//57//

II. May-Rezeption


Vorbemerkung

In der Abteilung "May-Rezeption" wurden hier nur diejenigen Beiträge aufgenommen, die über die begrenzte private Schau des jeweiligen Verfassers hinaus von Bedeutung für die Art und Weise der frühen May-Rezeption sind. Ausgeschieden werden mußten bloß persönliche Erinnerungen an frühe May-Lektüre und Kuriosa wie "Wie mir Karl May über die Schrecken des Zahnziehens hinweghalf" (KMJB 1929). Dabei wurde bewußt ein strenger Maßstab angelegt, um den Forscher nicht auf die Suche nach Bagatellaufsätzen zu schicken. Da man über Auswahlkriterien bekanntlich streiten kann, haben wir in das Gesamtinhaltsverzeichnis auch diejenigen Texte aufgenommen, die nicht in Form von Inhaltsangaben und Wertungen hier behandelt werden. Sichtet man das nach Ausscheidung des bloß Anekdotischen noch übrigbleibende Material, so läßt sich die Abteilung May-Rezeption in folgende Untergruppen gliedern:

a) Beiträge zum "May-Kampf", d. h. Auseinandersetzungen mit May-Gegnern und Verteidigungen seines Werkes. Hierhin gehören die meisten Beiträge von Ludwig Gurlitt und E. A. Schmid sowie Dokumentationen wie die Auseinandersetzung mit Fronemann im KMJB 1931.

b) Sammlungen von Pressestimmen (siehe hierzu auch das Register "Zeitungen, Zeitschriften") und Rezensionen, bisweilen so ausgewählt, daß kritische Stimmen fast völlig fehlen. Allerdings gilt dies nicht für einen großen Teil anderer Beiträge der KMJB, so daß diese Tendenz nicht als symptomatisch angesehen werden kann (im besonderen Maße ist sie allerdings in den Beiträgen zum 20. Todestag Mays und zu seinem 90. Geburtstag im KMJB 1932 spürbar).

c) Dokumentationen zur Geschichte des KMV und bestimmter Institutionen, die mit ihm zusammenhängen; hierhin gehört auch die ausführliche Beschreibung des May-Museums im KMJB 1931.

d) Berichte über May-Ehrungen, besonders in den Jahrbüchern seit 1929. Diese Berichte wurden mit einer Ausnahme berücksichtigt; die Indianerhuldigung in Radebeul erschien uns lediglich als ein Kuriosum für Kenner. Wer sich dafür interessiert, mag selber im KMJB 1929 die entsprechenden Beiträge nachlesen.

Eine Reihe von Texten war nur schwer einzuordnen; dazu gehört z. B. das Verzeichnis von Mays Bibliothek im KMJB 1931. Dieser Katalog kann hier sowieso nicht wiedergegeben werden; ein kommentierter


//58//

Neudruck wäre empfehlenswert. Die Beiträge von Eduard Engel, die sich meist in sehr allgemeiner Form mit literarischen Fragen und in diesem Zusammenhang eben meist nur kurz mit Karl May befassen, sind ebenfalls in kein Schema einzuordnen; am ehesten passen sie noch in die Abteilung II, da sie Rezensions-Charakter haben. Sie wurden aber aus den oben erwähnten Gründen nur kurz behandelt.


Karl-May-Jahrbuch 1918

L u d w i g  G u r l i t t :  Karl May in der zeitgenössischen Kritik (S. 44–63)

Gurlitt beschäftigt sich hier mit den May-Feinden und der Wirkung ihrer Kritik auf Mays Leben. Er zeichnet das Bild des haftentlassenen Schriftstellers, der sich seine bürgerliche Existenz, ganz allein auf seine Phantasie gestellt, neu aufbauen mußte. Insbesondere ist der Gurlitt-Text eine Auseinandersetzung mit dem von Kleinberg verfaßten May-Nekrolog. Gurlitt widerlegt und entkräftet die einzelnen Vorwürfe, ohne polemisch zu werden: "May hat nicht bestritten, daß er in seiner Jugend auf Abwege geraten war, aber er hat sich mit bewunderungswürdiger Kraft aus dem Abgrund wieder emporgearbeitet und seine Schuld dadurch wieder gut gemacht" (S. 49). Ferner rechtfertigt er die Prozesse, die May gegen seine Gegner führte, indem er auf die bedrängte Lage des Dichters hinweist: "Seine Prozesse sind Abwehr von Unrecht und Überlistung, sind Rechtfertigung gegen Verleumdungen, sind Wahrung berechtigter materieller und ideeller Interessen. Wo er frei schafft, da hält er sich frei von Haß und Feindschaft" (S. 60).

Insgesamt unterscheiden sich Gurlitts Darlegungen nicht wesentlich von dem, was er in seinem bekannten Buch "Gerechtigkeit für Karl May", zu derselben Zeit entstanden (1918/19), ausführt; vgl. auch den Abdruck von Gurlitts "Gerechtigkeit" in verschiedenen Auflagen von Bd. 34.

H a n s  E r i c h  T z s c h i r n e r :  Zur vaterländischen Bedeutung Karl Mays (S. 155–161)

Hans Erich Tzschirner, in den Karl-May-Jahrbüchern auch als Hans Erich von Tzschirner oder Hans Erich Tzschirner-Bey bezeichnet, ist unter den Verfassern von [der] Jahrbücher sicher eine der schillerndsten Figuren: als Offizier und Kundschafter war er lange Jahre im Orient "auf den Spuren Karl Mays". Seine Ausführungen im KMJB 1918 sind ganz von der damaligen Situation geprägt. Fritz Barthels Vor-


//59//

wort [Vorwort] zu dem Jahrbuch ist ein interessantes Dokument für die doch recht pathetisch vorgetragene Hoffnung auf einen deutschen Sieg im "Weltenkampf"; ähnlich irrational (immerhin dürfte die Redaktion des Jahrbuchs 1917 abgeschlossen worden sein) klingen die Ausführungen Tzschirners, der von der wichtigen Bedeutung der Kolonien als Rohstofflieferanten für das Mutterland Deutschland spricht und Karl Mays Gestalten Old Surehand und Kara ben Nemsi als Vorbilder für deutsche Soldaten und Offiziere im Ausland empfiehlt. Dies mag heute kurios wirken, doch entspricht es ganz dem damaligen Zeitgeist: noch mochte keiner an eine Niederlage im Weltkrieg glauben.


Karl-May-Jahrbuch 1919

Das Jahrbuch 1919 ist von den besonderen Zeitumständen geprägt: noch vor Ende des Weltkriegs ausgeliefert, enthält es doch manch pessimistische Vorahnungen (etwa in Fritz Barthels Vorwort). Außerdem griff die Zensur ein und veranlaßte Streichungen in Hans Erich Tzschirner Beys Aufsatz "Aus schweren Tagen". Unter diesem Gesichtspunkt müssen wir insbesondere die Beiträge der Abteilung II im KMJB 1919 betrachten.

D r .  H .  D i m m l e r :  Unsere koloniale Zukunft und die Reiseromantik (S. 196–204)

Dieser Text setzt den Gedankengang Tzschirners in seinem Aufsatz aus dem KMJB 1918 fort: Dimmler fordert die Deutschen auf, sich verstärkt der Aufgabe der Kolonisation zu widmen und erwähnt in diesem Zusammenhang, daß die Reiseromane Karl Mays in dieser Hinsicht einen erzieherischen Effekt bei der deutschen Jugend erzielen könnten. Dimmlers Ausführungen sind ein erschreckendes Beispiel für die "Ideologisierung" Karl Mays im 1. Weltkrieg.

