tief, tiefer als mancher Baumriese in kalifornischer Erde. Darum ist kein Mensch für das, was er in seiner Entwicklungszeit tut, in vollem Maße verantwortlich zu machen ... Gewöhnlich sind es nicht etwa
die Fernstehenden, sondern grad die lieben "Nächsten" (!), welche Stein um Stein auf den andern werfen, obgleich die Einflüsse, denen er unterlegen ist, besonders auch von ihnen mit ausgegangen sind. Sie tragen also an der Schuld, die sie auf ihn werfen, selbst mit Schuld.« (69) Gerade die Buße dieser Schuld - hier des Vaters - vollzieht May in »Am Jenseits«. Obwohl nichts über das Ende El Ghanis zu erfahren ist, deutet Halef dessen Schicksal an: »Er hat die Liebe von sich gestoßen; sie ist von ihm gegangen; nun muß er ohne Liebe dem Grabe entgegenwanken. Er hat es grad so und nicht anders gewollt« (418). Was dieser Liebesverlust bedeutet, wird auf der philosophisch-religiösen Ebene zu zeigen sein. Er kommt dem Tod, dem »Nicht-Leben« gleich, beweist auch wiederum, daß »Am Jenseits« in dieser Beziehung vollendet war, daß weitere Bestrafungsversuche an El Ghani eigentlich sinnlos und nur paraphrasierenden Charakter gehabt hätten. May wußte, was es bedeutete, ohne Liebe ins Jenseits zu gehen. Es war die härteste Bestrafung überhaupt! Eine Rache, wie sie schlimmer, grausamer nicht sein konnte.
Aufgrund einer infektiösen Ophthalmie erblindete Karl May kurz nach der Geburt. (70) Erst im 5. Lebensjahr wurde er durch ärztlichen Eingriff sehend. In seiner Selbstbiographie schrieb er dazu: »Eigentlich war in dieser meiner frühen Knabenzeit jedes lebendige Wesen nur Seele, nichts als Seele. Ich sah nichts ... Wenn jemand sprach, hörte ich nicht seinen Körper, sondern seine Seele. Nicht sein Aeußeres, sondern sein Inneres trat mir näher. Es gab für mich nur Seelen, nichts als Seelen ... Das ist der Schlüssel zu meinen Büchern ... Nur wer blind gewesen ist und wieder sehend wurde, und nur wer eine so tief gegründete und so mächtige Innenwelt besaß, daß sie selbst dann, als er sehend wurde, für lebenslang seine ganze Außenwelt beherrschte, nur der kann sich in alles hineindenken, was ich plante, was ich tat und was ich schrieb, und nur der besitzt die Fähigkeit, mich zu kritisieren, sonst keiner!« (71)
Ein anderes, ein inneres Sehen, verschaffte die Blindheit auch dem Münedschi, dessen »Seele ... die Gabe verliehen (war), den Körper zu verlassen und nach entfernten Orten und in entfernte, längst verschwundene und auch zukünftige Zeiten zu gehen, um zu sehen und zu hören, was kein anderer Sterblicher erfährt« (45). Das Verhältnis des Münedschi zu El Ghani besteht in einer »blinden Verkennung«: »Er (El Ghani) ist der einzige, der mich verstehen und behandeln kann, er, mein Wohltäter, ohne den ich längst gestorben wäre« (77 f.). Der Blinde erkennt nicht, daß er von diesem »Wohltäter« in Wahrheit - vor allem materiell - ausgenutzt wird. Auch später, als ihm die Straftaten El Ghanis vorgeführt werden, glaubt er nicht an dessen verbrecherische Machenschaften, von seinem »Beschützer« kann er sich nicht lösen.
Erst als der Münedschi zum Schluß in der Wüste ausgesetzt wird (72) - ohne die Rettung durch die Guten (Kara Ben Nemsi und die Haddedihn) hätte dies seinen Tod bedeutet -, hat er sich gelöst, gewaltsam lösen müssen.
Die Beziehung des Münedschi zu El Ghani stellt wiederum den Vater-Sohn-Konflikt dar. »Alles ist Reduplikation« (73), zeigt den »Zwangscharakter«, der immer wieder nachzuweisen sein wird.
Am Beispiel des Münedschi wird die Unmöglichkeit - besser: die Schwierigkeit - der Loslösung vom Vater deutlich; ja, es kommen aber auch positive, eigentlich ideale Vater-Funktionen hervor: der Vater als Beschützer und Wohltäter.
Diese Funktionen, die besonders für den hilflosen, den blinden Karl May der ersten Lebensjahre wichtig waren, die die Anlehnung an den Vater rechtfertigten und notwendig machten, hat er sicher erkannt. Aber genau hier liegt der Hinderungsgrund für eine Trennung: die Hilflosigkeit. »Er (der Münedschi) wohnte in meinem Hause, wo ich ihm eine Freistatt gab, weil er blind war« (45). Obwohl sich El Ghani (der Vater) schuldig gemacht hatte, zum Räuber und Mörder wurde (an Mays Kinder- und Jugendzeit), hat der Münedschi (May) nicht die Einsicht, später nicht die Kraft, sich zu lösen. Erst die gewaltsame
Aussetzung in der Wüste vollzieht die Trennung. Sie läßt jedoch einen Menschen zurück, der ohne göttliche Hilfe - May sieht in der Rettung eine göttliche Führung (429) - dem Tode verfallen gewesen wäre. »Das war eine Tat von höchster Grausamkeit!« (429).
Es liegt die Vermutung nahe, hierin die Verschlüsselung für die Straftaten Mays zu sehen. Gehen wir von der Prämisse aus, daß May seinen Vater als einen Mitschuldigen für seine kriminellen Delikte ansah, so ist er auch für den drohenden Tod mitverantwortlich zu machen. Ohne den göttlichen Glauben, ohne göttliche Führung, hätte May sicherlich der - eher psychische - Tod gedroht. Was er gerade diesem Gottesglauben zu verdanken hatte, wird in seinen Werken immer wieder herausgestellt: die Guten, die Geläuterten, die sühnten und bereuten, erlangen die Hilfe Gottes; die Bösen jedoch, die nicht zur Einsicht kommen, fallen der Strafe Gottes anheim (s. El Ghani).
Die Gestalt des blinden Münedschi weckt fortwährend Assoziationen zu Mays frühester Kindheit.
Wie May in »Mein Leben und Streben« schreibt, war es vor allem die Mutter des Vaters, Johanne Christiane Kretzschmar, die seine ansonsten trübe Kindheit erhellte. In ihrem Bild »sammelte er alle hellen Züge seiner Kindheit überhaupt - Züge, deren Anzahl schon nicht überschätzt werden darf« (74). Obwohl einige Skepsis angebracht ist, war die Großmutter nach Mays Aussagen der Inbegriff der Seele: »Sie war Seele, nichts als Seele ...« (75) Die Beschreibungen, die er uns von ihr gibt, sind durchweg positiv - ja, auffallend positiv. »Ich war die ganze Zeit des Tages nicht bei den Eltern, sondern bei Großmutter. Sie war mir alles. Sie war mein Vater, meine Mutter, meine Erzieherin, mein Licht, mein Sonnenschein, der meinen Augen fehlte. Alles, was ich in mich aufnahm, leiblich und geistig, das kam von ihr.« (76) Ihr will es May letztlich auch zu verdanken haben, daß er später zum Dichter, zum »Hakawati« wurde. Sie war »ein
ganz eigenartiges, tiefgründiges, edles und, fast möchte ich sagen, geheimnisvolles Wesen, ... ein herzliebes, beglückendes Rätsel, aus dessen Tiefe ich schöpfen durfte, ohne es jemals ausschöpfen zu können.« (77) Die Großmutter wird interessanterweise in »Am Jenseits« explizit genannt (65 ff.). Erlitt Johanne Christiane Kretzschmar einen realen Scheintod, so wird dieser Tod durch den Münedschi nun noch einmal fiktiv dargestellt. Die Beschreibungen von der Entdeckung der Scheintode in »Mein Leben und Streben« und »Am Jenseits« zeigen auffallende Parallelen.
Bei der Erwähnung der Großmutter versäumt auch Kara Ben Nemsi nicht, sie strahlend herauszustellen: »Meine Großmutter, die Mutter meines Vaters, welche der irdische Engel meiner Kindheit gewesen ist und jetzt nun sicher bei den Engeln weilt« (65 f.). Derartige deutliche biographische Details tauchen in Mays Werken nicht unbedingt häufig auf. Das Erlebnis des Scheintodes, das May in frühester Kindheit erfuhr, mußte sich tief in ihm festgesetzt haben. »Sie (die Großmutter) sprach nur selten von dem, was sie in jenen unvergeßlichen drei Tagen auf der Schwelle zwischen Tod und Leben gedacht und empfunden hatte. Es muß schrecklich gewesen sein. Aber auch hierdurch ist ihr Glaube an Gott nur noch fester und ihr Vertrauen zu ihm nur noch tiefer geworden. Wie sie nur scheintot gewesen war, so hielt sie von nun an auch den sogenannten wirklichen Tod nur für Schein und suchte jahrelang nach dem richtigen Gedanken, dies zu erklären und zu beweisen. Ihr und diesem ihrem Scheintode habe ich es zu verdanken, daß ich überhaupt nur an das Leben glaube, nicht aber an den Tod.« (78)
In diesem Erlebnis ist möglicherweise ein Katalysator für die Entstehung von »Am Jenseits« zu sehen, wobei May dann versucht haben dürfte, in diesem Werk die Schwierigkeit des »Erklärens« und »Beweisens« des Scheintodes, die die Großmutter nach seinen Worten hatte, zu lösen. Daß später auch Khutab Agha den Scheintod erleidet und das Erlebnis ebenfalls nur schwer mit Worten fassen kann, spräche dann auch dafür.
Es tauchen aber noch weitere ungelöste Rätsel und Konflikte Mays auf. Über die Vergangenheit des Münedschi erfahren wir bezeichnenderweise sehr wenig, es bleibt bei nebulösen Andeutungen, die im Folgeband aufgeklärt werden sollten - letztlich aber doch nicht konnten! Die Gründe dafür sind offensichtlich: die Vergangenheit, die dunklen Zeiten, konnten und durften nicht an die Öffentlichkeit!
Die Visionen des Münedschi werden zwar umfassender auf der Interpretations-Ebene III zu behandeln sein, doch erfahren wir auch hier einige biographische Geheimnisse Mays, die die These bestätigen, daß sie bei der schriftstellerischen Arbeitsweise Mays einfach auftreten mußten. Die Begriffe »Liebe« und »Seele« spielen hier eine entscheidende Rolle. Als Kara Ben Nemsi den Münedschi fragt: »Hast auch du die Liebe?«, antwortet dieser: »Ich habe sie und finde sie doch nicht« (131). Der Blinde hatte vergeblich nach Liebe gesucht, trat deswegen sogar aus der christlichen Kirche aus. »... Ich habe nie, nie Liebe gefunden« (266), ein einziges Mal ausgenommen, aber dieses einzige Mal ist eine verkannte Liebe, denn es handelt sich hierbei um die zum »Wohltäter« El Ghani! »"Aber du hattest doch Eltern?!" "Sie liebten mich nicht!" "Geschwister?" "Sie haßten mich!" "Freunde?" "Sie nannten sich so, waren es aber nicht!" "Ein Weib?" "Sie war eine Heuchlerin!" "Kinder?" "Die hatte ich nicht; ..."« (266). Die Lieblosigkeit, die verlorene Liebe, die Suche nach dieser Liebe, betraf nicht nur den Münedschi, sondern May selbst.
Wenn der Münedschi von seinem Weib als »Heuchlerin« redet, gibt es auch dafür biographische Gründe. Zur Zeit der Entstehung des Buches gab es heftige Auseinandersetzungen zwischen May und seiner Frau Emma, die sonst von Kara Ben Nemsi liebevoll als »Emmeh« geschildert wird, was aber wohl eher eine Wunschvorstellung war. (79) 1902 kam es zur Scheidung. Auch bei Emma hatte May letztlich nicht die Liebe gefunden, die er suchte.
Die Vision von der »Waage der Gerechtigkeit« kann man, speziell auf May bezogen, als einen weiteren Versuch der persönlichen Abrechnung, der Bewältigung der Vergangenheit, ansehen. Dafür spricht z. B. der Auftritt der Gruppe von nur äußerlich »Reinen«: »Sie kamen niemals mit der Polizei, niemals mit einem Paragraphen des Strafgesetzes in Berührung; sie hüteten sich auch vor jeder andern Sünde, die nicht von diesem Gesetz getroffen wird« (241). Dies ist natürlich auch eine »Vergeltung« Mays an derartigen Menschen. Er kannte nur zu gut die Strafgesetze und diejenigen, die froh waren, nicht damit in Konflikt zu geraten, dabei aber ganz andere »Verbrechen« begingen. Zur gleichen Gruppe gehört auch der »Fleckenlose«, der »sein Weib ... um das Lebensglück und seine Kinder um den frohen, schönen Glanz ihrer Jugend gebracht (hat)« - wieder ein Spiegelbild des Vaters - und der »Bücher ... unter anderm Titel und unter vorsichtiger Veränderung der Namen nachgedruckt und seine Arbeiter gezwungen (hat), sich für ihn für geringen Lohn zu schinden, weil sie von ihm abhängig waren« (241) - ohne Zweifel »Münchmeyer-Erinnerungen«.
Dann erscheinen zwei Frauen, die als erste den Steg über den Abgrund betreten dürfen: »Es sind Heldinnen des Herzeleides, des Duldens. Eine Fürstin und eine Arbeiterin, ...« (243). Auf den ersten Blick könnte dieses Paar das logische Bild der Bemerkung Kara Ben Nemsis sein: »Sie (die Großmutter) war, grad wie auch meine Mutter, so reich an Liebe, daß ich noch heute von und in diesem Reichtume lebe; es ist der größte Reichtum, den es gibt (!) ...« (66). Eine nähere Betrachtung läßt jedoch noch andere, wie ich meine, zwingendere Vermutungen zu. »Die Fürstin war ein liebes, heiteres Kind, welches mit frohen Augen in die verheißungsvolle Zukunft blickte ... Da aber griff die Staatskunst mit eiserner Faust in ihr bisher holdes Geschick ... Ihr goldener Jugendtag war dahin; die Sonne des irdischen Glückes verschwand ... In diesem Gefühl des Erstickens schrie sie zu Gott, und er sandte ihr den Engel des Glaubens als reitenden Boten. Aus den Höhen des Himmels floß ihr
die Kraft, den Pflichten der Erde zu leben; darum strebte dieses Leben auch wieder zu ihm empor« (243). Hier scheint mir eine klare Selbstspiegelung Mays vorzuliegen. Die »weibliche Verfremdung« kann auf die Personifizierung der Seele zurückzuführen sein - die Frauengestalten des Mayschen Spätwerks sind in erster Linie immer auch personifizierte Seelen.
»Nur eine einzige, treue Dienerin kniet unter herzbrechendem Schluchzen dort und betet ... Sie allein hat die sterbende Fürstin verstanden und geliebt; sie war die vertraute Zeugin ihrer Leiden, die verschwiegene Botin ihrer Wohltätigkeit« (243). Und weiter: »Diese war eine Tochter der ärmsten Dürftigkeit ... Ihre Kindheit war Hunger, Verachtung und Arbeit. Sie hat nie das Auge einer liebenden Mutter gesehen und vom harten Vater nur die unbarmherzig schlagende Hand gefühlt ... und als sie glaubte, ein Herz gefunden zu haben, dem sie sich anvertrauen dürfe, und sich ihm zu eigen gab, da war es ein roher, ein gefühlloser Mann (!). Er frönte dem Spiel, dem Trunk und andern Lastern; er haßte die Ordnung, die Arbeit und jede ihn bindende Pflicht. Sie mußte schaffen und sorgen für ihn und die zahlreichen Kinder, und tat es still und ergeben, als sei's ihr nicht anders beschieden. Doch, was sie mit eigener Entbehrung durch rastlose Arbeit errang, das floß bei ihm durch die Gurgel, fiel im Spiele andern zu. Sie sah keine Frucht ihres Fleißes und hielt doch nicht auf, sich zu mühen, denn sie glaubte, es seien die Kinder ein Segen des Himmels, dem sie durch treue, mütterliche Pflege sich würdig zu erweisen habe« (244 f.).
Zwar gibt es bei Interpretationen Mayscher Werke immer einige Unstimmigkeiten, oft auch Überschneidungen verschiedener biographischer Personen, die sich in einer Figur treffen, doch läßt sich im obigen Zitat eine eindeutige Mutterhuldigung - gleichzeitig Vater-Kritik - erkennen. Das zwiespältige Verhältnis Mays zur Mutter macht es aber auch diffizil, ein eindeutiges Mutterbild zu sehen. Einerseits ist sie die Schuldige, die Ursache des »Liebes-Traumas«: (s. Biographische Hintergründe, I.2), andererseits aber auch ein Ideal-Bild, das May zu erreichen versucht. Beide Aspekte sind in »Am
Jenseits« zu beachten. In dem Menschen der »Dürftigkeit«, des »Hungers«, der nur eine lieblose Mutter und einen harten Vater kannte, ist auch wieder May selbst eingesponnen. Dennoch zeichnet May nachfolgend ein positives Bild der Mutter - das Ideal-Bild.
C. G. Jung: »Je ferner und unwirklicher die persönliche Mutter, desto tiefer greift die Sehnsucht des Sohnes in die Tiefen der Seele und erweckt jenes urtümliche und ewige Bild der Mutter, um dessentwillen alles Umfassende, Hegende, Nährende und Hilfreiche uns Muttergestalt annimmt, von der alma mater der Universität bis zur Personifikation von Städten, Ländern, Wissenschaften und Idealen (!).« (80)
Auch in seiner Selbstbiographie entwirft May ein idealisiertes Mutter-Bild: »Meine Mutter war eine Märtyrerin, eine Heilige (!), immer still, unendlich fleißig, trotz unserer eigenen Armut stets opferbereit für andere, vielleicht noch ärmere Leute. Nie, niemals habe ich ein ungutes Wort aus ihrem Mund gehört. Sie war ein Segen für jeden, mit dem sie verkehrte, vor allen Dingen ein Segen für uns, ihre Kinder.« (81)
Die »Fürstin« wird ähnlich beschrieben: »Für sich auf alles gleißende Erdengut verzichtend, wurd sie in schlichter Anspruchslosigkeit eine Spenderin der Güte, die im Verborgenen wirkt. Als Fürstin angefeindet und in frostige Einsamkeit geschoben, war heimlich sie die Barmherzigkeit und Segen spendende Mutter (!) der Bedürftigen« (243).
May hatte in der Vision des Münedschi eine »Doppel-Fusion« geschaffen; beide Frauen sind sowohl May- als auch Mutter-Spiegelungen. Stellte er sich so eine Lösung vor: eine ideelle, ins Jenseits gerückte Verbindung?
Das Mutter-Bild, gleichbedeutend mit der frühen Liebesanlehnung, schob sich immer heftiger in den Vordergrund, gleichzeitig das Vater-Ideal verdrängend, dessen Bild immer realistischere Züge annehmen mußte, mit denen nun abzurechnen war.
Die Bestrebung Mays, den Kontakt, die Anknüpfung zur Mutter herzustellen, zeigt sich deutlich in den Ge-
dichten »An die Mutter«, aus der Sammlung »Himmelsgedanken«, die 1900 (!) erschien, und »Der Mutter Antwort« aus dem Nachlaß: »Du starbst ja nicht; du bist hinaufgestiegen / Zu reinen Geistern, meiner Mutter Geist. / Ich weiß, du siehst jetzt betend mich hier liegen; / O komm, o komm, und sag, daß du verzeihst!« (»An die Mutter«). Und die »Antwort« der Mutter: »Ich bin nicht tot; ich hab dich nicht verlassen, / Wenn ihr auch sagt, daß ich gestorben sei, / Und kann noch heut wie früher dich umfassen, / Damit du fühlst, daß ich dir gern verzeih.« (82)
Der Inhalt dieser beiden Gedichte findet seine Parallelen in der Vision des Münedschi. Ben Nur, das Gewissen, der Engel des Blinden, ist hier als ein »Abglanz der Mutter« (83) zu sehen, er hat die gleiche Bedeutung für den Münedschi wie die Mutter für Karl May. May hatte schwer daran zu tragen, welches Leid er seiner Mutter in der Jugendzeit, im frühen Mannesalter verschaffte. In dieser Beziehung war seine Schuld ungesühnt, hier konnte eine Gefängnisstrafe nicht mildern. Wollschläger hat in diesem Zusammenhang besonders auf eine in »Mein Leben und Streben« beschriebene Szene hingewiesen, in der er ein Schlüsselerlebnis Mays sieht. (84) Die Mutter: »Wie siehst du aus! Schnell wieder fort, fort, fort! ... Daß man dich nicht erwischt! Wenn man dich wieder einsperrt, das überlebe ich nicht! ... Was hast du getan; was hast du getan! Dieses Feuer, dieses Feuer!« May: »"Mut--ter! Mut--ter! ... Glaubst Du etwa, daß ---" "Ja, ich glaube es; ich muß es glauben, und Vater auch" ... Sie stieß das hastig hervor. Sie weinte nicht, und sie jammerte nicht; sie war so stark im Tragen innerer Lasten ... Sie huschte wieder in die Kammer hinaus, ohne mich berührt zu haben (!) und ohne auf ein ferneres Wort von mir zu warten. Ich war allein (!) ... Dieser Mensch, der da stand, war doch nicht etwa ich? An den die eigene Mutter nicht mehr glaubte?« (85)
Obwohl Wollschläger hier ein anderes Urerlebnis sieht, stellt er zu Recht die Bedeutung dieser Szene heraus, denn hier scheint sich wirklich das Erlebnis abgespielt
zu haben, scheint in der Tat das Trauma entstanden zu sein.
Wollschläger zweifelt an dem Zeitraum, in dem diese Szene, laut Mays Angaben, stattgefunden haben soll; er verlegt sie vielmehr in die früheste Kindheit Mays. (86) Ob sie sich real so abgespielt hat, mag dahingestellt bleiben; es lassen sich hieraus jedoch wichtige Schlußfolgerungen ziehen: Genau in diesem »Auftritt« entstand die Trennung von der Mutter, so wie sie zurück in die Kammer huscht, so entschwand May die Liebe zu ihr. Nicht deutlich genug konnte er auf diese Trennung hinweisen (»fort, fort, fort«). War das Liebesverhältnis zur Mutter bereits von Anfang an gestört, dann muß eine derartige Szene geradezu als Höhepunkt dieser Störung gesehen werden. Somit ist auch zu erklären, daß die Mutter in Mays Selbstbiographie nach dieser Szene verschwiegen wird (sie wird nur noch zweimal nebenbei erwähnt).
Als May 1874 aus dem Zuchthaus Waldheim entlassen wurde und nach Hause zurückkehrte, wird auffälligerweise auch nur der Vater genannt. (87) Was war mit der Mutter? Das Zusammentreffen muß bei May zu einigen Konflikten geführt haben. Wie konnte er, der »Verbrecher«, der seine Mutter mit so viel Leid und Qual überschüttet hatte (s. o.), ihr in die Augen schauen? Vielleicht verlor man kein Wort über die Strafzeit (»Es fiel ihm (dem Vater) ... nicht ein, mir Vorwürfe zu machen« (88)), und gerade eine Aussprache hatte zu inneren Befreiungen fuhren können; so mußte denn alles in ihm bleiben, zu einem immer größer werdenden Stau anwachsen. May fand eine resignierte Familie vor, deren Opfer und Hoffnungen, die sie in ihren Sohn gesetzt hatte, zunichte gemacht worden waren.
Wir haben von Klara May eine Aufzeichnung, die über den Tod der Mutter Karl Mays berichtet: »Als seine Mutter in seinen Armen starb, hielt er sie vom Abend bis zum Morgen als Leiche in seinen Armen. Handelt so ein uns normal erscheinender Mensch? Das Grab der Mutter wurde doppelt tief gemacht. Er wollte bei ihr begraben werden.« (89) May hat ihren Tod selbst nie explizit erwähnt, es ist jedoch zu vermuten, daß er bei ihm einen tiefen
Schock ausgelöst haben dürfte. Die Mutter »konnte für May nicht gestorben sein, weil der Konflikt, der an ihr Bild gebunden war, nicht sterben konnte; sie lebte fort in ihm und in dem Werk, dessen Struktur er zwingend verfügte« (90). Wie sollte und konnte May die Mutter-Konflikte nun lösen? Diese Lösung war ja fortan nur noch im Jenseits möglich; daher also immer wieder die Verbindung Liebe-Mutter-Jenseits. May mußte und wollte sich von der »Mutter-Schuld« befreien. Vor diesem Hintergrund wird später auch der Achsenbegriff »Liebe« zu sehen sein.
Konnte May die Schuld der Straftaten, hier: die Schuld gegenüber der Mutter, realiter nicht mehr abtragen, so versuchte er es zumindest in seinen Büchern, in und durch seine Phantasie. Kontinuierlich wird die heilsame Reue und Buße beschworen. In der Vision des Münedschi heißt es: »Ich sehe ... viele, die gegen die staatlichen Gesetze gesündigt haben und dafür bestraft worden sind. Es ist im Himmel ja mehr Freude über einen Sünder, der Buße tut, als über Neunundneunzig, welche glauben, der Buße nicht zu bedürfen, weil sie sich für gerecht halten! Es sind unter ihnen Gefallene aller Art, denen die erbarmende Liebe Kraft verlieh, wieder aufzustehen (!)« (246). Diejenigen, die über den Steg des Abgrundes schreiten dürfen, sind alles idealisierte, May in irgendeiner Weise selbst betreffende Personen. Da sind beispielsweise die Richter, »welche selbst in dem ärgsten Verbrecher noch den Menschen suchten, um so mild wie möglich sein zu dürfen; Betrogene, Bestohlene, Beleidigte (wozu May bekanntlich viel beitrug!), welche nicht nur vergeben, sondern sogar vergessen konnten ... ; Künstler, deren Streben es war, in ihren Werken die wahre Natur, die Übermacht des Guten und Schönen über das Böse und Häßliche, also die Offenbarung Gottes im Menschen, des Himmlischen im Irdischen nachzuweisen (s. May!); ... wahre, ehrliche Freunde (die May zutiefst vermißte)« und: Väter, »welche die Schwäche nicht mit der Liebe verwechselten, sondern ihrer Pflicht mit wohlabgewogener Gerechtigkeit walteten, obwohl dies ihrem Herzen oft nicht leichtgeworden ist« ; Mütter, »denen
die Kinder nicht als herausgeputzte Gegenstände eitlen Stolzes und überhebender Prahlsucht dienten (was May auch gar nicht leisten konnte), sondern denen sie das waren, was sie jeder Mutter sein sollen: Seelenblumen« (91), »von Gott dem Elternhause anvertraut um, von des Vaters Hand begossen und von dem Mutterauge bestrahlt, zum Himmel emporzuwachsen« (247 f.). Dieses Elternpaar war für May die Wunschvorstellung, das ideale Verhältnis zwischen Eltern und Kindern, das er selbst so gut wie nie kennengelernt hatte.
Wir haben gesehen, daß sowohl das Vater- als auch das Mutter-Bild Mays auf verschiedene Figuren projiziert wird. Dies trifft in einem noch verstärkteren Maße auch auf May selbst zu.
Ebenso wie im Münedschi finden wir May-Abbildungen im Ich-Held Kara Ben Nemsi (Hadschi Akil Schatir), in Khutab Agha und Hadschi Halef Omar. (92) Die Funktion des letzteren wird aus der Interpretations-Ebene III zu erwähnen sein. »Was solche Aufteilung der Rollen notwendig machte, ist wohl zu erkennen: sie ermöglichte Entlastung vom lastenden Material: wo "Gefahr" ins Spiel kam, Gefahr der Oberdeutlichkeit, konnte ein Double einspringen.« (93)
Kara Ben Nemsi muß sich in »Am Jenseits« ein Pseudonym zulegen (dessen Länge auch Anklänge an die Schriftstellerpseudonyme der Kolportagezeit erkennen läßt), um in Mekka nicht als Christ entlarvt zu werden.
In diesem ellenlangen Pseudonym - sicher auch Relikt des alten Maskenspielers May -, in deutscher Übersetzung: Hadschi Vernünftig Klug, der Erfahrene, Sohn des Hadschi Weise, Tapfer, der Reiche, Sohn des Hadschi Unsterblich, Berühmt, der Herrliche, Sohn des Hadschi Fromm, Vater der Güte, der Ehrwürdige, tauchen alles Eigenschaften auf, die der Apotheose eines Helden dienen sollten, der sich realiter an Abgründen bewegte. - Daneben können
wir aber auch den Mädchennamen der Mutter (»Weise«) sowie wiederum die Anspielung auf den Vater-Konflikt (»der Reiche«) finden. (94)
Der Ich-Held ist nicht mehr der Übermensch vergangener Reiseerzählungen, aber auch noch nicht »der strahlende geläuterte Held, als der er später erscheinen soll« (95). Er ist hier eher ein »krisenhafter Held«. Seine Heldeneigenschaften, die ihn einstmals so prunkvoll auszeichneten, treten jetzt weit eingeschränkter auf - die Fassade seines Pseudonyms kann nicht darüberhinwegtäuschen. So beteiligt sich Kara Ben Nemsi beispielsweise auch nicht an einem dreifachen Zweikampf, überträgt seine Eigenschaften vielmehr auf drei Stellvertreter; Entscheidungen, wichtige Pläne, die sich letztlich dann auch als richtig und klug erweisen - ebenfalls Markenzeichen früheren Heldentums -, werden nun zum Teil von Hanneh übernommen. Auch darin zeigt sich eine Gewichtsverlagerung, die Ablösung des Vater-Ideals durch die Mutter-Fixierung. Die aktive Rolle der Frau ist ein Charakteristikum des Mayschen Spätwerks, wobei die Frauengestalten in den meisten Fällen Mutterzüge tragen.
Hanneh wird bezüglich der Handlung zu einer mitbestimmenden Figur in »Am Jenseits«; diese Wandlung vollzieht sich in erster Linie auf Kosten der Aktivität des Ich-Helden.
Auf eine recht eigentümliche Weise gerät Kara Ben Nemsi in Gefangenschaft: »Ich fiel -- ich fiel -- fiel tiefer und immer tiefer!« (348). Die Darstellung assoziiert den Fall in die Sümpfe von Ardistan, in die Kinder- und Jugendzeit, in die Zeit der kriminellen Delikte. Das Gefühl der Gefangennahme, des Gefesseltseins - auch der Befreiung -, entsprang Mays ureigenster Erfahrung. Als Khutab Agha erschossen werden soll, wird ein Befreiungsversuch eindringlich geschildert: »... Ein Grimm (kam) über mich, den ich, wenigstens für mich und mein ganzes Leben wohl beispiellos nennen kann (!). Es erhob sich eine, fast möchte ich sagen, bisher unbekannte, dämonische Kraft in mir, welche, keinen Widerstand achtend, zum rücksichtslosen Ausbruch trieb ... Ich zog
und drehte an meinen Fesseln, obgleich ich fühlte, daß sie mir in das Fleisch schnitten; ich bäumte und schnellte mich auf, stürzte aber sofort wieder hin, doch nicht, ohne daß der um die Fußgelenke geschlungene Strick zerriß« (354 f.). Diese »dämonische Kraft«, die zum Ausbruch trieb, war May wohlvertraut. 1869 entkam er einigen Gendarmen, indem er mit einem wahren »Kraftakt« eine »eiserne Bretze« zerbrochen haben soll. (96)
Das Moment der Befreiung, des Entkommens, taucht in Mays Werken bekanntlich fortlaufend auf - angeregt sicher durch die eigenen Erlebnisse.
Wie »angekratzt« das ehemals leuchtende Helden-Bild in »Am Jenseits« ist, demonstriert auch besonders eine Szene, in der es um das Schicksal der gefangenen Mekkaner/Tawil geht. Nur durch die Warnung des Münedschi, bzw. Ben Nurs, kann Kara Ben Nemsi vor der Ausübung der Todesstrafe bewahrt werden (s. 385 f.). Auch dies sind umgekehrte Positionen. Letzten Endes muß sich der Held ohne Gegenwehr vor aller Augen durch dreimaliges (!) Bespeien des Münedschis mißhandeln lassen (s. 323). »Und vor El Aschdar warne ich dich ... Du hast mit ihm gekämpft, solange du lebst; er hat dich oft zum Fall gebracht, doch standest du immer wieder auf, gehoben von deinem eigenen Willen und gehalten von der unsichtbaren Hand, die dich beschützt ... El Aschdar ist ein unermüdlicher und starker Feind, der immerwährend auf der Lauer liegt. Auch dich hat er nicht etwa freigegeben; er wartet nur, und kommt der Augenblick, an dem du eine Schwäche deiner Seele zeigst (!), so schlägt er seine Krallen plötzlich ein, und dann beginnt der schwere Kampf mit seiner Macht von neuem« (297 f.). Diese Warnung galt nicht nur Kara Ben Nemsi, sondern auch May selbst. Nur zu gut kannte May »El Aschdar«! Er war sich der immerwährenden Gefahr bewußt, die von diesem Drachen, dem alten Symbol des Bösen, ausging. May konnte ihn, dessen Geburt parallel mit seiner eigenen verlief, niemals endgültig abschütteln - trotz unaufhörlicher Kämpfe.
