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Der Gipfel des Ruhmes: Größe und Wahn, katholischer Beifall und innere Gefangenschaft


Das Ende des Jahres 1891 leitete für den fünfzigjährigen Schriftsteller eine neue Lebenswende ein. Er begegnete Friedrich Ernst Fehsenfeld, dem jungen Verleger in Freiburg, der von den Reiseerzählungen Mays entflammt und begeistert war. Die relativ glücklichsten Jahre im Leben des Autors sollten beginnen.

    Der 'Weltläufer' in der Maske Old Shatterhands wurde zum Volks- und Jugendidol. Als Kenner der menschlichen Seele verstand er es bestens, die 'trivialen', aber auch die tieferen, die metaphysischen Sehnsüchte der Vielen zu erfüllen. Auch der christliche Beifall, der Applaus katholischer Priester und Bischöfe, nahm zu. Und Mays Einkünfte stiegen im "ähnlichen Verhältnis wie sein Ruf".1 Seine Werke dienten ihm doppelt, "sowohl als Seelenbad wie als Finanzquelle".2

    In den neunziger Jahren blieb die schriftstellerische Leistung Karl Mays - quantitativ gesehen - hinter dem gigantischen Werk der früheren Jahre zurück. So fand er noch Zeit für umfangreiche Korrespondenzen, für persönliche Kontakte, für Besucher in seiner Villa, für ausgedehnte Reisen in den Jahren 1897 und 1898. Die Leser wollten zu ihrem Abgott in unmittelbare Beziehung treten. Das erreichte - um 1896 - Formen und Auswüchse, für die die Bezeichnung 'grotesk' noch gelinde ist. Daß May darunter einerseits litt, daß er sich gestört und beeinträchtigt fühlte, zeigt seine - in vielen Details wohl stark übertriebene, in der Grundaussage aber wohl zutreffende - autobiographische Skizze mit dem Titel Freuden und Leiden eines Vielgelesenen (1896).

    Andrerseits BRAUCHTE Karl May die Nähe, die fortgesetzte Bestätigung durch seine 'Gemeinde'. Und er fand sie im Übermaß. Mit Verweis auf die immer zahlreicher werdenden Leserbriefe gab der "durch seine Erfolge schwer niedergedrückte"3 Schriftsteller in den Freuden und Leiden bekannt:

Am tiefsten berühren mich die Zuschriften, welche sich auf die religiösen, ethischen und, ich muß sagen, auch sozialen Wirkungen meiner einfachen Erzählungen beziehen. Es sei mir erlaubt, einige Zeilen, natürlich ohne Namen, wiederzugeben! "Als wir acht Unterzeichneten Studenten der Philosophie wurden, haben wir nicht an Gott geglaubt. Die Lektüre Ihrer Werke hat uns den Glauben zurückgebracht, und wir werden ihn nun um so fester halten. Gott segne Sie!" [...] Ich bin Missionar, und Sie sind es auch; meine größten Schätze hier im Innern Afrikas sind das Wort Gottes und Ihre Bücher, die ich, sowie sie erscheinen, über Marseille geschickt bekomme." [...] "Jetzt bin ich wieder eine glückliche Frau. Ich sah mit schwerer, stiller Bangnis, wie mein Mann heimlich mit sich kämpfte, aber der Tod Winnetous und das Ave Maria haben ihm zum Siege verholfen." [...] "Wir sind arm und können Ihnen keine Schätze geben; aber einen Dank sollen Sie haben; der ist: seit wir Ihre Werke gelesen haben, sind wir keine Sozialdemokraten4 mehr und sehen zu unserer Freude, daß alle, denen wir sie borgen, auch langsam zu uns übertreten."5


    May brauchte die Liebe und das Gebet seiner Verehrer. In den Freuden und Leiden heißt es dann weiter:


Gebet! Kennt einer die Macht des Gebetes, so bin ich es! [...] Und wenn meine Erzählungen hier und da Gutes wirken, so habe ich dies nächst Gott nicht mir, sondern den Gebeten meiner Leser zu verdanken. Ich weiß, daß Hunderte von ihnen täglich für mich beten; sie haben es mir geschrieben, und ich schließe sie täglich auch in meine Bitte ein. Wenn so viele den Herrgott bitten, meiner Feder Segen zu verleihen, da kann doch wahrlich ich nicht stolz auf das sein, was ich schreibe! Es sind die Boten Gottes, die mir die Worte bringen. Wenn jeder Autor von diesem Standpunkte aus arbeitete, es gäbe weniger unnütze Bücher, aber mehr Glauben, mehr Liebe und Vertrauen!6


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    Wie immer man solche Sätze interpretieren will, als naive Eitelkeit, als raffiniertes Selbstlob, als peinlichen Aberwitz, als echte Glaubenserfahrung oder als Konglomerat von dem allem, an der subjektiven Ehrlichkeit dieser Äußerungen ist nicht zu zweifeln. Mays Glaube und Bekennerdrang gehören, verstärkt jetzt, zu den Wesenszügen seines Charakters und seiner Schreibweise: "Ich bin nun einmal ein gläubiger Christ und habe den unwiderstehlichen Drang, dies in meinen Werken nicht zu verheimlichen."7

    Der Gefahr des Hochmuts - vor Gott und den Menschen - war sich der Dichter in seinem Herzen bewußt. Im Weg zum Glück, seinem letzten Kolportageroman, jedenfalls hatte May die Muhrenleni, die begnadete Sängerin, in die Knie sinken und beten lassen:


Vater im Himmel, bleib bei mir und verlaß mich nicht, daß ich nicht stolz und hochmüthig werde. Du Heiland aller Sünder, laß mich stets bedenken, daß ich eine arme Sünderin bin! [...] Du reine Mutter Gottes, schau freundlich auf mich hernieder und bitte für mich, daß ich fromm bleibe und voller Demuth."8


    Noch zuvor ward die Leni gewarnt: "Ein König nimmt Dich an die Hand, / Führt Dich in goldne Pforten ein. / O traue nicht dem eitlen Tand, / Und trau der Liebe nur allein!"9

    Daß der Erfolg, die Berühmtheit, der 'eitle Tand' zur Gefahr für ihn selbst, für die eigene Seele und die schriftstellerische Entwicklung, werden könnte, ahnte May wohl. Um sich selbst, um die eigene Zukunft besorgt zu sein, hatte der Dichter - ihm bewußt oder unbewußt - Gründe genug.

    Die väterliche Gewalt, die Enge der Seminarerziehung in Waldenburg, die Haftjahre in Zwickau und Waldheim, die Fronarbeit für den 'Schundverlag' - dies alles ist zwar Vergangenheit; aber unfrei war der Schriftsteller noch immer: Er blieb der Gefangene seiner - traumatischen - Kindheits- und Jugenderlebnisse, seiner narzißtischen Neigung, seines Hangs zur Gefallsucht, seiner latenten Ich-Spaltung, seiner Angst vor der Wahrheit - dem möglichen Bekanntwerden seiner kriminellen Vergangenheit.

    Die Angst versteckte sich hinter der Larve der Fröhlichkeit, der "gesellschaftlich angepaßten Gewandtheit".10 Daß ihm das Schlimmste noch bevorstand, wußte May so wenig wie Hiob, der "Reiche und Gerechte aus dem Lande Uz".11 Seine bisherige Zurückgezogenheit schlug um in ihr Gegenteil. Was seine Ehefrau Emma schon lange im Sinn hatte, den Kontakt zur großen Gesellschaft, das suchte er selbst nun ebenfalls. Die Bürgerwelt hatte ihn einstens verstoßen; in die High Society drängte May jetzt stürmisch hinein. Ernst Bloch sah es richtig: Die unterdrückte Kreatur will "großes Leben haben"!12