A r t h u r  B u c h e n a u :  Karl Friedrich May. Ein Nekrolog (S. 240–248)

Im Streit um den im "Deutschen Nekrolog" (vollständiger Titel: "Biographisches Jahrbuch und Deutscher Nekrolog") erschienenen Nekrolog auf Karl May von Dr. Kleinberg gelang es E. A. Schmid, mehrere Erfolge zu erzielen. Zum einen entschloß sich der Verleger Walter de Gruyter, den Kleinbergschen Nekrolog durch einen von Dr. A. Buchenau verfaßten Text zu ersetzen. Daraufhin trat der Herausgeber des "Biographischen Jahrbuchs", Prof. Dr. Anton Bettelheim, von seiner editorischen Tätigkeit zurück. Sozusagen als Beweis seines Sieges druckte der KMV im KMJB 1919 den Nekrolog von


//60//

Buchenau ab, und zwar ungekürzt (im Gegensatz zum "Deutschen Nekrolog"). Buchenaus Text zeichnet sich durch Sachlichkeit und Objektivität aus, ohne unkritisch zu sein; überwältigende Erkenntnisse finden sich in diesem Beitrag freilich nicht. Kleinbergs Nekrolog ist im Band 34 'Ich', im Rahmen der gekürzten Wiedergabe von Gurlitts "Gerechtigkeit für Karl May", wieder abgedruckt worden (230. Tsd., S. 416ff).

F r i t z  P r ü f e r :  Die Kritik über Karl Mays Selbstbiographie (S. 303–313)

Prüfer beginnt mit einem kurzen Überblick über die verschiedenen Ausgaben von 'Mein Leben und Streben' bis hin zu dem 1916 erschienenen Band 'Ich'. Im folgenden gibt er eine kurze "Presseschau" mit charakteristischen Auszügen aus den Berichten; Cardauns Kritik in der "Wacht" wird kritisch, aber objektiv beleuchtet (S. 304ff). Insgesamt konstatiert Prüfer: "Im allgemeinen hat nach dem Tode Karl Mays eine leidenschaftslosere Beurteilung seines Lebens und Strebens Platz gegriffen"(S. 306). Dies belegt er anhand von Auszügen aus dem "Literarischen Echo" (S. 307), dem "Heimgarten" (S. 308) und der "Augsburger Postzeitung" (S. 309) sowie anderer Journale. Dabei unterschlägt er auch negative Kritiken nicht, zum Beispiel die Ablehnung der "Briefe über Kunst" in der "Augsburger Postzeitung" und dem "Bamberger Tagblatt" (S. 311). Auf Gurlitts Ausführungen in der "Weserzeitung" (S. 311) und auf Kleinbergs Nekrolog geht Prüfer summarisch ein. Insgesamt ein sachlicher und objektiver Bericht ohne allzustarken "Werbungs"-Charakter.


Karl-May-Jahrbuch 1921

R i c h a r d  v o n  K r a l i k :  Meine Stellung zum Karl-May-Problem (S. 120–128)

Hierbei handelt es sich um mehr als eine persönliche Stellungnahme, denn Kralik versucht zugleich, eine umgreifende Darstellung von Mays persönlicher und künstlerischer Bedeutung zu geben. Dabei ist es recht auffallend, daß gleich zu Beginn der Gedanke einer umfassenden Bearbeitung des Mayschen Werkes durchaus positiv dargestellt wird: "Es sollte mich nicht wundern, wenn in einigen Jahren oder Jahrzehnten oder Jahrhunderten ein Epigone die verschiedenen Rhapsodien der Karl-May-Geschichten zu einem einheitlichen Prosaepos zusammenredigierte, schön nach der Ordnung und Folge, aber doch abgekürzt, zusammengezogen in eine übersichtliche Reihe von Bänden gebracht" (S. 121). Was Kralik hier beschreibt, ist doch so


//61//

ganz verschieden nicht von den Bearbeitungstendenzen des KMV (Vereinheitlichung und Verkürzung des Mayschen Werks). Ansonsten lobt Kralik Mays konfessionelle Haltung (S. 123) und nennt ihn "eine geniale Erscheinung" (S. 126) in der deutschen Literatur. Interessant ist die Einschätzung Mays als Künstler, der grundsätzlich in Bildern und Symbolen dichtet (S. 127). Die "Idee" des Mayschen Spätwerks hat Kralik offenbar so stark beeinflußt, daß er die durchaus gegenständlichen Reiseerzählungen und Kolportageromane auch mit der späteren "Brille" des symbolischen Erzählers betrachtet.

G e r t r u d  L a u d a h n :  Die weibliche Jugend und Karl May (S. 153–157)

Die Verfasserin begründet in ihren recht allgemein gehaltenen Darlegungen Mays große Beliebtheit auch bei weiblicher Jugend damit, daß er eben ein echter Volksschriftsteller gewesen sei.

J o h a n n e s  N i x d o r f :  Mein Weg zu Karl May und zur Jugendbewegung (S. 158–167)

Dieser Text ist eigentlich eine mehr persönliche Erinnerung eines Mannes, der sich zur "Wandervogelbewegung" bekannte und gleichzeitig ein großer Freund der Werke Mays war, an seine Jugendzeit. Auf der anderen Seite ist es sehr aufschlußreich, daß Nixdorf hier eine gewisse Affinität der "Wandervogel"-Bundesbrüder zum Werk Karl Mays aufzeigt. Mit Recht erwähnt Nixdorf Gurlitt, der nicht nur einer der eifrigsten Verteidiger Mays, sondern auch "Gründer eines Wandervogelbundes" (S. 164) war. Es wäre eine lohnende Aufgabe für einen May-Forscher, durch vertiefende Untersuchungen die Rolle Mays in der "Wandervogelbewegung" klarzulegen.

F r i t z  P r ü f e r :  Das Gurlittbuch (S. 255–261)

Prüfer liefert hier wieder eine ausgezeichnete, objektive Rezension eines Standardwerks der frühen Sekundärliteratur zu Karl May. Gurlitts "Gerechtigkeit für Karl May!" wird knapp, aber zutreffend charakterisiert. Zu Beginn gibt Prüfer einen kurzen Überblick über Gurlitts frühere Schriften zu dem "May-Problem", um anschließend das Buch "Gerechtigkeit für Karl May!" etwas näher zu charakterisieren: in ihm weht – so urteilt Prüfer zutreffend – "zum Teil scharfe Kampfeslust" (S. 257). Prüfer beschäftigt sich mit Gurlitts Beurteilung der Karl-May-Kritiker (S. 258) und mit der Einschätzung von Mays künstlerischen Fähigkeiten, wobei nach Gurlitts und Prüfers Meinung "der  V o l k s e r z i e h e r  v o r  d e m  K ü n s t l e r  steht" (S. 259). Bemerkenswert ist der Hinweis


//62//

auf eine Stelle in Gurlitts Buch, in der May mit Nietzsche verglichen wird (S. 260). Dies weist bereits voraus auf Werner von Krenskis Aufsatz im KMJB 1925.


Karl-May-Jahrbuch 1922

F r i t z  P r ü f e r :  Zu Karl Mays 80. Geburtstag (S. 5–21)

Anstelle eines Vorworts findet sich im KMJB 1922 eine von Fritz Prüfer verfaßte Würdigung Mays zum 80. Geburtstag. Prüfer gibt einen allgemeinen Überblick über Mays Leben und Werk, wobei die Überlegungen zum Werk bereits die allgemeine Richtung erkennen lassen, die später der KMV bei der Bearbeitung der Mayschen Werke einschlagen sollte bzw. damals bereits eingeschlagen hatte: "Wir haben die "Gesammelten Werke" vor uns. Mit dem heutigen Tag ist die Sammlung noch nicht abgeschlossen, aber wir können heute schon überblicken, was May geleistet hat (...). Die einzige Schwierigkeit liegt in den Münchmeyer-Bänden. Aber auch die ist in Wirklichkeit schon aus der Welt geschafft" (S. 10). Im folgenden würdigt der Verfasser die Literatur zum Schaffen und Leben Karl Mays, insbesondere die zustimmende (Gurlitt, Droop, u. a.) und beschäftigt sich ausführlich mit der "Kunstwart"-Kritik an Karl May und ihrer Widerlegung durch die Mitarbeiter des KMV (S. 13f). Es folgen die üblichen einleitenden Worte zu den einzelnen Aufsätzen des Jahrbuchs.