Die hier zu behandelnden Selbstspiegelungen Mays - der Münedschi, Kara Ben Nemsi, Khutab Agha - sind durch eigentümliche Beziehungen miteinander verbunden. » ... Alle drei sind Korrelate, historische Metamorphosen des einen einzigen "Ichs", von dessen Geschichte das Buch handelt; durch die Teilung erreichte May die Möglichkeit, ältere und älteste Zeiten der Innenhandlung im Jetzt zu verschränken.« (97)
Den Scheintod und die Sterbevision des Münedschi läßt May durch Khutab Agha noch einmal nachvollziehen. Die Wiederholung, die oberflächlich wie ein »Kunst-Fehler«, wie eine Phantasieschwäche Mays erscheint, beweist den Zwang, der ihn einfach dazu getrieben hat, noch einmal darzustellen, noch einmal an das Jenseits zu gelangen, worum das ganze Buch schließlich kreist. Die einmalige Szene konnte nicht ausreichen, nicht befriedigen, bewies noch nicht das erlösende Moment. Der Münedschi ist ja noch nicht bekehrt, befindet sich im Gegenteil auf weiteren Irrwegen. Gerade hier wird es auch zwingend, in Khutab Agha May selbst zu sehen, denn der Perser bietet jetzt die Möglichkeit eines erneuten Versuches, die Reue, somit Erlösung, zu erlangen. Wir müssen uns wiederum den Vater-Konflikt Mays vergegenwärtigen, wenn wir sehen, daß Khutab Agha mit Soldaten ausgerückt ist, um den von El Ghani (Mays Vater) gestohlenen »Schatz der Glieder« zurückzubekommen. Statt den Schatz zu erlangen, gerät der Perser jedoch - trotz Warnung! - zweimal in Gefangenschaft. War es nicht so, daß auch May in den Jahren 1865 - 1874 zweimal im Gefängnis saß, daß auch er - sicherlich trotz Warnung -, nach der Entlassung aus dem Arbeitshaus Osterstein (1868), rückfällig wurde? Sowohl bei Khutab Agha als auch bei Karl May ist es die fehlende Seelenstärke, die beide zurückstürzen läßt. Der Perser gelangt erst zur Besinnung, zur Reue und Umkehr, als er unmittelbar am Jenseits steht - wodurch er wieder zur Liebe zurückfinden kann. Am Jenseits findet die Abrechnung statt, die Rückschau auf das bisherige, falsche Leben.
Die Verbundenheit Khutab Aghas mit dem »Ich« zeigt sich »sehr sinnfällig auch szenisch gespiegelt« (98) beim Kameltausch.
Bei May haben Tiere - vor allem wenn sie spezifiziert herausgehoben werden - oftmals tiefere Bedeutung: ebenfalls ein Charakteristikum des Spätwerks. (99)
In »Am Jenseits« ist es ein Kamel edelster Abstammung, ein weißes Bischarinhedschihn, das Khutab Agha Kara Ben Nemsi schenkt, nachdem dieser ihm das Leben gerettet hat. Die Besonderheit des Kamels drückt auch sein Name, »Maschurah« (Die Berühmte), aus. Wie die edelsten Pferde hat auch dieses Kamel sein »Geheimnis«: »Um es vorher aufmerksam zu machen, mußt du diesen Namen zweimal nennen, worauf du dreimal hintereinander das Wort "Bubuna" (Kamille) sagst. Hast du das getan. so entwickelt es eine Eile, welche dir die stille Luft als Wind erscheinen läßt ... « (337 f.).
»Die weiße Farbe deutet beim Kamel offenbar einen ähnlichen Bezug zum Übernatürlichen an wie beim Pferd.« (100) Ingrid Bröning weist besonders auf die weiblichen Züge bei den Kamelbeschreibungen hin. (101) Wir haben bereits
erwähnt, daß Weiblichkeit bei May sehr häufig mit dem Seelischen gleichgesetzt wird (dies wird später noch bei den Schutzengeln zu zeigen sein).
»Ein solches Kamelauge hatte ich noch nicht gesehen! Das war nicht die rote Farbe desselben, sondern der Inhalt des Blickes! ... Wahrlich, der Mensch sollte doch stets beherzigen, daß das Tier auch eine denkende und fühlende Seele besitzt, welche Liebe und Härte vielleicht tiefer empfindet und besser zu unterscheiden weiß, als wir alle denken!« (346). Das Vorfinden »unverfälschter Seelen« gibt auch einen Erklärungsgrund, warum Tieren in Mays Werken größere Bedeutung zukommt.
Die Auszeichnung »Die Berühmte« hat aber nicht nur Vorteile, sie birgt auch Gefahren in sich! So eilt »Maschurah« nach Anwendung des Geheimnis mit einer solchen Geschwindigkeit, daß sie, ohne ihren Lauf bremsen zu können, mit Kara Ben Nemsi geradewegs in die Hände der Feinde stürzt. Diese Kehrseite des Ruhmes rückt in ein
May selbst betreffendes Licht, denn gerade er mußte die Kehrseite zur Zeit der Entstehung von »Am Jenseits« am eigenen Leib erfahren! Wichtig ist hierbei dann auch der Hinweis Wollschlägers, daß der Name Khutab Agha im Originaltext zweimal zu Khutub Agha verschrieben (bzw. verdruckt) worden ist. (102) Möglicherweise hat die Phantasie May hier einen Streich der Überdeutlichkeit gespielt, denn »Khutub Agha« ließe sich dann »beziehungsvoll mit "Herr der Bücher" übersetzen« (103) - dessen »Berühmtheit« zum Fall des »Ichs« führt!
Besonders beim Ort Mekka zeigt sich die Schwierigkeit, eine eindeutige Trennung der verschiedenen Interpretations-Ebenen vorzunehmen. Die Ebenen II und III sind ineinander verflochten, »leben« voneinander. Dies macht es bereits hier notwendig, einige vorausblickende Ausschnitte der philosophisch-religiösen Ebene einzuwerfen.
Mekka ist das Ziel der Reise Kara Ben Nemsis und seiner Begleiter. Ähnlich wie das Schloß Kafkas wird es jedoch nie erreicht. Immer wieder halten Zwischenfälle die Wanderer in der Wüste zurück. Obwohl fortwährend Versuche unternommen werden, vorwärts zu kommen, scheitert es letztlich doch. So ist man schon einige Stunden auf dem Weg, als Befürchtungen um das Schicksal Khutab Aghas die Haddedihn wieder umkehren lassen. Kara Ben Nemsi reitet auf dem von Khutab Agha geschenkten Hedschihn voraus - zurück in Richtung des »Bir Hilu«, dem Zentrum in diesem Werk - und gerät in Gefangenschaft. Gerade diese häufigen Gefangennahmen bilden immer wieder die Hinderungsgründe, die ein Vorwärtskommen vereiteln. Was ist das für eine Stadt, die zwar wie ein Magnet anzieht, doch letzten Endes nicht erreicht werden kann? Schon die Nennung des Namens übt eine seltsame Wirkung aus: »Als er (Hadschi Halef) mich fragte, welche Gegend ich jetzt besuchen wolle, und ich ihm nur das eine, aber bedeutungsvolle (!) Wort Mekka sagte, erschrak er zunächst, fühlte sich dann aber, grad so
wie ich, von der Gefahr doppelt angezogen« (13).
Kara Ben Nemsi erinnert sich an den ersten Mekka-Besuch (geschildert im ersten Band von »Giölgeda Padishanün«, »Durch Wüste und Harem«), als er als Christ erkannt wurde und fliehen mußte. »Seit jener Zeit war es einer meiner größten Wünsche, noch einmal nach Mekka zu gehen. Ich war erfahrener als damals, ... warum sollte ich nicht wenigstens den Versuch machen, diesen meinen Wanderstudien durch einen längeren Aufenthalt in Mekka einen befriedigenden Abschluß (!) zu geben? ... Die Gefahr lockte fast noch mehr als der Wunsch selbst ... « (12 f.).
Wollschläger sieht hier wiederum das Rückbesinnen auf die »Anfänge« als entscheidenden Faktor. (104)
So sagt auch Hanneh: »Dort (in Mekka) sind die lichten Tage meiner Kindheit verflossen (!); ich weiß nicht, ob du es glaubst, ich aber halte es für wahr, nämlich, daß das Herz des Menschen, je älter er wird, um so mehr nach den Orten verlangt, welche seine Jugend gesehen haben (!)« (14). Denken wir an das autobiographische Faktum, dann trifft dies nur allzu gut zu. Mekka wird zu einer Art Utopia, zu einem Ort der heilen Kindheit, die für May ja nicht existierte. Aber dieser Wunschort, diese Stadt voller Phantasiegebäude, konnte für ihn wohl nur eine vage Erscheinung, mit äußerst verschwommenen Umrissen bleiben. Der Wunsch, diesen Ort zu erreichen, war mit den verschiedensten Erinnerungen, die heftig um Konflikte aus der Kindheit und Jugendzeit kreisten, die aber nie abzuschütteln waren, verbunden. Diese Überlegungen demonstrieren wiederum, warum er sein »Mekka« nicht erreichen konnte, denn wie hätte es konkret aussehen sollen? Deshalb immer wieder Gefangennahme und Befreiung - eigenste Erinnerungen -, die zu unüberwindlichen Hindernissen werden und fortlaufend die Wege nach Mekka verschütten.
Die Bedeutung Mekkas weist darüberhinaus aber auch auf philosophisch-religiöse Gesichtspunkte hin.
E. A. Schmids Behauptung, daß May unter Mekka »jene Gedankenwelt (verstehe), die sich mit den Fragen über das Fortleben nach dem Tode beschäftigt, in gewisser
Hinsicht also das Jenseits selbst« (105), scheint mir zwar im wesentlichen richtig zu sein, doch werden von Schmid dafür keine näheren Begründungen angeführt. Interpretationen, die einen Anspruch auf Glaubwürdigkeit, auf Wahrheit erheben wollen, müssen jedoch immer durch explizierende Belege abzusichern sein, die aus der Arbeit am Text entspringen.
Schmid läßt außer acht, daß das Jenseitsmodell »Mekka« primär eher autobiographische Ursprünge hat. Die erstrebenswerte Stadt ist hier natürlich auch als Symbol für das Jenseits zu sehen, in dem May seine Konflikte erlösen konnte, denn dort hätte die Verbindung zur Mutter hergestellt werden können (s. Muttergedichte!).
Gehen wir davon aus, daß auch die Wüste ein Bild für das Jenseits darstellt - darauf wird später noch ausführlicher einzugehen sein -, so können wir den »Mekka«-Begriff präzisieren: Das »weite«, »ebene«, »öde« Land in der Vision des Münedschi wird von einem Abgrund begrenzt, über den die Brücke des Todes führt. Nur wer über diese Brücke gelangt, erreicht das Tor mit der Flammenaufschrift »Zur Seligkeit« (vgl. 232). Diese Vision läßt sich auf die Handlungsebene transponieren: der Weg durch die Wüste führt zu den Toren Mekkas, d.h. zur »Seligkeit«. Die Handlungen im Buch sind dann als großer Kampf um die »Brücke des Todes« zu betrachten. Wiederum wird deutlich, warum die Seligkeit - Mekka - nicht erreicht werden kann: die in »Am Jenseits« auftretenden Personen - und May selbst - haben sich noch nicht endgültig von Fehlern, von Schuld und Makel befreien können. Beachten wir jedoch, daß El Ghani und seine Gefährten aus Mekka kommen, ja, dort wohnen - von Gott abgekehrte Verbrecher gelangen, wie May auch zeigt, bekanntlich nicht zur Seligkeit -, dann läßt sich dieser Ansatz nicht durchinterpretieren. Vielmehr haben wir hier einen weiteren Beweis, daß in starkem Maße autobiographische Gesichtspunkte ausschlaggebend sind. Wichtig ist dabei die Tatsache, daß El Ghani (Mays Vater) und der Münedschi (May) zusammen in Mekka wohnen.
Als May »Am Jenseits« schrieb, war der Vater bereits seit zehn Jahren tot, d.h. alle Vater-Auseinandersetzun-
gen Mays bekamen somit zwangsläufig einen »jenseitigen Charakter«.
Sowohl die Erinnerungen, die Geschehnisse der Vergangenheit, als auch die Zukunftsgedanken konnten realiter nicht umgesetzt werden. Die Beziehung zum Vater - wie ja auch zur Mutter - ließ sich ebenfalls nur noch durch das Jenseits herstellen. Es ist dann eigentlich nur folgerichtig, daß El Ghani aus Mekka kommt, der Münedschi aber auch mit diesem Ort in Verbindung gebracht werden mußte. May schuf hier ein wahres Meisterstück der Problembewältigung. Mekka wurde zu einem utopischen Hohenstein-Ernstthal!
Mit dem Eintritt in das Spätwerk wurde die didaktische Intention ein wesentliches Moment im Schaffen Mays. Mays autistisches Denken wurde nun von einer verstärkten Realitätsbezogenheit durchbrochen. »Seine späten Werke sind primär ... ein Aufruf zu Liebe und Frieden, eine Aufforderung an die Menschheit, Menschlichkeit zu üben.«' (106) Zwar finden wir auch in den vor »Am Jenseits« entstandenen Reiseerzählungen die bekannten Belehrungen, »aber dort sind sie in die Abenteuerhandlung nur gelegentlich eingeflochten, fast nur um dem Leser Ruhepunkte in der sonst bunt bewegten Handlung zu bieten« (107). Implizit besteht das frühere Werk natürlich auch immer wieder aus Beweisen der Macht Gottes, der göttlichen Gerechtigkeit, die eng mit dem menschlichen Handeln in Verbindung steht (108); das Anliegen, den Menschen zu bessern - hierzu gehört insbesondere die Idee der Läuterung -, tritt erst später in den Vordergrund, wird dann zum bestimmenden Faktor der Mayschen Werke.
Eine Wandlung der Intention dokumentiert Karl May selbst. Nachdem Mamroth die ersten Presseangriffe einleitete (Juni 1899!), schrieb May unter dem Namen seines Freundes Richard Plöhn in der »Tremonia«: »Ich lege die Sonde an die großen Wunden der Gegenwart; das schmerzt. Ich zeige die Heilung auf dem Wege des Glaubens, der
Liebe und des Friedens.« (109)
An Fehsenfeld schrieb er: »Lesen Sie die Korrekturen von Band XXV? Ja? Dann werden Sie gemerkt haben, daß Karl May jetzt beginnt, mit seinen eigentlichen Absichten herauszurücken. Es handelt sich um eine wohlvorbereitete, großartige Bewegung auf religiös-ethisch-sozialem Gebiete ... Man beginnt nun endlich einzusehen, daß Karl May keine Indianergeschichten, sondern "Predigten an die Völker" schreibt ... « (110)
Die Ursache für dieses neue Anliegen lag - wie wir gezeigt haben - in erster Linie in Mays seelischer und intellektueller Entwicklung.
Es ist diffizil, hinsichtlich der zu behandelnden philosophisch-religiösen Ebene weitere Zeugnisse Mays aus der Entstehungszeit von »Am Jenseits« zu finden. Inwieweit können nun aber später klar formulierte Äußerungen hinzugezogen werden, lassen sie sich auf »Am Jenseits« anwenden? Erst die Untersuchung kann dies zeigen und somit über die Legitimität der Anwendung entscheiden.
Im Gegensatz zu Wollschläger, der bei seiner Interpretation zu »Am Jenseits« von autobiographischen Gesichtspunkten ausgeht, versucht E. A. Schmid, von der Seite der nun zu behandelnden Ebene, unter philosophisch-religiösen Aspekten, zu interpretieren. (111) Beiden kann man Einseitigkeit vorwerfen; die verschiedenen Interpretationsansätze stehen komplementär zueinander. Eine möglichst umfassende Interpretation kann niemals durch einschichtige Betrachtungsweisen erreicht werden. Gerade Mays Spätwerk demonstriert eine Vielschichtigkeit in seinem Aufbau, zeigt, daß jede Interpretations-Ebene wiederum aus mehreren Schichten besteht. Die Arbeiten Wollschlägers und Schmids können somit nur als Teil-Interpretationen bewertet werden; die Trennung von autobiographischer und philosophisch-religiöser Ebene ist von vornherein als »fragmentarische Analyse« anzusehen. Schon »Am Jenseits« beweist, daß man hier nicht etwa die »Entweder-oder-Frage« anlegen kann, sondern daß beide Interpretations-Ebenen Hand in Hand gehen, sich immer wieder verzweigen. Diese Wechselseitigkeiten bringen es natürlich mit sich, »doppelt« zu interpre-
tieren, was bei May nicht bedeutet, daß die erste Interpretation dadurch korrigiert und hinfällig wird; zum großen Teil entstehen dabei vielmehr bekräftigende Aussagen.
E. A. Schmid bezeichnet »Am Jenseits« als »Allegorie«: »Das eigenartige Buch ist wie ein einziges großes Gleichnis angelegt, ein Gleichnis, das man "Der Mensch und die Ewigkeit" überschreiben könnte.« (112) Um dies zu beweisen, geht Schmid von Mays Interpretation in »Mein Leben und Streben«, der Entschlüsselung der Figuren seiner Werke, aus: Das »Ich« ist die Menschheitsfrage, »welche von Gott selbst geschaffen wurde, als er durch das Paradies ging, um zu fragen: "Adam, d.i. Mensch, wo bist Du?" "Edelmensch, wo bist Du?"« (113) Hadschi Halef »bedeutet die menschliche Anima, die sich für die Seele oder gar für den Geist ausgibt, ohne selbst zu wissen, was man unter Seele oder Geist zu verstehen hat ... Und dieser Hadschi ist meine eigene Anima, jawohl, die Anima von Karl May! Indem ich alle Fehler des Hadschi beschreibe, schildere ich meine eigenen ... « (114) Hanneh, Halefs Weib, steht für die Seele.
Obwohl sich »Am Jenseits« vor dem Hintergrund dieser »Entschlüsselungen« durchinterpretieren läßt - wie Schmid auch zeigt -, darf nicht verkannt werden, daß der Gedanke der »Neu-Orientierung seines "Ich"« (115) wahrscheinlich frühestens 1903 fiel. Die »Menschheitsfrage« »ist das "Ich"«, schrieb May in einer aphoristischen Notiz. »Sie ist in Amerika Old Shatterhand, und sie ist im Orient Kara Ben Nemsi Effendi. Sie ist das umgekehrte Pseudonym von Karl May, denn die eigentliche Verfasserin der Reiseerzählungen ist sie, das Pseudonym aber ist er ... « (116) Zur Zeit der Entstehung von »Am Jenseits« dürfte May wohl eher ein nebulöses Bild der »Menschheitsfrage« vorgeschwebt sein, das er noch nicht zu konkretisieren vermochte. Er sah sicher auch noch nicht die Aufgabe des »Ich« darin, diese »Menschheitsfrage« zu symbolisieren. Der »Anima«-Begriff taucht zwar schon in »Am Jenseits« auf (s. 251), doch expliziert wird er das erste Mal in den Erläuterungen zu »Babel und Bibel« (1906). Die in »Am Jenseits« auftretenden Figuren lassen sich
aber dennoch als personifizierte Eigenschaften ansehen, an denen sich Mays philosophisch-religiöses Weltbild abzeichnet. Ebenso geht es auch hier explizit um die Menschheitsfrage, um die Bestimmung des Menschen. - In dieser Hinsicht gibt das Buch wiederum wichtige Hinweise auf das nachfolgende Schaffen Mays, auf den neuen Bedeutungsgehalt der Mayschen Helden, der Umorientierung des »Ich«. Für May war es nicht sehr schwierig, diese neue Bedeutung nachträglich auch auf die früheren Werke zu übertragen - interessant ist es, wie er versucht, den neuen Gehalt schon in den Band »Durch Wüste und Harem« hineinzuinterpretieren (117) -, aber erst die späteren Werke lassen die neue Intention, die Symbolik und Allegorie, deutlich erkennen.
Der Ort - wobei hier in erster Linie die Landschaft gemeint ist - spielt für die Handlung Mayscher Erzählungen eine entscheidende Rolle. Heinz Stolte hat recht, wenn er sagt: »Manchmal ist in ihnen (den Erzählungen) die Handlung nur um der Landschaft willen erfunden.« (118) Besonders im Spätwerk bekommt der Ort fast ausschließlich Bedeutung für das Geschehen selbst, wird dort zu einem mitbestimmenden Handlungsträger. Die Landschaft erhält einen symbolischen Charakter, zeigt äußerlich innere, seelische Vorgänge. Für May ist sie, da sie durch den Schöpfungsplan Gottes entstanden ist, ebenso auch Botschaft, Zeichen Gottes, die Verbindung zur Erde herstellend. Die durch die Sinne wahrgenommene Natur wird zum Sinnbild einer höheren Wirklichkeit - hier nähert sich May dem romantischen Naturbegriff. (119) Die Natur hat bei May im wesentlichen zwei Funktionen: »Sie dient der Offenbarung Gottes für den Menschen, und sie kann zum Instrument der göttlichen Gerechtigkeit auf Erden werden.« (120) Im »Mir von Dschinnistan« bemerkt Kara Ben Nemsi: »Ich glaube ... an die Vorbildlichkeit aller Naturerscheinungen. Sie bilden sich nicht etwa nur, um überhaupt da zu sein, sondern sie stehen im Zusammenhang auch mit denjenigen Ereignissen, die wir mit unsern Sinnen Jetzt noch nicht erfassen
können.« (121)
Es ist bekannt, daß die höhere Gewalt, Gott, in Mays Werken oftmals dann durch die Natur eingreift, wenn die menschliche Unzulänglichkeit offenbar wird: die Bösen werden bestraft, den Guten wird geholfen. »Sobald der Mensch nicht künstlichen Gesetzen folgt, sondern nur den natürlichen, die ihm Gott gebietet, steht ihm die ganze irdische Natur als Helferin zur Seite. Dann geschehen Zeichen und Wunder, deren Zusammenhang mit unserm Wünschen und Wollen nur Gott allein erklären könnte, wenn wir klug und gläubig genug wären, ihn zu begreifen.« (122)
Der Orient mit seinen weiten Wüsten, die schon Schauplatz der Bibel und der Märchen aus Tausendundeiner Nacht waren, bietet sich als Ort symbolisch-allegorischer Darstellungen geradezu an. May war sich dieser Tradition durchaus bewußt: »Ich bin Hakawati. Dieses orientalische Wort bedeutet "Märchenerzähler".« (123) Denken wir an Mays Äußerung, daß er in seinen Reiseerzählungen eigentlich nur Begebenheiten aus seiner realen Umgebung schildere, so wird verständlich, daß der Orient zum primären Schauplatz des Spätwerks werden mußte, denn im Vergleich zum Wilden Westen war er »der realen Umwelt viel näher, ... auch durch die historischen und den sich daraus ergebenden kulturellen und politischen Gemeinsamkeiten« (124).
Die Wüste war schon vor »Am Jenseits« ein beliebter Schauplatz Mays. Wollschläger sieht als Antrieb des erneuten Aufgreifens dieses Ortes die Erinnerung: »Erinnerung ist alles; rückwärts, nach innen, nach unten geht jeder Blick. Alle Gegenwart, ihr unrastendes Treiben und Getriebensein, ist Wiederkehr alter Erfahrung.« (125)
Die Feststellung, daß »Am Jenseits« »Menschheitsgeschehnisse vor dem gewaltigen Bildhintergrund der Arabischen Wüste (aufführt), in deren geistiger Dürre sich die menschlichen Strebungen und Landschaften begegnen« (126), deutet bereits auf eine Interpretation der Wüste hin, wie sie May später in seiner Selbstbiographie vorlegte:
Der Leser soll »vom niedrigen Anima-Menschen bis zur Erkenntnis des Edelmenschentums gelangen. Zugleich soll er erfahren, wie die Anima sich auf diesem Wege in Seele und Geist verwandelt. Darum beginnen diese Erzählungen mit dem ersten Band in der "Wüste". In der Wüste d. i. in dem Nichts, in der völligen Unwissenheit über Alles, was die Anima, die Seele und den Geist betrifft.« (127) »Ich will der Menschheitsfrage nachgehen. Wir befinden uns jedoch über uns selbst in Unwissenheit - das nenne ich die Wüste.« (128) Das Ziel des Weges durch diese Wüste ist der »Dschebel Marah Durimeh« - ein Pendant zum »Mount Winnetou« in Amerika.
Die späten Bemerkungen Mays dürfen jedoch nicht ohne Vorbehalte auf sein gesamtes Werk angewendet werden. E. A. Schmids »Am Jenseits«-Interpretation bewegt sich hier meiner Ansicht nach auf zu unkritischen Bahnen.
Betrachten wir die Beschreibungen der Wüste, die May in früheren Erzählungen gibt, so zeigt sich, was er mit diesem Ort assoziiert: Ode, Gefahr, Tod. »In (dem) engen Bezug zur Sonne versinnbildlicht sie (die Wüste) zugleich eine absolute und damit unheimliche Bewußtseinslage.« (129) Aufschluß bieten hier schon die Wüstenbeschreibungen in den »Geographischen Predigten«. Im Traktat »Berg und Tal« nennt May die Vernichtung der Karawane des Perserkönigs Kambyses im Jahre 1805: »... Hier saßen aufgerichtete Mumien auf den Skeletten gestürzter Kameele ... ; dort lagen Leichen, das Gesicht gegen Morgen, nach Mekka, gerichtet und die Arme über die Brust gekreuzt - ihr letzter Gedanke war, wie es dem frommen Moslem geziemt, Gott und sein Prophet gewesen.« (130) Schon hier die Verbindung Wüste-Mekka-Tod-Gott.
May schildert in den »Geographischen Predigten« aber noch weitere Schrecken der Wüste: »Der Himmel glüht wie Erz und die Erde brennt wie glühendes Eisen, und die nächste Oase ist noch weit, weit entfernt. In der Erinnerung des alten grauköpfigen Arabers steigen schreckliche Bilder herauf von den Qualen des langsamen Verschmachtens, dem gegenüber der schnelle Tod ein Engel der Erbarmung ist (!).« (131) Die Fata Morgana lockt! »"Schau nicht hin!" mahnt der erfahrene Führer. "Es ist nichts als Trug, den Dir der Satan vorspiegelt!" ...
Der Sohn der Wüste weiß, daß die Djinns (bösen Geister) diesen verderblichsten aller Zauber aus den Dünsten und Gluthen des Sandmeeres zusammengewoben haben, um den schmachtenden Wanderer ins Verderben zu führen.« (132) Diese menschlichen Grenzsituationen machen bereits hier deutlich, warum sich die Wüste als Schauplatz für die Behandlung der Todesproblematik geradezu anbot.
Welche Bedeutung die Wüste für die zu behandelnde philosophisch-religiöse Ebene hat, zeigt May besonders in seiner ausführlichen Wüstenbeschreibung zu Anfang des zweiten Kapitels »El Kanz el A'da« (95-104): »Die Wüste liegt weit und flehend ausgebreitet wie ein endloses Gebet zu Gott um Gnade und Barmherzigkeit. Sie ist ein tief ergreifendes Bild irdischer Armut und Hilflosigkeit ... Gleicht dieses Bild nicht ganz genau der Geschichte dieses scheinbar, aber eben auch nur scheinbar von Gott verlassenen Landes?« (96). Dieses Bild der Wüste spielt auch in der Vision des Münedschi eine wichtige Rolle, weist dort erst auf die eigentliche Bedeutung dieses Ortes hin: die Wüste als irdisches Abbild des Jenseits.
In einer direkten Anrede versucht May, dem Leser die Wirkung der Wüste, die Empfindungen, die hier ausgelöst werden, verständlich zu machen. Diese Beschreibung soll auch dazu dienen, eine allzu realistische Wüstenbetrachtung zu verlassen, um so zum eigentlichen Bedeutungsgehalt zu gelangen - in gewisser Weise ist dies die Vorbereitung für die »visionären Entschlüsselungen«: »Es ist, als ob die Seele freier geworden und in ihren Funktionen weniger gehemmt sei als vorher. Deine geistigen Sinne scheinen doppelte Schärfe und deine Gedanken Flügel bekommen zu haben. Du lebst mehr innerlich als äußerlich ... Es gibt keinen Anfang und kein Ende, keine Grenze hier, denn der Horizont ist zur Vermählung des Himmels mit der Erde geworden, die zwischen beiden keine Linie mehr kennt ... Und wie du Himmel und Erde nicht mehr zu trennen vermagst, so schaust du zu gleicher Zeit nach außen und nach innen. Die Endlosigkeit vor deinem körperlichen Auge ist gleich der unermeßbaren Weite, welche vor deinem geistigen liegt. Dein Leib wird fortgetragen, ohne daß du es fühlst, und deine
Seele fliegt ... Du hast keinen Leib mehr; du bist nur Seele, nichts als Seele« (99 f.). (133)
Das hier dargestellte Wüstenbild steht in engem Zusammenhang mit den Wüstenbewohnern - darauf wird noch näher einzugehen sein.
In den endlosen Weiten der Wüste bilden Brunnen die einzigen Ruhepunkte. Besonders der »Bir Hilu« (süßer Brunnen) ist Ort bedeutender Handlungen. Hier finden die wichtigen Auseinandersetzungen statt, kommt es zu Höhepunkten.
Obwohl es den Aufbruch vom Brunnen gibt, zieht er doch immer wieder zurück. Anstatt vorwärtszukommen, dreht man sich im Kreise, denn die Geschehnisse lassen die Verbindung zum Brunnen nicht abbrechen.
Durch sein Wasser, das in der Wüste lebensnotwendig ist, wird er zum Treffpunkt von in der Wüste umherstreifenden Menschen. Das ganze innere Leben der Wüstenbewohner sei überhaupt ein »nur von einigen Brunnen unterbrochenes Wandern durch die Öde«, schreibt May (98). Hier gibt er aber auch den Schlüssel für die Bedeutung des »Bir Hilu«. Brunnen sind Lebenspunkte, immer wieder Leben und Fruchtbarkeit schenkend (auch für die Handlung!), ohne sie würde die Öde, der Tod obsiegen. Wiederum weist May bereits in den »Geographischen Predigten« darauf hin, »wie sehr die todte, starre Erde des belebenden Wassers bedarf« (134). »Und der Segen des einzelnen Tropfens wächst mit dem hervorsprudelnden Quell, dem schwellenden Bache, dem rauschenden Strome und findet seine größte Bedeutung in den "Leben spendenden Wogen des Meeres". Darum waren schon in den ältesten Zeiten die Wellen der Schauplatz heiliger Handlungen, ja sogar Gegenstand der Anbetung, darum sprach Christus am Brunnen zu Sichar vom "Wasser des Lebens", und darum knüpfte er an das Wasser sein Sacrament von der Aufnahme in den Bund der christlichen Kirche.« (135) Auch in »Am Jenseits« verweist May beim Anblick des Brunnens auf das Alte Testament (vgl. 160).
Die Funktion der Brunnen, als Zeichen Gottes, wird im
»Mir von Dschinnistan« weiter expliziert. Bezeichnenderweise finden wir den Brunnen hier als Engelsfigur in der Wüste, der zum Retter, zum Erlöser werden kann. Dies ist im Grunde die logische Weiterführung des »Bir Hilu«: eine klare, unmißverständliche Darstellung der Bedeutung des Wassers in der Wüste. Dieses Wasser, als ein Naturelement, kommt von Gott und stellt die Verbindung der Menschen zu ihm her. Aus ihm können diese neue Kraft, Leben schöpfen - in der Wüste entscheidet es über Leben und Tod. Ist es demnach verwunderlich, daß den Mekkanern beim ersten zusammentreffen mit den Haddedihn das Wasser, die Verbindung zu Gott, fehlt? Erst durch dieses Treffen, mit Gottgläubigen, erhalten sie zu trinken, Was es bedeutet, von Gott abgekehrt zu sein - und es zu bleiben -, demonstriert der weitere Verlauf des Buches.