    Der Schriftsteller gibt Empfänge als "Dr. Karl May, genannt Old Shatterhand",13 als der große Reisende, universale Gelehrte und gefeierte Dichter; er rühmt sich seiner Beziehungen "fast zu sämtlichen Fürstlichkeiten Deutschlands";14 und er fordert, in einem Brief, dazu auf, die "Blumen aus dem gelobten Lande" zu verteilen, die ihm sein "lieber, hochwürdiger Freund, der Patriarch von Jerusalem, gesandt hat".15

    Karl May genießt den Erfolg, den Starkult der - nach Millionen zählenden - Lesermassen. Zeitgenössische Literaturgeschichten ignorieren ihn zwar,16 doch seine Eitelkeit ficht das nicht an: "Ich sage Ihnen, die Namen Fehsenfeld und May werden der Zeitgeschichte so tief eingegraben sein, daß wir ruhig sterben können und doch weiterleben werden."17

    May sollte recht behalten: Seine Bücher und besonders seine Reiseerzählungen werden noch heute gelesen. Aber dem "Schicksal, totgelobt zu werden",18 fiel der Autor, in den neunziger Jahren, zum Opfer: Seine Berühmtheit wurde ihm zum Verhängnis; denn sie verleitete ihn - bei öffentlichen Auftritten - zu kuriosen (und vielschichtig motivierten19) Prahlereien, die seinem Ansehen später nur schadeten.


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    Mays schriftstellerische Leistung gewann, mehr und mehr, an Bedeutung, an literarischem Wert. Und sein persönlicher 'Aufstieg' erreichte den schwindelnden Gipfel. Bis zur Katastrophe, zum Sturz, zum Zusammenbruch in qualvollen Raten. Oder anders gesehen: bis zur schmerzlichen Verwandlung des Bestsellerautors in den Symboldichter, den Visionär, den Propheten. Denn die alte Hülle mußte zerbrechen. Nur so konnte der wahre, der 'eigentliche' May im letzten Lebensjahrzehnt geboren werden.



Anmerkungen


1Heinz Stolte: Der Volksschriftsteller Karl May. Beitrag zur literarischen Volkskunde (Reprint der Erstausgabe von 1936). Bamberg 1979, S. 45.
2Walther Ilmer: Das Märchen als Wahrheit - die Wahrheit als Märchen. Aus Karl Mays 'Reise-Erinnerungen' an den erzgebirgischen Balkan. In: JbKMG 1984, S. 92-138 (S. 93).
3Karl May: Freuden und Leiden eines Vielgelesenen. In: Deutscher Hausschatz 23. Jg. (1897). Nr. 1, S. 1-6 u. Nr. 2, S. 17-21 (erschienen im September/Oktober 1896); hier zit. nach der Original-Wiedergabe in: Der Rabe. Magazin für jede Art von Literatur Nr. 27. Hrsg. von Hermann Wiedenroth und Hans Wollschläger. Zürich 1989, S. 175-211 (S. 175).
4Die 1890 wiedergegründete SPD hatte, anders als die heutige SPD, den atheistischen Marxismus ins Parteiprogramm ('Erfurter Programm') aufgenommen!
5May: Freuden und Leiden, wie Anm. 3, S. 201 f.
6Ebd., S. 204.
7Karl May: Winnetou der Rote Gentleman. 3. Band. Gesammelte Reiseromane, Bd. IX. Freiburg 1893, S. 629 (Nachwort).
8Karl May: Der Weg zum Glück. Roman aus dem Leben Ludwig des Zweiten. Hildesheim, New York 1971 (Reprint der Dresdner Erstausgabe von 1886-88), S. 339.
9Ebd., S. 21.
10Eugen Drewermann - Ingritt Neuhaus: Marienkind. Grimms Märchen tiefenpsychologisch gedeutet. Olten, Freiburg 21985, S. 42 (ohne Bezug auf May).
11Heinz Stolte: Hiob May: In: JbKMG 1985, S. 63-84 (S. 66).
12Ernst Bloch: Die Silberbüchse Winnetous. In: Frankfurter Zeitung vom 31.3.1929. Neufassung in: Ders.: Erbschaft dieser Zeit (Gesamtausgabe, Bd. 4). Frankfurt/M. 1962, S. 169-173 (S. 172).
13Vgl. unten, S. 325ff.
14Aussage Mays vom 10.9.1898; wiedergegeben bei Rudolf Lebius: Die Zeugen Karl May und Klara May. Ein Beitrag zur Kriminalgeschichte unserer Zeit. Berlin-Charlottenburg 1910, S. 18.
15Aus einem Brief Karl Mays vom 25.5.1898 an Friedrich Hinnrichs; zit. nach Erich Heinemann: Dr. Karl May in Gartow. In: JbKMG 1971, S. 259-268 (S. 267).
16Vgl. Ingmar Winter: Karl May in der Deutschen Literaturgeschichte. Eine Bestandsaufnahme. In: MKMG 73 (1987), S. 35-42 (S. 36): Lediglich in Gustav Brugiers Literatur-Geschichte wird May erwähnt (und zwar lobend). - Vgl. oben, S. 217.
17Aus Mays Brief vom 13.3.1899 an Fehsenfeld; zit. nach Gerhard Klußmeier - Hainer Plaul (Hrsg.): Karl May. Biographie in Dokumenten und Bildern. Hildesheim, New York 1978, S. 127.
18Karl May: Mein Leben und Streben. Freiburg 1910. Hrsg. von Hainer Plaul. Hildesheim, New York 21982, S. 32
19Vgl. unten, S. 329ff.