K a r l  H a n s  S t r o b l :  Das Energiegesetz des Abenteuers (S. 222–240)

Strobl geht aus von der "Lebensfähigkeit" von Büchern; er erwähnt eine Reihe literarischer Werke, die bis auf den heutigen Tag lebendig geblieben sind (wie "Gargantua", "Don Quijote", "Gulliver's Travels" (S. 224)) und berichtet über abenteuerliche Erzählerwerke, angefangen von den an solchen Elementen reichen Historien Xenophons über Jules Verne bis zu Gerstäcker und Karl May (S. 227–230). Die folgenden Erinnerungen an die Rolle, die Karl May in seiner Jugendzeit gespielt hat sind heute nicht mehr von Belang. Interessant ist freilich nun seine Begründung dafür, warum die Werke Mays lebensfähiger seien als andere Abenteuerbücher. May sei es gelungen, wirkliche "Prachtexemplare" von Menschen in seinen Büchern zu schaffen (besonders die Ich-Helden Old Shatterhand oder Kara ben Nemsi und Winnetou), während Vernes Figuren zu schematisch seien und die Gerstäckers zu "objektiv" vom Erzähler beschrieben (S. 236f). Und nun kommt Strobl auf das Energiegesetz des Abenteuers zurück: er meint, daß der May-Leser in der Identifikation mit Mays Helden, die


//63//

Gewalt nur ungern anwenden und ihren Feinden Gutes tun, ihre persönliche Energie "verinnerlichen" zu "einer Abenteuerlust der Seele, die sich vor Neuem nicht mehr fürchtet, ja es anstrebt als eine gesunde Übung innerer Kräfte und gelegentliche Reinigung dumpf gewordener Gegenden in uns" (S. 239). Da haben wir also wieder Karl May als "Volkserzieher"! Strobls Bemerkungen treffen allerdings wohl schon im wesentlichen das Richtige; das "Energiegesetz des Abenteuers" wie er es bei May zu erkennen glaubt, trifft freilich mehr auf das Spätwerk zu, wo die äußere Energie der abenteuerlichen Reiseromane umgewandelt wird in die innere Energie von Bildern, Symbolen, Gleichnissen und Märchen.

L u d w i g  G u r l i t t :  Karl May, die Jugendschriftenwarte und ich (S. 264–288)

Aufgrund des Titels könnte man vermuten, daß es sich hier um eine rein persönliche Auseinandersetzung mit dem "May-Problem" handelt. Dies ist allerdings nicht der Fall; Gurlitt kritisiert sehr ausführlich eine Rezension seines May-Buches durch Hermann L. Köster in der "Jugendschriften-Warte", einem Blatt, das den Kampf gegen Karl May recht extensiv [intensiv oder exzessiv?] betrieben hatte und daher von Gurlitt scharf kritisiert worden war. Gurlitts Darstellung hat grundsätzlichen Charakter; daher sollen einige wichtige Punkte daraus hier erwähnt werden. Zunächst verwahrt sich Gurlitt gegen den Vorwurf, die Argumente der May-Gegner nicht sachlich und objektiv genug geprüft zu haben: "Ich behaupte aber, und jeder kann sich von der Wahrheit dieser Behauptung überzeugen, daß ich gerade die schärfsten Gegner Mays in ihren wichtigsten Äußerungen uneingeschränkt habe zu Worte kommen lassen, daß ich ihre Angaben Satz für Satz geprüft, und die Gründe meiner Ablehnung gewissenhaft vorgelegt habe" (S. 268). Im folgenden handelt es sich weitgehend um eine persönliche Auseinandersetzung mit Köster, die keinen bleibenden Wert für die May-Forschung hat. Interessant ist freilich Gurlitts Darstellung der Rolle der "Jugendschriften-Warte" im "May-Kampf": "Ich würde (...) zu dem Vorwurf der Hetze genügend Anlaß gehabt haben, wenn ich ihn hätte erheben wollen. Die Jugendschriften-Warte hat jedenfalls alles getan, um Mays Schriften zu verdrängen und dafür auch sein Vorleben (...) und seine "Verbrecher-Natur" (...) als Grund angegeben (...)" (S. 279). Gurlitt behauptet auf der einen Seite also, der "Jugendschriften-Warte" den Vorwurf der Hetze gegen May gar nicht so eindeutig gemacht zu haben, auf der anderen Seite zeigt er aber auf, daß das


//64//

Vorgehen der bewußten Zeitschrift doch einer Hetzjagd geglichen habe; mit dieser Dialektik argumentiert er auch an anderen Stellen des Textes, der ein interessantes Dokument aus einer Zeit ist, in der um May noch "gekämpft" werden mußte.


Karl-May-Jahrbuch 1923

F r i t z  P r ü f e r :  Schopens Feststellungen (S. 76–82)

Seine Untersuchungen zur pädagogischen Absicht und Wirkung Karl Mays setzt Prüfer mit dem vorliegenden Aufsatz fort, der auf Feststellungen basiert, die der Pädagoge Schopen in seinem Buch "Familienerziehung" veröffentlicht hatte (S. 77). Schopen hatte einer Volksschul-Oberklasse im Ruhrgebiet eine Frage vorgelegt, die darauf hinzielte, zu erfahren, was die Jungen tun würden, wenn Karl May, der Kapitän eines Ostindienfahrers oder Sherlock Holmes ihnen vorschlagen würden, mit ihnen Abenteuer zu bestehen. Bei Karl May nannten die Jungen Wunschziele, von denen nur eines (unter 16 Fällen) auf Abenteuer abzielten. Für die Erweiterung des Vorstellungskreises entschieden sich 94 % der Kinder, für Vermehrung des Erlebnisschatzes 6 % (vgl. S. 80). Daraus schließt Prüfer: "Durch Schopens Untersuchung ist erwiesen, daß die Karl-May-Lektüre nicht zum Ausreißen, Durchbrennen und Verlassen der sozialen Ordnung führt" (S. 82).

A l f r e d  B i e d e r m a n n :  Karl May und Heinrich Hansjakob (S. 293–301)

Dieser Vergleich Mays mit Hansjakob, dem Verfasser von "Bauernbüchern", ist heutzutage nicht mehr von besonderem Interesse, da Hansjakobs Name nicht einmal den Literaturhistorikern mehr geläufig sein dürfte. Nichtsdestotrotz hatte Biedermanns Aufsatz damals eine recht wichtige Funktion, denn indem Biedermann May und den geachteten Verfasser von religiösen und volkstümlichen Büchern auf eine Stufe stellte (eben als echte "Volksschriftsteller"), wurde gleichzeitig das Ansehen Mays aufgebessert, zumal Biedermann darauf hinweist, daß Hansjakob sich kritisch zur "May-Hetze" geäußert habe (S. 300).

L u d w i g  G u r l i t t :  Hermann Hesse über Karl May (S. 357–362)

Hermann Hesse hat sich in seinem Leben mehrfach positiv über Karl May geäußert. Solche Meinungen aus dem Munde eines angesehenen Dichters hatten in der Zeit des "Karl-May-Kampfes" noch eine ganz andere Bedeutung als heute. Daher verwundert es nicht, daß Gurlitt


//65//

in Anknüpfung an seine Auseinandersetzung mit Avenarius und Köster, dem Herausgeber der "Jugendschriften-Warte", aus Hesses Aufsatz über Karl May in der "Vossischen Zeitung" vom 9. September 1919 zitiert, und zwar vor allem die Worte: "Er ist nämlich gar kein Macher, sondern von einer geradezu verblüffenden Ehrlichkeit" (S. 357). Gurlitt schreibt dazu: "Mich erfreut dieses Urteil um so mehr, als ich es vorher schon unabhängig von Hesse gefunden hatte, indem sich May als Volksschriftsteller eigenster Prägung erwies. Er hat das Verdienst, sich seine eigene Ausdrucksform geschaffen zu haben, und da er dabei mit naiver Ehrlichkeit zu Werke ging, so mußte echt Völkisches entstehen" (S. 358). Auch des weiteren benutzt Gurlitt Hesses Ansichten vornehmlich zur Bestätigung seiner eigenen Urteile.