Die Personen, die May uns in »Am Jenseits« vorfahrt, weisen nicht nur die Funktion autobiographischer Konfliktbewältigungen auf. Daß sich an diesen Figuren auch Mays philosophisch-religiöses Weltbild entwickelt, kann in einem weit offensichtlicheren Rahmen abgelesen werden - Verschlüsselungen findet man jedoch auch hier.
In »Am Jenseits« haben wir es mit einem speziellen Menschentyp zu tun: dem Wüstenbewohner.
Rassen, Bewohner eines bestimmten geographischen Gebietes, sind bei May häufig Funktionsträger seiner didaktischen Intention. Zwar läßt er sich manchmal auch von Klischeevorstellungen und Vorurteilen verleiten - die Charakterisierungen der Armenier machen das deutlich (136) - doch dürften beispielsweise die positiven Schilderungen der roten Rasse sicherlich auch dazu beigetragen haben, daß das besonders im 19. Jahrhundert eingeprägte Bild vom »bösen Indianer« in der Bevölkerung revidiert wurde. Ebenso wies May immer wieder auf die Bedrohung einer Ausrottung von Völkerminderheiten hin. Er nannte hier vor allem den vernichtenden Einfluß der Weißen in Amerika und das gestörte Verhältnis des Abendlandes zum Mor-
genland. »Der als unaufhaltsam bezeichnete Untergang der roten Rasse begann, mich ununterbrochen zu beschäftigen. Und über die Undankbarkeit des Abendlandes gegenüber dem Morgenlande, dem es doch seine ganze materielle und geistige Kultur verdankt, machte ich mir allerlei schwere Gedanken. Das Wohl der Menschheit will, daß zwischen beiden Frieden sei, nicht länger Ausbeutung und Blutvergießen. Ich nahm mir vor, dies in meinen Büchern immerfort zu betonen und in meinen Lesern jene Liebe zur roten Rasse und für die Bewohner des Orientes zu erwecken, die wir als Mitmenschen ihnen schuldig sind.« (137)
Die eher einseitigen Pauschalbeschreibungen, die May in »Am Jenseits« von den Wüstenbewohnern gibt, müssen in erster Linie vor dem Hintergrund der philosophisch-religiösen Ebene gesehen werden. »Wie seine (des Wüstenbewohners) Leiden und Entbehrungen materielle sind, so sind auch die Ziele seiner Wünsche und Bestrebungen meist materieller Art; der Wüstensohn hat kein Gemüt; darum kann er sich weder ein irdisches Glück noch seine einstige Seligkeit rein herzlich denken. Der Boden seiner Seele gleicht der Felsen-, der Trümmer- und der Tiefsandwüste« (98). May projiziert hier eine Kongruenz von Ort und Person; die Wüste stellt personifizierend größere Zusammenhänge dar. Es ist interessant, daß sich der Seelen-Wüste-Vergleich im Werk realisiert, indem May die unterschiedlichen Wüstenformen auf der Handlungsleinwand auch erscheinen läßt und somit dem Leser Hinweise auf die allegorische Szenerie in die Hand gibt. »Aber wie die Wüste ist auch diese Seele (des Wüstenbewohners) nicht ohne Tau, und wie sich unter der Wüstendecke genug befruchtendes Wasser befindet, nach welchem man nur zu bohren braucht, um es klar und hell hervorsprudeln zu sehen, so sind auch ihr die geistigen Vorbedingungen der wirtschaftlichen, ethischen und religiösen Gesittung nicht versagt« (98). Die Bedeutung der Wüste impliziert somit auch die Funktion deren Bewohner. Dies sprengt natürlich den geographischen Rahmen. Wir haben es hier nicht mehr nur mit der Darstellung eines bestimmten Volkes zu tun, sondern es sind allgemeine
Menschheitsprobleme, die May zeigt. Der Wüstenbewohner ist allgemeiner Vertreter des auf Erden irrenden Menschen. Dies wird in der Vision des Münedschi deutlich zu sehen sein.
Der Auftritt des Münedschi leitet die Transzendenz explizit ein, löst das Werk vom Abenteuercharakter früherer Reiseerzählungen und stellt den neuen Bedeutungsgehalt, das philosophisch-religiöse Anliegen Mays, klar heraus. Dabei fällt immer wieder auf, welche Schwierigkeiten es für May gab, dem Leser die »Jenseits-Thematik« glaubwürdig vorzuführen, um sie überhaupt nachvollziehbar zu machen. So versucht das »Ich« häufig aus einer Logik, aus einem »gesunden Menschenverstand« heraus, das Gesehene und Erlebte - hier besonders die Vision des Münedschi - zu erklären. Bei diesen Erklärungsversuchen gibt es jedoch einige Probleme.
Der Scheintod des Münedschi zu Anfang konnte durch den realen Scheintod der Großmutter Mays begründet und gerechtfertigt werden. Dennoch stellen sich beim »Ich« zunächst Zweifel ein: »Sonderbar, höchst sonderbar! Hatten wir es etwa mit einem Irren, einem Wahnsinnigen zu tun? ... Er wurde el Münedschi genannt, der Wahrsager. Dieses türkische Wort bedeutet auch Sterndeuter. Wahrsager, Stern- und Zeichendeuter, diese Worte haben selbst für jemanden, der sonst nicht nach biblischen Verboten fragt, einen warnenden Beigeschmack. Ich mußte an den Hokuspokus der südafrikanischen Regenmacher, die indianischen Medizinmänner und ähnliche zweideutige Existenzen denken« (77).
Zur Person des Münedschi werden aber erklärende Ursachen angeführt, die aus der Eigenart der Wüstenbewohner abgeleitet sind: »Die reizlose, oft ärmliche Kost, die der gestaltenden Phantasie so günstige Wüste oder Savanne, ... das sind Faktoren, welche in Verbindung mit ererbter psychischer Disposition gewiß imstande sind, den Menschen für das empfänglich zu machen, was der bekannte Ausspruch als "zwischen Himmel und Erde" liegend
bezeichnet. Daher der reiche Märchenschatz des Orients und die Stimmung der Steppen- und Wüstenbewohner für das Übersinnliche. Man glaubt gar nicht, was für eine ausgiebige Gestaltungskraft dem Beduinen in diesem Sinne innewohnt! Je weniger Lebewesen die ungeheuren Strecken seiner Heimat bevölkern, desto schöpferischer wird seine Einbildungskraft. Er ersetzt ihnen überreich an imaginären Bewohnern, was ihnen an wirklichen fehlt, und weiß zuletzt selbst nicht mehr, wo die Tatsache aufhört und die Erfindung beginnt« (249). In diesen Erklärungen haben wir aber auch den Schlüssel für Mays eigenes dichterisches Schaffen; war es da nicht nur folgerichtig, daß er sich »Hakawati« nannte? Er, der wie der Beduine Phantasiegebilde hervorzauberte, die die Realität ersetzten; der durch die Imagination graue, triste Wirklichkeit in buntschillernde Oasen verwandelte, an denen sich die verschiedensten Wunschträume niederließen. »Am Jenseits« liefert eindringlich den Beweis des Schwebens »zwischen Himmel und Erde«.
May läßt den Münedschi den Verdacht effekthaschender Hellseherei selbst ausräumen: »Ich bin nicht Stern-, Traum- oder Zeichendeuter, sondern seit ich hilflos geworden bin durch die Blindheit meiner Augen, gehöre ich zu den Armen und Unmündigen, denen offenbar wird, was den Reichen und Klugen verborgen ist. Ich bin weder ein Geisterseher noch ein Prophet; ich bin weiter nichts als ein in der Wüste (!) verlorenes Schaf, welches seinen Hirten sucht« (131). Neben dem weiteren Hinweis zur Bedeutung der Wüste finden wir deutliche Bibelanklänge. Die Blindheit im geistigen Sinne, als Ausdruck der Ungläubigkeit, der Sünde, ist ein häufig auftauchendes Bild in religiösen Darstellungen: »Der Herr wird dich schlagen mit Wahnsinn, Blindheit und Verwirrung des Geistes« (Deuterenomium 28, 28); »Wer aber seinen Bruder haßt, bleibt in der Finsternis und geht im Finstern dahin und weiß nicht, wohin er geht, denn die Finsternis nahm seinen Augen das Licht« (1 Johannes 2, 11).
Später heißt es im »Mir von Dschinnistan«: »Das äußerliche (Leben) ist für das innerliche da, daß es sich offenbare. Man soll durch das Äußere auf das Innerliche
schließen. Wer seine Aufmerksamkeit nur auf das Äußerliche richtet, bleibt, mag er nach dieser Richtung hin noch so viel erreichen, in Beziehung auf das eigentliche, höhere, wirkliche Leben doch nur ein armer, beklagenswerter, blinder Mann. Wer sich aber gewöhnt, in Allem, was er empfindet, denkt und tut, vom Niedrigen auf das Höhere, vom körperlichen auf das Geistige und Seelische zu schließen, dem tun sich tausend, tausend Wunder auf, indem er sehen lernt, während der andere erblindet.« (138)
Das Erblinden des Münedschi ist zum einen als Folge seines bisherigen frevelhaften Lebenswandels zu sehen. Durch den Umgang mit El Ghani ist er in tiefste Strudel der Sündhaftigkeit und Verbrechen gefallen. Seinen Glauben an das Christentum hat er verloren, ist zum Islam geflüchtet und kann auch dort die Liebe nicht finden, die er sucht.
May versucht aber andererseits auch, die Blindheit vom physischen Standpunkt zu ergründen - also wiederum auch eine Suche nach einer glaubwürdigen Erklärung. Mit einer wahren Gier stürzt sich der Münedschi auf Tabak, was May/Kara Ben Nemsi veranlaßt, im übermäßigen Rauchen eine Ursache für das Erblinden zu sehen.
Das Rauchen wird als Laster, als körperlicher Trieb dargestellt und bedeutet somit auch ein Hindernis für den Weg zum Höheren, »vom Körperlichen zum Geistigen und Seelischen«. Es war Mays eigenes Laster. (139) Bezeichnenderweise entstand während der Orientreise eine Notiz Mays (v. 5.9.1899), in der es heißt: »Abends vor Tisch: Nicotin entsagt auf dem Balkan.« (140) Auch in »Mein Leben und Streben« finden wir einen Hinweis dazu: »Rauchen ist ein Genuß. Essen und Trinken ist unerläßlich. Aber jederzeit zu rauchen, zu essen, zu trinken, und Alles, was Einem geboten wird, zu rauchen und zu verzehren, würde nicht nur töricht, sondern sogar schädlich sein.« (141)
Wie der Münedschi sagt, verdanke er Ben Nur, dem »Sohn des Lichtes«, die Möglichkeit, in alle Zeiten und Orte zu blicken. Der äußerlich Blinde wird so durch die Führung Ben Nurs zum innerlichen Seher. Vorbild für die Figur des Münedschi ist da sicher auch der blinde Seher Teiresias aus der griechischen Sage und Tragödie.
Das Problem des Münedschi besteht darin, daß er das durch die Hilfe Ben Nurs Gesehene nicht auf sich selbst beziehen kann: »Ich sehe in alle Zeiten, die vergangene, gegenwärtige und zukünftige. Ich sehe Orte, welche der Erde angehören, und Orte, welche nicht auf ihr liegen. Nur alles, was mich selbst betrifft, was sich auf meine Person bezieht, das sehe ich nicht« (130).
Aber gerade darum ist er in der Realität mit Blindheit geschlagen, darum verkennt er immer wieder das Verhältnis zu El Ghani, und darum findet er auch nicht die Liebe, über die er zwar philosophieren kann, die er aber nicht auf sich selbst anzuwenden vermag. Bei der Vision Khutab Aghas ist es später anders. Dieser zieht aus dem Gesehenen ganz persönliche Konsequenzen, erkennt und bereut, gelangt so schließlich zur Umkehr.
Ben Nur ist der »göttliche Funke« (142), den der Münedschi trotz des negativen irdischen Einflusses immer noch besitzt. Dadurch wird ihm kontinuierlich die Alternative, die Gegenwelt gezeigt - Sascha Schneider hat den »Sohn des Lichtes« im großformatigen Gemälde »Der Chodem« (»Das Gewissen«, 1903) eindrucksvoll dargestellt. (143)
Sowohl Ben Nur als auch El Ghani nehmen sich der Hilflosigkeit und Richtungslosigkeit des Blinden an, werden zu seinen Führern - hier trifft das vom Münedschi erwähnte Bild vom »in der Wüste verlorene(n) Schaf, welches seinen Hirten sucht« (131) deutlich zu. Es sind jedoch extreme, genau gegensätzliche »Hirten«, zwischen denen der Blinde sich bewegt - immer an Grenzen.
Die Vision, beobachtet vom »Ich«, Hadschi Halef und Khutab Agha - wodurch auch der Leser miteinbezogen wird -, beginnt mit der an Kara Ben Nemsi gerichteten Aufforderung, den Münedschi zu begleiten. »Wie klang das? ... Es war seine Stimme und schien doch nicht die seinige zu sein!« (221). Die Wanderung des Blinden, mit einer geradezu schlafwandlerischen Sicherheit, »als ob es einen gebahnten, von Schranken eingefaßten Pfad gelte« (222), endet mit dem Ersteigen eines Felsens. Die Szenerie, oben auf einer Felsenerhöhung, die das sternenüberdeckte Himmelszelt nur um so näher erscheinen läßt, ist ausdrucksvolles Bild der mystischen Stimmung, der Unendlichkeitsahnung. Bereits der Beginn der Rede des Münedschi verweist auf eine religiöse Thematik: »Seid mir gegrüßt, ihr Pilger dieser Erde, gegrüßt in der Sprache dieser Welt!« (223). Was die drei Beobachter dann jedoch hören, läßt sie wiederum zweifeln: »... Das war nicht die Stimme des Münedschi, sondern eine ganz andere ... Hätte ich ihn nicht da vor mir stehen sehen, ich wäre überzeugt gewesen, daß wir von einer ganz andern Person angesprochen würden« (223).
Der menschlichen, nüchternen Ratio wird wiederum ein Streich gespielt, denn May läßt Ben Nur nun durch die Sprache in Erscheinung treten. Der Dualismus Münedschi / Ben Nur realisiert sich durch ihren Dialog.
Was sich oben, auf der Felsenhöhe, abspielt, sind Menschheitsdramen, ewige Fragen der Menschheit, eine Galerie über den Sinn des Lebens - : ein Mysterienspiel, das zweifellos den Höhepunkt des Werkes darstellt. (144) Hier trifft zu, was May später als sein großes Anliegen nannte: »Ich wollte Menschheitsfragen beantworten und Menschheitsrätsel lösen.« (145)
Um diese große Vision rankt sich das gesamte Geschehen. Die »Wüstenhandlung« wird nun zu ganz anderen Ebenen hinaufgetragen, eröffnet jetzt explizit das »eigentliche Werk«.
Ben Nur weist darauf hin, daß der Mensch nicht aus Leib, Seele und Geist bestehe, sondern er sei Eins. »Der geistige Mensch kann nicht zergliedert werden wie der Körper; er ist nicht mit verschiedenen Kräften und Vermögen tätig, wie der Körper es bald mit den Armen, den Beinen, bald mit den Augen oder den Ohren ist ... Wie es keine Grenze zwischen Gottes Allmacht, Allweisheit und Alliebe gibt, denn Gott ist Eins, so sind auch bei seinem Ebenbilde, dem Menschen, das Denken, das Fühlen, das Wollen nicht voneinander zu trennen, denn der geistige Mensch ist auch Eins« (224). Diese »Einheitsauffassung« des Menschen unterscheidet sich wesentlich vom Menschenbild des gesamten Spätwerks, denn dort betont May die Unterscheidung des Menschen in Körper, Anima, Seele und Geist. (146)
Wie es in der Vision des Münedschi heißt, bestehe die Aufgabe des Menschen darin, im Diesseits für das Jenseits zu wirken (vgl. 229). »Der Mensch ward ein Pilger auf Erden, um ein Bürger des Himmels zu werden. Er hat hier zu säen, um dort ernten zu können. Er hat hier die Augen zu öffnen, um dort sehend zu sein« (224). Das Jenseits bestätigt das Urteil, das der Mensch im Erdenleben selbst fällt. »So ist also deine Tätigkeit geteilt zwischen hier und dort, du hast nach irdischer Erkenntnis und nach himmlischer zu trachten; die irdische brauchst du nur für kurze Zeit, die himmlische aber für die Ewigkeit; diese letztere ist also unendlich wichtiger als die erstere ... Zur Erkenntnis des Irdischen führt euch die Wissenschaft; die Erkenntnis des Jenseits bietet euch nur der Glaube« (225 f.). Angeklagt wird jedoch, daß die Wissenschaft, der Materialismus, im Verhältnis zum Glauben in den meisten Fällen überbewertet wird.
In den Aufzeichnungen zur Wiener Friedensrede schrieb May: »Es führen 3 Wege hinauf: Wissenschaft. Kunst, Religion. Wissenschaft bringt Erkenntnis; Kunst bringt Offenbarung; Religion bringt Erlösung.« (147) Hier impliziert May, daß auch die Wissenschaft zu Gott führen
kann, d. h. es gibt wohl Wege echt menschlicher Erkenntnis, um Gott zu erreichen. »Am Jenseits« stellt die Wissenschaft jedoch in der Weise dar, daß sie die Erkenntnis himmlischer Wahrheiten vielmehr behindert, nur auf irdische Dinge ausgerichtet ist: »... Die Wissenschaft ist das Ergebnis nur menschlichen Strebens, der Glaube aber ist göttlichen Geschlechtes; sie belehrt euch über das Wesen und die Wechselwirkung der Stoffe; er aber läßt euch Gott schauen und führt euch zur Gemeinschaft mit ihm ... Die Menschheit ist wohlgeübt in irdischen Dingen, aber in himmlischen nicht ... Darum übt euch im Gehen auf (dem) himmlischen Wege ... « (229).
Mays Kritik an der Wissenschaft stand hier nicht isoliert. Die Jahrhundertwende war gekennzeichnet durch die Abwendung vom positivistischen Materialismus und deterministischen Denken. Man begab sich wieder auf die Suche nach Ur-Werten, nach ewiggültigen Wahrheiten, die eng mit den Begriffen »Seele« und »Jenseits« verbunden waren. Die Hinwendung zum Metaphysischen, zum »romantisch-utopischen Irrationalismus« (148), war zum einen die Antwort auf die übermächtig anwachsende Technisierung, Industrialisierung und Verwissenschaftlichung, die den Menschen entmenschlichte, ihn in eine Orientierungslosigkeit trieb, so daß er sich neue Werte suchen mußte; zum anderen war sie die Folge politischer Machtlosigkeit breiter Schichten der Bevölkerung, die sich im monarchisch regierten Deutschland lediglich als Untertanen wiederfanden. Diese politische Situation führte insbesondere bei den bürgerlichen Intellektuellen zu einer Abwendung von der Realität. Religiöse, symbolistische, aber auch spiritistisch-okkultistische Tendenzen, charakterisierten die geistige Wende.
In der Vision des Münedschi weist May deutlich darauf hin, daß erst der Glaube die persönliche Beziehung zu Gott ermöglicht. Von der Wissenschaft aus läßt sich Gott nicht mit Sicherheit erkennen und beweisen, denn Gott ist ja keine Sache, kein Ding, sondern ein Gegenüber, ein »Du«. So muß die Wissenschaft ihre Unzulänglichkeit vor dem Jenseits zwangsläufig erkennen, »denn hier han-
delt es sich nicht um die irdische, sondern um die himmlische Erkenntnis, zu welcher nur der Glaube führt« (226) Für den Menschen auf Erden gilt es, das Jenseitige, das Göttliche zu suchen und zu finden.
Gerade die Schwierigkeit, das Erlebte und Gesehene des Jenseits in begreifliche Worte zu fassen - zumal das Jenseits für den Erdenbewohner gar nicht vollständig zu erfassen ist -, muß ein ungläubiges Zweifeln in »Am Jenseits« verhindern. Der häufige Gebrauch der Begriffe »Glauben«/»Unglauben« ist sicherlich kein Zufall. Die zentrale Bedeutung dieser Begriffe (s. Vision) löst den Leser von einem passiven Rezeptionsstandpunkt und macht ihn zum aktiv Beteiligten. Womit er beim Lesen von »Am Jenseits« konfrontiert wird, ist genau die Problematik, die im Werk angesprochen wird: das Aufeinandertreffen von Glauben und Wissenschaft. Jenseitige Dinge sind demnach eigentlich nur mit dem Glauben zu erfassen, diese Glaubensfrage wird auch dem Leser gestellt. Mit Hilfe der Wissenschaft ist es äußerst diffizil, die »Todeserlebnisse« zu ergründen. »Der Glaube ist das geistliche Sehen dessen, was das körperliche Auge nicht sieht (sicherlich auch wieder ein Hinweis auf den körperlich blinden Münedschi)« (226).
Aber der Begriff des Glaubens ist noch zu differenzieren: »Das Wort Glaube bezeichnet bei euch eine Zuversicht ohne den tatsächlichen Beweis; aber bei denen, die nicht in irdischen Leibern wohnen, bedeutet der Glaube eine jeden Irrtum ausschließende Überzeugung, welche auf der innigsten Vereinigung des Glaubenden mit dem Gegenstande des Glaubens beruht und darum nicht das Ergebnis eines auch nur eine Erdensekunde langen oder gar Jahrhunderte in Anspruch nehmenden Forschens ist« (226 f.).
Nach der einleitenden visionären »Glaubens-Diskussion« stellt sich der »praktische Vollzug« dieser theoretischen Grundlagen dar.
Durch den Dialog Münedschi/Ben Nur wird das visionäre Geschehen für die Zuschauer verständlich gemacht. Ben Nur hat den Münedschi an das Jenseits geführt, an die
Mauer »El Widah«, »an deren andern Seite das Erdenleben endet« (232). Dort führt »Es Ssiret«, die Brücke des Todes, über »El Halahk«, »den Abgrund des Unterganges, des Verderbens« (232).
Auch der Koran erwähnt in der siebten Sure eine »Zwischenmauer« (Al-Araf), die das Paradies von der Hölle trennt. (149)
Ben Nur: »Du siehst dich hier also zwischen Zeit und Ewigkeit, nicht vor dem Tode, sondern mitten in demselben, und alles, was du hier erblickst, geschieht mit der Seele, während der Zeit des Sterbens« (233). Seelenscharen bewegen sich der Brücke entgegen, aber jede einzelne Seele muß über den von Engeln flankierten Steg: »Er ist beweglich und so schmal, daß man ihn nur einzeln betreten kann; aber keiner darf ihm ausweichen; alle müssen darüber!« (233). Dieser Steg ist »El Mizan«, die »Waage der Gerechtigkeit«. »Sie mißt jede Tat, jedes Wort und jeden einzelnen Gedanken« (233).
In der siebten Sure des Korans (Vers 9 und 10) heißt es: »An jenem Tage wird die Waage nur in Gerechtigkeit wiegen. Diejenigen, deren gute Handlungen die Waagschale beschweren, werden glückselig sein. Die aber, deren Waagschale zu leicht befunden wird, haben das Verderben ihrer Seele selbst verschuldet, weil sie gegen unsere Verse frevelhaft waren.«
Die »Waage der Gerechtigkeit« entspricht aber durchaus auch den Bibelbeschreibungen vom Gottesgericht (150); dieses Gottesgericht wird in »Am Jenseits« später explizit geschildert (vgl. 400 f.).
In der Jenseits-Schau des Münedschi erscheinen nun mannigfaltige Gruppen, die eigentlich aufgrund ihrer Fahnenaufschriften das »Tor der Seligkeit« hätten durchschreiten dürfen. Doch dieser äußere Schein trügt. Die Gruppe »Frömmigkeit, Gottesfurcht« besteht aus »Gewohnheitsbesucher(n) der Kirchen und Moscheen«, »Güte« aus den Selbstgefälligen, »Das Recht« aus Aufrührern und Empörern, »Liebe« aus »Abgötter(n) oder Götzendiener(n)«, »Wir sind es!« aus ungerechten Herrschern der Erde, »Klugheit« aus den irdisch klugen, »Reinheit« aus den nur äußerlich Reinen (234 ff.). Erst mit dem Auftritt der beiden - bereits erwähnten - Frauen, wandeln sich
die Seelen. »Die, welche sich Standarten vorantragen ließen, stellten Forderungen an Gott; sie verlangten hier den himmlischen Lohn für ihre eingebildeten irdischen Vorzüge und Tugenden. Die aber jetzt erscheinen, sind solcher Selbsttäuschung und Überhebung fern« (242). Es sind »liebe, stille, gottergebene Menschen, denen anzusehen ist, daß sie keine irdischen Ansprüche bei sich tragen« (245 f.). Das Jenseits leuchtet auf - »das ist die ewige Liebe, von welcher jedem Menschen ein Strahl mit auf die Erde gegeben wird. Pflegt er dieses himmlische Feuer, so bleibt es bei ihm, leuchtet ihm durch das Leben und strebt mit ihm in der Todesstunde nach dem Jenseits hinüber, nach seinem Urquell hin« (246).
»Das Leben ist um des Todes willen«
Novalis (151)
Wie May deutlich zeigt - er vertritt hier in erster Linie die christliche Glaubensvorstellung -, beginnt das eigentliche Leben des Menschen erst mit dem Tod, was wiederum den Tod als nichtexistent darstellt. »Es gibt ja überhaupt keinen wirklichen Tod, denn das, was ihr so nennt, das ist eben nichts anderes als scheinbarer Tod (s. Scheintod!). Es ist das Ablegen des irdischen Kleides, welches wir unter dem Namen "Körper" hier getragen haben, aber niemals wieder tragen werden. Dieser Körper bleibt zurück, um sich in seine Grundbestandteile wieder aufzulösen, die Seele aber, die in ihn gekleidet war, wird ewig frei von ihm, der sie beengte« (87). Bereits 1897 schrieb May in ein Wiesbadener Gästebuch: »Das Leben ist ein Kampf; / Der Tod ist der Sieg; / Ich lebe, um zu kämpfen, / Und ich sterbe, um zu siegen«. (152)
Das Erdenleben schafft die Voraussetzung, ist Vorbereitung für das Leben nach dem Tod. Daß May in »Am Jenseits« besonders Sterbeszenen, Grenzen zwischen Leben und Tod in den Mittelpunkt rückt, hängt eng mit der Intention zusammen, Menschheitsfragen zu lösen. »Die Menschen leben wie Schlafende, mit geschlossenen Augen; sie sehen nicht die Beweise eines ewigen Lebens, und wenn sie die
Stimmen Allahs und seiner Boten hören, so glauben sie, zu träumen, und folgen ihnen nicht. Aber dann, wenn der Tod sie aus diesem Schlafe rüttelt und sie die Augen öffnen müssen, dann sehen sie sich unvorbereitet jenseits der großen Grenze, über welche sie nicht zurückkönnen, um das Versäumte nachzuholen. Dann wird ihr Erwachen ein Beben und ihr Sehen ein Erschrecken sein« (75). Erst wenn der Mensch über die Grenzen schaut, erblickt er das Ganze des Lebens - wozu auch der Tod gehört -, erkennt den Sinn des Schicksals und somit Gott als Mittelpunkt der Welt. Insofern hat die Vision des Münedschi (später ebenfalls die Khutab Aghas) durchaus auch warnende Funktion, und May versucht, durch die Darstellungen dieser »Grenzsituationen« Hinweise auf Menschheitsrätsel und Menschheitsprobleme zu geben, ja, die Menschen - hier seine Leser - aufzurütteln. »Jeder Mensch ist (ein Rätsel). Wer das erkennt, hat schon mit der Lösung begannen. Die Antwort auf die Menschheitsfragen suchen, heißt leben. Wer da stirbt, ohne gesucht zu haben, der hat nicht gelebt, sondern nur vegetiert und wird Kompost, weiter nichts!« (153) Um die Menschheitsfragen zu beantworten, muß der Mensch aber vor allem mit Gott rechnen. Nur durch Sterbeszenen konnte May die ganze Bedeutung des Erdenlebens als Übergang zum ewigen Leben herausstellen, denn auch Menschen, die nicht an Gott glaubten, haben im Tode die Möglichkeit, Gott persönlich zu begegnen.
Wie die Vision des Münedschi zeigt, trennt sich beim Sterben die Seele vom Körper, nur sie kann ins Jenseits gelangen. Das »Ich« unterscheidet »den für die Erde existierenden Menschen« und den »für den Himmel bestimmten«, »Seele« genannt (331). Die Seele kann den Leib aber auch für eine gewisse Zeit verlassen. Dies verdeutlicht beispielsweise die Beschreibung des Scheintodes der Großmutter (s. 67), oder das Erlebnis eines Wüstenrittes (s. 100). Allein die Seele kann ins Jenseits blicken und nur sie kann die Verbindung zur Erde herstellen. Sie kommt von Gott und geht wieder zu ihm zurück. Die Loslösung der Seele vom Körper, die ja erst die Jenseitsbeschreibung ermöglicht, kann nur in »Grenzaugenblicken«, an der Schwelle zum Tod vollzogen wer-
Das einzig mit der Seele erblickte »Jenseitsschauspiel« wirft folgerichtig Probleme auf: es muß anderen Menschen verständlich gemacht werden, Seelenerlebnisse müssen in Worte gekleidet werden. Diese Schwierigkeiten zeigen sich besonders bei der Erzählung des Geschehens während des Scheintodes Khutab Aghas, denn irdische Zeit- und Ortsbegriffe lassen sich nicht ohne weiteres auf das Jenseits übertragen. »Während der Mensch auf Erden nur langsam zur Einsicht kommt, gelangte ich, da ich nun Seele war, nicht nach und nach, sondern sofort zur Erkenntnis, zu der Überzeugung, daß Gedanke und Tat, Wunsch und Wirklichkeit in jenem Leben nur eins, nicht zweierlei ist ... Was Ben Nur dem Münedschi zeigte, muß ein Gesicht, eine Übertragung gewesen sein, denn in Wirklichkeit (!) vollzieht sich alles viel, viel schneller, ja mit Gedankenschnelligkeit!« (369).
Von dieser »Wirklichkeit« konnte aber eben nur ein Mensch erzählen, der über die Schwelle der Beobachtung (s. Vision des Münedschi) selbst zum Akteur geworden ist, d. h. der sich selbst im Tod befand. Damit wird die Vision zum Erlebten, und was Khutab Agha erlebt hat, unterstreicht und bestätigt die Vision des Münedschi, fügt aber auch einige Nuancen hinzu, oder berichtigt einige Details, was eben nur das »Selbst-Erfahren« ermöglicht. Diese Art der Erzählung, die Darstellung der nur schwer vorstellbaren Jenseitsdramen, wirkt jedoch niemals als lächerliche Phantasterei, denn die Sprache, die Bilder - voller Engagement -, geradezu von einem Wahrheitsdrang besessen, der sich von oberflächlichen Betrachtungen löst und in tiefste Geheimnisse eindringt, erzwingt eine Glaubwürdigkeit und suggeriert eine Allgemeingültigkeit. Die große Vision des Münedschi ist ja nun nicht mehr als ein einmaliges Hirngespinst eines Sterndeuters zu sehen, sondern sie wird durch dieses »erfahrene« Erlebnis eines weit erdverbundeneren Menschens - Khutab Agha - als ein absolutes Jenseitsbild bekräftigt. »Wir haben hier abermals eine Kijahma, eine
Auferstehung von den Toten, erlebt. Sie mag uns nicht nur auf unsere einstige Auferstehung von dem leiblichen Tode hinweisen, sondern uns zu einer Auferstehung schon jetzt erwecken, zu einem Erwachen alles dessen, was noch tot und fruchtlos in uns liegt, zu einem Lebendigwerden besonders der Liebe, die uns gegeben ist, nicht, daß wir sie in uns vergraben, sondern daß wir sie von uns hinausstrahlen lassen auf jedermann, auf Freund und Feind, der mit uns in Berührung kommt« (379).