8.1

Die Verbindung mit Fehsenfeld: Finanzieller Erfolg und Public Relations


Friedrich Ernst Fehsenfeld (1853-1933), der achte Sohn eines Landpfarrers in Groß-Lengden bei Göttingen,1 wurde Mays neuer Geschäftspartner. Seine Kindheit und Ju-


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gend, die Jahre 1862 bis 1871, hatte er im Hause des renommierten Literaturkritikers Julian Schmidt in Berlin verbracht. Er kannte, weil sie bei Schmidt verkehrten, den Philosophen Dilthey, den Historiker Treitschke, die Literaten Gustav Freytag, Fritz Reuter, Ivan Turgenjew und andere Größen der Geisteswelt.

    In Gießen und dann in Freiburg/Br. war Fehsenfeld Buchhändler gewesen. Um 1890 gründete er in Freiburg einen eigenen Verlag. Bald schon wurde er - über die Lektüre des Orientzyklus im 'Deutschen Hausschatz' - mit dem sächsischen Schriftsteller bekannt:


Ich stieß auf die Erzählung Im Schatten des Großherrn von Karl May. Ich begann zu lesen und kam nicht mehr davon los. Familie, Geschäft, Essen und Trinken, alles vergaß ich! [...] Die Erzählungen aus ihrer Zerstückelung in den Zeitschriften herauszuholen, sie in Bücher zu fassen und so der deutschen Jugend und dem ganzen Volk zu schenken, das war ein Gedanke, der mich nicht wieder losließ."2


    Der Verlag 'Alfred Mame et Fils' in Tours hatte Mays Orientzyklus allerdings schon seit 1884 in Buchform, in französischer Übersetzung, ediert.3 Auch Friedrich Pustet hatte schon am 13. November 1884 dem Schriftsteller eine Buchausgabe seiner im 'Hausschatz' gedruckten Erzählungen angetragen. Doch der Autor war nicht darauf eingegangen:4 Einer Zusage Mays hätte wohl ein stärkeres Engagement für Pustet folgen müssen; dazu aber war der Schriftsteller aufgrund seiner Kolportagetätigkeit bei Münchmeyer (1882-87) nicht in der Lage.

    Fehsenfeld nun wandte sich im Sommer 1891 brieflich an Karl May und bot ihm eine Verbindung an. Mit der Antwort ließ May sich vier Monate Zeit, "vielleicht deshalb, weil Fehsenfeld als Verleger noch völlig unbekannt war".5 Auf die Einladung Mays hin - "Soeben von einer meiner großen Reisen zurück, finde ich Ihren Brief vor. Kommen Sie!"6 - besuchte der Verleger den Autor in Oberlößnitz, in der 'Villa Agnes'.