Karl-May-Jahrbuch 1924

H e i n r i c h  G l a t z e l :  Weshalb gehört Karl May in die Gefangenenbüchereien? (S. 50–70)

Da Karl May in der damaligen Zeit so heftig umstritten war, kam einem Aufsatz wie diesem besondere Bedeutung zu: der Verfasser, Lehrer an einer Strafanstalt, empfiehlt Karl May nachdrücklich für die Gefangenenbüchereien wegen seiner "sittlich einwandfreien" Gesinnung, die in den Reiseerzählungen zum Ausdruck kommt. Von den langen Ausführungen, die heute im einzelnen nicht mehr interessant sind, soll hier ein wichtiges Zitat folgen: "Kampf und Gefahr sind das Leben des Verbrechers, Mißerfolge und Verzweiflung zumeist sein bitterer Gewinn. Er steht im Dienst des bösen Prinzips, das ihn über kurz oder lang im Abgrunde begräbt. Karl May gibt ihm den Schlüssel zu seinen bisherigen Fehlschlägen: das Ziel war verfehlt, und die Mittel waren falsch und schädlich (...). Unwägbares ist es, das der Gefangene als köstliches Vermächtnis richtunggebend von Karl May empfängt: Einsicht und Selbstvertrauen, gerader Sinn und Beharrlichkeit im Guten" (S. 63).

O t t o  R u d e r t :  Karl May und die Schülerbüchereien (S. 258–266)

Dieser Aufsatz ergänzt in gewisser Weise den vorhergehenden, obwohl Rudert sich – im Gegensatz zu Glatzel – eines mehr feuilletonistischen Stils bedient. Seine Darlegung, warum Karl May in die Schülerbüchereien gehöre, bringt wenig wirklich Interessantes, ausgenommen eine kritische Wertung "patriotischer" Jugendliteratur,


//66//

verglichen mit Karl May: "Während alle diese 'vaterländischen' Geschichten vom Haß gegen Frankreich triefen (nicht die Franzosen allein haben vor 1914 'Chauvinismus' getrieben ...), – predigt Karl Mays Werk trotz aller Kämpfe und Listen 'Liebet Eure Feinde, segnet, die Euch fluchen!'" (S. 264). Zu der Frage, welche May-Werke in die Schülerbüchereien aufgenommen werden sollten, meint Rudert: "Zum mindesten seine Jugendschriften, dann seine Reiseerzählungen. Freilich 'Ardistan und Dschinnistan', 'Im Reiche des silbernen Löwen III, IV' und 'Friede auf Erden' – würde ich Tertianern noch nicht ohne weiteres aushändigen. Nicht aus Besorgnis für sie. Vielmehr aus Besorgnis, daß sie den ganzen, tiefen Gehalt dieser Bände doch nicht ausschöpfen würden" (S. 266). Insgesamt zeigt dieser Aufsatz, wie mutig und politisch progressiv manche der Beiträge der alten Jahrbücher sind (was sehr für die politische Toleranz der Herausgeber und des KMV Radebeul spricht).

E .  A .  S c h m i d :  Ferdiand Avenarius † (S. 344–365)

Dies ist vielleicht der beste Beitrag Dr. E. A. Schmids für die "Karl-May-Jahrbücher", weil ihm hier ein vorbildlich objektiver, gerechter Nachruf auf einen May-Feind gelungen ist. Schmid beginnt mit einem kurzgefaßten Lebenslauf von Avenarius und berichtet dann über dessen "Kampf" gegen Karl May: "Avenarius war kein schöpferisches Genie, sondern ein nachempfindendes und nachahmendes Talent. (...) Vielleicht war dieser Mangel an Einfühlungsvermögen auch die ursprüngliche Ursache dafür, daß er den phantasiereichen, ihm völlig wesensfremden Karl May ablehnte und befehdete" (S. 347). Ferner stellt Schmid die Angriffe des "Kunstwart" gegen Karl May (S. 343), die Friedensbemühungen des KMV (S. 349–353) und den Kleinbergschen Nekrolog, hinter dem Schmid Avenarius als Urheber vermutete, in den Vordergrund seiner Darstellung (S. 353f). Durch sein Flugblatt "Ferdinand Avenarius und die Wahrheit" (S. 354) forderte Schmid Avenarius direkt zur Rechtfertigungsklage auf (S. 355) und enthüllte, daß das in verschiedenen Schriftstellerlexika angeführte Universitätsstudium von Avenarius nie stattgefunden hat. Avenarius reagierte aber auf den Angriff nicht und duldete die weitere Verbreitung des Flugblattes (S. 358). Allerdings klingt der Nachruf Schmids wieder versöhnlich aus; er erwähnt einen Brief von Gurlitt, in dem dieser den KMV auffordert, den Kampf gegen Avenarius einzustellen, da dieser nicht mehr gegen May polemisiere, und schließlich zitiert er aus Nachrufen, die den Verstorbenen gerecht und positiv beurteilen. Insgesamt zeigt der Text das Bemühen Schmids,


//67//

bei aller Schärfe im Kampf gegen Mays unversöhnliche Gegner sachlich und fair zu bleiben.


Karl-May-Jahrbuch 1925

F r a n z  K a n d o l f :  Wie Jahrbuchaufsätze entstehen (S. 14–25)

Eigentlich handelt es sich bei diesem Beitrag lediglich um eine kleine Plauderei über ein Treffen von Dr. Finke, Franz Kandolf und Adalbert Stütz in der "Villa Shatterhand" im Sommer 1921, bei dem neue Jahrbuchaufsätze vorbereitet wurden. Ganz nebenbei erfährt man hier, wie Adalbert Stütz mit den beiden Kollegen seine Theorie zur Bedeutung des Wortes Winnetou diskutiert (S. 20ff.) oder wie Franz Kandolf in einer alten Zeitschrift die Quelle für die Gestalt des Krüger-Bei findet (S. 22). Insgesamt hat Kandolf hier sicher keinen für die May-Forschung bedeutsamen, aber doch launigen und aufschlußreichen Aufsatz vorgelegt, der das Wiederlesen lohnt.


Karl-May-Jahrbuch 1926

E m m y  G u r l i t t :  Der siebzigjährige Ludwig Gurlitt (S. 11–17)

Ludwig Gurlitt gehörte zweifellos zu den bedeutendsten Männern in der frühen Gefolgschaft des KMV. Seine Gattin zeichnet hier sein Lebensbild anläßlich seines 75. Geburtstags; Gurlitt hatte die Nachfolge Max Finkes als Mitherausgeber der Jahrbücher 1925 angetreten und verdiente daher eine derartige Würdigung im Jahrbuch 1926. Er war ursprünglich Gymnasiallehrer und trat nach seinem erzwungenen Abschied aus dem Dienst in Wort und Schrift für die grundlegende Reformierung des Schulwesens in Deutschland ein. Als Wissenschaftler zeichnete er sich durch seine Cicero-Forschungen sowie seine Übersetzungen der Komödien des Plautus aus. Seine politische Haltung war umstritten; Emmy Gurlitt erwähnt, daß er mit dem Münchener Universitätsputsch, als dessen Anstifter er gelegentlich bezeichnet wurde, nichts zu tun gehabt habe (S. 15). Sein Eintreten für Karl May beruhte mehr auf einem Gefühl der Ritterlichkeit gegenüber einem schwer bedrängten Schriftsteller (wie seine Gattin auf S. 17 darlegt) als auf einer echten Begeisterung für Mays Werke, denen er vom literarischen Standpunkt her stets kritisch gegenüberstand.