Die »Waage der Gerechtigkeit«, die in der Vision des Münedschi eher ein irreales Bild, eigentlich nur ein Hilfsmittel bedeutete - hervorgerufen durch die Schwierigkeit, das Gottesgericht bildlich darzustellen -, gewinnt durch die Beschreibung Khutab Aghas, die sich durchaus der Problematik einer Glaubwürdigkeit bewußt ist, an ergreifender Eindringlichkeit. »Es ist mir unmöglich, euch das nun Folgende in der gewünschten, richtigen Weise zu sagen (!): Es gab keine sichtbare Waage, denn auch diese Waage war ich selbst. Der Gewogene, die Waage und der Wägende, das war in mir vereint« (372). Dies ist das Selbstgericht. Der Mensch kommt beim Todesanblick zur umfassenden Selbsterkenntnis, jede Einzelheit des Lebens wird offenbar. »Was alles hatte ich da gesprochen!... Gegen die brausende Sündflut all dieser wieder erklingenden Worte gibt es keine andere Hilfe als den sie übertönenden Schrei nach Gnade, Gnade, Gnade! Und so wachten auch all meine Taten auf. Es war keine von ihnen verschwunden, denn auch sie waren Teile meines Lebens, also Teile meiner selbst. Ich bestand aus ihnen; sie bildeten mein seelisches Gerippe, meine Muskeln: jeder Tropfen meines Blutes war eine Tat oder eine Folgerung meiner Taten... Und da war ich denn so voller Aussatz und voller Schwären, daß ich, der ich doch berufen war ein Ebenbild Gottes zu sein, in fürchterlicher Angst mir sagen mußte, daß es besser für mich gewesen wäre, gar nicht gelebt zu haben« (372).
Es ist dies der Läuterungsprozeß, das Fegefeuer; der Mensch steht Gott gegenüber und muß seine Fehler, seine Schwächen und Unzulänglichkeiten erkennen. Wir finden in dieser Läuterungsszene bereits die ersten Hin-
weise auf die spätere »Geisterschmiede von Kulub« aus »Babel und Bibel« .
Einzig die Liebe rettet Khutab Agha, bringt ihn zur Umkehr. Der Scheintod wird für ihn somit zu einer »Auferstehung«, zum Beginn eines neuen Lebens.
»Die Liebe ist der Endzweck der Weltgeschichte - das Unum des Universums.«
Novalis (154)
Die Liebe hat - wie auf der Interpretations-Ebene II gezeigt worden ist - eine wesentliche Funktion in den Werken Mays. Dies hängt sowohl mit seiner Biographie als auch mit der didaktischen Intention seiner Werke zusammen.
In »Am Jenseits« wird die Liebe zur übergroßen, alles überragenden Macht. Sie allein kann den irrenden Menschen erretten, geradezu beschwörend wird immer wieder ihre Kraft dargestellt, denn nur die Liebe stellt die Verbindung zu Gott, dessen Wesensmerkmal sie ist, her. Es sind vor allem die beiden »gebrochenen Charaktere«, el Münedschi und Khutab Agha - die ja erstaunliche Parallelen aufweisen -, an denen die Liebesmacht demonstriert wird. Die Liebe muß hier in erster Linie als ein Instrument der Bekehrung, einer Lebenswandlung, gesehen werden.
Leitmotivisch taucht in »Am Jenseits« immer wieder die Frage auf: »Hast du die Liebe?« »Nur sie allein ist wichtig. Sie ist Öl der Lampe, ohne welche du den rechten Weg nicht finden kannst« (75).
Die Liebessuche stürzt den Münedschi in eine nur noch größere Liebesentfernung. So verkennt er das Verhältnis zum Ghani, wechselte auch vergeblich die Religionen. Wenn er sagt: »Ich habe sie (die Liebe) und finde sie doch nicht« (131), so haben wir hier die Charakterisierung seines gestörten Liebesverhältnisses. In theoretischen, philosophischen Gesprächen kann er den Liebesbegriff bestimmen, nur auf sich selbst beziehen, das vermag er nicht, »Die Liebe ist eine Gotteskraft, ist
die Gotteskraft; sie kann nicht wie mit dem Messer zerschnitten werden, so daß jeder einzelne Mensch einen für ihn bestimmten Teil bekommt, der nun keine andere als nur seine Liebe ist ... , die wahre Liebe läßt sich nicht begrenzen, nicht auf Personen beschränken; Liebe ist Leben, und Leben ist Liebe ... Die Liebe hört nie auf. Sie hat keinen Anfang und kein Ende ... « (131 ff.). Es sind beschwörende Worte, die - wie May auch erwähnt -, durch das 13. Kapitel des 1. Korintherbriefes, überschrieben »Das Größte ist die Liebe«, angeregt worden sind. Wie auch Gott nicht geteilt werden kann, so verhält es sich auch mit der Liebe - beides steht in engem Zusammenhang, ist eins, denn um Gott zu finden, muß immer auch die Bereitschaft zur Liebe vorhanden sein, und wer liebt, sieht mehr und erkennt klarer (was sicher wiederum im Zusammenhang mit der Blindheit des Münedschi steht).
In 1. Joh. 4,7 f. heißt es: »Geliebte, laßt uns einander lieben; denn die Liebe ist aus Gott, und jeder, der liebt, ist aus Gott geboren und erkennt Gott. Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt; denn Gott ist Liebe.« Diese echte, universelle Liebe grenzt sich vom gewöhnlich benutzten - heute auch verkitschten - Liebesbegriff ab. In der Vision des Münedschi sehen wir die Gruppe »Liebe«, die jedoch die falsche Liebe besaß, denn »die Liebe, welche nur auf eine einzige Person gerichtet ist, ist keine Liebe, sondern das häßliche, abstoßende Narrbild derselben« (238).
Betont wird aber auch, daß die Liebe nicht nur passiv vorhanden ist, um erstrebt zu werden, sondern sie kann selbst richtend eingreifen: »Kann sie nicht durch Güte wirken, so greift sie zur Rettung durch die Strenge. Sie ist nachsichtig und barmherzig, solange sie glauben darf, daß dies zum Ziel führt; zwingst du sie aber zum Gegenteile, so wird sie zur Mutter (!), welche ihr Kind straft, nicht obgleich, sondern weil sie es liebt!« (415f.)
Die christliche Auffassung der »Universal-Liebe« fand besonders in der Romantik ihren Niederschlag (155), und hier muß insbesondere die Forderung nach Universalismus, nach Allverbundenheit, beachtet werden. Ebenso rückt der Tod als eine zentrale Erfahrung in den Vordergrund;
für Novalis bedeutete er, nachdem Sophie von Kühn gestorben war, eine Erlösung zum höheren, zum wahren Leben, zur Verbindung mit Gott. Erst der Tod der Geliebten schuf die Kommunikation mit dem Jenseits. Novalis' »Hymnen an die Nacht« (1800) müssen hier genannt werden.
Bei Johann Wilhelm Ritter heißt es: »Sterben und lieben sind Synonyme. In beiden wird die Individualität aufgehoben, und der Tod ist die Pforte des Lebens.« (156) Es ist die Frage zu stellen, inwieweit May in seinem philosophisch-religiösen Weltbild von romantischer Weltanschauung - die sich Ja auch eng an die christliche Religion anlehnte - beeinflußt und geprägt worden ist. (157) Denn wenn Novalis sagt: »Ich habe zu Söfchen Religion - nicht Liebe. Absolute Liebe, vom Herzen unabhängige, auf Glauben gegründete, ist Religion« (158), so läßt dieser Liebesbegriff deutliche Parallelen zu dem Mays erkennen. Verstehen wir die Religion als die Hinordnung des Menschen auf Gott, dann ist die Liebe bei Novalis - wie auch bei May - Teil des göttlichen Weltplans.
Bei May bedeutet Liebesverlust immer auch Gottesverlust, Abkehr und Entfernung von Gott. Diese Liebesbedeutung zeigt sich explizit am Beispiel Khutab Aghas, denn einzig und allein die Liebe kann ihn für das Jenseits retten: »Das einzige Licht der Seele ist die Liebe; die einzige Nahrung der Seele ist die Liebe; die einzige Luft, welche sie zu atmen vermag, ist die Liebe« (373). Das Jenseits bestehe überhaupt nur aus Liebe, sagt Ben Nur (vgl. 373).
Der nur auf das Diesseits, auf das irdische Leben gerichtete Blick impliziert - wie es am Leben Khutab Aghas zu sehen ist - auch den Liebesverlust. »Mein Dasein aber hatte nur mir gegolten; ich war liebeleer gewesen und hatte also nicht gelebt« (373). Fortwährend finden wir Hinweise, die die Kongruenz der Begriffe »Liebe« - »Leben« betonen: »Ihr sprecht von Liebe und sprecht auch vom Leben, doch beides ist dasselbe; nur eure Worte sind verschieden. Und weil sie das Leben ist, wird jede Lebensform und jede neu entstehende Welt aus ihr geboren.
Hat diese Welt ihren Zweck erfüllt, die ihr anvertrauten Wesen zur Liebe zu erziehen, so übergibt sie sie der Seligkeit und löst sich auf, um für dieselbe Aufgabe dann wieder zu erstehen. Dies ist der Zweck auch eurer Erdenwelt. Das Dasein auf ihr soll zum Leben, soll zur Liebe werden« (374). Es ist die Alliebe Gottes, die angestrebt und erreicht werden soll.
»Alles was wir Zufall nennen, ist von Gott.«
Novalis (159)
»Halef, du weißt, daß es für mich keinen Zufall gibt. Wenn die allmächtige Weisheit Gottes Ursachen und Wirkungen miteinander verknüpft, deren Verbindung das schwache Auge des Menschen nicht zu erkennen vermag, so wird zur Erklärung das mir so unsympathische Wort Zufall hervorgesucht« (66).
May hat die Negation des Zufalls immer wieder betont. Vor dem Hintergrund des christlichen Gottesbegriffes kann es den Zufall auch gar nicht geben, da andernfalls die göttliche Weltordnung in Frage gestellt würde. »Wer gelernt hat, zu sehen, der kann in seinem Leben Beweis um Beweis finden, daß das, was andere Zufall nennen, ein von der belohnenden, warnenden oder wohl auch strafenden Liebe herübergeleitetes Ergebnis seelischer Zusammenwirkung ist« (334). Auch hier wird wiederum die Bedeutung der Liebe herausgestellt, die, da sie von Gott kommt, den Zufall nicht kennt. Die Kausalität, die die Weltordnung bestimmt, stellt May in einer wahren Manie kontinuierlich dar, unausgesetzt muß sie sich bestätigen. Bei diesen häufigen »Beweisen« ist wieder der Zwang herauszusehen, der zu den Wiederholungen treibt. Ist es nicht schon ein flehentliches Bitten, wenn May schreibt: »Wollte doch jedermann die Augen stets immer zu der Beobachtung offenhalten, daß das Gute die Belohnung und das Böse die Bestrafung ohne alles Zutun des Menschen schon in sich trägt« (330)? Es ist im Grunde das Leitthema des gesamten literarischen Schaffens
Mays. Er selbst kannte die Allmacht Gottes, die gerechte Bestrafung und Belohnung - : »Für mich gibt es nur Fügung.« (160) Diese Erkenntnis hatte sich in ihm festgewurzelt - allgegenwärtig! »Es gibt eben eine Gerechtigkeit, welche hoch über der menschlichen steht und mit ebenso unerschüttlicher wie unnachsichtlicher Strenge darüber wacht, daß sich nach dem großen, ethischen Weltgesetze des Allgerechten die Strafe aus der Sünde zu entwickeln hat. Nicht ein einziges menschliches Gesetz ist fähig, eine solche Kongruenz zwischen Schuld und Sühne, eine solche innere "Einerleiheit" von Tat und Folge zu erreichen!« (362).
All das, was May als Theorie erscheinen läßt, als Philosophie über Leben und Tod, realisiert sich, wird zur Praxis. Auch die nur verschwommenen, vagen Andeutungen bestätigen sich in der »Realität« der Handlungsebene. Es ist ein Plädoyer für die Kausalität und gegen den Zufall. Die höhere Ordnung läßt den Menschen nur als Figur, als Puppe erscheinen, deren Fäden in Gottes Hand liegen. Vor diesem Hintergrund müssen wir uns die Handlung, das Geschehen auf der Bühne, näher ansehen.
Mays Werk lebt aus der scharfen Konfrontation von Gut und Böse, von Gott und Teufel. Diese beiden, freilich grob eingeteilten Pole, die später durch die Bezeichnungen »Ardistan« und »Dschinnistan« größte Bedeutung gewannen, begrenzen das menschliche Leben schlechthin: - die »Puppenbühne« Mays.
Nach seinen Angaben, sei May besonders durch den Besuch einer Puppenspielaufführung, die das Faust-Thema darbot, beeinflußt worden: »Stücke für das Theater schreiben! Ueber das Thema Gott, Mensch und Teufel!« (161) »Die Welt als Bühne kennen lernen, und die Menschheit, die sich auf ihr bewegt!« (162)
Das dualistische Weltbild taucht schon in den frühesten Arbeiten Mays, die uns erhalten sind, auf. Im Fragment »Ange et Diable« heißt es: »Der Höllengedanke ist eine
nothwendige Folge der Lehre vom Himmel; denn wie es ohne Schwarz kein Weiß geben kann, so kann es auch ohne Hölle keinen Himmel, ohne Teufel keinen Gott geben. Nur durch Vergleichung der Gegensätze entsteht Gedanke, Anschauung und Erkenntnis ... « (163)
Die Fragmente, die offensichtlich während der Haftzeit entstanden sind, weisen auf die autobiographischen Bezüge hin. Sie zeigen das Suchen eines Gefallenen, den Versuch, aus dem eigenen Schicksal, dafür verantwortliche, übergeordnete Kräfte zu erkennen, d. h. für den speziellen, persönlichen Straffall die allgemeingültige Ursache einer Weltordnung verantwortlich machen zu können. Die Fragmente beweisen darüberhinaus aber auch, daß hier der klare, feste Gottesbegriff der späteren Werke noch nicht existiert; vielmehr sehen wir noch einen zweifelnden, Gott in Frage stellenden Menschen, der über sein Schicksal reflektiert. Insofern lassen sich hier wiederum wichtige Parallelen zu den von Gott abgekehrten, gebrochenen Charakteren aus Mays Erzählungen erkennen. Dies verstärkt dann auch die These, daß das gesamte schriftstellerische Werk, indem es um die Polarität Gut - Böse kreist, immer auch Mays eigene - mehr oder weniger unbewältigte - Vergangenheit behandelt. Immer ist es seine ureigenste Geschichte, die aufbricht: ein unaufhörlicher Läuterungsprozeß, in dem die inneren Konflikte durch das Schreiben nach außen getrieben werden.
Wenn May in seiner Selbstbiographie schreibt: »Ich kann mich nicht besinnen, daß ich je mit dem Zweifel oder gar mit dem Unglauben zu ringen gehabt hätte. Die Ueberzeugung, daß es einen Gott gebe, der auch über mich wachen und mich nie verlassen werde, ist, sozusagen, zu jeder Zeit eine feste, unveräußerliche Ingredienz meiner Persönlichkeit gewesen« (164), so ist das ein Beweis, wie entfernt er im Alter von dem irrenden und suchenden Menschen aus der Zeit der Straftaten war. Nun besaß er den felsenfesten Gottesglauben, der eigentlich den Zweifel, ein Infragestellen Gottes, nie zulassen würde - es gar nicht durfte. Diese feste Gottesüberzeugung, die im Grunde seine Rettung bedeutete, konnte von May nicht oft genug betont und - durch sein Werk - bestätigt wer-
den. Dennoch klingt die Gefahr »dunkler Mächte« immer wieder an. In »Am Jenseits« sagt das »Ich« : »... Die in Menschengestalt sichtbaren Feinde sind nicht die stärksten und die schlimmsten Gegner dieser meiner seligmachenden Glaubenszuversicht: die heißesten Kämpfe werden vielmehr im verborgenen Innern ausgerungen, wo der Einfluß dunkler Mächte größer ist als im sichtbaren Leben, welches nur die Wirkungen dieses Einflusses zeigen kann« (69).
In »Mein Leben und Streben« schildert May deutlich seinen eigenen Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen dem »dunklen Wesen« und der »lichten Gestalt« . (165) Anschaulich wird dieser Kampf durch die »inneren Stimmen«, durch die Spaltung der Persönlichkeit charakterisiert: »Es kämpften da zwei einander feindliche Heerlager gegeneinander: Großmutters helle, lichte Bibel- und Märchengestalten gegen die schmutzigen Dämme jener unglückseligen Hohensteiner Leihbibliothek. Ardistan gegen Dschinnistan ... , die Lüge gegen die Wahrheit, das Laster gegen die Tugend, die eingeborene menschliche Bestie gegen die Wiedergeburt, nach der jeder Sterbliche zu streben hat (!), um zum Edelmenschen zu werden.« (166)
Hier sind die wesentlichen Ursachen für das Maysche »Menschheitsschauspiel«, der Kampf zwischen Gut und Böse, der in den verschiedensten Schattierungen in den Erzählungen auftritt, zu sehen. Wir haben hier aber auch den Schlüssel für die Notwendigkeit der Überschneidung von autobiographischer und philosophisch-religiöser Ebene vor uns. May sieht in seinem Schicksal nicht den Einzelfall, sondern eine Fügung, vorherbestimmt durch übergeordnete Kräfte, die überall auftreten, ja, das menschliche Leben schlechthin ausmachen. »... Nicht Einzelwesen, sondern Drama ist der Mensch« (167), äußerte May wiederholt; das »Karl-May-Problem« sei, »wie das Problem jedes andern Sterblichen, ein Menschheitsproblem im Einzelnen« (168).
Das ewige Ringen der Mayschen Figuren mit dem Teufel, um zu Gott zu gelangen, wird in »Am Jenseits« nicht primär durch die äußere Handlung impliziert - wie in früheren Reiseerzählungen -, sondern wir finden hier vielmehr die philosophisch-religiösen Grundlagen, die
inneren Dramen, welche vorrangig zu sehen sind, die das äußere Geschehen komplettieren, es eigentlich erst ermöglichen.
Es ist auffällig, daß die Klassifizierung der in »Am Jenseits« auftretenden Figuren als eindeutig Gute (beim Bösen verhält es sich etwas anders) doch ein wenig diffizil erscheint. Das Gros der Personen befindet sich zwischen beiden Polen, wandert von einem Extrem zum anderen, ohne (zunächst) eine endgültige Position einnehmen zu können. War beispielsweise der Ich-Held in den früheren Reiseerzählungen der Inbegriff des Guten, so bekommt er in »Am Jenseits« doch reichlich angekratzte, weit menschlichere Züge (was sich insbesondere auf die menschlichen Schwächen bezieht). Wir haben darauf hingewiesen, daß die Wandlung vom heldenhaften zu einem menschlicheren Charakter ein wesentliches Merkmal des Spätwerks ist.
Die Gewichtsverlagerung, die Betonung des Menschlichen, macht aber auch deutlich, warum das eindeutig Gute schwer zu finden ist. Es hat sich in jenseitige Gefilde verlagert, vertritt ein anzustrebendes Ideal, das die Menschen - bedingt durch ihren »Diesseits-Blick«, ihre Fehler und Schwächen - nur schwer erreichen können.
Ist das Gute primär ein jenseitiges Modell, das für das Diesseits gelten und erreicht werden muß - man beachte hierbei die Wirkung, die der Blick ins Jenseits für das irdische Leben hat (s. bes. Khutab Agha und Hadschi Halef Omar) -, so ist das Böse, das Teuflische, weit erdgebundener, eine irdische Eigenschaft. Personifiziert ist es in El Ghani (und seinen Begleitern) sowie in Tawil, dem Scheik der Beni Khalid. In beiden Personen ist das Böse jedoch auch wiederum differenziert. E. A. Schmid benennt den Ghani eindeutig als »Vertreter des unbelehrbaren Hochmuts«, dessen Sohn als »Vertreter des starren Eigennutzes« (169). Obwohl mir dies nicht falsch erscheint,
drücken die Bezeichnungen jedoch eine Bestimmtheit aus, die in dieser Eindeutigkeit aber nur einen Teilaspekt erkennen lassen. Sicher ist der Ghani hochmütig, darüberhinaus ist er aber noch Dieb und Mörder; ein Mann, der nur auf das Diesseits ausgerichtet ist, der sich sein Paradies auf Erden schaffen will. Schon sein Name - »der Reiche« - gibt hier deutliche Hinweise. Voller List und Tücke sieht er sein Leben nur als Vermehrung seines materiellen Reichtums. Bereits die äußere Charakteristik - eine typische Technik Mays - stellt ihn als »listig, rücksichtslos, gewalttätig«, den Sohn als »unstet, ruhelos, unzuverlässig« (37) dar und zeigt dem Leser schon beim ersten Erscheinen, mit wem er es hier zu tun hat. Dieses Verfahren hat man May häufig als Stereotypie, als naive Schwarz-Weiß-Malerei vorgeworfen. Sicher nicht unbegründet. Zu bedenken ist jedoch, daß auch Märchen, Sagen und Volkserzählungen mit dieser »Technik« arbeiten, wodurch die Dinge und Figuren vereinfacht werden, um somit schärfere Konturen, deutlichere Extreme und Kontraste zu schaffen, die den »Grundkonflikt« (Gut - Böse) klarer herausstellen. Wie wir wissen, verstand sich May de facto als Märchenerzähler, als Schriftsteller für das Volk, der unmittelbar die Seele ansprechen wollte. (170) Für ihn war es selbstverständlich und folgerichtig, daß eine völlig vom Bösen durchdrungene Gestalt nicht nur eine innerliche Fratze besitzen konnte; das Teuflische mußte sich für ihn hier auch äußerlich bemerkbar machen, denn wie sich eine innere Harmonie äußerlich ausdrücken kann, so vermag dies auch das innere Chaos - und El Ghani ist das Böse in persona. Im ganzen Buch finden wir kein Anzeichen einer Veränderung dieses Menschen - im Gegenteil, das Böse in ihm steigert sich noch.
Im Vergleich zum Ghani besitzt Tawil dessen ausgeprägte List und Hinterhältigkeit nicht. Er ist zwar »roh, grausam, rachsüchtig, aber ohne Falsch; er ist stolz darauf, nie eine Lüge zu sagen« (139). Zu Recht bezeichnet ihn Schmid als »Vertreter des Gewaltmenschentums« (171). Auch Tawil verkörpert das böse Prinzip, hier besonders im Zeichen der Gewalt, doch verheimlicht er dies nicht,
sondern brüstet sich vielmehr damit. Wenn er prahlerisch sagt: »Ich bin Tawil Ben Schahid, der berühmte Scheik der Beni Khalid, deren Zahl ohne Ende ist. Meine Macht reicht über die ganze Wüste und alle ihre Grenzen, und kein Feind kann sagen, daß er den Sieg über mich gewonnen habe« (140), so bedeutet das einen Gewalt- und Machtanspruch, der eigentlich der gesamten Erde gilt und negiert in dieser Beziehung die Macht Gottes.
Das Verhältnis sowohl Tawils als auch El Ghanis zu Kara Ben Nemsi und seinen Begleitern besteht aus verwirren den Auseinandersetzungen; zwischen beiden Parteien gibt es geradezu ein »Gefangenenspiel«. Es beginnt mit der Gefangennahme Khutab Aghas durch Tawil und El Ghani. Khutab Agha ist - da er noch zwischen den Polen Gut und Böse steht - als ein in die Banden des Bösen geratener Mensch zu interpretieren. Der Perser ist hier ja durchaus noch der irrende »Durchschnittsmensch«, dem die »nötige Seelenstärke« (172) fehlt.
Dann wird aber wiederum Tawil von Kara Ben Nemsi festgenommen. Khutab Agha gerät, nachdem er befreit worden ist, später abermals in Gefangenschaft, ebenso Kara Ben Nemsi. Da die Bösen letzten Endes nicht siegen dürfen, werden auch sie wieder gefangengenommen. Obwohl Tawil und die Mekkaner ein grausames Blutbad anrichteten - die Soldatenbegleitung Khutab Aghas wurde getötet, der Perser selbst überlebte die Kugel El Ghanis wie durch ein Wunder -, werden sie begnadigt, später aber dennoch von den Beni Lam ergriffen. Das Blutbad, das nicht unbedingt typisch für die Werke Mays ist, demonstriert die gefährliche Macht, die das Böse in »Am Jenseits« ausübt. Besonders am Beispiel Khutab Aghas sehen wir die Schwierigkeit einer endgültigen Loslösung aus den Klauen dieser wahren Teufel; auch der Münedschi kann sich ja nicht vollständig von seinem »Wohltäter« El Ghani befreien. Es ist wirklich ein Kampf, den May selbst zu fechten scheint. Ein vollständiges und befriedigendes Ende kann das Buch in dieser Hinsicht gar nicht liefern.
Der Raub bestimmter, wertvoller Gegenstände ist ein bekanntes Motiv in den Erzählungen Mays, das oftmals die Handlungen einleitet, sie dann aber in immer neue Abenteuerstränge verzweigt. So scheint es auf den ersten Blick auch in »Am Jenseits« zu sein. Der »Schatz der Glieder«, um den die Handlung kontinuierlich kreist, ist »Antriebsmotor«, der Bewegung in das doch sonst ziemlich rare, schleppende Abenteuergeschehen bringt. Es entsteht unwillkürlich der Eindruck, als ob sich May an diesen Schatz geradezu klammert, da nur noch dieser wertvolle Gegenstand das Abenteuer garantieren kann. Die Aufteilung in andere Abenteuerkanäle gelingt äußerst mühsam. So ist es auch nicht verwunderlich, daß der Schatz durch die verschiedensten Hände geht und immer wieder Anstoß und Verursacher aufeinanderprallender Konflikte zwischen den Guten und Bösen ist.
Schon die Beschreibung des »Kanz el A'da«, seine Verpackung, erscheint mir recht interessant. Das Paket, in einem Teppich eingerollt, »enthielt über zwanzig Beutel, aus Leder gefertigt und von verschiedener Größe, welche mit goldenen Quasten verziert und mit farbigen, seidenen Schnüren zugebunden waren. An jedem hing ein künstlerisch geschnittenes Elfenbeinplättchen, welches eine Buchstabennummer und die persische Bezeichnung des Inhaltes trug« (158). Der Leser wird bei diesem Märchenschatz, der einer Erzählung aus Tausendundeiner Nacht entsprungen sein könnte, in einer May-typischen Weise in Spannung versetzt; die Beschreibung weist auch unmißverständlich auf die große Bedeutung, den Wert und Reichtum des Schatzes hin. Einige persische Beutelaufschriften lauten in deutscher Übersetzung: »drei Finger«, »fünf Augen«, »zwei Nasen«, »vier Herzen«, »neun Füße«, »drei Zungen«, »zwei Gaumen« (vgl. 158). So verwunderlich diese Bezeichnungen zunächst erscheinen - natürlich dient das auch wieder dem Spannungseffekt -, schon kurz darauf gibt May die Auflösung dieses, so gar nicht der Realität anzugehören scheinenden Rätsels: Ein Brauch der Schiiten sieht bei schweren Krankheitsfällen vor, daß eine Nachbildung des erkrankten Körperteils, zusammen
mit einem Geldgeschenk, zu einem der geheiligten Orte, Meschhed Ali oder Kerbelah, gebracht werde.
Khutab Agha, dessen Auftritt erst den Schatz in »Am Jenseits« einführt, ist »Basch Nazyr« in Meschhed Ali, der Oberaufseher der dortigen Schatzkammer, und »Kanz el A'da« wird »diejenige Abteilung der tief unter der Erde liegenden Räume (genannt), in welcher die aus edlen Metallen und Steinen bestehenden Nachbildungen menschlicher Körperteile aufbewahrt werden« (159).
Als dieser Schatz gestohlen wird, nimmt Khutab Agha die Verfolgung auf, die als eigentlicher Abenteuerbeginn zu sehen ist. Genau dieser Schatz ist es dann auch, der den Beweis für das Böse der Mekkaner liefert, der sie, da El Ghani und seine Begleiter ihn gestohlen haben, endgültig als Verbrecher entlarvt. Sowohl die abenteuerliche Entdeckung des versteckten Schatzes durch Kara Ben Nemsi als auch die anschließenden, nicht enden wollenden Streitereien darum (s. z. B. den dreifachen Zweikampf), die letztlich dazu führen, daß die Bösen - El Ghani und Tawil - sich gegenseitig bekämpfen, zeigen in aller Deutlichkeit, wie die Handlung, das Abenteuer, von diesem Gegenstand lebt.
Die Bedeutung des »Kanz el A'da« beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Handlungsebene. Die Bezüge zur autobiographischen Ebene, auf die vor allem Wollschläger hinwies (s. II.2), müssen hier ebenso zu nennen sein. Schmid dagegen interpretiert den Schatz als »die Wohlfahrt des Leibes und seine irdische Glückseligkeit« (173) Schon die Aufschriften der Beutel deuten darauf hin. Auch wenn May, bzw. Kara Ben Nemsi, versucht, eine verständliche Erklärung für diese höchst verwunderlichen Bezeichnungen zu geben, so täuscht dies nicht darüber hinweg, daß das nur ein oft auftauchendes Charakteristikum des Buches ist. Jeder Erscheinung, die schwer vorstellbar, merkwürdig, unglaubhaft und fragwürdig gesehen werden kann, wird immer wieder mit einer kalten Ratio des »Ichs« beizukommen versucht. Auf diese Problematik wird später noch einzugehen sein.
Für die Interpretation des »Kanz el A'da« sind Mays Bemerkungen über den Materialismus von großer Bedeutung.
Mays Vorwurf gegen die Wissenschaft impliziert eine scharfe Materialismus-Kritik. May weist darauf hin, daß für den Materialisten nur der äußere Mensch bestehe (vgl. 333), wodurch der innere Mensch, die Seele, welche die Verbindung zu Gott herzustellen vermag, vernachlässigt wird. Die Jagd nach dem diesseitigen Glück und Reichtum läßt den Materialisten den Gedanken an ewige Schätze, an das jenseitige Leben, vergessen. Es war ein allgemeines Zeitgefühl, das May hier akzentuierte. So lautete denn auch die zentrale Forderung um 1900: »Idealismus statt Materialismus« (174). Die Kunst, die Literatur, hatte dazu die geistigen Grundlagen zu schaffen - weg vom Naturalismus, von der »Gefangenschaft im Äußeren« und der »Knechtschaft unter die Wirklichkeit«, wie es Hermann Bahr ausdrückte (175), hin zur »wahren Wirklichkeit«, zu einer von kosmischen Ideen getragenen Existenzdeutung. Kunst wurde somit zu einem Mittel der Religion, zu einem Werkzeug der Ethik.
In Matthäus 6,19 ff. (176) heißt es: »Sammelt euch nicht Schätze auf Erden, wo Motte und Rost sie verzehren und wo Diebe einbrechen und stehlen; sondern sammelt euch Schätze im Himmel, wo weder Motte noch Rost sie verzehren und wo Diebe nicht einbrechen und stehlen. Denn wo dein Schatz ist, da wird auch dein Herz sein.« Diese Forderung ist auch das Anliegen Mays in »Am Jenseits«. Die Überbewertung irdischer, körperlicher Bedürfnisse läßt sich im Werk mannigfaltig finden. Gerade die »gebrochenen Charaktere« zeigen die Folgen dieser Oberbewertung. Wie Schmid richtig sagt, mißt beispielsweise Khutab Agha »dem "Schatz der Glieder" eine allzu große und falsch verstandene Bedeutung bei« (177). Dies demonstriert seine verzweifelte Verfolgung der Diebe, wodurch er aber immer wieder in - irdische - Gefahren verwickelt wird.
Wie die Bezeichnung bereits impliziert - die genaue Betrachtung bestätigt es -, stellt der »Kanz el A'da« die Verbindung von Glieder (= Körper; in aller Deutlichkeit besteht der Schatz ja aus nachgebildeten Körperteilen) und Schatz (= Reichtum) her. Beide Begriffe
- die Kongruenz unterstreicht dies - bedingen sich, stehen für den Materialismus. Das Geschehen, das sich um den Schatz rankt, deckt immer auch die menschlichen Schwächen auf: die Überbetonung des Diesseits, welche von Gott ablenkt. »Wohl ist der Körper ein wertvoller Besitz, doch der Mensch darf sich nicht von ihm beherrschen lassen.« (178) Diese Schloßfolgerung Schmids läßt sich aber nicht nur vom »Schatz der Glieder« ableiten, auch das Beispiel des Münedschi unterstreicht dies. Man denke daran, welche Bedeutung er dem Rauchen, der Befriedigung körperlicher Bedürfnisse beimißt! Tabak wird für den Blinden zum Charakteristikum für das Diesseits schlechthin.
Der Münedschi gibt aber auch ein Beispiel, wie seelische, philosophisch-religiöse »Handlungen« materialistisch mißbraucht werden. So ließ El Ghani den Blinden für Geld sehen, d. h. der Münedschi beantwortete im visionären Zustand Fragen von Pilgern »nach allerlei heimlichen Dingen« (124). Ohne dessen Wissen gelangte der Ghani so zu einem beachtlichen Reichtum. Einzig in dieser Ausnützung - »als immerwährend fließende und reiche Einnahmequelle« (124) - ist dann auch die Wohltätigkeit des Ghani gegenüber dem Blinden zu verstehen. Hier offenbart sich wiederum die Bedeutung des Blindseins. Dazu sind die weiteren Kapitel des Matthäus-Evangeliums zum »Mammonsdienst« interessant: »Die Leuchte deines Leibes ist dein Auge; ist nun dein Auge klar, wird dein ganzer Leib im Lichte sein; ist aber dein Auge schlecht, wird dein ganzer Leib im Finstern sein. Wenn darum das Licht, das in dir ist, Finsternis ist, was mag das für eine Finsternis sein!« (Mt. 6,22 f.). Auch unter diesen Gesichtspunkten kann die Blindheit des Münedschi betrachtet werden.
In Bezug auf den »Kanz el A'da« erwähnt May, wie materialistische Gedanken einen alten islamischen Brauch mißbraucht haben. Der stetig anwachsende Reichtum in Meschhed Ali hat dazu geführt, »daß da Allah nicht der einzige Empfänger ist ... Auch ist es dagewesen, daß Eroberer sich dieser Schätze bemächtigt haben, ohne ihn um Erlaubnis zu fragen« (159). May liefert hier abermals den
Beweis, welch dämonische Macht der Materialismus ausübt; auch in seelischen, religiösen Fragen greift er um sich, reißt diese vom Jenseits auf die Erde, wo sie in den Schmutz gezogen werden und dadurch ihren Sinn verlieren.
Wir finden in »Am Jenseits« Hinweise, die erkennen lassen, daß der gewöhnliche Gegenstand des Teppichs einen weit größeren Bedeutungsgehalt besitzt. In gewisser Weise sehen wir hier auch schon den Vorläufer des 1901 erschienenen »Zauberteppichs«, der den neuen Bedeutungsgehalt, die Allegorisierung einer autobiographischen Episode, in einem größeren Rahmen vorführt. (179)
Zunächst stoßen wir auf den Gebetsteppich, in dem der »Schatz der Glieder« eingerollt ist: »Mir fiel er wegen seines eigentümlichen Musters auf, welches aus einem Fe und einem verkehrt darüberliegenden Khaf besteht. Dieser Teppich ist El Ghanis Eigentum« (157 f.). Schon Wollschläger sieht in diesem auffälligen, merkwürdigen Fund eine über den Gegenstand hinausgehende Funktion. Seine Vermutung, in den Buchstaben die Initialen der Vornamen Mays, Karl Friedrich, zu sehen, ist freilich äußerst hypothetisch. (180) Deutlicher fiele da schon das Wort »Kaffee« ins Auge, und dies würde durchaus der Funktion des gesamten Schatzes entsprechen - gehen wir davon aus, daß der »Kanz el A'da« den Materialismus schlechthin darstellt. Denn ähnlich wie der Tabak ist auch der Kaffee ein körperliches Genußmittel, dient der Befriedigung körperlicher Bedürfnisse. Möglicherweise bedeutete der Genuß von Kaffee, ähnlich dem Tabak, für May ebenfalls ein körperliches Laster - vor allem dann, wenn der Kaffee im Übermaß gekostet wurde -, das er zu überwinden trachtete. Insofern würde das auch die enge Verbundenheit des Teppichs mit dem Schatz erklären: sie sind irdische Übel.
In diesem Zusammenhang muß auch eine andere Szene stutzig machen. Als der dreifache Zweikampf von den Haddedihn gewonnen wird - dieser Sieg soll die Zurücker-
langung des Schatzes gewähren -, fordert der Ghani mit einer auffälligen Eindringlichkeit seinen Teppich zurück und bekommt ihn schließlich auch (vgl. 322 f.). Obwohl die Bedeutung des Teppichs nicht aufgeklärt wird, kann der Leser sich unschwer vorstellen, daß es mit diesem Gegenstand eine eigene Bewandtnis haben muß, zumal man davon ausgehen kann, daß der Ghani nichts ohne hinterhältigen Grund zurückfordern wird, denn alles dient immer seinen verschlagenen Absichten, zum größtmöglichen Reichtum zu gelangen. Freilich ist ein Laster, ein Übel, beim Bösen in den besten Händen!
Schließlich spricht auch der Münedschi von einem Teppich, einer Gebetsdecke, die als einziger, konkreter Hinweis auf einen möglichen Folgeband von »Am Jenseits« gesehen werden muß: »Ich weiß im heiligen Mekka ein Gemach, in dem drei Decken des Gebetes liegen; von roter Farbe zwei, die sind es nicht; der Grund der mittleren ist blau gefärbt, gestickt mit goldnen Sprüchen des Kurans; das ist die richtige; dort findest du das Ziel schon deiner jetzigen Gedanken und auch zugleich den Schlüssel für die Tat, die ihm den Glauben bringt und euch die Rettung« (299). Nun sind derartige seltsame, ja, märchenhafte Rätsel bei May keine Seltenheit - vor allem im Spätwerk tauchen sie häufig auf -, doch sieht sich der Leser hier in der Situation, keine Lösung dieses Rätsels vorzufinden. Auch Kara Ben Nemsi - »das war ja wie eine Prophezeiung gewesen« (299) - gelingt es trotz angestrengtem Grübelns nicht, eine Lösung zu finden. Auf der Handlungsebene dienen diese vagen Andeutungen zunächst einmal der Spannungsentwicklung. In den drei Gebetsdecken scheint dann aber auch die Lösung des gesamten Geschehens - auch autobiographischer Konflikte zu liegen. Nur befinden sich diese Decken in Mekka - und dieser Ort, in dem sich alles hätte entscheiden können, kann und wird nicht erreicht werden!
Interessant sind hier aber auch die Hinweise Helmut Klars zur Farbpsychologie in Mays Werken. Demnach drückt die Farbe Blau - Klar bezieht sich hier auf die Untersuchungen Max Lüschers - Ruhe und Geborgenheit, Bindung, Mitleid, Frieden und Heil aus. »Der Heilsbringer
Jesus wird sehr oft in einen blauen Mantel gehüllt dargestellt. Die Farbe Blau drückt seine Bindung an die Menschheit aus, die Verbindung von Gott mit den Menschen die durch ihn sichtbar geworden ist.« (181) Ebenso wird die Gottesmutter Maria häufig in einem blauen Gewand dargestellt. Andere Beispiele, besonders aus religiösen Darstellungen, ließen sich anführen. Auch die blaue Gebetsdecke in Mekka soll ja ein Heilsbringer sein! Klar weist darauf hin, daß die Farbe Blau besonders in den Spätwerken Mays an Bedeutung gewinnt. Er nennt hier beispielsweise die blaugekleideten Personen Merhameh und Abd el Fadl, oder die blauen Lanzenreiter von El Hadd. (182)
Die goldene Bestickung der blauen Gebetsdecke verdeutlicht die »Pracht und das Wertvolle schlechthin« (183). »Rot ist die Farbe der Erregbarkeit und der Vitaldynamik.« (184) Diese Farbe ist in den Werken vor der Orientreise am häufigsten zu finden. »In diesem Falle kennzeichnet Rot Karl Mays Erlebnisdrang und sein intensives Engagement, sowie sein hohes Aktivitätsniveau.« (185)
Der Wandel der Mayschen Werke bringt so auch den Wandel von Farbbedeutungen mit sich. Dies dokumentiert das Beispiel der Gebetsteppiche sehr gut: die Ablösung von abenteuerlichen, hektischen zu handlungsärmeren, verinnerlichten Erzählungen, in denen philosophisch-religiöse Themen im Vordergrund stehen.
Darüberhinaus kann der Kontrast Rot/Blau auch für Hölle/ Himmel stehen, da ja nur die blaue Decke »Glauben« und »Rettung« bringt.
Da alle weiteren Interpretationen nur äußerst vage Spekulationen bieten könnten - etwa auch die Untersuchung der Zahl »drei« -, mögen die interessanten farbpsychologischen Hinweise zu dem nicht endgültig zu lösenden Rätsel Mays genügen.
»Ich bin Abd el Idrak (Diener der Einsicht, des Verständnisses, der Intelligenz), der Scheik der Beni Lam« (405) - so stellt sich ein Mann vor, der als der eigentliche »Erlöser« zu betrachten ist. Erst sein Auf-
tritt ermöglicht dem Guten, nachdem es mit dem Bösen in nicht enden wollenden Kämpfen verstrickt war, einen deutlichen, aber ziemlich blutigen, grausamen Sieg. Bereits der Name des Scheiks gibt einen unmißverständlichen Hinweis auf den Charakter dieses Mannes. Die Kongruenz von Name und Charakter einer Person taucht bei May besonders im Spätwerk öfter auf. (186)
»Dieser Abd el Idrak war ein ganz, ganz anderer Mann als der Scheik der Beni Khalid, ein bei aller Barschheit des hiesigen Lebens edel angelegter und edel handelnder Charakter ... Er trug seinen Namen ... Diener der Einsicht mit vollem Rechte!« (406).
Obwohl auch er zunächst beabsichtigt, den »Schatz der Glieder« an sich zu nehmen, kann er sich letztlich doch von diesen materiellen Trieben befreien. »Es hat auch für mich stille und einsame Stunden gegeben, in denen ich hinabgetaucht bin in die Fluten meines Innern, um zu sehen, was ich da unten finden werde, ob Perlen oder häßliches Getier. Meist war es das letztere. Und es hat wieder Stunden gegeben, in denen ich hinabgeschaut habe auf die Fluten des Lebens, auf die Segel, welche den heimatlichen Hafen verlassen, um nach der fremden Stätte getrieben zu werden. Ich sah die Güter, die sie trugen, vor Allah wertlose Lasten, und wunderte mich nicht, daß sie im Sturme dann sanken oder an Riffen zerschellten... Es wohnte ein Verlangen in mir, eine oft laut aufschreiende Sehnsucht. die keine Erhörung fand, so weit die einsame Wüste, so weit das bewohnte Land und so weit mein Leben reicht. Ich wußte nicht, was das war; es machte mich elend und krank. Da, da hörte ich es heut, heut zum erstenmale, das große, das herrliche Wort von der Liebe! Nicht von der Liebe, wie ich sie bisher gekannt habe, sondern von einer höheren, reineren, edleren Liebe, von der Liebe, die Himmel und Erde verbindet und die Menschen zu Brüdern, zu Kindern Gottes macht. Das ist es, wonach ich suchte, ohne es zu kennen; das ist es, wonach sich meine Seele sehnt; das ist es, dem sich mein leeres Innere schon längst öffnen wollte, um von ihm ganz, ja ganz erfüllt zu werden!« (412 f.).
Bereits in dieser längeren Ausführung stellt May den Edelmenschen vor, den er erst später explizit propa-
gieren sollte. Abd el Idrak ging den Weg durch das Tiefland der Wüste, »aus der Tiefe zur Höhe, aus Ardistan nach Dschinnistan, vom niedern Sinnenmenschen zum Edelmenschen empor« (187). »Er war ein Suchender, und wer sucht, der findet; so lautet die Verheißung« (420). May geht dann so weit, daß er den Scheik mit Petrus vergleicht (vgl. 420). Aus dem Seelenfänger Petrus ist jedoch der »Seelengefangene« geworden. Parallel zur Erkenntnis Khutab Aghas haben wir hier ein weiteres Beispiel einer Menschenbesinnung, einer Umkehr zum Guten, zur Liebe, zu Gott. Beide Personen werden zu Leitbildern. Im Gegensatz zum Perser benötigt aber der Scheik den Scheintod, die unmittelbare Konfrontation mit dem Tod, nicht, um zur Reue zu gelangen (sein Name drückt das auch aus). Ist es eigentlich verwunderlich, daß mit der Einsicht Khutab Aghas auch der »Diener der Einsicht« erscheint?
Die Bedeutung der Religion - als ein Weg zu Gott - wird in »Am Jenseits« klar herausgestellt. Durch den Glauben kann sie unmittelbar zu Gott führen - hierin unterscheidet sie sich nach May auch deutlich von der Wissenschaft. Die Aufgabe der Religion ist also, »den Menschen auf dem Weg des Glaubens zu Gott und damit zur Erlösung zu bringen«. (188)
May stellt den Islam in »Am Jenseits« als eindeutig negativ dar, was die Aufwertung des Christentums impliziert. Schon zu Beginn des Buches wird im Gespräch zwischen Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar Kritik am Islam geübt, da diese Religion die Stellung der Frau benachteilige. Halef: »Du hast mir einmal gesagt, wie das heilige Buch der Christen das richtige Verhältnis zwischen Mann und Weib erklärt... Wenn der Mensch, welcher aus zwei Wesen besteht, ein Bild Gottes zu sein hat, so soll der Mann ein Bild der göttlichen Allmacht und die Frau ein Bild der göttlichen Liebe sein« (8). Diese Gleichsetzung ist im Islam, da er die Seele der Frau negiert, jedoch nicht gegeben: »... Der Islam lehrt, das Weib besitze keine Seele und könne also auch
nicht teilnehmen an den ewigen Freuden des Paradieses. Der Islam sagt, das Weib sei nur zu dem Zwecke geschaffen, mit ihrem Körper Dienerin des Mannes zu sein, und darum habe mit dem Tode dieses Körpers für sie alles Leben aufgehört« (67). Mit dieser Auffassung kann letztlich auch der Wüstensohn Halef, als er vom Scheintod der Großmutter Mays hört, nicht mehr übereinstimmen; in Hanneh erkennt er die Seele (wie es May auch darstellt) schlechthin.
Immer wieder versucht Kara Ben Nemsi, seinen orientalischen Begleitern die verstaubten und falschen Ansichten des Islams darzulegen, um sie somit gleichzeitig dem Christentum näherzubringen - letzten Endes mit Erfolg: Halef »war in seinem Innern Christ geworden und nicht nur seine Hanneh, sondern auch die meisten Haddedihn mit ihm« (12). Diese Wandlung der Haddedihn demonstriert besonders Omar Ben Sadek: »Was war ich für ein Mann, als du (Kara Ben Nemsi) mich kennen lerntest? Ein nach Rache, nach blutiger Vergeltung schnaubender Mensch, ein Anhänger des Islam, der nur sich selbst liebte, seine Feinde haßte und gegen alle andern Personen nichts als starke Gleichgültigkeit empfand« (70). Durch die Begegnung mit Kara Ben Nemsi lernten die Haddedihn die wahre Liebe kennen. »Jetzt umfängt diese unsere Liebe die ganze Erde und alle Menschen, die auf ihr wohnen. Wir haben den Kuran vergessen; wir sind gleichgültig geworden für die Gesetze der Propheten ... So haben wir uns auch von der Oberhand des Islam freigemacht. Wir wollten dich zu ihm bekehren, sind aber, ohne daß wir es nur merkten, durch die Predigt deiner Taten, welche nichts als Liebe lehrten, von Muhammed fort- und auf das hohe Minareh (Gebetsturm) dieser Liebe hinaufgeleitet worden, von welchem aus es nur ein Gebot und eine Stimme gibt, nämlich die heiligen Worte, welche wir von dir lernten: "Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm!"« (70 f.).
May stellt vor allem die Nächstenliebe als wichtigstes Moment des Christentums heraus. Es ist die alle Menschen umfassende Liebe, welche die Wüstenbewohner im Islam nicht finden können.
Die Person des Münedschi führt aber auch eine kritische Komponente zum Christentum ein. Wie der Blinde sagt, habe er das Christentum nur von der schlimmsten Seite kennengelernt. Sein »vergebliches Suchen nach Liebe« (267) bewog ihn letztlich dazu, aus der christlichen Kirche auszutreten: »Lerne sie nur kennen, diese Christen! Wie sie sich getrennt haben in Sekten, Konfessionen und viele anders genannte Abteilungen, von denen jede behauptet, daß ihre Angehörigen allein selig werden! Wie sie sich hassen, sich anfeinden, sich verleumden und verfolgen! Wie sie sich gegenseitig nach den Fehlern spüren, um einander so viel wie möglich herabzusetzen und in Schaden bringen zu können« (267) (189). Dennoch brachte ihm auch der Islam nicht das Ziel seiner Liebessuche.
Als der Münedschi zum Begriff der Liebe aus der Bibel zitiert, sieht Kara Ben Nemsi hier die Gelegenheit, auf die Unvollkommenheit des Korans hinzuweisen. Der Blinde begründet sein Schöpfen aus der Bibel jedoch damit, daß auch Mohammed dies tat, »so folge ich nur seinem Beispiele, welches er uns für die Erkenntnis der Vollkommenheit gegeben hat. Für uns, die wir nicht so erleuchtet sind, wie er es war, besitzt sein Kuran zahlreiche Lücken (!), welche nur mit den Wahrheiten der Bibel auszufüllen sind« (133). Obwohl der Münedschi hier selbst die Schwäche des Korans aufdeckt, streitet er diese Unzulänglichkeiten - freilich durch Verkennung - ab: »Ihm (Mohammed) war ein anderer Weg vorgeschrieben als dem Stifter der christlichen Religion, nämlich der Kampf, während Jesus der Prediger der Liebe und des Friedens sein durfte ... Er, der Friedensfürst, wurde an das Kreuz geschlagen, und wie dabei der Vorhang im Tempel mitten auseinanderriß, so war der Friedensbund zwischen Allah und der Menschheit zerrissen, und es mußte der Prophet kommen, dessen Religion bestimmt war, auf den Spitzen der Schwerter getragen und verbreitet zu werden. Wer den Frieden nicht haben will, der will den Kampf. Da die Menschheit die Lehren Christi verwarf und heut noch verwirft, wird sie sich von der Streitbarkeit des Islam bekehren lassen müssen« (134). Diese Verkennung ist charakteristisch für die Person des Münedschi, zeigt sie doch nur zu deutlich, wie wenig Liebe auch im Islam zu finden ist!
Seine Ausführungen begründet der Blinde mit der Feststellung, daß es nur »wenig wahre Christen und ... viel mehr gläubige Anhänger des Islam« (134) gebe. Diese Ansichten, die einzig aus seinen schlechten Erfahrungen mit dem Christentum entsprungen sind, hat der Münedschi sicherlich viel zu voreilig gefaßt, ohne auch die negativen Seiten des Islams zu sehen. Kara Ben Nemsi hält den Übertritt des Blinden »natürlich für die größte Sünde seines ganzen Lebens« (268).
Ebenso wie der Münedschi ist auch Khutab Agha bisher nur mit Namenschristen, die zwar Liebe predigten, sie selbst aber nicht besaßen, zusammengetroffen. Und auch er erwähnt die Spaltung des Christentums als Vorwurf gegen diese Religion (vgl. 255). Der Perser erkennt jedoch später, »nur die Bekenner sind uneinig; die Lehre selbst aber kennt und will die Teilung nicht« (353).
Einen großen Sieg des Christentums demonstriert May in dem Augenblick, als just die vier Evangelien Khutab Agha das Leben retten. Diese, auf den ersten Blick doch reichlich märchenhafte Rettung - obwohl bereits in »Winnetou I« eine Tabaksdose Old Shatterhand das Leben rettete -, kann nur unter philosophisch-religiösen Gesichtspunkten gesehen werden: »Ja, eine Fügung war es, denn Zufall gibt es nicht für mich!« (377). In der Tat! - die Kugel steckt gerade im fünften Kapitel des Matthäus-Evangeliums; an der Stelle, die Khutab Agha noch wenige Stunden vorher zitierte: »Ich aber sage euch: Liebet eure Feinde; tut Gutes denen, die euch hassen, und betet für die, welche euch verfolgen und verleumden, auf daß ihr Kinder seid eures Vaters, der im Himmel ist, der seine Sonne aufgehen läßt über die Guten und die Bösen und läßt regnen über die Gerechten und Ungerechten!« Die Versicherung, die Kara Ben Nemsi Khutab Agha vorher gab, daß Gott die Macht habe, durch die Liebe zu retten und daß dessen Evangelium »ein starker Schutz und Schirm im Leben und auch in der größten Todesgefahr« (354) sei, bewahrheitet sich. Diese Bestätigung führt Kara Ben Nemsi zu folgender Schlußfolgerung: »Entweder müssen wir uns für Propheten halten, ... oder wir sind der Überzeugung, daß wir unter einer alliebenden und
allweisen Führung stehen, welche für uns das Unheil in Heil, das Unglück in Glück verwandelt. Da wir aber nicht den Wahnsinn haben, zu behaupten, daß wir mit der Gabe der Weissagung ausgerüstet seien (!), so ist für uns nur die zweite Annahme möglich. Ich habe stets an Gottes Führung geglaubt; ich werde an sie glauben und mich ihr mit herzlicher Zuversicht anvertrauen, solange ich lebe, und ich bitte euch alle, dies auch zu tun!« (378 f.). Khutab Agha sollte mit dem zweiten Scheintod den endgültigen Beweis der Allmacht Gottes liefern.
»Am Jenseits« dokumentiert die »gegensätzlichen Strömungen in Mays Glauben« (190) äußerst deutlich. Mays Beschäftigung mit fremden Religionen - geradezu ein »Hobby« von ihm (191) - führte dazu, daß die daraus resultierende Kenntnis auch in sein Werk einfloß. Die Konfrontation zwischen dem Islam und dem Christentum - die Beschäftigung mit dem Orient mußte diesen Glaubensstreit bereits implizieren - veranlaßt ein kontinuierliches Zitieren bestimmter Suren aus dem Koran (192), denen verstärkt Bibelzitate gegenüberstehen, die durchweg eine größere Bedeutung haben (193).
Darüberhinaus sind aber noch weitere religiöse Einflüsse festzustellen.
Besonders in der letzten Periode vor dem Spätwerk warf man May ein »Katholisieren« vor. Gegründet wurde dies vor allem durch Mays Mitarbeiterschaft an der katholischen Zeitschrift »Deutscher Hausschatz« und durch die Belieferung kurzer Erzählungen für den Marienkalender. Außerdem besaß er in der katholischen Kirche eine rückenstärkende Institution (das sollte sich später freilich ändern!). Obwohl May den Vorwurf des Katholisierens abwies, kann man in seinem Werk sicherlich »katholische Elemente« vorfinden. Wie Walter Schönthal sagt, seien bei May »der Glaube an das Fegefeuer, an
den Schutzengel ... und an die Vorsehung« (194) katholisch. Ebenso verweist er auf die katholische Mystik, hier vor allem die Kenntnis Origenes', und auf die Marienverehrung. (195)
Engeln kommt besonders im Spätwerk eine wichtige Funktion zu. May gibt in »Im Reiche des silbernen Löwen« zwei Deutungsmöglichkeiten von Engeln. Demnach können sie sowohl »wirklich existierende Geschöpfe Gottes« als auch »Personifikationen gewisser Kräfte oder Eigenschaften« sein. (196) Da Engel in »Am Jenseits« nur visionär auftreten, trifft hier die letztere Deutung zu. Engel fungieren als Boten Gottes, die die Verbindung zwischen Gott und Mensch herstellen, dem Menschen Hilfe und Schutz bringen; gleichzeitig können sie das »gute Gewissen« (das Gute schlechthin), das Licht verkörpern. Dies trifft z. B. auf Ben Nur zu. Schon die Übersetzung seines Namens lautet »Sohn des Lichtes« (76); darüberhinaus bezeichnet er sich explizit als »Schutzengel« des Münedschi (246) (197). Er ist jedoch nicht nur an eine Einzelperson gebunden; die Vision Khutab Aghas weist auf eine allgemeingültigere Funktion hin: »"Bist du vielleicht Ben Nur, der am letzten Tage meines Lebens bei uns war?" Er lächelte gütig und sprach: "Hier gibt es nur Liebe, die namenlos ist, und darum für ihre Boten auch keine Namen. Wenn einer ihrer Strahlen sich einen Namen gab, so tat er das nur für euch. Nenne mich immerhin auch Ben Nur, denn ich bringe dir das Licht, um welches du hier flehtest!"«. (373)
Als Kara Ben Nemsi versucht, die Vision des Münedschi, besonders die Erscheinung Ben Nurs, verstandesmäßig zu erklären, denkt er an ein Gespräch mit Winnetou: »"Ja, der große, gute Manitou verlangt, daß man mit ihm rede, denn jedes Kind soll doch mit seinem Vater sprechen. Wenn man in Gefahr ist und ihn um Hilfe bittet, so sendet er seine Krieger herab, die für uns kämpfen. Mein weißer Bruder nennt die Freunde Engel; ich sage Krieger, denn das Leben ist ja stets nur Kampf. Du hast auch zu-
weilen nicht Engel, sondern Schutzengel gesagt und nur von einem gesprochen; ich aber weiß, daß mehrere bei mir sind, sooft ihr Beistand nötig ist!" "Woher weißt du das?" fragte ich. "Wenn ich sie sehe, grüße ich sie; also weiß ich es, denn was man sieht, das ist gewiß! Ich werde auch wissen, wenn ich sterbe; sie sagen es mir ... Es könnte jeder Mensch empfinden, was der große Manitou ihm durch die Engel sagt, wenn er mehr auf sich und ihre Stimme achtete und sich befleißigte, sie nicht dadurch zu betrüben und von sich fortzustoßen, daß er Böses tut!"« (250 f.).
Auch hier geht es nicht so sehr um die Person des Engels, sondern um die Aufgabe, die die Engel gegenüber den Menschen besitzen. Im Gegensatz zu Winnetou, der von mehreren Engeln spricht, welche ihn beschützen, erwähnt der Münedschi, daß er einen bestimmten Schutzengel Kara Ben Nemsis gesehen habe: »Er heißt Marrya (Marie) und befahl mir, dich zu grüßen. Seine Wohnung schmiegt sich an die Stufen von Allahs Thron; seine Gestalt ist Schönheit, sein Gewand Weisheit, seine Stimme Sanftmut und sein Blick Liebe, Liebe, nichts als Liebe. Ich sah seine Hände ausgebreitet über dir, und Glaube, Zuversicht und Gottestreue floß von ihnen auf dich hernieder« (128).
Dieser Schutzengel - Marie - spielte auch in Mays Leben eine wichtige Rolle. Wie Amand v. Ozoroczy sagt, geht der Schutzengel möglicherweise auf ein leibliches »Mariechen« zurück. (198)
Der Name gewinnt durch ein Telegramm, das Emma May ihrem Mann während der Orientreise sandte und mit der Bekräftigung schloß: »Marie will es!« (199), eine noch größere Bedeutung. Ebenso weist v. Ozoroczy auf eine Reiseeintragung Mays vom 2. 9. 1899 (!) hin: »Nachts, 4 Uhr, Lichtergruß von Marie.« (200)
Wollschläger betont besonders die Verknüpfung Schutzengel - Weiblichkeit (201). Ist Mary aus »Et in terra pax« der Name »des jungen Mutter-Ebenbildes« (202), so lassen sich in dem Schutzengel »Marie« sicherlich ebenfalls Muttereinflüsse (bzw. Großmuttereinflüsse) (203) erkennen. Für das Kleinkind hat die Mutter bekanntlich von vornherein die Funktion und Aufgabe eines Schutz-
engels.
Es ist jedoch auch zu beachten, daß mit dem Engel, voller »Liebe, Liebe, nichts als Liebe«, ebenso Marie Thekla Vogel gemeint sein kann. (204)
Die Funktion des Engels - das Licht, das Gute - verdeutlicht auch die Selbstbiographie Mays. Als May von der Spaltung seiner Persönlichkeit spricht, nennt er die Gegenüberstellung einer »Fee«, eines »Engels«, und einer Gestalt, »fatal, häßlich, höhnisch, abstoßend, stets finster und drohend« (205). Der Dualismus Gut - Böse wird in diesen Wesen personifiziert; der Engel wird zum Symbol Gottes, dem Teufel gegenüberstehend. So lautet dann auch die zentrale Forderung des »Märchens von Sitara« : »Du sollst der Engel deines Nächsten sein, damit du nicht dir selbst zum Teufel werdest!« (206)
»Am Jenseits«, das Buch der Erinnerungen, legt wiederum ein deutliches Zeugnis ab, daß Mays eigener Kampf, zwischen Engel und Teufel, aufgegriffen wird: »Ich sah dich selbst in zwei verschiedenen Gestalten, welche gegeneinander kämpften; die eine war dunkel, wie der Schatten der Nacht, welcher sich gegen die Morgenröte empört, die andere hell und rein, wie das sanfte Licht, welches um christliche Altäre leuchtet. Die dunkle bestand aus deinen Fehlern, die du noch nicht überwunden hast, die lichte aus den Gedanken und Gefühlen, welche du der Vervollkommnung und dem Himmel weihst. Die finstere war stark, gewandt und listig, die helle aber mächtiger als sie, gewappnet mit dem Schilde der göttlichen Gnade und mit dem Schwerte der Willensfestigkeit. Und indem ich sie miteinander ringen sah, hörte ich die Stimme deines Engels: "Bange nicht für ihn, denn er wird siegen und immer reiner werden, bis das Dunkel sich ganz in Licht verwandelt hat. Er kann nicht unterliegen, denn er weiß, ich schütze ihn!"« (128 f.). (207) In der Tat findet dieser Zweikampf auf der Handlungsebene statt. Letzten Endes siegt aber das Gute, die Liebe, der Engel, über »El Aschdar«, den Drachen, Der Münedschi kann die Warnung vor diesem Kampf nur deshalb mitteilen, weil er durch Ben Nur auch mit dem Schutzengel des »Ichs« in Verbindung steht: »Dein Schutzengel steht bei dir. Du
siehst ihn nicht; mich aber bat er, dir zu sagen, was du jetzt vernommen hast« (297). Die Frage, warum der Schutzengel dem »Ich« nicht selbst erscheint, hängt sicherlich wiederum mit einer verstandesmäßigen Glaubwürdigkeit zusammen; der Münedschi hat in »Am Jenseits« eine Art »Freirecht« mit überirdischen Wesen zu verkehren. Auf diese Weise können seine Visionen auf das irdische Geschehen bezogen werden.
Sowohl der immer wieder betonte Schutzengelglaube als auch die Kenntnis von Origenes, auf die die Erwähnung in »Am Jenseits« hinweist, zeigen, wie stark May vom Übersinnlichen, von der Mystik des Katholizismus angezogen wurde.
Die Lehre Origenes' wird im Zusammenhang der Frage nach der Auferstehung, der Trennung des geistigen vom irdischen Leib, genannt: »Durch das Zusammenwirken der Seele und des Leibes in diesem Leben bildet sich ein zweiter, für uns unsichtbarer Leib, welcher, für uns unbemerkbar, die Poren des irdischen durchdringt und die Verbindung zwischen ihm und der Seele herstellt; er entsteht aus den unwägbaren Stoffen des sterblichen Leibes und geht nicht mit diesem verloren, sondern begleitet die Seele in die Ewigkeit« (88).
Angeregt sein dürfte May besonders vom origenistischen Läuterungsgedanken. Wie die Lehre des Origenes besagt, bestimmen verschiedene Logika (Engel, Menschen, Dämonen), bedingt durch ihren unterschiedlichen Sündenfall, die Stufenordnung des von Gott durch den Logos geschaffenen Weltalls. Da die Beziehung zu Gott unverlierbar und die Sünde etwas »Nichtseiendes« ist, wird sich das Gute letztlich in den Logika - auch im Teufel - wieder durchsetzen. Nachdem alle geläutert sind, löst sich die sichtbare Welt wieder auf und der Urzustand - in dem alle Logika körperlose Geister, somit gottähnlich waren - wird wiederhergestellt. Durch das Läuterungsfeuer und das Weltgericht kann Gott in den Läuterungsprozeß der Logika eingreifen. Das Weltgericht ruft bei einem jeden
alle begangenen Sünden mit einem Male ins Bewußtsein.
In der Frage der Auferstehung stellt May neben die Lehre des Origenes den Parsismus und die Theorie des Apostel Paulus aus dem Korintherbrief. Alle drei Theorien, die gleichrangig nebeneinander stehen, nennen die Auferstehung des Körpers, der jedoch nicht mit dem irdischen gleichzusetzen ist. (208) Dies »ist ein Beleg dafür, daß Mays Weltbild nicht allein aus dem Christentum abgeleitet werden kann, obwohl es sich ... weitgehend damit deckt« (209).
Origenes' spiritualisierender Einfluß auf das Christentum hat auch bei May Früchte getragen. Diese Feststellung wird besonders hinsichtlich der Betrachtung »May und der Spiritismus« wichtig sein.