//68//

L u d w i g  G u r l i t t :   Kunst und Kritik (S. 279–288)

L u d w i g  G u r l i t t :   Ein kleiner Gernegroß (S. 289–299)

T o n o  K a i s e r :   Der Trompeter auf verlorenem Posten (S. 299–315)

Die genannten drei Aufsätze können hier summarisch behandelt werden, da sie im Grunde genommen sich mit demselben Thema beschäftigen: der Ideologisierung der Diskussion um Karl May. Gurlitt rechnet in seinem Aufsatz über "Kunst und Kritik" in scharfer Weise mit manchen Kunstkritikern im allgemeinen und mit Mays Gegnern im besonderen ab. "Ein kleiner Gernegroß" beschäftigt sich mit einer Rezension in der Zeitschrift "Die schöne Literatur", 1/1925, in der Wilhelm Fronemann, ein später noch mehrfach auftretender May-Gegner, das KMJB 1924 vernichtend rezensiert hatte. Insbesondere wirft Fronemann Gurlitt vor, May zu einem "vorbildlichen Edelsozialisten" gemacht zu haben (S. 290). Diesen Angriff kontert Gurlitt durch eine Abrechnung mit der Jugendschriftwarte und mit Avenarius und geht sodann auf Fronemanns Vorwurf ein, er (Gurlitt) hasse die sozialistisch gesonnene Hamburger Lehrerschaft und den sozialdemokratischen Wiener Stadtschulrat Glöckel, der Mays Werke aus den österreichischen Schülerbüchereien verbannt hatte, stilisiere May aber auf der anderen Seite zum Edelsozialisten herauf (S. 294). In seiner Replik fordert Gurlitt, der selber mit den Sozialdemokraten sympathisierte, einen der sozialistischen Freunde Mays auf, das Wort zu ergreifen (S. 295). Dies tut Tono Kaiser in seinem folgenden Beitrag "Der Trompeter auf verlorenem Posten". Ausgangspunkt für seine Überlegungen war ein Aufsatz von Dr. Oskar Maar, Wien, einem Gefolgsmann des Wiener Schulrats Glöckel, in dem Maar Karl May und die Jahrbücher scharf angreift. Dabei hatte Maar auch Dr. Finke nicht verschont, was Kaiser zu einer ausgedehnten Rechtfertigung Finkes Anlaß gibt (S. 304ff). Interessant ist, daß Finke, der von sozialdemokratischer Seite (Maar/Glöckel) so heftig attackiert wurde, selber Sozialist war, wie E. A. Schmid in einer Nachbemerkung verrät (S. 314). Wenn Schmid schreibt, er selbst "habe das Jahrbuch vor jeder parteipolitschen Färbung sorgsam bewahrt" (S. 314), so stimmt das auf jeden Fall, zumal Schmid hier als Begründung angeben kann, daß Finke ja aufgrund dieser politischen Zurückhaltung von den eigenen Parteifreunden völlig verkannt wurde. Zurückhaltung, aber auch Toleranz im politischen Bereich kennzeichnet ebenfalls die späteren Jahrbücher bis 1933.


//69//


Karl-May-Jahrbuch 1927

W e r n e r  M a h r h o l z :  Ohne Zorn und Eifer (S. 11–31)

Der Aufsatz des bedeutenden Germanisten Werner Mahrholz über Karl May gehört ohne Zweifel zu den Höhepunkten der May-Rezeption vor dem 2. Weltkrieg. Im "Literarischen Echo" 1918, Heft 3, erschienen (unter dem Titel "Karl May"), wurde er im KMJB 1927 in einer bearbeiteten Fassung wiederveröffentlicht. Den Originaltext hat Bernhard Kosciuszko in seiner Dokumentation "Das Literarische Echo und Karl May" (Sonderheft der KMG Nr. 7, 1977) wiederabgedruckt (S. 31–48); alle wichtigen Informationen über Mahrholz und das "Literarische Echo" finden sich bei Kosciuszko, a.a.O., S. 6f.

E .  A .  S c h m i d :  Bausteine (S. 70–76)

E. A. Schmid veröffentlicht hier eine Reihe von Ergänzungen zu seinen bisherigen Publikationen, insbesondere zur "Lanze". Schmid bringt an dieser Stelle die bisher noch nicht veröffentlichten Anlagen H, J und M zur "Lanze": die Widerlegung der Avenarius-Theorie vom Millionenvermögen Karl Mays, genaue Informationen über Max Dittrichs May-Buch und eine Reihe von Leserstimmen zu Karl May, die Schmid auf den S. 84–91 publiziert. Ferner verweist Schmid auf Mays ebenfalls im Jahrbuch 1927 abgedruckte "Beichte" vom 28. Mai 1908 (S. 77–83) und auf die Sammlung Patty Frank.

L u d w i g  G u r l i t t :  Was bedeutet Karl May für die Erziehung der deutschen Jugend? (S. 92–105)

In diesem ausführlich, ja umständlich gehaltenen Text betont Gurlitt wieder einmal die große pädagogische Bedeutung Mays, wobei er am Ende wohl doch gewaltig übertreibt: "May ist der größte Erzieher des deutschen Volkes seit der Mitte etwa des vorigen Jahrhunderts. Er hat geleistet, was keinem von uns Berufserziehern gelungen ist, den Weg zu finden zum Herzen unseres Volkes" (S. 105).

E d u a r d  E n g e l :  Der wertvolle Mensch (S. 326–355)

Zweifellos hat Engel hier einen sehr gelehrten Aufsatz vorgelegt, wobei man sich freilich nur fragt, was er im Karl-May-Jahrbuch zu suchen hat. Engel läßt sich lang und breit über die Frage aus, wie die großen Dichter, von Goethe und Schiller bis zu Flaubert, bedeutende literarische Figuren schufen, um am Ende die bemerkenswerte Schlußfolgerung zu ziehen: "Die Helden Karl Mays, obenan der unüberwindliche Kara Ben Nemsi, fesseln den Leser, der sich an spannender Unterhaltung genügen läßt. Er liebt Karl Mays Gestalten, er nimmt Herzensanteil an ihren Taten, ihren Schicksalen, ihrer Klugheit und ihrer Dummheit. Wer aber liebt die Johannes Vockerate, wer


//70//

einen einzigen der allzuvielen Buddenbrooke, wer den mehr oder weniger schwindsüchtigen, aber vollkommen gleichgültigen Hans Kastrop (sic!)" (S. 355). Bei solchen Erkenntnissen bleibt dem Rezensenten nichts anderes übrig, als zu schweigen.


Karl-May-Jahrbuch 1928

H e i n r i c h  A d a m :   15 Jahre Karl-May-Verlag (S. 139–141)

H o r s t  K l i e m a n n :   Der Weg zum Buch (S. 142–148)

A d o l f  V o l c k :   Begleiterscheinungen zur Absatzstatistik (S. 149–152)

Zum 15jährigen Jubiläum des KMV Radebeul wurden im KMJB 1928 drei kurze Beiträge von KMV-Mitarbeitern veröffentlicht, die über die Auflagenstärke der einzelnen Bände der "Gesammelten Werke" (Adam), über die Käuferschichten (Kliemann) sowie über weitere interessante schriftliche Äußerungen von May-Lesern (Volck) Auskunft geben. Davon ist heute nur noch Kliemanns Beitrag von Interesse; anhand von Fragekarten, die die Käufer von May-Büchern ausfüllen sollten, ermittelte Kliemann die Käuferschichten. Daß darunter 40,05 % Jugendliche waren, kann kaum verwundern; interessanter ist schon, daß 14,95 % der Leserschaft Arbeiter, Handwerker und Gewerbebetreibende, aber nur 0,9 % Gelehrte und Literaten waren und daß die weitaus meisten Leser die May-Bände aufgrund einer Empfehlung oder vorausgegangener Leseerfahrungen erworben hatten (S. 145).

H e i n r i c h  Z i r m :  "Sieg, großer Sieg, ich sehe alles rosenrot!" (S. 408)

Über einen interessanten Gesinnungswechsel des großen May-Gegners Mamroth informiert ein Brief des Lehrers Heinrich Zirm:

Oberhohenelbe, am Geburtstag Karl Mays 1923.

Sehr geehrte gnädige Frau!

... Aber ich will Ihnen heute auch noch von einem andern May-Leser erzählen. – 1915 war es, beim Militär. Dort lernte ich einen Kameraden namens Dr. M., Sohn des bekannten Redakteurs der ... Zeitung in F ..., kennen. Auf dem Exerzierplatz fragte ich ihn einmal während der Rast, warum sein Vater ein solch heftiger May-Gegner gewesen sei. Er gab mir die Gründe an, die ich – es war vor 8 Jahren – meist leider vergessen habe (Prozeßgeschichten, Verhimmlung Karl Mays durch einen Teil der Presse usw.) und dann sagte er noch ungefähr:


//71//

"Gegen Karl Mays Schriften war ja eigentlich mein inzwischen verstorbener Vater nicht, und er selbst – er litt an einem Krebsleiden – las eifrig auf dem Sterbebett besonders die ersten May-Bände gern und äußerte sich oft, so eine leichte und angenehme Lektüre helfe ihm über viele qualvolle Stunden hinweg ...!"