Als erster wies Arno Schmidt auf den möglichen Einfluß des schwedischen Theosophen hin. (210) Wolfgang Wagner hat diesen Hinweis dann weiter präzisiert. (211)
Wie das Bibliotheksverzeichnis beweist, besaß May in der Tat eine Erstausgabe der Übersetzung »Von der Verbindung der Seele mit dem Körper« (212). Dieses Werk dürfte bei May ein großes Interesse gefunden haben. Wagner stellt fest, »daß der Einfluß Swedenborgs erst mit "Am Jenseits" erkennbar wird. Der Beginn der Lektüre dürfte wahrscheinlich zwischen 1895 und 1898 anzusetzen sein. May hat Swedenborgs Gedankengut nicht einfach übernommen, sondern seinen eigenen Vorstellungen assimiliert.« (213)
Die Lebensgeschichte Emanuel Swedenborgs ist interessanterweise implizites Thema in »Am Jenseits«. Bis zu seinem 57. Lebensjahr war er ein bekannter Techniker und Naturwissenschaftler; aber bald mußte Swedenborg die Grenzen der wissenschaftlichen Forschung in Fragen nach einer universalen, wahren Erkenntnis - der Deutung des Universums - erkennen (!). Beeinflußt in seiner Wandlung dürfte er vor allem durch seine sich verstärkt einstellenden Visionen gewesen sein. (214)
Für »Am Jenseits« sind besonders Swedenborgs Theorien
über die Geisterwelt interessant, die auf die eigenen, persönlichen Erfahrungen, auf »göttliche Intuitionen« zurückgingen - und Swedenborg hatte die Überzeugung, als Seher Zugang zur höheren Welt zu besitzen (s. den Münedschi!).
Der Einfluß Swedenborgs bezieht sich bei May vor allem auf die Seelenlehre; hierzu gehört auch das verstärkte Auftreten des Läuterungsgedanken.
Swedenborg vertritt die Auffassung, daß sich beim Tode der Geist vom Leib löst, um in die Geisterwelt einzugehen. »Diese Welt greift jedoch auf die natürliche Welt über, so daß die Seelen der Menschen von Geistern und Engeln umgeben sind.« (215) Nach Swedenborg gibt es drei Zustände, welche die Menschen nach dem Tode erwarten: ein Teil von ihnen kommt sofort in den Himmel, ein anderer sofort in die Hölle. Die meisten Menschen aber gelangen in die Geisterwelt, wo sie sich für den Himmel oder die Hölle zu entscheiden haben. Wendet der Mensch sich von Gott ab, so richtet er sich damit selbst. Besonders dieser Läuterungszustand der zahlreichen, in der Geisterwelt sich befindenden Menschen - zwischen Himmel und Hölle -, hat in »Am Jenseits« entscheidende Bedeutung.
Swedenborgs phantastische Schilderungen der Geisterwelt sind merkwürdig realistisch und konkret (man vergleiche die Vision des Münedschi!). Dies rührt daher, daß das Jenseits nach seiner Auffassung ein Spiegelbild des Diesseits ist. Der Tod ist nur leiblich; er setzt erst den inneren Menschen frei, der in anderen, jenseitigen Dimensionen weiterlebt.
Bekanntestes Beispiel einer realistischen Vision vom Jenseits dürfte Dantes »La Divina Commedia« sein. In genauen Einzelheiten wird hier die Wanderung durch Hölle, Fegefeuer und Paradies (Inferno, Purgatorio, Paradiso) beschrieben; der Weg von der Sünde, von der Unwissenheit, zur Läuterung (s. Gestalt Vergils); durch den Glauben an Gott (s. Beatrice) zum Heil, zur Weisheit und Tugend. Auch dieses Werk - May hat es öfter erwähnt, es befand sich ebenfalls in seiner Bibliothek - hat die Darstellung der Mayschen Jenseitsvisionen möglicherweise beeinflußt.
»Karl May wandelte zuzeiten in Regionen, wohin ihm niemand folgen konnte. Wie der Mondsüchtige unter dem Einfluß magischer Gewalten selbst mit seinem erdenschweren Körper hinausgleitet, wohin der Fuß des realen, normalen Menschen ihm nicht zu folgen vermag, so Karl May. Nur war da sein Körper nicht beteiligt. Allein seine Seele wandelte, magisch angezogen, in unbekannte Fernen. Er kannte diese Zustände. Sie beglückten ihn. Ja, sie befähigten ihn, die Dünste Ardistans zu atmen.«
Klara May (216)
Bei den angeführten möglichen Quellen, aus denen May geschöpft haben könnte, bekommt besonders das spiritistische Element eine wichtige Bedeutung; »Am Jenseits« weist durch seine Thematik immer wieder auf spiritistische Einflüsse hin und impliziert hier die Frage, welches Verhältnis May eigentlich zum Spiritismus hatte.
Wollschläger bezeichnet »Am Jenseits« eindeutig als »unmittelbar vom Spiritismus beeinflußt« (217). Auch Arno Schmidt vertritt die Ansicht, daß das Buch »nüchtern betrachtet, nichts als der Bericht über ein "Medium" & dessen Gesichte von des Übergangs Übergang zum Übergang« (218) darstelle. In dem Buch gibt es in der Tat einige doch recht deutliche Hinweise, die diesen Thesen entsprechen. Hier ist besonders die Person des Münedschi zu nennen. Als der Totgeglaubte seine Augen öffnet, bemerkt Kara Ben Nemsi: »Was für prachtvolle Augensterne das waren! Ich habe viele, viele Reimereien gelesen und gehört, in denen von herrlichen blauen oder gar himmelblauen Augen die Rede ist, aber noch nie ein himmelblaues Augenpaar gesehen. Ich behaupte darum, daß es gar kein rein blaues Auge gibt. Hat es aber jemals wirkliche, herrliche, himmelblaue Augen gegeben, so sind es die des Münedschi gewesen, welche sich jetzt so weit öffneten und mit einem unbeschreiblichen Ausdrucke groß und voll auf den Hadschi richteten. Das war ein mir völlig unbekannter Glanz, ein Blick, der nicht dieser Welt anzugehören, sondern aus dem Jenseits zu kommen schien (!)« (64). Diese geradezu hypnotische Wirkung der himmelblauen Au-
gen deutet de facto auf einen Mediumcharakter des Münedschi hin - seine Augen eröffnen den Blick ins Jenseits! Die Gestalt Ben Nurs und das Motiv des Hellsehens lassen ebenfalls spiritistische Einflüsse erkennen. Fortlaufend erwähnt der Blinde den Vorgang seiner Visionen, wobei er sehr bald von seinen Seelenwanderungen zu sich zurückkehrt (vgl. 86). In Meschhed Ali gab er Antworten, »als ob sie aus einer andern Welt, nicht von der Erde kämen« (124). Auch seine Gestalt paßt da in dieses überirdische Bild: »... Sein langer, silberweißer Bart zitterte, und sein Gewand bewegte sich leise; das Feuer warf wechselnde Lichter und Schatten über seine Gestalt. Das gab ihm etwas Jenseitiges, etwas Überirdisches ... Ich gestehe aufrichtig, daß selbst ich, der ich doch wußte, woran ich war, nicht unergriffen blieb (!). Eine ganz eigene Art von Grauen ging mir nicht bloß durch die Seele, sondern, ich möchte sagen, auch fühlbar durch die Glieder« (177). Sind das Séance-Erinnerungen? Auch die große Vision des Münedschi gibt hier durch die anwesenden Beobachter - ohne aufgefordert zu werden, gehen auch Hadschi Halef und Khutab Agha mit auf die nächtliche Wanderung - Hinweise.
Wagner verweist auf die Fülle der Werke in Mays Bibliothek, die sich mit »psychischen Grenzphänomenen« - darunter auch »das in seiner Zeit bekannte Werk "Animismus und Spiritismus" von Alexander Aksakov« (219) - befassen.
Nun erlebte der moderne Spiritismus - seit 1847 von Nordamerika ausgehend - besonders um die Jahrhundertwende in Deutschland eine wahre Blütezeit. Das Interesse für einen ausgesprochenen Totenkult, für Séancen, Hypnoseversuche und Medienerscheinungen, entsprach dem Wunsch nach einer neuen, metaphysischen Existenzdeutung, einer Hoffnung auf das Jenseits, die - angesichts einer Realitätsmisere in politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereichen - neue Perspektiven eröffnen sollte. Ein Buch wie Carl du Prels »Entdeckung der Seele durch die Geheimwissenschaften« (1894) oder die große Anzahl von Zeitschriften, die sich explizit mit spiritistisch-okkultistischen Erscheinungen be-
faßten - etwa die Blätter »Theosophisches Leben« (ab 1898) oder »Wahres Leben« (ab 1899) (220) -, fanden begeisterte, wißbegierige Leser, die die Beweise für ein Fortleben des Menschen über den Tod hinaus suchten, die durch den Verkehr mit den Verstorbenen Auskunft über das Jenseits erhalten wollten.
Die Spiritismus-Frage bei May wurde immer wieder zu einem Streitpunkt in seinen unzähligen Prozessen nach der Jahrhundertwende; Lebius hatte sie in Mays Ehe- und Scheidungsangelegenheit hineingezogen - durch angebliche »Geisterzettel« habe May versucht, die Einwilligung Emmas in die Scheidung zu erreichen. (221)
Selma vom Scheidt, eine Freundin Emmas, bestätigte dann auch, daß im Hause Mays »ständig jede Woche etwa zweimal spiritistische Sitzungen stattgefunden hätten« (222). Eingeführt habe die Sitzungen Mays Schulfreund Ferdinand Pfefferkorn bei seinem Besuch im Jahre 1895. Er, »Spiritist mit Leib und Seele« (223), soll es dann auch gewesen sein, der in May das Interesse für den Spiritismus geweckt habe. An den von Pfefferkorn veranstalteten Séancen waren gewöhnlich die Ehepaare Pfefferkorn, May und Plöhn beteiligt; »auch die bekannte Anna Rothe (ein bekanntes Dresdener Medium) sei zu diesen Sitzungen ein- oder zweimal zugezogen worden. Frau Plöhn sei Schreibmedium gewesen, ihr hätten die "Lieben" immer des Nachts ihre Befehle in die Feder diktiert ... « (224) Vor allem Klara und Emma waren dabei überzeugte spiritistische Anhänger (225); May und Plöhn saßen »zumeist nur spöttisch dabei« (226).
Demgegenüber spricht May davon, daß er und seine damalige Frau Emma bereits 1880 in Hohenstein-Ernstthal Bekanntschaft mit dem Spiritismus gemacht hätten, wobei May die »unerfreuliche Entdeckung« machen mußte, »daß seine damalige Frau die eigentliche treibende Kraft« der dortigen spiritistischen Sitzungen war. Er selbst sei »nie Anhänger des Spiritismus, wohl aber Gegner jedes spiritistischen Hokuspokus« gewesen. (227)
Emma hatte jedoch kontinuierlich bezeugt, daß May sehr wohl Spiritist gewesen war. Diese gegenseitigen Beschuldigungen entsprangen ganz bestimmten, prozessualen
Interessen, müssen daher mit Vorsicht betrachtet werden.
Karl May hatte in der Öffentlichkeit immer wieder bestritten, daß er Spiritist sei; sein Interesse beruhe vielmehr ausschließlich auf wissenschaftlichen Gesichtspunkten. »Er selbst hat sich gelegentlich in dem Sinne geäußert, daß er vielleicht ein "Spiritualist" sei, insofern er sich von den Geistern seiner Lieben zu jeder Zeit umschwebt und umhegt fühle, daß er aber den "Spiritismus" (mit seinen "Medien" und "Materialisationen") als Betrug ablehne.« (229) In einem Brief an das Großherzoglich Sächsische Amtsgericht in Weimar vom 30.11.1909 äußerte May: »Nur was den mir und meiner jetzigen Frau vorgeworfenen resp. uns förmlich aufgedrungenen "Spiritismus" betrifft, habe ich sowohl in meinem Namen als auch im Namen dieser meiner jetzigen Frau schon jetzt und hier zu erklären: Ich bin weder jemals Spiritist gewesen, noch bin ich es heute. Ich habe sogenannten spiritistischen Sitzungen beigewohnt, um diese Lehre zu prüfen. Das war meine Pflicht als Autor. Ich habe gefunden, daß der Spiritismus eine psychologische Verirrung ist. Ich habe mehrere sogenannte Medien und ihre Unternehmer entlarvt. Auch die frühere Frau Klara Plöhn, meine jetzige Frau, ist weder früher Spiritistin oder gar Medium gewesen, noch ist sie es jetzt ... Sie stimmt in ihren Ansichten über den Spiritismus vollständig mit mir überein: Der Spiritismus ist ein großer Selbstbetrug ... « (230)
Hinsichtlich seiner Frau Klara war dies sicher eine Schutzbehauptung. Daß May als gläubiger Spiritist an den stattgefundenen Séancen beteiligt gewesen war, entzieht sich jeder Grundlage - Emmas Beschuldigungen entsprangen da ganz bestimmten, aus der »Prozeßmaschinerie« hervorgehenden Interessen. Heinz Stolte gibt auch zu bedenken, »daß wohl niemand sich so entschieden ablehnend und verdammend über den Spiritismus äußern würde, der in Wahrheit ein Gläubiger und Parteigänger dieser Lehre wäre« (231).
Allerdings mußte May den Spiritismus auch schon deshalb strikt ablehnen, da er sich nicht mit dem christlichen Glauben vereinbaren ließ. Besonders Mays Mitarbeit an katholischen Verlagen - sowohl die katholische als auch
die evangelische Kirche lehnt den Spiritismus bekanntlich ab - wäre dann natürlich hinfällig geworden. (232) Das verstärkte Auftauchen spiritistischer Züge - besonders im Spätwerk - zeigt lediglich, daß May in irgendeiner Weise beeinflußt sein könnte, ohne genaue Hinweise liefern zu können, daß er gläubiger Anhänger der Lehre gewesen ist. »Vom Spiritismus beeinflußt sind die Passagen, in denen der Geist einer Person durch den Geist eines Verstorbenen verdrängt wird und die Stimme eines anderen redet (z. B. Waller in "Und Friede auf Erden" und der Musterwirt im "Geldmännle").« (233) Hier wäre dann auch der Münedschi/Ben Nur zu nennen.
Sicherlich hatte Mays allgemeine Vorliebe für die Mystik, für den Transzendentalismus, das Interesse für den Spiritismus geweckt, wobei es auch ganz einfach Neugier gewesen sein durfte, an den spiritistischen Sitzungen teilzunehmen. Dies waren alles Versuche einer Annäherung an ein geheimnisvolles, unergründliches Jenseits, in dem sämtliche Rätsel und Probleme gelöst werden konnten. Es ist zu bedenken, daß es »ein wesentlicher Unterschied (ist), ob eine "Botschaft von drüben" ohne unser Zutun als Hilfe oder Warnung auf uns zukommt (dies entspricht einer spiritualistischen Glaubensvorstellung; Mays Werk liefert dazu den anschaulichen Beweis), oder ob solche Verbundenheit vom Menschen her erzwungen wird (wie es der Spiritismus praktiziert)« (234).
Daß May seine Phantasiegestalten zum Leben erweckte, sich mit ihnen unterhielt - »indem ich hier an meinem Tische sitze und diese Zeilen niederschreibe, bin ich vollständig überzeugt, daß meine Unsichtbaren mich umschweben und mir, schriftstellerisch ausgedrückt, die Feder in die Tinte tauchen« (235) -, wird vor allem auf seine unbändige Phantasie zurückzuführen sein, die - stark von christlichen Vorstellungen geprägt - immer wieder in jenseitige Landstriche abschweifte, ja, abschweifen mußte, wollte May nicht an der Realität, deren Anforderungen er oftmals einfach nicht gewachsen war, zugrunde gehen. Gerade der symbolisch-allegorische Charakter des Spätwerks - obwohl man auch hier spiritistische Einflüsse sichtbar machen kann, was in der Behandlung der
Sache an sich begründet liegt - zeigt, wie wenig im Grunde vom »klassischen« Spiritismus, der Materialisierung der Geister, zu finden ist.
Erscheint auch der Münedschi in »Am Jenseits« als ein Medium, das mit den Geistern verkehren kann (s. Ben Nur), so darf hier letzten Endes nicht vergessen werden, daß diese Person für May einen ganz bestimmten Zweck verkörperte, eine Art Hilfsmittel bedeutete, um gewaltige und entscheidende Menschheitsprobleme darzustellen. (236) Konkret stand May sicherlich vor dem Problem, wie jenseitige, überirdische »Wahrheiten« irdisch erklärbar zu machen seien; d. h. auch, wie glaubwürdig konnten sie dem Leser erscheinen, inwieweit waren sie nachvollziehbar, ohne gleich als abstruse Phantasterei abgetan zu werden. May versucht in »Am Jenseits« fortlaufend, jeden Verdacht, der sich auf Spiritismus und Aberglaube beziehen könnte, zu beseitigen. Besonders durch die Person Kara Ben Nemsis bemüht er sich, einen glaubwürdigen, rationalen Standpunkt einzunehmen: »Ich bin ein sehr nüchterner Mann und jeder Phantasterei abgeneigt; ich nehme nur das als wahr und richtig hin, was ich mit kalten Sinnen geprüft und als echt erkannt habe... « (93). Dies ist natürlich auch als eine Schutzbehauptung zu sehen, um den Lesern von vornherein das Moment des Zweifelns zu nehmen. Je mehr das »Ich« dann von diesem doch recht krassen Standpunkt heruntergeht, heruntergehen muß, von dem Erfahrenen und Gesehenen überzeugt wird, um so größere Wirkung, um so größerer Nachdruck wird beim Leser erreicht. Der Erkenntnisprozeß Kara Ben Nemsis kann so parallel zu dem des Lesers verlaufen. Denn May läßt auch zunächst seinen Helden - obwohl dieser doch stark gottesgläubig ist - einen wissenschaftlichen, vernunftmäßigen Maßstab ansetzen, und sicherlich sollte jede »unwahrscheinliche Erscheinung« nicht sofort unkritisch übernommen werden, sondern zunächst einmal geprüft werden; d. h., um zum echten Glauben zu gelangen, muß erst der Zweifel ausgeschaltet werden. Die Beseitigung des Zweifels kann wiederum nur die Überzeugung erreichen. so sind denn auch die Vernunfterklärungen Kara Ben Nemsis zu sehen. Er, der langsam überzeugt wird -
»El Aschdar« bringt dann die endgültige Erkenntnis eines doch recht schwankenden Helden -, liefert letztlich den Beweis der Wahrheit, die Widerlegung all dessen, was er bezüglich des Münedschi noch zunächst etwas spöttisch als »Sterndeutung«, »Wahrsagung«, »Zeichendeutung« (77), »Kartenlegung« (129) bezeichnet hatte, wobei er den Blinden selbst als einen »Nervenkranken«, »Somnambulen«, »Noctambulus« (251) verdächtigte. Sicher sind seine Bedenken nicht unbegründet - wie die Hinweise auf den Spiritismus auch zeigen. May nimmt dem Spiritismus aber auch selbst »den Wind aus den Segeln«, indem er mit Hilfe gerade des Münedschi einen geisterhaften Auftritt simuliert, der der Befreiung der Gefangenen dienen soll (s. 206 ff.). Verantwortlich für diese Szene ist interessanterweise nicht Kara Ben Nemsi, sondern Hanneh! May ist immer wieder darauf bedacht, das »Ich« nicht in Beziehung zu irgendwelchen spiritistischen Elementen zu setzen. Die vorgetäuschte »Geisterszene« - der Blinde erscheint mit seinen zwei Fackeln im Dunkel der Nacht in der Tat wie ein Geist - stützt sich auf den »Aberglauben (!) der Beni Khalid« (206). Wichtig ist hier, daß sich der Münedschi in dieser Szene durchaus nicht in einem visionären Zustand befindet, sondern dieses Spiel bei vollem Bewußtsein mitmacht, wodurch eine deutliche Abgrenzung zu seinen Visionen erreicht wird. Stolte weist auf andere Beispiele hin, in denen der Aberglaube »an Geistererscheinungen als Betrugsmanöver« entlarvt wird (z.B. »Im Gespensterhaus« aus »Im Lande des Mahdi« oder »Das Buschgespenst« aus »Der verlorene Sohn«) (237). Der »verulkte Hokuspokus«, den May vorführt - sicher eine Reminiszenz an die erlebten Séancen -, zeigt auch wiederum, welche kritische Einstellung May zum Spiritismus gehabt haben dürfte und dokumentiert ein doch eher spöttisches Verhältnis zu dieser Lehre. (238)
»Am Jenseits« lebt im starken Maße vom Glauben, vom Glauben an Gott, an das Gottesgericht, an die Auferstehung. Dies sind natürlich Dinge - und hier befinden wir uns wieder im Konflikt Glaube / Wissenschaft -, die nicht wissenschaftlich, logisch nachzuweisen sind. Für die Existenz Gottes gibt es keinen naturwissenschaftlichen
Beweis (umgekehrt gibt es natürlich auch keinen Beweis der Nicht-Existenz). Bei allen religiösen Themen muß die wissenschaftliche Methodik letzten Endes auf der Strecke bleiben. Gerade darum kreist auch »Am Jenseits«: um die Unzulänglichkeit, ja, Unbrauchbarkeit der Wissenschaft, des Materialismus, in Gott betreffenden Fragen. Was allerdings eindeutig existiert, sind die Wege der Erkenntnis, um zu Gott zu gelangen. May deutet im Werk kontinuierlich darauf hin, läßt seine Phantasiegestalten diese Wege suchen, mit mehr oder minder Erfolg schließlich auch finden (s. Khutab Agha, Abd el Idrak). Den »echten« Glauben stellt May dann so dar: »Der Gläubige ist in inniger Liebe mit Gott verbunden; er kennt ihn; er lebt in ihm; er wirkt durch ihn und mit ihm« (227). Das Erreichen dieses Glaubens ist nicht nur ein werkinterner Vorgang, sondern auch der Leser soll dieses Ziel zu erlangen versuchen. Doch in dieser Intention sieht May durchaus auch eine gewisse Ohnmacht - die Schranken des Dichters: »Und wenn ich auch mit Engelszungen redete und meine Bücher mit einer Engelsfeder schriebe, meine Worte würden doch erfolglos verklingen, bis die Zeit kommt, welche kommen wird und kommen muß, weil sie die Zeit der Verheißung ist. Es wird dann nur ein Hirte und eine Herde sein! Aber wann? Können wir denn nichts, gar nichts tun, diese Einigung herbeizuführen?!« (256).
Dieser Frage hat May durch seine Werke die Antwort gegeben!
Vom Ideal der Kunst wird bekanntlich die völlige Übereinstimmung von Form und Inhalt verlangt; demgegenüber zerfalle der Kitsch »in einzelne, aneinandergereihte und unverbundene Teile« (239), die lediglich auf Emotionsentwicklung, klischeehaftes Denken u.a. ausgerichtet seien.
Bezüglich Karl May scheint es ja üblich zu sein, seine Bücher (beim Spätwerk ist man mittlerweile vorsichtiger
geworden) von vornherein in den Topf mit dem Etikett »Trivialliteratur, Kitsch, Kolportage« zu werfen. Bei dieser Abqualifizierung verweist man besonders auf die »naive Schwarz-Weiß-Malerei«, auf den »einfältigen Wiederholungscharakter«, auf »stereotype Charaktere« u. a. m. Helmut Schmiedt hat sich mit dieser Problematik explizit auseinandergesetzt (240) und kommt zu dem Ergebnis, daß sich in Mays Werk Inhalt und Form »fast nahtlos« ergänzen, denn »nur in der permanenten Konfrontation mit dem Bösen kann das Gute seine Identität finden, und die historischen Verhältnisse, auf die May die Ansätze der Utopie projiziert, sind ohnehin zum Untergang verurteilt. So dient die Zukunftsperspektive nicht einem Ziel, sondern ist der Inhalt alles Geschehens, und die tektonischen Mittel, sie zu konstruieren, sind das Moment, das Form und Inhalt unlösbar verkoppelt« (241). Erst die Unmöglichkeit einer definitiven Lösung, des Erreichens der Utopie, erzwang somit eine Wiederholung bestimmter Motive. »Die "Verwobenheit", die das ästhetische Urteil von der Kunst verlangt, kennzeichnet Mays Werk: nicht an der planen Oberfläche freilich, aber in seinen internen Spannungen, seinen tragenden Fundamenten, auf die es deutlich genug verweist und die es immer wieder selbst thematisiert. Nichts ist zufällig, Produkt einer belanglosen Addition vereinzelter Teile; es herrscht eine strenge Kohärenz aller Elemente, die das große Spektrum der im Alltag herrschenden Krise in das Werk hineinziehen.« (242)
Volker Klotz wies auf die Parallelen der Mayschen Reiseerzählungen zu den mittelalterlichen höfischen Romanen hin, denn hier wie dort sei die Route »beweglich«. »Sie ist kein Weg, der schnurstracks auf ein bestimmtes, genau gewußtes, räumlich festgelegtes Ziel hinläuft. Vielmehr: Sinn und Ziel ergeben sich oft erst während der Reise, unvorhergesehene Ereignisse beeinflussen die Richtung, überwundene Hindernisse erzeugen neue Hindernisse ... « (243)
Bezüglich »Am Jenseits« treffen die typischen Merkmale der Mayschen Reiseerzählungen nur bedingt zu. Die Exposition zeigt im Vergleich zu anderen Werken deutliche Parallelen. So werden zu Beginn die Voraussetzungen, das Ziel und der Anlaß der Reise, die Begleitung u. ä. expliziert; durch eine unerhörte Begebenheit (das Zusammentreffen mit den Mekkanern) wird die gradlinig geplante Reise in andere Richtungen gelenkt. Es ist bereits kurz auf den Einfluß des Bandes »Durch Wüste und Harem« hingewiesen worden. Ebenso wie dieses Werk beginnt auch »Am Jenseits« mit einem um Glaubensfragen kreisenden und das Christentum herausstellenden Gespräch (mit humoristischen Einschüben) zwischen dem »Ich« und Halef. Abenteuerbeginn war dort das Auffinden einer Leiche - hier ist es nun der Scheintote, der jedoch - wie die Kapitelüberschrift schon andeutet - eine »Kijahma«, eine Auferstehung erfährt, die erst die Voraussetzung dafür schafft, daß sich das Buch von einem Abenteuercharakter löst. Gleichzeitig entsteht bei diesem Zusammentreffen die für Mays Werke so wichtige Konfrontation zwischen Gut und Böse. Diese Konfrontation wird im folgenden Geschehen nuanciert (Auftritt Khutab Aghas und Tawils), wobei der »Kanz el A'da« (s. Kapitelüberschrift!) zur wesentlichen Ursache von Konflikten wird, ja, diese erst verschärft. Höhepunkte sind die Visionen des Münedschi (hier aber primär für die philosophisch-religiöse Ebene) und der Scheintod Khutab Aghas (für die äußere Handlungsebene). Der Scheintod des Persers ist Höhepunkt der Macht, die »El Aschdar« (das Böse) ausübt. Dieser »Machtübernahme« folgt schließlich dennoch der Sieg des Guten - Tawil und Ben Abadilah werden getötet, der Münedschi in der Wüste ausgesetzt. Diese Konfrontation - die Konfliktbewältigung - entspricht dem dramatischen Aufbau. Schmiedt weist sehr richtig darauf hin, daß die Romane Mays »im Spannungsfeld zwischen geschlossener und offener Form« (244) stehen, denn Mays »Traumwelt strebt zur geschlossenen Form, zur glaubwürdigen Utopie, aber sie landet bei den Elementen der offenen Form, ohne sie zu akzeptieren« (245). Wir müssen hierbei Klotz' Bemerkungen über die offene und geschlossene Form des Dramas heranziehen: »Das geschlossene
Drama strebt danach, eine geistige Totalität zu vermitteln« ; beim offenen Drama drängt »die äußere Handlung ... über die Grenzen, die durch Anfang und Ende des Dramas gegeben sind, hinweg. Das Geschehen setzt unvermittelt ein, und es bricht unvermittelt ab.« (246)
»Am Jenseits« dokumentiert das Streben nach einer »glaubwürdigen Utopie« in aller Deutlichkeit. Utopisch ist der endgültige, vollständige Sieg des Guten, der Liebe; utopisch ist die Lösung des Mutter-, bzw. Vater-Konfliktes - es sind alles Träume, Kompensationen unbewältigter Realität. Diese Träume konnten niemals realisiert werden, die Handlungen der Werke Mays - getrieben von der Utopie - ließen somit keinen definitiven Abschluß finden. Deshalb aber auch die »durchweg zukunftsorientierte Erzählweise« (247), deshalb auch die große Anzahl von Vorausdeutungen, von Prophezeiungen. Aber auch die Phantasie hatte ihre »Grenzen« - wie der fragmentarische Charakter von »Am Jenseits«, das zu einer Zeit größter innerer Krisen Mays entstand, beweist. May hat das such treffend geschildert: »Es spielt an Grenzen. Mit dem nächsten, paßt auf, komme ich dann hinüber. Es wird heißen: "Im Jenseits".« (248) Er kam nicht hinüber - noch nicht! »Im Jenseits« hätte gleichzeitig auch die Erlösung der Konflikte, das Erreichen des Zieles bedeutet, und dies war in der Tat nicht auf der Erde, sondern nur im Jenseits möglich. Dorthin konnte jedoch nur der Tod führen! Auch wenn die Scheintode der Phantasiefiguren Möglichkeiten schaffen sollten, die endgültige Lösung konnten auch sie nicht bieten - was May sicher erkannt haben dürfte -, denn so wie das auch, blieb letztlich alles offen. Aber gerade weil das Werk kein definitives Ende bot, es gar nicht konnte, kann man es als »vollendet« betrachten.
»Am Jenseits« erhält seine Kraft nicht mehr aus abenteuerlichen Handlungen, sondern aus einer »geisterhaft durchhuschte(n) Galerie von schlicht-grandiosen, atemlos-dichten Bildern« (249), durch Reflexionen, Visionen, jenseitigen Schauspielen, die den Blick von den Prärien, Steppen und Wüsten auf höhere Ebenen und Weiten, auf Seelenlandschaften richten. Die Sprache dieser Jenseits-
schaubilder »befreit sich zu einer die Bedingungen der Realitatsabschilderung nicht mehr gebundenen Bildkraft« (250).
Alle typischen Kennzeichen früherer Reiseerzählungen werden nur noch zu »Versatzstücken«; der Umgang mit den alten, bekannten Abenteuermotiven scheint May nicht mehr so souverän zu gelingen - obwohl sie durchaus auftauchen. Nie war der »Vorrat wiederkehrender Motive« (251) - zu dem etwa »Flucht und Verfolgung«, »Anschleichen und Belauschen«, »Gefangennahme und Befreiung« gezählt werden können (252) - geringer. Klotz sieht gerade in diesen Tätigkeiten »Grund- und Bewegungsmotive, weil aus ihnen, abstrakt gesehen, die Grundvorgänge eines jeden Mayschen Romans sich zusammensetzen« (253). In »Am Jenseits« sind es primär die Motive »Flucht«, »Verfolgung«, »Gefangennahme«, »Befreiung«, die immer wieder neu aufgegriffen werden, keine neuen Handlungsmotive zulassen. (254) Auch Sachmotive wie »Schatz« oder »Blindheit« (obwohl diese Motive hier ganz anderen Ursachen entsprungen sein dürften) tauchten schon in früheren Werken öfter auf. (255) Dies sind sicherlich schwächen des Buches - May plagiiert sich nur noch selbst.
Wollschläger sagt jedoch zu Recht, daß »Am Jenseits« das erste Buch sei, »an dem May formal mit aller Kraft und Absicht gearbeitet« habe. (256) Er verweist hier insbesondere auf die »blockartig gefügten Kapitel« (257). Die Überschriften der vier Kapitel (»Eine Kijahma«, »El Kanz el A'da«, »El Mizan«, »El Aschdar«) haben dabei programmatische Funktion (258); sie zeigen leitmotivisch in aller Deutlichkeit, worum es in dem Werk geht: eine Abkehr von bunten Abenteuern (die Kapitelüberschriften früherer Reiseerzählungen waren da ganz in diesem Sinne konstruiert), hin zu Darstellungen von »höheren« Menschheitsproblemen, von Menschheitsschicksalen. »Alle Personen, Vorgänge, Schauplätze sind gleichsam auf Balance angelegt, haben einen doppelten Phänotypus: Vorstufe auch darin des Spätwerks, wo dieses Formprinzip bis zur Vervielfältigung erweitert und verkompliziert ist.« (259) Die Konfrontation der gegenüberstehenden Parteien zieht, mit einem relativ geringen »Personalaufwand«, kontinu-
ierlich den Leitfaden. Besonders die Anzahl der Gegner des »Ich« und seiner Begleiter ist erheblich reduziert, wodurch die Konfrontation wiederum verschärft, gesteigert wird. Da diese Gegner nicht vollständig besiegt werden, ist ein Ende nicht möglich. Es gibt nicht die »räumliche Aufwärtsbewegung« (260) früherer Abenteuerreisen, deren Handlungen oftmals aus der Tiefe zu Höhen, Gebirgen führten, denn die »Eroberung eines Berggipfels (setzt) den räumlichen Ereignissen ein räumliches und plausibles Ende« (261). Die Handlung in »Am Jenseits« ist ein »Auf-der-Stelle-Treten«, ohne größere Vorwärtsbewegung, alles endet dort, wo es begann: in der Wüste.
Eine Schwäche des Werkes besteht aber vor allem darin, daß May die verschiedenen Leseebenen nicht in ein System bringen konnte - dies zeigt wiederum den »Vorstufen-Charakter« des Buches. So laufen Handlungsebene und philosophisch-religiöse Ebene oftmals abgesetzt nebeneinander her, was z. B. auch dazu führt, daß es für die verschiedenen Ebenen auch verschiedene Höhepunkte gibt, die den kontinuierlichen Aufbau des Buches beeinträchtigen. Die Vision des Münedschi erscheint für den Handlungsaufbau doch äußerst isoliert, ebenso einige Reflexionen (s. z.B. die Wüstenbeschreibung des »Ich«, 95 ff.), die den Bezug zur Handlung zwar erahnen, jedoch nicht als zwingend erscheinen lassen. Ein Beispiel, in dem May versucht, beide Ebenen zur Kongruenz zu bringen, ist die Szene des Scheintodes Khutab Aghas. May hat hier die Absicht, die Macht des Christentums, der Liebe Gottes dadurch zu offenbaren, indem eine Bibel die tödliche Kugel von Khutab Agha abhält. Die Szene, die dabei jedoch ins Märchenhafte, sogar ins Komische gerät, läßt deutlich die Schwäche, die Schwierigkeit Mays erkennen, die philosophisch-religiöse Intention in die Handlung zu integrieren, in Übereinstimmung mit ihr zu bringen. Diese Einheit, die »Technik der Synchronisation« (262), sollte May erst in späteren Werken vollständig gelingen.
Die Stärken des Buches sind zweifelsohne die imaginären Darstellungen, die Jenseitsprojektionen, die Seelenbilder, die mit größter Vorstellungskraft dem Leser
vorgeführt werden. Hierin zeigt sich der »Hakawati«, der Seelenschreiber May, der, indem er explizit für die Seele schrieb, sie ansprach, mit einem unermeßlichen Bilderreichtum größte Wirkung und Kraft ausübte. May mußte den inneren Menschen treffen, wollte er seine didaktischen Intentionen verwirklichen, denn nur aus dem Inneren heraus kann sich Äußeres ändern, kann die Außenwelt befruchtet werden. »Nach innen geht der geheimnisvolle Weg. In uns oder nirgends ist die Ewigkeit mit ihren Welten, die Vergangenheit und Zukunft« heißt es bei Novalis (263). Dieser innere Weg war May wohl vertraut!
»Es ist die Aufgabe des begonnenen, gegenwärtigen Jahrhunderts, unsere ungeübten Augen für die große, erhabene Symbolik des alltäglichen Lebens zu schärfen und uns zu der beglückenden und erhebenden Erkenntnis zu bringen, daß es höhere und unbestreitbarere Wirklichkeiten gibt als diejenigen, mit denen der Werk- und Wochentag uns beschäftigt. Die Skizzen, die ich zeichnete und veröffentlichte, sollen der Vorbereitung zu dieser Erkenntnis dienen. Darum sind sie symbolisch geschrieben und um verstanden zu werden, nur bildlich zu nehmen.«
Karl May (264)
Der Symbol- und Allegoriegehalt wird immer wieder als das charakteristische Kennzeichen des Mayschen Spätwerks herausgestellt. Diese späten Werke »unterscheide(n) sich von den Reiseerzählungen vor allem dadurch, daß ein über die Handlungsebene hinausgehender Bedeutungsgehalt hinzutritt, der Mays veränderter Intention entspricht« (265). Setzen wir diese Feststellung als Prämisse, die über die Einordnung von »Am Jenseits« entscheidet, so muß das Werk - wie die Interpretation gezeigt hat - dem Spätwerk zugerechnet werden. Beckers Bemerkung, daß man dieses Buch noch nicht zu den symbolischen Romanen zählen kann, »da die weltanschaulichen Aussagen relativ unverschlüsselt und formal stark abgegrenzt von der Handlungsebene sind« (266), muß hier korrigiert, bzw. ergänzt werden.
Sowohl der Symbol- als auch der Allegorie-Begriff werden in Verbindung zum Mayschen Spätwerks oftmals relativ unreflektiert gebraucht. Charakterisierungen dieser Werke sollen dann die Symbolik und Allegorik implizieren - die Eigenart beider Begriffe bleibt dabei jedoch häufig unberücksichtigt. Der wechselseitige Gebrauch dieser Termini erweckt den Anschein, als ob sie kongruent, gleichwertig seien. (267) Auf eine Differenzierung wies Goethe deutlich hin; seine theoretischen Bestimmungen gelten als grundlegend für die Symbolforschung. In den »Maximen und Reflexionen« heißt es: »Die Allegorie verwandelt die Erscheinung in einen Begriff, den Begriff in ein Bild, doch so, daß der Begriff im Bilde immer noch begrenzt und vollständig zu halten und zu haben und an demselben auszusprechen sei. - Die Symbolik verwandelt die Erscheinung in Idee, die Idee in ein Bild, und so, daß die Idee im Bild immer unendlich wirksam und unerreichbar bleibt und, selbst in allen Sprachen ausgesprochen, doch unaussprechlich bliebe.« (268) Und Schelling: »Diejenige Darstellung ... , in welcher das Besondere das Allgemeine bedeutet, oder in welcher das Allgemeine durch das Besondere angeschaut wird, ist allegorisch ... , wo weder das Allgemeine das Besondere, noch das Besondere das Allgemeine bedeutet, sondern wo beide absolut eins sind, ist das Symbolische.« (269) »Die Allegorie ist nie an sich von Wert und Funktion, sondern weist immer auf etwas anderes hin. Bild und Sinn treten auseinander, sind auswechselbar.« (270)
May verstand sich im Alter explizit als symbolischer Schriftsteller, seine Reiseerzählungen »sollten bildlich, sollten symbolisch sein. Sie sollten Etwas sagen, was nicht auf der Oberfläche lag« (271). Er dachte hier sicher an eine Symbolik, bei der - wie Goethe sagt - »das Besondere das Allgemeine repräsentiert, nicht als Traum und Schatten, sondern als lebendig-augenblickliche Offenbarung des Unerforschlichen« (272). So sah Goethe »in der Natur die Offenbarungsstätte Gottes und sprach in Symbolen das Göttliche aus, denn das Auge des Dichters war für ihn Organ und Spiegel des Göttlichen« (273).
Durch das Symbol findet also eine Ineinander-Spiegelung vom sinnlichen und übersinnlichen Teil, die zusammen eine untrennbare kosmische Einheit bilden, statt. Die Symbolschaffung ist für den Dichter damit »ein Akt der künstlerischen Weltbewältigung. Er sucht im Bild die Spannung von konkreter und abstrakter Welt zu überwinden, das scheinbar Zufällige ins Gültige zu erheben, die der Wirklichkeit immanente ewige Wahrheit so sichtbar zu machen... « (274)
Ein Charakteristikum der Spätwerke Mays ist die Doppelbödigkeit der Handlung, die Verwobenheit von konkreter und abstrakter Welt. Für May war dabei jeder Bedeutungsgehalt, der über die konkrete, sinnliche Welt hinausging, symbolisch.
Wollschlägers Modell einer symbolischen Schichtung zum »Silbernen Löwen« - er unterscheidet Symbolik (»archaisches Material«), Allegorie (»jüngeres, vorwiegend ödipales Material«) und Verschlüsselung (»jüngstes Erlebnis-Material«) (275) - beweist die Komplexität des »Symbolischen« in Mays Alterswerk. Dieses Gliederungsmodell läßt sich auch für die Interpretation von »Am Jenseits« verwenden.
Symbolik und Allegorie treten bei May mit fließenden Grenzen in Erscheinung. Wollschläger bezeichnet »Am Jenseits« als »allegorisches System« (276), und in der Tat kann man das Geschehen auf der Handlungsebene - in der Wüste -, das auf die philosophisch-religiöse und die autobiographische Ebene hinweist, dem allegorischen Begriff zuordnen. So personifizieren etwa Figuren (z.B. El Ghani, Tawil, der Münedschi) einen bestimmten Gedanken (Gewalt, Hinterlist, Sündhaftigkeit etc.); ähnlich verhält es sich bei einigen Gegenständen. Daneben haben die Handlungen, das Personal und die Sachmotive aber auch die wichtige Funktion autobiographischer Konfliktbewältigung, Der Grund für die Allegorisierung, für die Verschlüsselungen, läßt sich aus der Bedeutung des Mayschen Schreibprozesses ableiten, in dem alles nach Bewältigung bewußter und unbewußter Probleme drängte. Das autobiographische Material konnte und durfte für May niemals einer Oberdeutlichkeit ausgeliefert werden, wollte
die Phantasie ihr erlösendes Moment nicht verlieren. Das direkte Schöpfen aus dem Unterbewußtsein ist gerade dadurch gekennzeichnet, daß es die ordnenden Bewußtseinskontrollen überspringt und sie außer Kraft setzt. Auch hinsichtlich Mays philosophisch-religiöser Weltanschauung waren Symbolik und Allegorie Hilfsmittel; sie zeigen Mays Schwierigkeit an, Abstrakta zu fassen. Darum verlief die Darstellung abstrakter Gedanken über den Umweg des Gleichnisses, des Bildes; es war eine »Umschreibung« des »Eigentlichen«, des im Innern liegenden »Rohmaterials«. Mays Intention, seine »psychologischen Rätsel« auf diese Weise »interessanter« und »anschaulicher« zu machen (277), war sicher eine Überschätzung - wir haben gesehen, wie diffizil es ist, die Mayschen »Rätsel« zu lösen. Wenn Wollschläger unter Symbolik »archaisches Material« (277a) versteht, dann wird aber deutlich, wo die Beziehungen zwischen Autor und Leser letztlich geknüpft werden, wo der Akt der Verständigung unwillkürlich eintreten muß: in der Seele.
Mays Symbol- und Allegorieschaffung ist stark von religiösen Vorstellungen, die eng mit seiner (vor allem inneren) Biographie zusammenhängen, geprägt. (278)
Man mag May heute »frömmelnde Naivität« vorwerfen, doch darf nicht vergessen werden, daß er zu seiner Zeit die Kraft Gottes am eigenen Leib erfahren hatte; sie machte ihn mit vollster Überzeugung zum energischen Verfechter des christlichen Glaubens. Sein persönliches Beispiel wurde ihm zum Zeichen, zum Mahnmal für die Menschheit allgemein: »Das Karl May-Problem ist das Menschheitsproblem, aus dem großen, alles umfassenden Plural in den Singular, in die einzelne Individualität transponiert.« (279) Er sah in seinem Fall ewige, göttliche Gesetze, die somit auch immer den Hintergrund für sein literarisches Schaffen bilden mußten.
In einem weit größeren Rahmen als es zur Zeit der Entstehung von »Am Jenseits« der Fall war, ist heute der gewaltige Einfluß von Wissenschaft und Technik für den Umsturz alter Vorstellungen, alter Mysterien, verant-
wortlich zu machen. Denn bedeutet der technische Fortschritt, die Überwindung des Raumes, nicht gleichzeitig auch ein Verlust der in »Am Jenseits« propagierten Überwelt? Ja, ersetzt heute die exakte Wissenschaft nicht gar den Glauben - bildet vielmehr eine Art neuen Glaubens? Und welche Bedeutung haben Gefühlswerte gegenüber einem kalten, messerscharfen Verstand?
Der Sinn der Mayschen Symbolik ist in erster Linie der Ausdruck einer heiligen Wirklichkeit - nur, inwieweit ist dieser Sinn auch heute noch existent? »Die Funktion des Symbols ist verbindend; es verbindet nicht nur die Teile der Dichtung untereinander, sondern es schafft auch Verbindung zwischen Autor und Leser, solange die Weltsicht des Dichters mit der des Lesers übereinstimmt« (280) (Hervorhebung von mir).
Nun sind die traditionellen Symbole primär durch die Religion festgelegt, und hier nennt C. G. Jung genau die Ursachen für einen möglichen Symbolverlust - impliziert dabei auch die Problematik von »Am Jenseits«: »Wenn wir die Tatsache in Betracht ziehen, daß die Gottesidee eine "unwissenschaftliche" Hypothese ist, können wir uns leicht erklären, warum die Menschen verlernt haben, in dieser Richtung zu denken. Und sogar, wenn sie einen gewissen Glauben an Gott hegen, würden sie von der Idee des Inneren Gottes durch ihre religiöse Erziehung, welche diese Idee immer als "mystisch" entwertet hat, abgeschreckt. Es ist jedoch gerade diese "mystische" Idee, welche durch Träume und Visionen (!) dem Bewußtsein aufgedrängt wird.« (281) So wie sich die Zeit, die Umwelt, die Gesellschaft wandelt, wodurch der Dichter geprägt ist, verändern sich auch Symbole. Aber »jedem Symbol ist durch seinen Charakter und seine Eigenschaften auf der natürlichen oder geschichtlichen Ebene, auf die eine Hälfte seines Wesens gehört, ein bestimmter Deutungs- und Beziehungsbereich zugewiesen, über den weder Dichter noch Deuter sich hinwegsetzen können« (282). Die Psychoanalyse (s. Jung) hat hier auf den archetypischen Charakter der Symbole hingewiesen (283); die Ähnlichkeit archetypischer Bilder beruht dabei »auf der Struktureinheit der Seele, nicht auf literarischer Übernahme« (284).
Hierin scheint auch die Ursache zu liegen, daß die Werke
Mays - trotz aller Bedenken und Einwände, trotz des kritisierten Dualismus und der Wiederholung der Motive - immer wieder gefesselt haben und auch heute noch ihren Reiz ausüben. Es sind archetypische Bilder, die May aus dem tiefsten Unterbewußtsein hervorholt, »elementare Not der Seele: die Basis alles Tragischen, das nicht aufhört, Furcht und Mitleid immer neu zu entbinden« (285). Diese seelischen Projektionen stellen uralte, zeitlose Menschheitskonflikte dar - »Am Jenseits« macht das äußerst deutlich. »Mit der Seele gesucht und gesehen sind alle Bilder in diesem "Jenseits" ... « (286) - mit der Seele müssen diese Bilder auch wiederum vom Leser erschaut werden, wollen sie überhaupt aufgenommen, erfaßt werden. Vor dem Hintergrund der philosophischen und religiösen Reflexionen, der Visionen, die die Handlung immer wieder durchsetzen, dabei zum notwendigen Gegengewicht werden, kommt dem Geschehen eine geradezu beklemmende Wirkung bei. Die höheren Wahrheiten und Wirklichkeiten, welche nur aus den Tiefen der Seele entstehen können, zeigen erst die wahre Bedeutung der Realität, des Diesseits - und dies gilt nicht nur für die »Realität« im Buch; die visionären Geheimnisse machen erschreckend deutlich, wie entfernt auch der Leser von diesen »Wahrheiten« ist!
»... Es gibt wenige "psychologische" Bücher, in denen mit gleicher Souveränität das Innere objektiviert ist « (287)
Mit dieser Feststellung verweist Wollschläger auf die Besonderheit, auf das artifizielle Moment des Werkes »Am Jenseits«. Aus diesem Blickwinkel heraus muß das Buch beurteilt werden, gerade hierin besteht letztlich auch die Differenz zu früheren Werken. »Am Jenseits« lebt von »innen heraus«, d. h., um dieses Buch weitestgehend zu erfassen, reicht es nicht, Oberflächenstrukturen darzustellen, sondern es muß in die Tiefe eingedrungen werden; es müssen die verschiedenen unterschichtigen Ebenen herausgestellt werden, denn nur auf diese Weise kann man dem Werk gerecht werden. Dieses wurde
in der vorliegenden Arbeit versucht.
Die literarische Bedeutung des Buches liegt darin, daß May es vermochte, seine ureigensten Ängste, Konflikte und Probleme - die die eigentlichen Antriebsmotoren sind -, in mannigfaltigen Variationen und mit den unterschiedlichsten Nuancen, mehr oder weniger verschlüsselt darzustellen, den Drang des Inneren nach Außen schriftstellerisch zu bewältigen. Daß das Buch in dieser Umsetzung im Vergleich zum späteren Werk auch seine Schwächen zeigt, ist nur die folgerichtige »Konsequenz des seelischen Stoffes« (288), des inneren Kampfes, dem May besonders zur Zeit der Entstehung von »Am Jenseits« ausgesetzt war.
Wenn C. G. Jung davon spricht, daß das Wesen des Kunstwerks darin bestehe, »daß es sich weit über das Persönliche erhebt und aus dem Geist und dem Herzen und für den Geist und das Herz der Menschheit spricht« (289), so liegt hierin auch die Intention von »Am Jenseits«. Die Mehrdimensionalität, hervorgerufen durch die verschiedenen Leseebenen, schuf aus persönlichen Abrechnungen menschliche Problembewältigungen, die jeden Leser angehen, ja, angehen müssen. Mays eigene Seelenbilder sind gleichzeitig Menschheitsbilder. »Jeder schöpferische Mensch ist eine Dualität oder eine Synthese paradoxer Eigenschaften. Einerseits ist er menschlich-persönlich, andererseits aber unpersönlicher, menschlicher Prozeß.« (290)
Diese Synthese läßt sich im Werke Mays in aller Deutlichkeit erkennen.
Als »Jubiläumsband« XXV der »Gesammelten Reiseerzählungen« war »Am Jenseits« direkt für die Buchausgabe vorgesehen. Das Buch erschien aber erst nach den Bänden XXVI und XXVII (»Silberlöwe« I u. II). (291)
Ein erster Entwurf, noch unter dem alternativen Titel »Vom Tode erstanden«, entstand im Mai 1898. Mit dem Manuskript dürfte May wahrscheinlich im Oktober 1898 begonnen haben (292); in einzelnen Raten ging es direkt an die Hoffmannsche Buchdruckerei in Stuttgart. Am 15. 3. 1899 wurde die letzte Lieferung abgeschickt; Mays große Orientreise begann am 26. 3. 1899.
Die Erstausgabe aus dem Jahre 1899 (Fehsenfeld, GR XXV) ist der einzige authentische Text; sie gilt als Ausgabe letzter Hand (Umfang 594 Seiten, 9 Auflagen, bis zum 60. Tausend (293)).
1922 wurde der Text durch E. A. Schmid stark bearbeitet, erschienen im Karl-May-Verlag, Radebeul. Diese Ausgabe war im Vergleich zur Fehsenfeld-Ausgabe erheblich gekürzt: statt 594 Seiten wies sie nunmehr nur noch 494 Seiten auf.
Nach 4 Auflagen (bis zum 100. Tsd.) gab es nach dem Krieg eine nochmalige Überarbeitung (durch Ludwig Patsch), die dann später in die Bamberger Reihe »Karl Mays Gesammelte Werke« als Band 25 aufgenommen wurde. Diese, wie auch die nachfolgenden Lizenzausgaben, sind samt und sonders für Forschungszwecke unbrauchbar.
Die heutige Ausgabe des Pawlak-Verlages (Karl May, Reiseerzählungen in Einzelausgaben. Bd. 19. Herrsching o.J.) entspricht dem ungekürzten Text der Fehsenfeld-Ausgabe, ist somit für die Forschung brauchbar.
1 Regensburg 1976 ff. Weitere Werkanalysen:
Engelbert Botschen: Die Banda Oriental - ein Umweg zur Erlösung. In: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft (künftig abgekürzt: JbKMG) 1979. Hamburg 1979. S. 186 ff.
Walther Ilmer: Karl May auf halbem Wege. Mannigfaches zur hochbrisanten, »hochinteressanten« Erzählung »El Sendador«. In: JbKMG 1979; a.a.O.. S.213 ff.
Friedhelm Munzel: Karl Mays Erfolgsroman »Das Waldröschen«. Hildesheim 1979.
Dieter Sudhoff: Karl Mays »Winnetou IV«. Studien zur Thematik und Struktur. Ubstadt 1981.
2 Vgl. Claus Roxin: »Dr. Karl May, genannt Old Shatterhand«. Zum Bild Karl Mays in der Epoche seiner späten Reiseerzählungen. In: JbKMG 1974. Hamburg 1973. S. 15 ff.
3 Vgl. Sibylle Becker: Karl Mays Philosophie im Spätwerk. Ubstadt 1977; Wolfgang Wagner: Der Eklektizismus in Karl Mays Spätwerk. Sonderheft der Karl-May-Gesellschaft Nr. 16. Hamburg 1979.
4 Aniela Jaffé: Bilder und Symbole aus E. T. A. Hoffmanns Märchen »Der Goldene Topf«. In: C. G. Jung: Gestaltungen des Unbewußten. Zürich 1950. S.239.
5 Vgl. etwa Arno Schmidt: Sitara und der Weg dorthin. Eine Studie über Wesen, Werk und Wirkung Karl Mays. Frankfurt/M. 21974. S. 16; Sibylle Becker: Karl Mays Philosophie im Spätwerk; a.a.O.. S. 5.
6 Abgedruckt bei Hans Wollschläger: Karl May. Grundriß eines gebrochenen Lebens. Zürich 1976. S. 83.
7 ebda. S. 84.
8 ebda. S. 91.
9 Vgl. Hans Wollschläger: »Die sogenannte Spaltung des menschlichen Innern, ein Bild der Menschheitsspaltung überhaupt«. Materialien zu einer Charakteranalyse Karl Mays. In: JbKMG 1972/73. Hamburg 1972. S. 11 ff.; Claus Roxin: »Dr. Karl May... «; a.a.O.
10 Claus Roxin: »Dr. Karl May... «; a.a.O. S. 42.
11 ebda.
12 ebda. S. 43.
13 Wolf-Dieter Bach: Fluchtlandschaften. In: JbKMG 1971. Hamburg 1971. S. 41.
14 Hans Wollschläger: »Die sogenannte Spaltung ... «; a.a.O.. S. 13.
15 Claus Roxin: »Dr. Karl May ... «; a.a.O.. S. 51.
16 Vgl. etwa Old Wabble aus »Old Surehand« oder Hiller aus »Weihnacht«.
17 Claus Roxin: »Dr. Karl May... «; a.a.O.. S. 56.
18 Vgl. Hainer Plaul: Der Sohn des Webers. Über Karl Mays erste Kindheitsjahre 1842-1848. In: JbKMG 1979; a.a.O.. S.12 ff.; Hans Wollschläger: »Die sogenannte Spaltung ... «; a.a.O.
//110//
19 Vgl. Hainer Plaul: Der Sohn des Webers; a.a.O.. S. 36.
20 ebda. S.37.
21 Hans Wollschläger: »Die sogenannte Spaltung... «; a.a.O.. S. 43 f.
22 Zur weiteren Beschäftigung darf ich verweisen auf: Sigmund Freud: Zur Einführung des Narzißmus. In: S. Freud, Studienausgabe Bd. III. Psychologie des Unbewußten. Frankfurt/M.. 1975. S. 39 ff.
23 Hans Wollschläger: »Die sogenannte Spaltung ... «; a.a.O.. S. 16 f.
24 ebda. S. 17.
25 Sigmund Freud: Zur Einführung des Narzißmus; a.a.O.. S. 60 f.
26 Hans Wollschläger: »Die sogenannte Spaltung... «; a.a.O.. S. 39 f.
27 ebda. S. 49.
28 Vgl. ebda. S. 47 ff.
29 ebda. S. 56.
30 Abgedruckt bei Hans Wollschläger: Karl May; a.a.O.. S. 104.
31 Hans Wollschläger: »Die sogenannte Spaltung ... «; a.a.O.. S .18.
32 Martin Lowsky: Alterswerk und »Wilder Westen«. Überlegungen zum Bruch in Mays Werk. In: Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft (künftig abgekürzt: M-KMG) 36. Juni 1978. S. 5.
33 Sibylle Becker: Karl Mays Philosophie im Spätwerk; a.a.O.. S. 5.
34 Claus Roxin: »Dr. Karl May... «; a.a.O. S 56.
35 Sibylle Becker: Karl Mays Philosophie im Spätwerk; a.a.O.. S. 5.
36 Vgl. Hans Wollschläger: Der »Besitzer von vielen Beuteln«. Lese-Notizen zu Karl Mays »Am Jenseits« (Materialien zu einer Charakteranalyse II). In: JbKMG 1974; a.a.O.. S. 153 ff.
37 ebda. S.155 f.
38 Brief Mays an Fehsenfeld von 30. 7. 1903. Abgedruckt bei H. Wollschläger: Karl May; a.a.O.. S. 89.
39 Faksimiliert in: 25 Jahre Karl-May-Verlag. Radebeul 1938. S. 11 .
40 Hans Wollschläger: Der »Besitzer von vielen Beuteln«; a.a.O.. S. 167. Franz Kandolfs Fortsetzungsversuch von »Am Jenseits« (Bd. 50 der Radebeuler und Bamberger Gesammelten Werke) war hier lediglich »gut gemeint« (Wollschläger) gewesen.
41 ebda.
42 C. G. Jung: Gestaltungen des Unbewußten; a.a.O.. S. 27.
43 Hans Wollschläger: »Die sogenannte Spaltung ... «; a.a.O.. S. 13.
44 Antwort an die »Frankfurter Zeitung«. Abgedruckt in: JbKMG 1974; a.a.O.. S. 134.
//111//
45 Jolan Jacobi (Hrsg.): Psychologische Betrachtungen. Eine Auslese aus den Schriften von C. G. Jung. Zürich 21949. S.12.
46 Diese Theorie, die auf Freud zurückgeht, wird jedoch von C. G. Jung relativiert: »Die persönliche Psychologie des Schöpfers erklärt zwar manches an seinem Werke, aber nicht dieses selbst.« (C. G. Jung: Gestaltungen des Unbewußten; a.a.O.. S. 6.)
47 Sigmund Freud: Der Dichter und das Phantasieren. In: S. Freud, Studienausgabe Bd. X. Bildende Kunst und Literatur. Frankfurt/M. 41969. S. 177 f.
48 Karl May: Mein Leben und Streben. Hildesheim, New York 1975. (künftig abgekürzt: L&S). S. 211.
49 ebda. S. 209.
50 a.a.O.. S. 173 f.
51 Hans Wollschläger: »Die sogenannte Spaltung ... « ; a.a.O.. S.13.
52 Vgl. Hartmut Vollmer: »Weihnacht« - ein »Erlösungswerk« Karl Mays. In: M-KMG 46. Dezember 1980. S. 3 ff.
53 Hans Wollschläger: »Die sogenannte Spaltung ... «; a.a.O.. S. 13.
54 ebda.
55 Vgl. Hans Wollschläger: Der »Besitzer von vielen Beuteln«; a.a.O. Diese Analyse ist für die Behandlung der Ebene II als grundlegende Arbeit anzusehen.
56 Vgl. z.B. auch Abrahim Mamur aus »Giölgeda Padishanün«.
57 Hans Wollschläger: »Der Besitzer von vielen Beuteln«; a.a.O.. S. 156.
58 ebda. S.157. Vgl. dazu L&S. S.13 ff.
59 Hans Wollschläger: Der »Besitzer von vielen Beuteln«; a.a.O.. S. 157 f.
60 Martin Lowsky: Problematik des Geldes in Karl Mays Reiseerzählungen. In: JbKMG 1978. Hamburg 1978. S. 135.
61 L&S. S. 13. S.a. Hainer Plaul: Der Sohn des Webers; a.a.O.. S. 28 ff.
62 L&S. S. 17.
63 ebda. S. 18.
64 Schon in »Weihnacht« machte May seinen Vater für die verlorene Jugend deutlich verantwortlich; vgl. Hartmut Vollmer: »Weihnacht«; a.a.O.
65 L&S. S. 9.
66 ebda. S. 10.
67 Vgl. ebda. S. 43 f.
68 Hans Wollschläger: Der »Besitzer von vielen Beuteln«; a.a.O.. S. 160.
69 L&S. S. 80 f.
70 Vgl. Hainer Plaul: Der Sohn des Webers; a.a.O.. S. 34.
71 L&S. S. 31.
72 In der Selbstbiographie läßt May seine Großmutter
//112//
sagen: »Man hat dich herabgeworfen in das ärmste, schmutzigste Ardistan. Aber man wird dich finden; denn wenn alle, alle dich vergessen, Gott hat dich nicht vergessen« (L&S. S.31.).
73 Hans Wollschläger: Der »Besitzer von vielen Beuteln«; a.a.O.. S. 167.
74 Hans Wollschläger: Karl May; a.a.O.. S. 15.
75 L&S. S. 20.
76 ebda. S. 32.
77 ebda. S. 20.
78 ebda. S. 26.
79 Siehe dazu Hans Wollschläger: Karl May; a.a.O.. S. 102 f.
80 Jolan Jacobi (Hrsg.): Psychologische Betrachtungen; a.a.O.. S.110.
81 L&S. S. 9.
82 Abgedruckt in: JbKMG 1970. Hamburg 1970. S. 110 f.
83 Hans Wollschläger: Der »Besitzer von vielen Beuteln«; a.a.O.. S. 156.
84 Vgl. Hans Wollschläger: »Die sogenannte Spaltung ... «; a.a.O.. S. 22 ff.
85 L&S. S. 166 f.
86 »... ein Kind von noch nicht vier Jahren« (»Die sogenannte Spaltung ... «; a.a.O.. S. 23.).
87 Vgl. L&S. S. 178 f.
88 ebda. S. 178.
89 4-Seiten-Manuskript, 1932. Abgedruckt bei: Hans Wollschläger: »Die sogenannte Spaltung... «; a.a.O.. S. 50.
90 ebda. S. 51.
91 Die »Seelenblumen« bekamen im Alterswerk Mays eine zentrale Bedeutung.
92 Mit Einschränkung auch in Abd el Idrak.
93 Hans Wollschläger: Der »Besitzer von vielen Beuteln«; a.a.O.. S. 166.
94 Vgl. ebda. S. 159.
95 Wolfgang Wagner: Der Eklektizismus in Karl Mays Spätwerk; a.a.O.. S. 4.
96 Vgl. Klaus Hoffmann: Karl May als »Räuberhauptmann« oder Die Verfolgung rund um die sächsische Erde. Karl Mays Straftaten und sein Aufenthalt 1868 bis 1870, l. Teil. In: JbKMG 1972/73; a.a.O.. S. 234 f.
97 Hans Wollschläger: Der »Besitzer von vielen Beuteln«; a.a.O., S. 166.
98 ebda.
99 Siehe z.B. die Bedeutung der Pferde im »Silbernen Löwen« und in »Winnetou IV«.
100 Ingrid Bröning: Die Reiseerzählungen Karl Mays als
//113//
literaturpädagogisches Problem. Ratingen, Kastellaun, Düsseldorf 1973. S. 138.
101 ebda.
102 Vgl. Hans Wollschläger: Der »Besitzer von vielen Beuteln«; a.a.O.. S. 170, Anm. 76. In der Pawlak-Ausgabe wird dieser Fehler durchweg beibehalten.
103 ebda.
104 ebda. S. 155.
105 Euchar Albrecht Schmid: »Symbolik«. In: »Ich«. Karl Mays Leben und Werk. Bamberg 271968 (186. Tsd.). S. 394.
106 Martin Lowsky: Alterswerk und »Wilder Westen«; a.a.O.. S. 3 f.
107 ebda. S.4.
108 Schon die frühe Traktatensammlung »Geographische Predigten« (1875) zeigt eine didaktische Intention Mays; man muß aber Wollschläger recht geben, wenn er hier eher den Einfluß des Umganges mit Konversationslexika sieht (vgl. H. Wollschläger: Karl May; a.a.O.. S. 49.).
109 Antwort an die »Frankfurter Zeitung«; a.a.O.. S. 135.
110 Abgedruckt bei Hans Wollschläger: Karl May; a.a.O.. S. 88.
111 Vgl. Euchar Albrecht Schmid: »Symbolik«; a.a.O.. S. 394 ff.
112 ebda. S. 394.
113 L&S. S. 144.
114 ebda. S. 210 f. Es erscheint mir sicher, daß die Figur Halefs grundsätzlich ein Selbstporträt Mays ist.
115 Hans Wollschläger: Karl May; a.a.O.. S. 130.
116 May: Aphorismen über Karl May. Unveröffentlichtes Manuskript (KMV). Abgedruckt bei Hans Wollschläger: Karl May; a.a.O.. S. 130.