Ist es nicht eigenartig zu hören, daß ein heftiger May-Gegner auf dem Totenbett sein strenges Urteil milderte und selbst ein May-Leser geworden ist? –

        Heinrich Zirm, Lehrer."


Karl-May-Jahrbuch 1929

E d u a r d  E n g e l :  Ruhm (S. 175–221)

Wie die Beiträge "Spannung" (KMJB 1925), "Der wertvolle Mensch" ("KMJB 1927), "Sittlichkeit und Freude" (KMJB 1928) ist auch dieser Text Engels nicht speziell für das KMJB geschrieben worden, sondern seinem Buch "Was bleibt?" entnommen. Daher geht es hier nicht um May im besonderen, sondern ganz allgemein um den Ruhm der Dichter und seine Vergänglichkeit. Am Ende zieht Engel folgendes Fazit: "Aller Ruhm, mit Ausnahme des der paar Unsterblichen, verblaßt und erlischt mit der Zeit. Doch selbst nach dem Verwehen des Ruhms des meistgelesenen Karl May wird die Literaturgeschichtsschreiber [-schreibung] dereinst feststellen: jener Ruhm an sich war ganz echt, nicht erschlichen, nicht erlärmt; er ist erloschen, weil die Unterhaltungstriebe der Leser sich gewandelt haben (S. 221).

F r .  W .  P o l l i n :   Was ich las und wie ich lese (Zum Preisausschreiben der Münchener Buchwoche) (S. 239–250)

L .  Z o l l i t s c h :   Die May-Bände im Urteil der Jugend (S. 251–253)

Hierbei handelt es sich wieder um zwei Analysen von Umfragen zum Lesegeschmack. Pollin wertet Antworten von Jungen und Mädchen zu der Frage nach ihren Lieblingsbüchern, die bei einer Aktion anläßlich der Münchener Buchwoche 1925 gestellt wurde, aus und kommt zu dem Ergebnis, daß von 79 Jungen 23 Karl Mays Bücher am liebsten lasen, er also unangefochten an erster Stelle in der Beliebtheitsskala rangiert, während er bei den Mädchen erst an 5. Stelle, aber immerhin noch vor "Heidi" und anderen "typischen Mädchenbüchern" kommt (S. 249f). Zollitsch dagegen teilt die Ergebnisse einer Umfrage bei den Schülern des Alten Realgymnasiums in München nach der Beliebtheit der einzelnen May-Bände mit; dabei zeigt sich, daß die


//72//

drei "Winnetous" am beliebtesten sind und die Bände 28-33, also das Alterswerk, am wenigsten gelesen werden, ihren wenigen Jugendlichen Lesern aber sehr gut gefallen (S. 251f). Keiner der beiden Beiträge bringt also überwältigende neue Erkenntnisse.


Karl-May-Jahrbuch 1930

W a l t e r  S t e e g e r :  [/]  E r n s t  F l e i s c h h a u e r :  Die Gedenktafel in Mays Geburtsstadt (S. 9–27)

Das KMJB 1930 wird eröffnet mit einer Reihe von Aufsätzen, die als Ehrungen für Karl May gedacht sind. Im Frühling 1929 wurde in Mays Geburtsstadt Hohenstein-Ernstthal eine Karl-May-Gedenktafel enthüllt. Über dieses Ereignis berichtet Walter Steeger, Schriftleiter des Hohenstein-Ernstthaler Tageblatts. In einem recht pathetisch gehaltenen Zeitungsartikel; es folgt die Wiedergabe der Festrede von Rechtsanwalt Dr. Ernst Fleischhauer.

H a n s  Z e s e w i t z :  Die Karl-May-Straße in Hohenstein-Ernstthal (S. 28–30)

Im Herbst 1929 wurde eine neuerbaute Straße in Hohenstein-Ernstthal als "Karl-May-Straße" benannt. Zesewitz berichtet in seinem knappen, aber informativen Text über die Vorgeschichte dieses Ereignisses.

C a r l  Z u c k m a y e r :   Palaver mit den jungen Kriegern über den großen Häuptling Karl May (S. 35–43)

W a l t e r  v o n  M o l o :   Kindheitserinnerungen (S. 44–52)

E r n s t  v o n  W o l z o g e n :   Vom Friedhof meiner Gestalten (S. 53–58)

Hier läßt die Schriftleitung der Jahrbücher drei bekannte Schriftsteller zu Worte kommen, die sich alle positiv über Karl May äußern. Für die Forschung sind die Texte belanglos, nicht aber als Zeichen einer allmählich einsetzenden "Rehabilitierung" Karl Mays. Carl Zuckmayer hat seinen kleinen Beitrag über May ausdrücklich für Jugendliche konzipiert (er wurde für die Jugendstunde des Berliner Rundfunks am 3. April 1929 vorbereitet und von Zuckmayer selbst gesprochen); Zuckmayer bedient sich geschickt der Sprache der Amerikaromane Mays, um eine Reihe interessanter Bemerkungen zu Mays Werk zu machen. Besonders Zuckmayers Schlußfolgerung ist wichtig: "Es ist entschieden gescheiter, Boys, daß ihr Karl May lest, als daß ihr euch mit Politik beschäftigt. Ihr habt mehr Spaß und mehr


//73//

Ernst davon und werdet später eine bessere Politik machen, auf der richtigeren Seite stehen, wenn ihr Old Shatterhands brennendes Rechtsgefühl und seine Liebe zu den roten Männern in euch aufgenommen habt" (S. 43).

Walter von Molo berichtet in einem Beitrag für die Berliner Illustrierte Zeitung vom 23. Dezember 1928 über seine Kindheitserinnerungen, in denen Karl May eine große Rolle spielt; der Text Ernst von Wolzogens schließlich wurde am 19. September 1930 im "Tag" erstveröffentlicht. Wolzogen, der Dichter, Kabarettist und Begründer des "Überbrettl", erzählt von seinen Gestalten und ihren Vorbildern, wobei er auch auf Karl Mays Phantasieleistungen zu sprechen kommt.

L u d w i g  G u r l i t t :  Das gelöste "Karl-May-Problem" (S. 127–135)

In diesem Beitrag würdigt Gurlitt einen Meilenstein der May-Forschung, Otto Forst-Battaglias May-Biographie: "Karl May – ein Leben, ein Traum." Gurlitts Rezension ist besonders interessant, weil der Verfasser ohne Scheu von einer krankhaften Veranlagung Mays spricht: "Es steht jetzt außer Zweifel, daß Karl May von Kindheit an Psychopath war und – was Forst-Battaglia nicht erwähnt – in seinen ersten Lebensjahren blind" (S. 129). An anderer Stelle wird er noch deutlicher: "So war Karl Mays Leben durch ein unglückliches geistig-seelisches Erbe, durch eine krankhafte Naturveranlagung und durch die Ungunst des Schicksals zu Schuld und Fehl gedrängt worden und hat jahrzehntelang gegen die Erfahrungen und Erinnerungen seiner Jugend mit bewunderungswürdigem Ernst und Fleiß angekämpft" (S. 131). Dies klingt fast wie eine vorweggenommene Rechtfertigung der "psychologischen" May-Forschung unserer Tage (Wollschläger, Bach, u. a.), ist aber als Lob für den Biographen Forst-Battaglia gedacht: "Forst-Battaglia hat alle diese seelischen Vorgänge, als deren Niederschlag wir die 60 Karl-May-Bände haben, als einen 'Traum und seine Spiegelung' bezeichnet" (S. 133). Gurlitt hält mit Forst-Battaglias Buch das "May-Problem" für gelöst: "Es ist nicht zu fürchten, daß nach Erscheinen seiner kleinen Schrift ein Streit über Karl May noch weiterhin geführt werden kann. Denn die Schwächen des Dichters sind jetzt ebenso klar erkannt und ebenso ehrlich bekannt wie seine Verdienste, die mit jenen doch in einem inneren Zusammenhang stehen: seine Schriften sind eine Flucht seiner geängstigten Seele aus dem Schuldbewußtsein in die Luft des edlen Schaffens; in seine Traumgestalten rettet er sein bedrohtes Ich" (S. 133).


//74//

F r i t z  P r ü f e r :  [/]  E .  A .  S c h m i d :  Karl May in den Volksbüchereien (S. 333–344)

Die Frage, ob Karl Mays Werke in Volksbüchereien gehören oder nicht, wird in diesem zweiteiligen Aufsatz von verschiedenen Seiten betrachtet. Fritz Prüfer versucht mit Zitaten (unter anderem von Hermann Hesse und Max Jungnickel) (S. 336) den künstlerischen Wert und die Bedeutung von Mays Büchern klarzulegen. Seine Ausführungen enden mit dem kategorischen Satz: "Keine Volksbücherei ist vollwertig ohne Karl May" (S. 337). E. A. Schmid greift im zweiten Teil des Aufsatzes einen konkreten Fall heraus: die Nürnberger Zeitung hatte am 23. Juni und 11. Juli 1928 darüber berichtet, daß die Städtische Volksbibliothek Karl May aus den Beständen entfernen wolle und sich dagegen kritisch ausgesprochen (S. 338f). Daraufhin antwortete der zuständige Bibliothekar, niemand wolle Karl Mays Werke ganz entfernen; nur etwas reduzieren wolle man die Bestände, um "die seuchenartige Nachfrage nach Karl May" (S. 340) zu verringern. Gegen diese Ansicht wendet sich Schmid, indem er auf die Gefahren hinweist, wenn man einen so begehrten Lesestoff wie Karl May nicht mehr frei zugänglich macht, so daß die Bücher dann heimlich gelesen werden (S. 343). Insgesamt zeigt der Beitrag, wie umstritten Karl Mays Bedeutung gerade in der Sicht der Bibliothekare damals noch war.


Karl-May-Jahrbuch 1931

E .  A .  S c h m i d :  Die Entstehung des Karl-May-Museums (S. 11–14)

E. A. Schmid berichtet hier in großen Zügen, wie das Karl-May-Museum im Park der Villa Shatterhand zu Radebeul in den Jahren 1926 bis 1928 entstand. Dabei geht er besonders auf die Gestalt Patty Franks ein, aus dessen Sammlung von Indianistika das May-Museum seine wichtigsten Schätze bezog (S. 13). Es folgt ein von Hermann Dengler verfaßter "Führer durch das Museum" (S. 15–60), der sehr ausführlich gehalten ist sowie ein von Fritz Jäger stammender kulturgeschichtlicher Beitrag unter dem Titel "Ein Rundgang durchs Museum" (S. 61–74) und ein "Pressespiegel" (S. 75–108). Alle diese Beiträge sind heute nur noch von historischem Interesse, denn das May-Museum in dieser Form existiert heute nicht mehr.

E d u a r d  E n g e l :  Der grausame Dichter (S. 119–147)

Eduard Engel untersucht in diesem Aufsatz in wie immer sehr aus-


//75//

führlicher [ausführlicher] und ausholender Form das Problem der Grausamkeit in literarischen Werken und kommt in dem geschilderten Zusammenhang auch auf Karl May zu sprechen: "Karl May war im Leben ein gütiger, milder versöhnlicher Mensch; er war sicher keiner Grausamkeit gegen Mensch oder Tier fähig. In allen seinen Erzählwerken geht er bewußt von dem Grundsatz aus: Es soll Gerechtigkeit auf Erden herrschen (...). Ich habe an ihm den Mangel künstlerischer Grausamkeit – oder sagen wir dichterischer Härte gerügt. Er packt nicht zu, wo er möchte; er läßt Schwerverbrecher gar zu leichtherzig entwischen, wo er sie vernichten könnte" (S. 146). Aber gegen diese seine eigene Ansicht führt Engel dann das berechtigte Argument ins Feld, daß künstlerische und erzählökonomische Erwägungen (auch eine Detektivgeschichte muß ja einen gewissen Umfang haben) gegen eine zu schnelle Entlarvung und Bestrafung der Verbrecher sprechen. Und, das muß hinzugefügt werden, auch Mays Einstellung, die christliche Grundtendenz seiner Erzählungen, verbietet eine zu offenkundige dichterische Grausamkeit.

W i l h e l m  F r o n e m a n n :   Geistige Bedürfnislosigkeit (S. 148–152)

E .  A .  S c h m i d :   Geistige Überheblichkeit (S. 153–157)

F r a n z  d e  P a u l a  R o s t :   Geistige Waffen (S. 158–173)

A l b e r t  H a s e n b e i n :   Sie irren sich, Herr Kollege! (S. 174–180)

M a x  B a u m a n n :   Sachlichkeit tut not (S. 181–187)

W .  O t t e r p o h l :   Dürft ihr Karl May lesen, Jungens? (S. 188–190)

M a x  B r e t h f e l d :   Das Ergebnis einer Nachprüfung (S. 191–192)

A l f o n s  K i n d :   Schutzwall gegen Sinnlichkeit (S. 193–196)

H a n s  K ü c h l e r :   Winnetou im Schulzimmer (S. 197–204)

Zu den erbittertsten Gegnern Karl Mays in den zwanziger Jahren gehörten die in den "Vereinigten Deutschen Prüfungsausschüssen für Jugendschriften", Hamburg, vertretenen Volksschullehrer. Ausgangspunkt für die in diesem Jahrbuch dokumentierte Kontroverse war ein Aufsatz des Frankfurter Volksschullehrers und May-Gegners Wilhelm Fronemann, in dem Karl May als "Heros der Unmündigen des Geistes und der Jahre" (S. 149) und "als Heros der geistigen Bedürfnislosigkeit" (S. 152) apostrophiert wurde. Dieser Text wurde 1931 vom


//76//

Zeitungsdienst der "Vereinigten Deutschen Prüfungsausschüsse" erstgedruckt und in der Folgezeit von einer Reihe von Zeitschriften nachgedruckt, unter anderem in "Die Stimme der Freiheit", Organ der Aktionsgemeinschaft für geistige Freiheit, Berlin. In dieser liberal und tolerant gesinnten Zeitschrift erschien in Nr. 2/1931 eine scharf formulierte Entgegnung auf Fronemanns Angriffe von E. A. Schmid, die ebenfalls im KMJB 1931 zu lesen ist. Daraufhin überwarf sich Fronemann mit der Aktionsgemeinschaft für geistige Freiheit; über diese Vorgänge berichtet Franz de Paula Rost in seinem Aufsatz "Geistige Waffen". De Paula Rost war als Schriftleiter der "Stimme der Freiheit" letztlich verantwortlich für die mayfreundliche Haltung dieses Organs. In den Beiträgen von Hasenbein, Baumann, Otterpohl, Brethfeld, Kind und Küchler kommt eine Reihe von Lehrern zu Wort, die alle scharfe Kritik an Fronemann üben und zum Teil ebenfalls Mitglieder der Prüfungsausschüsse für Jugendschriften in verschiedenen Städten waren. Bisweilen wird hier auch generelle Kritik an den Prüfungsausschüssen geübt. (Zu Fronemann vgl.: E. Heinemann: Karl May paßt zum Nationalsozialismus wie die Faust aufs Auge in Jb-KMG 1982.)

H o r s t  K l i e m a n n :  Wer kauft Karl May? (S. 292–299)

Kliemann setzt hier seine statistischen Untersuchungen aus dem KMJB 1928 über die Käuferschichten der Werke Mays mit neuen Zahlen aus den Jahren 1926–1930 fort. Die wichtigsten Ergebnisse seiner Untersuchung sind: die Zahl der jugendlichen Käufer ist stark angestiegen, die der erwachsenen zurückgegangen (S. 295). Weitaus die meisten May-Bücher wurden als Geschenk verwendet (im Gegensatz zu den früheren Ergebnissen) (S. 296).