117 Vgl. L&S. S. 144 u. 209.
118 Heinz Stolte: Der Volksschriftsteller Karl May. Beitrag zur literarischen Volkskunde. Radebeul 1936. S. 79.
119 Man beachte hier auch den Einfloß Jakob Boehmes auf die Romantiker. Boehme weist darauf hin, daß die »sichtbare Welt mit ihrem Wesen« ein »Gleichnis der unsichtbaren geistlichen Welt« sei, »welche in der sichtbaren Welt verborgen ist, wie die Seele im Leibe und (wir) sehen daran, daß der verborgene Gott allem nahe und durch alles ist und dem sichtbaren Wesen doch ganz verborgen« (Vorrede zu »Mysterium Magnum«. In: J. Boehme, Werke Bd. V. Leipzig 1843. S. 3.).
120 Sibylle Becker: Karl Mays Philosophie im Spätwerk.; a.a.O.. S. 57.
121 Karl May Der Mir von Dschinnistan. Regensburg 1976. S. 90 .
122 ebda. S. 167.
123 Karl May: Wiener Rede. Zit. nach Ekkehard Bartsch: Karl Mays Wiener Rede. Eine Dokumentation. In: JbKMG
//114//
1970; a.a.O.. S. 54.
124 Martin Lowsky: Alterswerk und »Wilder Westen«; a.a.O.. S. 9.
125 Hans Wollschläger: Der »Besitzer von vielen Beuteln«; a.a.O.. S. 154.
126 Nachbemerkung des Karl-May-Verlages. In: Karl May: Ardistan. Bamberg 1967 (145. Tsd.). S. 636.
127 L&S. S. 209.
128 Paul Wilhelm: »Neues Wiener Journal«, 2. 4. 1912. Abgedruckt in: JbKMG 1970; a.a.O.. S. 91.
129 Ernst Aeppli: Der Traum und seine Deutung. Erlenbach, Zürich, Stuttgart 31963. S.285.
130 Karl May (Hrsg.): Schacht und Hütte. Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für Berg-, Hütten- und Maschinenarbeiter. Hildesheim, New York 1979. S. 157.
131 ebda.
132 ebda.
133 Man vergleiche hier die Charakterisierungen der Großmutter in L&S!
134 Karl May (Hrsg.): Schacht und Hütte; a.a.O.. S. 141.
135 ebda.
136 Vgl. Rainer Jeglin: Karl May und die Armenier. In: M-KMG 6. Dez. 1970. S. 20 ff. M-KMG 7. März 1971. S. 22 ff.
137 L&S. S. 147.
138 Karl May: Der Mir von Dschinnistan; a.a.O.. S. 109.
139 Das belegen etwa auch zahlreiche Stellen in den Reiseerzählungen Mays. S. a. Fotos 318, 319, 322 in: G. Klußmeier/H. Plaul (Hrsg.): Karl May. Biographie in Dokumenten und Bildern. Hildesheim, New York 1978. S. 141 ff.
140 Abgedruckt bei Hans Wollschläger/Ekkehard Bartsch: Karl Mays Orientreise 1899/1900. Dokumentation. In: JbKMG 1971; a.a.O.. S. 181.
141 L&S. S.148.
142 E. A. Schmid: »Symbolik«; a.a.O.. S. 394.
143 s. Abbildung 24/25 in: Hansotto Hatzig: Karl May und Sascha Schneider. Dokumente einer Freundschaft. Bamberg 1967.
144 Auch die Seiten-Anordnung weist auf den Mittelpunktcharakter der Vision hin, verdeutlicht, daß sie sowohl Voraussetzung als auch Folge der übrigen Handlung ist.
145 L&S. S. 142.
146 Zu dieser Besonderheit s. Sibylle Becker: Karl Mays Philosophie im Spätwerk; a.a.O.. S. 8 ff.
147 Karl May: Wiener Rede; a.a.O.. S. 53.
148 Richard Hamann/Jost Hermand: Epochen deutscher Kultur von 1870 bis zur Gegenwart. Bd. 4, Stilkunst um 1900, Frankfurt/M. 1977. S. 9.
149 Die Urteils- oder Todesbrücke ist besonders auch durch ... //115//
150 Vgl. etwa: Sprüche, 11. Kap.; Römer 2,5 ff.; 2 Kor. 5,10.
151 Novalis: Schriften. Bd. II. Hrsg.: Paul Kluckhohn u Richard Samuel. Stuttgart 21965. S. 416 (15).
152 Abgedruckt in: M-KMG 33. September 1977. S. 3.
153 Karl May: Der Mir von Dschinnistan; a.a.O.. S. 6.
154 Novalis: Schriften. Bd. III. Hrsg.: Paul Kluckhohn u Richard Samuel. Stuttgart 21960. S. 248.
155 s. bes. die Frühromantiker Fichte, Schelling, Schleiermacher, Novalis.
156 Johann Wilhelm Ritter: Fragmente aus dem Nachlaß eines jungen Physikers. Heidelberg 1816. Fragment 629.
157 s. dazu auch: Harald Fricke: Karl May und die literarische Romantik. In: JbKMG 1981. Hamburg 1981. S. 11 ff.
158 Novalis: Schriften. Bd. II; a.a.O.. S. 395.
159 Novalis: Schriften. Bd. IV. Hrsg.: Paul Kluckhohn u Richard Samuel. Stuttgart 21975. S. 55.
160 L&S. S. 170.
161 ebda. S. 94.
162 ebda. S. 111.
163 Abgedruckt in: JbKMG 1971; a.a.O.. S. 130.
164 L&S. S. 95.
165 Vgl. z.B. S. 119.
166 ebda. S. 114.
167 ebda. S. 111.
168 ebda. S. 300.
169 E. A. Schmid: »Symbolik«; a.a.O.. S. 394.
170 Vgl. L&S. S. 147.
171 E. A. Schmid: »Symbolik«; a.a.O.. S. 395.
172 ebda.
173 ebda.
174 s. Richard Hamann/Jost Hermand: Stilkunst um 1900; a.a.O.. S. 77 ff.
175 Hermann Bahr: Die Überwindung des Naturalismus. In: Die deutsche Literatur. Ein Abriß in Text und Darstellung. Impressionismus, Symbolismus und Jugendstil. Hrsg.: Ulrich Karthaus. Stuttgart 1977. S. 126.
176 Das Matthäus-Evangelium bekommt für den Scheintod Khutab Aghas eine äußerst wichtige Bedeutung!
177 E. A. Schmid: »Symbolik«; a.a.O.. S. 395.
178 ebda.
179 In: Karl May: Das Zauberwasser und andere Erzählungen. Bamberg 1954. 43.-47. Tausend 1957. S. 315 ff.
180 Hans Wollschläger Der »Besitzer von vielen Beuteln«; a.a.O.. S. 158.
181 Helmut Klar: Karl Mays Farbpräferenzen. Farbpsychologische Interpretation seiner großen Romane 1898-
//116//
1908. In: M-KMG 41. September 1979. S. 7.
182 Vgl. ebda. S. 14.
183 ebda. S. 13 f.
184 ebda. S. 13.
185 ebda.
186 s. z.B. Abd el Fadl (Diener der Güte), Merhameh (Barmherzigkeit).
187 L&S. S. 143.
188 Sibylle Becker: Karl Mays Philosophie im Spätwerk; a.a.O.. S. 65.
189 May selbst hatte ja mit den Konfessionen einige Schwierigkeiten bekommen.
190 Wolfgang Wagner: Der Eklektizismus in Karl Mays Spätwerk; a.a.O.. S. 8.
191 ebda. S. 12.
192 Vgl. etwa das Leichengebet, 50 ff., oder 176 f.
193 z.B. Matthäus-Evangelium, 353 f.; Korintherbrief, 88, 132 f.
194 Walter Schönthal: Christliche Religion und Weltreligion in Karl Mays Leben und Werk. Sonderheft KMG Nr. 5. Hamburg 1976. S. 14. Engel haben jedoch auch im Islam - der bekanntlich vom Christentum einiges übernommen hat - eine wichtige Bedeutung: »Ein jeder Mensch hat seine Engel, die sich einander abwechseln und die vor und hinter ihm her gehen und auf Allahs Befehl ihn bewachen... « (13. Sure, Vers 12).
195 Ernst Seybold relativiert diese Feststellungen jedoch; s. Seybold: Wie katholisch ist May in seinen Marienkalendergeschichten? II. In: M-KMG 45. Sept. 1980. S. 39 f.
196 Karl May: Im Reiche des silbernen Lowen. Bd. III. Herrsching o. J. S. 339.
197 Auch das Titelbild Sascha Schneiders zu »Am Jenseits« stellt einen Engel dar (s. Tafel 20 in: Hansotto Hatzig: Karl May und Sascha Schneider; a.a.O.); ebenso das Deckelbild der ersten Fehsenfeld-Ausgabe (s. Titelblatt M-KMG 26. Dez. 1975).
198 Gemeint ist hier Marie Hannes; s. Anm. 23 bei Ozoroczy: Das zweite Ave Maria. Beitrag zur »Spätlese in Deidesheim«. In: M-KMG 26. Dez. 1975. S. 8.
199 Karl-May-Archiv. Abgedruckt bei Hans Wollschläger: Der »Besitzer von vielen Beuteln«; a.a.O.. S. 169, Anm. 19.
200 Amand v. Ozoroczy: Das zweite Ave Maria; a.a.O.. S. 5.
201 Vgl. Hans Wollschläger: Der »Besitzer von vielen Beuteln«; a.a.O.. S. 156.
202 ebda.
203 Vgl. »Am Jenseits«, 65 f.
204 Vgl. Hans-Dieter Steinmetz: »Der gewaltigste Dichter und Schriftsteller ist ... das Leben«. Zur Deutung
//117//
der Nebatja- und Martha-Vogel-Episode. In: M-KMG 40. Juni 1979. S. 12 ff.
205 L&S. S. 112.
206 ebda. S. 3.
207 Vergleicht man diese Vision des Münedschi mit Mays Beschreibungen seines inneren Kampfes in L&S, so zeigen sich doch erstaunliche Parallelen. Schon hier expliziert May seine »Spaltung der Persönlichkeit«, macht sie aber auch bereits zum allgemeinen Menschheitsproblem.
208 Vgl. Sibylle Becker: Karl Mays Philosophie im Spätwerk; a.a.O.. S. 26 f.
209 ebda. S. 27.
210 Vgl. Arno Schmidt: Sitara und der Weg dorthin; a.a.O.. S. 219 f.
211 Wolfgang Wagner: Der Eklektizismus in Karl Mays Spätwerk; a.a.O.. S. 13 ff.
212 Vgl. KMJB 1931. S. 265.
213 Wolfgang Wagner: Der Eklektizismus in Karl Mays Spätwerk; a.a.O.. S. 13.
214 Seine hellseherische Gabe soll sogar so weit gegangen sein, daß er 1759 einen Großbrand in Stockholm im weit entfernten Göteborg genau beschreiben konnte.
215 Wolfgang Wagner: Der Eklektizismus in Karl Mays Spätwerk; a.a.O.. S. 15. Interessanterweise nennt auch Swedenborg die guten Geister Engel, die bösen Teufel (vgl. Swedenborg: Die wahre christliche Religion. Zürich 1956. S.1210).
216 Klara May: Marah Durimeh. Wie hätte Karl May die Fortsetzung von »Jenseits« und »Ardistan und Dschinnistan« gestaltet? In: KMJB 1921. S. 116.
217 Hans Wollschläger: Karl May; a.a.O.. S. 88.
218 Arno Schmidt: Sitara und der Weg dorthin; a.a.O.. S.218.
219 Wolfgang Wagner: Der Eklektizismus in Karl Mays Spätwerk; a.a.O.. S. 11.
220 Vgl. Richard Hamann/Jost Hermand: Stilkunst um 1900; a.a.O.. S. 121 ff.
221 »Wenn Du jetzt nicht unseren Willen tust und das unterschreibst, was dir Karl vorlegt, dann wehe! wehe! wehe!« Aussage Emmas vor dem Kgl. Landgericht Dresden am 14. 12. 1907. In: Rudolf Lebius: Die Zeugen Karl May und Klara May. Ein Beitrag zur Kriminalgeschichte unserer Zeit. Berlin-Charlottenburg 1910. S. 55.
222 Aussage Selma vom Scheidts vor dem Großherzoglich Sächsischen Amtsgericht Weimar am 21. 9. 1909. In: Lebius: Die Zeugen Karl May und Klara May; a.a.O.. S. 135.
223 Fritz Maschke: Karl May und Emma Pollmer. Bamberg 1973. S. 61.
//118//
224 Aussage Selma vom Scheidts; a.a.O.. S. 135.
225 s. Hans Wollschläger: Karl May; a.a.O.. S. 88; Fritz Maschke: Karl May und Emma Pollmer; a.a.O.. S. 61; Rudolf Lebius: Die Zeugen Karl May und Klara May; a.a.O. S. 47 f ., 157.
226 Hans Wollschläger: Karl May; a.a.O.. S. 88.
227 An das Großherzoglich Sächsische Amtsgericht Weimar 5. 6. 1909. In: R. Lebius: Die Zeugen Karl May und Klara May; a.a.O.. S. 143.
228 Vgl. Aussage Emmas vor dem Kgl. Landgericht Dresden, 13. 12. 1907. In: R. Lebius: Die Zeugen Karl May und Klara May; a.a.O.. S. 47 f.
229 Vorwort Heinz Stoltes zu Fritz Maschke: Karl May und Emma Pollmer; a.a.O.. S. XI.
230 Abgedruckt ebda.
231 ebda. S. XII.
232 Daß sich May mit der kirchlichen Ablehnung des Spiritismus befaßt haben dürfte, beweist beispielsweise die Präsenz der Schrift »Christentum und Spiritismus und die Gleichartigkeit ihrer Beweise« in seiner Bibliothek (vgl. KMJB 1931. S. 264).
233 Wolfgang Wagner: Der Eklektizismus in Karl Mays Spätwerk; a.a.O.. S. 11.
234 Kurt Galling (Hrsg.): Die Religion in Geschichte und Gegenwart. Bd. VI. Tubingen 31962. S. 252 f .
235 Karl May: Old Surehand Bd. III. Fehsenfeld XIX. S.151.
236 Da May durch die Gestalt Ben Nurs aber auch die Möglichkeit bekam, eine Kommunikation mit dem Jenseits herzustellen, war der Dialog Münedschi/Ben Nur auch Mays eigener Dialog - freilich ein Spiel der Phantasie.
237 Vorwort Heinz Stoltes zu Fritz Maschke: Karl May und Emma Pollmer; a.a.O.. S. XI.
238 Dem »Ich« kommt die ganze Sache vor, »als ob Kinder spielten; sie ist kindlich, sogar kindisch ... « (201 f.).
239 Jochen Schulte-Sasse: Die Kritik an der Trivialliteratur seit der Aufklärung. Studien zur Geschichte des modernen Kitschbegriffs. München 1971. S. 19.
240 s. Helmut Schmiedt: Karl May. Studien zu Leben, Werk und Wirkung eines Erfolgsschriftstellers. Konigstein/Ts . 1979 .
241 ebda. S.206.
242 ebda. S.207.
243 Volker Klotz: Durch die Wüste und so weiter. In: Akzente. 9. Jg. München 1962. S. 357.
244 Helmut Schmiedt: Karl May; a.a.O.. S.208.
245 ebda.
246 Volker Klotz: Geschlossene und offene Form im Drama. München 61972. S. 216 u. 219.
247 Helmut Schmiedt: Karl May; a.a.O.. S. 205.
//119//
248 Bei Robert Müller: Nachruf auf Karl May. In: JbKMG 1970; a.a.O.. S.109.
249 Hans Wollschläger: Karl May; a.a.O.. S. 88.
250 Claus Roxin: »Dr. Karl May... «; a.a.O.. S.63.
251 Volker Klotz: Durch die Wüste und so weiter; a.a.O.. S. 369 .
252 Vgl. ebda.
253 ebda. S.375.
254 Gert Ueding weist in seiner Analyse der Kolportage-Romane Mays darauf hin, daß, »so paradox das zunächst erscheint, ... gerade die Wiederholung des Gleichartigen eine Ursache der spannenden Wirkung (ist), die aus dem Unheimlichen rührt« ( G. Ueding: Glanzvolles Elend. Versuch über Kitsch und Kolportage. Frankfurt/M. 1973. S. 154) .
255 Vgl. Volker Klotz: Durch die Wüste und so weiter; a.a.O.. S. 375 ff.
256 Hans Wollschläger: Der »Besitzer von vielen Beuteln«; a.a.O.. S. 165.
257 ebda. S. 165 f.
258 In der bearbeiteten Ausgabe des Karl-May-Verlages hat man hier wieder einmal die glückliche Hand gehabt, dieses Formgefüge durch 12 (!) Kapitel, mit Überschriften im Stil früherer Reiseerzählungen, zu zerstören.
259 Hans Wollschläger: Der »Besitzer von vielen Beuteln«; a.a.O.. S. 166.
260 Volker Klotz: Durch die Wüste und so weiter; a.a.O.. S. 359 .
261 ebda. S. 360.
262 Vgl. Hans Wollschläger: Karl May; a.a.O.. S. 117.
263 Novalis: Schriften. Bd. II; a.a.O.. S. 418 (17).
264 L&S. S.316 f .
265 Sibylle Becker: Karl Mays Philosophie im Spätwerk; a.a.O.. S. 4.
266 ebda. S. 5.
267 So nennt E. A. Schmid die Allegorie als ein »Element von "Symbolik"« (E. A. Schmid: »Symbolik«; a.a.O.. S. 394).
268 Goethe: Maximen und Reflexionen. Stuttgart 1950. S. 813 (1112/1113) .
269 Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: Philosophie der Kunst. Darmstadt 1966. S. 50 f. Zur Differenzierung beider Begriffe s. a. Bengt Algot Sörensen: Allegorie und Symbol. Texte zur Theorie des dichterischen Bildes im 18. und frühen 19. Jahrhundert. Frankfurt/M. 1972.
270 Elisabeth Frenzel: Stoff-, Motiv- und Symbolforschung. Stuttgart 31970. S. 38. In diesem Zusammenhang sind auch Ernst Blochs Bemerkungen zur Allegorie zu nennen: »Das klassizistische Mißverständnis, das die Allegorie
//120//
als "Versinnlichung abstrakter Begriffe" und so als "frostige" ausgab, ist seit Benjamins Berichtigung in seinem "Ursprung des deutschen Trauerspiels" wohl abgetan. Allegorie ist zugleich tiefer wie weniger begrifflich präzis; denn gerade indem ein Gleichnis das Eine durch ein Anderes ausdruckt, dieses Andere aber weit gestreut ist, ja beliebig viel "Anderheit", Alteritas sein kann, ist es allegorisch. Die Ehre und die eingehaltene Linie der Allegorie ist ja genau dies bedeutend "Mehrdeutige", ist das notwendig noch Schwebende im Gleichnis, ist die noch währende Streuungsreihe des dem Bedeuten "Entsprechenden", vielmehr: der Entsprechungs-Gestalten in der Welt« (E. Bloch: Tübinger Einleitung in die Philosophie. Gesamtausgabe Bd. 13. Frankfurt/M. 1970. S.338 f.).
271 L&S. S. 141.
272 Goethe: Maximen und Reflexionen; a.a.O.. S. 693 (314).
273 Elisabeth Frenzel: Stoff-, Motiv- und Symbolforschung; a.a.O.. S. 35.
274 ebda. S. 36.
275 Vgl. Hans Wollschläger: Erste Annäherung an den »Silbernen Löwen«. Zur Symbolik und Entstehung. In: JbKMG 1979; a.a.O.. S. 107.
276 Hans Wollschläger: Karl May; a.a.O.. S. 88.
277 L&S. S. 209.
277a Vgl. Hans Wollschläger: Erste Annäherung an den »Silbernen Löwen«; a.a.O.. S. 107.
278 Frenzel weist darauf hin, »daß die dominierenden Motive und Symbole im Werk übersensibler, neurotischer Dichternaturen in die Nähe von Krankheitssymptomen und Komplexen im Sinne Freuds rücken«, was »wiederholt geltend gemacht worden« sei (s. E. Frenzel: Stoff-, Motiv- und Symbolforschung; a.a.O.. S. 63).
279 L&S. S.12.
280 Elisabeth Frenzel: Stoff-, Motiv- und Symbolforschung; a.a.O.. S. 37.
281 Jolan Jacobi (Hrsg.): Psychologische Betrachtungen; a.a.O.. S. 385.
282 Elisabeth Frenzel: Stoff-, Motiv- und Symbolforschung: a.a.O.. S. 105.
283 Der Archetypus »lebt in steter Gesetzmäßigkeit, als eine allgemeine psychische Bereitschaft, hinter dem bunten und oft verwirrenden Gewebe der inneren und äußeren Erscheinung des Lebens und verleiht ihm seinen - oft schwer zu enträtselnden - Sinn« (Aniela Jaffé: Bilder und Symbole aus E. T. A. Hoffmanns Märchen »Der Goldene Topf«; a.a.O.. S. 283).
284 Elisabeth Frenzel: Stoff-. Motiv- und Symbolforschung; a.a.O.. S. 18. Zur Problematik dieser Symbolforschung s. ebda. S. 103 ff.
285 Hans Wollschläger: »Der Besitzer von vielen Beuteln«; a.a.O.. S. 154.
286 ebda.
287 ebda. S. 157.
//121//
288 ebda. S. 167.
289 C. G. Jung: Gestaltungen des Unbewußten; a.a.O.. S. 29.
290 ebda.
291 Bereits 1896 sprach May von einem Werk (»Marah Durimeh«), das seine »ganze Lebens- und Sterbensphilosophie enthalten« sollte (Brief Mays an Fehsenfeld vom 6. 10. 1896. Bei Konrad Guenther: Karl May und sein Verleger. o. O. u. J. (Radebeul 1933). S.16).
292 Vgl. Hans Wollschläger: Der »Besitzer von vielen Beuteln«; a.a.O.. S. 171.
293 Zur Problematik der Tausender-Zählung s. ebda.
Bei der Interpretation der beiden Frauengestalten ist aber Hansotto Hatzigs Hinweis zu beachten, der in der »Fürstin« eindeutig das Bild der 1898 (!) ermordeten Kaiserin Elisabeth von Österreich (»Sissi«) sieht (vgl. H. Hatzig: Mays letzte Reise nach Tirol. In: M-KMG 34. Dez. 1977. S. 3). Tatsächlich mutet die Lebensgeschichte der »Fürstin« wie die Biographie Elisabeths an: Die »Staatskunst«, die »mit eiserner Faust« eingriff und die »Fürstin« »den liebenden Eltern und Geschwistern« entriß, sie in »ein fernes Land« führte, »zu einem fremden Volke, an die Seite eines Herrschers, dem nie ihr Herz gehören konnte« (243), spiegelt hierbei die Vermählung »Sissis« mit Kaiser Franz Josephs I. (1854), deren unglückliche Ehe, und vor allem die Isolation der Kaiserin wider. Elisabeth, die sich besonders für einen Ausgleich mit Ungarn einsetzte, galt bei den Untertanen, dem einfachen Volk, realiter als eine »Spenderin der Güte«, als »die Barmherzigkeit und Segen spendende Mutter der Bedürftigen« (243). May mag diese historische Figur zum einen aus einer Verehrung für sie gewählt haben; zum anderen fand er in ihr sehr wahrscheinlich eine gewisse Identifikation. Auch er führte ja ein Sonderlingsleben, wie es von Elisabeth behauptet wird; auch er führte eine unglückliche Ehe, und auch er wollte Güte, Glück (hier: seinen Lesern) spenden - als Ausdruck und Beweis einer »ewigen Liebe« (243), die ihn gerettet hatte, an die er sich weiter klammern mußte.
Abkürzungen:
KMG = Karl-May-Gesellschaft May, Karl: Am Jenseits. Herrsching o.J.. (Pawlak).
Ders.: Am Jenseits. Bamberg 1951 (330. Tsd.).
Ders.: Im Reiche des Silbernen Löwen Bd. III. Herrsching o.J. (Pawlak).
Ders.: Old Surehand Bd. III. Fehsenfeld XIX.
Ders.: Ardistan. Bamberg 1967 (145. Tsd.).
Ders.: Der Mir von Dschinnistan. Hausschatz-Reprint der KMG und der Verlagsbuchhandlung Pustet. Regensburg 1976.
Ders.: Der Zauberteppich. In: Das Zauberwasser und andere Erzählungen. Bamberg 1954 (43.-47. Tsd. 1957). S. 315-328.
Ders.: May gegen Mamroth. Antwort an die »Frankfurter Zeitung«. In: JbKMG 1974 (hrsg. v. C. Roxin u. H. Stolte). Hamburg 1973. S.131-152.
Ders.: Mein Leben und Streben. (hrsg. v. H. Plaul). Olms-Reprint. Hildesheim, New York 1975.
Ders.: Wiener Rede. Zitiert nach Ekkehard Bartsch: Karl Mays Wiener Rede. Eine Dokumentation. In: JbKMG 1970 (hrsg. v. C. Roxin). Hamburg 1970. S. 47-80.
Ders. (Hrsg.): Schacht und Hütte. Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für Berg-, Hütten- und Maschinenarbeiter. Olms-Reprint. Hildesheim, New York 1979.
Ders.: Hinter den Mauern und andere Fragmente aus der Haftzeit. In: JbKMG 1971 (hrsg. v. C. Roxin). Hamburg 1971. S.122-143.
Ders.: Gedichte an die Mutter. In: JbKMG 1970 (hrsg. v. C. Roxin). Hamburg 1970. S.110-111.
Aeppli, Ernst: Der Traum und seine Deutung. Erlenbach, Zürich, Stuttgart 31963.
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Novalis: Schriften. Bd. II. (hrsg. v. P. Kluckhohn u. R. Samuel). Stuttgart 21965.
Ders.: Schriften. Bd. III. (hrsg. v. P. Kluckhohn u. R. Samuel). Stuttgart 21960.
Ders.: Schriften. Bd. IV. (hrsg. v. P. Kluckhohn u. R. Samuel). Stuttgart 21975.
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Plaul, Hainer: Der Sohn des Webers. Über Karl Mays erste Kindheitsjahre 1842-1848. In: JbKMG 1979 (hrsg. v. C. Roxin, H. Stolte u. H. Wollschläger). Hamburg 1979. S. 12-98.
Ritter, Johann Wilhelm: Fragmente aus dem Nachlaß eines jungen Physikers. Heidelberg 1816.
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Steinmetz, Hans-Dieter: »Der gewaltigste Dichter und Schriftsteller ist ... das Leben«. Zur Deutung der Nebatja- und Martha-Vogel-Episode. In: M-KMG 40. Juni 1979. S. 12-23.
Stolte, Heinz: Der Volksschriftsteller Karl May. Beitrag zur literarischen Volkskunde. Radebeul 1936.
Swedenborg, Emanuel: Die wahre christliche Religion. Zürich 1956.
Ueding, Gert: Glanzvolles Elend. Versuch über Kitsch und Kolportage. Frankfurt/M. 1973.
Vollmer, Hartmut: »Weihnacht« - ein »Erlösungswerk« Karl Mays. In: M-KMG 46. Dezember 1980. S. 3-13.
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Wollschläger, Hans: Karl May. Grundriß eines gebrochenen Lebens. Zürich 1976.
Ders.: »Die sogenannte Spaltung des menschlichen Innern, ein Bild der Menschheitsspaltung überhaupt«. Materialien zu einer Charakteranalyse Karl Mays. In: JbKMG 1972/73 (hrsg. v. C. Roxin). Hamburg 1972. S. 11-93.
Ders.: Der »Besitzer von vielen Beuteln«. Lese-Notizen zu Karl Mays »Am Jenseits« (Materialien zu einer Charakteranalyse II). In: JbKMG 1974 (hrsg. v. C. Roxin u. H. Stolte). Hamburg 1973. S. 153-171.
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Ders./Bartsch, Ekkehard: Karl Mays Orientreise 1899/1900. Dokumentation. In: JbKMG 1971 (hrsg. v. C. Roxin). Hamburg 1971. S. 165-215.
In der linken Spalte sind die Seitenzahlen der Pawlak-Ausgabe aufgerührt (P), nach der in dieser Arbeit zitiert wird. Die rechte Spalte gibt jeweils die entsprechenden Seiten der Fehsenfeld-Ausgabe an (F). Gültig sind diese Seitenzahlen aber auch für die unbearbeiteten Radebeuler Ausgaben.
P: 7 = F: 1-2
[//128//]
[hier liegt ein Textverlust in der Vorlage vor; Rainer Clodius]
Nachbemerkung zu S.22 ff.:
LITERATURVERZEICHNIS
JbKMG = Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft
M-KMG = Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft
KMJB = Karl-May-Jahrbuch (Radebeul)
I. Primärliteratur
II. Sekundärliteratur
Konkordanz
P: 8 = F: 2-4
P: 9 = F: 4-5
P: 10 = F: 5-6
P: 11 = F: 6-8
P: 12 = F: 8-9
P: 13 = F: 9-11
P: 14 = F: 11-12
P: 15 = F: 12-13
P: 16 = F: 13-15
P: 17 = F: 15-16
P: 18 = F: 16-18
P: 19 = F: 18-19
P: 20 = F: 19-20
P: 21 = F: 20-22
P: 22 = F: 22-23
P: 23 = F: 23-25
P: 24 = F: 25-26
P: 25 = F: 26-27
P: 26 = F: 27-29
P: 27 = F: 29-30
P: 28 = F: 30-31
P: 29 = F: 31-33
P: 30 = F: 33-34
P: 31 = F: 34-36
P: 32 = F: 36-37
P: 33 = F: 37-38
P: 34 = F: 38-40
P: 35 = F: 40-41
P: 36 = F: 41-43
P: 37 = F: 43-44
P: 38 = F: 44-45
P: 39 = F: 45-47
P: 40 = F: 47-48
P: 41 = F: 48-50
P: 42 = F: 50-51
P: 43 = F: 51-52
P: 44 = F: 52-54
P: 45 = F: 54-55
P: 46 = F: 55-57
P: 47 = F: 57-58
P: 48 = F: 58-59
P: 49 = F: 59-61
P: 50 = F: 61-62
P: 51 = F: 62-63
P: 52 = F: 63-65
P: 53 = F: 65-66
P: 54 = F: 66-68
P: 55 = F: 68-69
P: 56 = F: 69-70
P: 57 = F: 70- 72
P: 58 = F: 72- 73
P: 59 = F: 73- 75
P: 60 = F: 75- 76
P: 61 = F: 76-77
P: 62 = F: 77-79
P: 63 = F: 79-80
P: 64 = F: 80-81
P: 65 = F: 81-83
P: 66 = F: 83-84
P: 67 = F: 84-86
P: 68 = F: 86-87
P: 69 = F: 87-88
P: 70 = F: 88-90
P: 71 = F: 90-91
P: 72 = F: 91-93
P: 73 = F: 93-94
P: 74 = F: 94-95
P: 75 = F: 95-97
P: 76 = F: 97-98
P: 77 = F: 98-100
P: 78 = F: 100-101
P: 79 = F: 101-102
P: 80 = F: 102-104
P: 81 = F: 104-105
P: 82 = F: 105-107
P: 83 = F: 107-108
P: 84 = F: 108-109
P: 85 = F: 109-111
P: 86 = F: 111-112
P: 87 = F: 112-114
P: 88 = F: 114-115
P: 89 = F: 115-116
P: 90 = F: 116-118
P: 91 = F: 118-119
P: 92 = F: 119-120
P: 93 = F: 120-122
P: 94 = F: 122
P: 95 = F: 123-124
P: 96 = F: 124-126
P: 97 = F: 126-127
P: 98 = F: 127-128
P: 99 = F: 128-130
P: 100 = F: 130-131
P: 101 = F: 131-133
P: 102 = F: 133-134
P: 103 = F: 134-135
P: 104 = F: 135-137
P: 105 = F: 137-138
P: 106 = F: 138-139
P: 107 = F: 139-141
P: 108 = F: 141-142
P: 109 = F: 142-144
P: 110 = F: 144-145
P: 111 = F: 145-146
P: 112 = F: 146-148
P: 113 = F: 148-149
P: 114 = F: 149-151
P: 115 = F: 151-152
P: 116 = F: 152-153
P: 117 = F: 153-155
P: 118 = F: 155-156
P: 119 = F: 156-158
P: 120 = F: 158-159
P: 121 = F: 159-161
P: 122 = F: 161-162
P: 123 = F: 162-163
P: 124 = F: 163-165
P: 125 = F: 165-166
P: 126 = F: 166-168
P: 127 = F: 168-169
P: 128 = F: 169-170
P: 129 = F: 170-172
P: 130 = F: 172-173
P: 131 = F: 173-175
P: 132 = F: 175-176
P: 133 = F: 176-177
P: 134 = F: 177-179
P: 135 = F: 179-180
P: 136 = F: 180-181
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