C a r l  Z u c k m a y e r :  Winnetou auf der Bühne (S. 300–306)

In launiger Form rezensierte Zuckmayer 1929 in der "Vossischen Zeitung" die Winnetou-Dramatisierung von Hermann Dimmler und Ludwig Körner, 'Winnetou, der rote Gentlemen. Die Herausgeber des Jahrbuchs haben diesen Text hier wiederabgedruckt, wobei sie Zuckmayers May-Begeisterung fast als ein wenig übertrieben betrachten (S. 300, Anm. der Herausgeber). Nichtsdestoweniger dürfte Zuckmayers Beurteilung der Aufführung und der Schauspieler richtig sein. Denn der später von den Nazis ermordete Winnetoudarsteller Hans Otto war damals der vielleicht faszinierendste Heldendarsteller auf Berliner Bühnen. Elisabeth Bergner, deren Partner er einige Male war, hat ihm in ihren Memoiren ein Denkmal gesetzt (Hinweis von Hatzig).


//77//

J .  K l ü b e r :  Karl May und die Heilanstalten (S. 382–400)

Aus einer Erfahrung als Direktor einer Heilanstalt spricht Klüber hier über die positive Wirkung der May-Lektüre auf Geistes- und Gemütskranke. Besonders interessant ist der Teil seiner Ausführungen, in dem davon die Rede ist, daß die Kranken durch Mays Bücher zu richtiggehenden May-Spielen angeregt werden (S. 396f).

E .  A .  S c h m i d : LudwigGurlitt † (S. 502–508)

Dies ist kein Nachruf im gewöhnlichem Sinne: E. A. Schmid berichtet über den kurzen Briefwechsel zwischen Gurlitt und Karl May aus Mays Todesjahr 1912 (S. 503ff), über Gurlitts Eintreten für Karl May im "Kampf" gegen Avenarius (S. 506f) und über Gurlitts Tätigkeit als Mitherausgeber der Jahrbücher seit 1925. Kritische Töne und eine Würdigung Gurlitts als Schulreformer und als Mensch fehlen allerdings fast ganz.


Karl-May-Jahrbuch 1932

Zu Karl Mays 90. Geburtstag, 25. Februar 1932 (S. 11–29)

Hier wird eine Auswahl aus "reichsdeutschen" Pressestimmen zu Karl Mays 90. Geburtstag am 25.2.1932 geboten, wobei kritische Berichte wohl vorsorglich fortgelassen worden sind.

E .  A .  S c h m i d :  Die Karl-May-Straße in Radebeul (S. 30–32)

E. A. Schmid berichtet über die Umbenennung der Radebeuler Kirchstraße, in der die Villa Shatterhand mit Blockhaus und Museum liegt, in "Karl-May-Straße". Ferner wurde der gegenüber der "Villa Shatterhand" gelegene große Garten in einen "Karl-May-Gedächtnishain" umgestaltet. Die Weihe fand am 2. Juli 1932 statt (S. 31). Auch wurde die Karl-May-Straße in Hohenstein-Ernstthal so verlängert, daß auch Karl Mays Geburtshaus nun in der Karl-May-Straße zu liegen kam.

Zu Karl Mays 20. Todestag, 30. März 1932 (S. 161–177)

In diesem Beitrag sind Pressestimmen zum 30. März 1932 zusammengestellt, wobei sich die Auswahl nach ähnlichen Kriterien richtet wie in dem oben erwähnten Text zum 90. Geburtstag: kritische Töne sind vermieden worden.

E .  A .  S c h m i d :  Die Karl-May-Stiftung (S. 180–182)

E. A. Schmid geht zunächst auf Avenarius' Verdächtigung ein, die "Karl-May-Stiftung" könne als Reklame für Mays Werk gedacht sein und weist sie entschieden zurück (S. 180f). Insbesondere betont


//78//

Schmid die Unabhängigkeit der Karl-May-Stiftung: "Im übrigen ist die Karl-May-Stiftung durchaus unabhängig von unserm Verlag und auch von Frau Klara May. Wir haben keinerlei Einfluß auf die Entscheidung über die Spendengesuche, die lediglich an das Volksbildungsministerium in Dresden zu richten sind" (S. 182). Die Frage nach der wahren Bedeutung der Karl-May-Stiftung und ihrer Abhängigkeit oder Nicht-Abhängigkeit vom KMV ist bis heute unterschiedlichsten Auslegungen unterworfen gewesen.

E d u a r d  E n g e l :  Erfolg (S. 183–217)

Engel beschäftigt sich in seinem wie immer sehr kenntnisreichen, aber für die May-Forschung an sich wenig relevanten Aufsatz mit dem Phänomen literarischer Erfolge. Er erwähnt heutzutage vergessene, zu Lebzeiten aber sehr erfolgreiche Dichter und Schriftsteller, beschäftigt sich mit der Rolle der Presse (S. 203–205) und im Anschluß daran mit dem Erfolg Mays: "Karl May war nicht eines Tages erwacht und hatte sich berühmt gefunden. Durch Bitternisse, durch Nöte, durch grausame Angriffe hindurch ging der Weg seiner Erfolge, aber immer vorwärts. Grade die Dauer und die stete Steigerung seiner Beliebtheit sind etwas Einziges. Die sich in Abständen immer wiederholenden Angriffe auf Karl Mays Gefahr für die Sittlichkeit seiner jungen Verehrer haben der Geltung dieses Erzählers nicht das mindeste geschadet" (S. 213).

Geächtet oder geachtet? 32 Tschechen äußern sich über Karl May (S. 218–368)

Der längste Beitrag des KMJB 1932 ist auch einer der interessantesten. In der tschechischen Übersetzung des Bandes 'Ich' hatte der Verlag Touzimsky und Moravec, Prag, 30 Äußerungen von bekannten tschechischen Gelehrten und Schriftstellern über Karl May veröffentlicht. Diese Meinungsäußerungen, die sich teilweise in recht ausführlicher Form mit Karl May und die Kontroverse um seine Schriften auseinandersetzen, sind im Jahrbuch 1932 in deutscher Übersetzung, teilweise leicht gekürzt, wiedergegeben. Unter den Autoren befinden sich auch Personen des öffentlichen Lebens sowie Vertreter verschiedener politischer Richtungen. Ebenfalls übersetzt wurde das Vor- und Nachwort zu dieser Sammlung von kritischen Stimmen, das Frantisek Schörpner, der tschechische May-Übersetzer, verfaßt hatte. Angehängt wurde eine Erinnerung des bedeutenden tschechischen Wissenschaftlers Frantisek Behounek, eines Überlebenden der Nobile-Expedition. Insgesamt lohnt sich die Lektüre dieser (keineswegs unkritischen) Meinungsäußerungen auch heute noch.


//79//


Karl-May-Jahrbuch 1933

E .  A .  S c h m i d :  Der Karl-May-Hain in Radebeul (S. 7–16)

In recht ausführlicher Form berichtet der Karl-May-Verleger hier über die bereits im vorigen Jahrbuch erwähnte Weihe des Karl-May-Gedächtnishains in Radebeul, wobei er Auszüge aus den Festreden und Grußworten bringt.

H a n s  L ö w e :  Karl May in der Schule (S. 337–344)

Ein Studienassessor berichtet aus seiner Schulpraxis von dem Versuch, mit Schülern die Werke Mays in den Unterricht einzubeziehen, wobei er Mays Texte mit denen des Amerika-Erzählers Friedrich J. Pajeken, heute weitgehend unbekannt, vergleichen läßt (S. 338ff). Insgesamt ein interessanter Beitrag, weil hier eine Möglichkeit aufgezeigt wird, Mays Werke für die Schulpraxis zu nutzen. (Vgl. zum Thema: B. Kosciuszko: "Karl May in der Schule I/II in M-KMG 54 und 55.)

T h e o d o r  R u c k d e s c h e l :  20 Jahre Karl-May-Verlag. 1. Juli 1913 – 1. Juli 1933 (S. 410–415)

Ruckdeschel gibt einen allgemeinen Überblick über die Geschichte des KMV, der auch eine Tabelle mit sämtlichen bis 1933 erschienenen Bänden der Radebeuler Ausgabe und dem jeweiligen Auflagenstand bringt (S. 412f).


Die alten Jahrbücher

Übersicht Sekundärliteratur

Titelseite Karl-May-Gesellschaft

Impressum Datenschutz