    Kurz vor seinem Tode (1933) schreibt Fehsenfeld in seinen Erinnerungen:


Ich reiste nach Dresden [...] Am kleinen Bahnhof 'Weintraube' stieg ich aus, und da kam denn auch alsbald ein Herr im grauen Havelock auf mich zu, legte beide Arme auf meine Schultern und rief aus: "So muß mein Verleger aussehen!" Karl May war ein schöner Mann [...] Kräftig gebräunt war die Haut (jedenfalls ein Überbleibsel von Kara Ben Nemsis Orientreise! dachte ich mir), schalkhaft der Mund und gewinnend sein Lächeln. Seine Stimme klang angenehm mit einem deutlichen Anflug von sächsischem Tonfall, der sich mitunter auch unfreiwillig in seine Reime einschlich. Karl May war mittelgroß, sehr kräftig gebaut, die Beine hatten den leichten Schwung von Reiterbeinen.7


    Am 17. November 1891 wurde ein Vertrag abgeschlossen: "Die Unterzeichneten vereinigen sich zur Buchausgabe der im 'Deutschen Hausschatz' und anderen Zeitschriften bisher erschienenen Reiseromane des Herrn Dr. Karl May." (§ 1)8 Wenige Tage vor dem Vertragsabschluß hatte May in einem Brief an Fehsenfeld noch betont, es stünde ihm zu seinen "sonstigen Connexionen [...] ein Colportageapparat zur Verfügung, welcher sich über ganz Deutschland erstreckt"; nur mit der Kolportage, so fügte er hinzu, sei ein größerer Absatz zu erreichen.9

    In Wirklichkeit hatte May, nach trüben Erlebnissen, mit der Kolportage wohl nichts mehr im Sinn. Oder sollte er, angesichts seiner Geldschwierigkeiten in den Jahren 1889 bis 1891, doch wieder an die Firma Münchmeyer gedacht haben? Nach dem Vertragsabschluß mit Fehsenfeld freilich sah sich May, den euphorischen Äußerungen nach zu schließen, von allen Sorgen befreit. Am 3. Dezember 1891 sandte der Autor seinem neuen Verleger einen Brief, den er mit den launigen Zeilen beschloß:


"Im lieben, schönen Lößnitzgrund / Da saßen zwei selbander; / Die schlossen einen Freundschaftsbund, / Gehn niemals auseinander. / Der Eine schickt Romane ein, / Der Andre läßt sie drucken, / Unds Ende wird vom Liede sein: / 's wird Beiden herrlich glucken!"10


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    Mays Glücksgefühl trog ihn nicht. Trotz späterer Differenzen blieb Fehsenfeld der wichtigste Verleger Karl Mays - bis nach dem Tode des Dichters. Ab Januar 1892 brachte er die berühmten grünen Bände mit den Goldornamenten heraus: die 'Gesammelten Reiseromane' (seit 1896, aufgrund einer Anordnung Mays vom 17. August, 'Gesammelte Reiseerzählungen'), beginnend mit Band 1 Durch Wüste und Harem, der Neufassung des Großteils von "Giölgeda padishanün" (1881).11 Da Karl May - im Blick auf den Titel, der etwas reißerisch klang - Bedenken wegen seiner katholischen Leser hatte,12 wurde der Romantitel, mit dem 16.-20. Tausend (1895), geändert in Durch die Wüste.

    Im Vorwort zu Band I bewunderte Fehsenfeld seinen Autor:


Bei ihm ist keine Zeile ohne Leben, ohne innere und äußere Bewegung [...] Man lebt sich so in ihn hinein, daß man ganz und vollständig sein Eigen wird [...] Er ist, vielleicht ohne es zu beabsichtigen, ein Missionar, ein Prediger der Gottes- und Nächstenliebe, doch besteht seine Predigt nicht in Worten, sondern in Thaten. Wie köstlich ist's, daß sein treuer Hadschi Halef Omar ihn zum Islam bekehren will und schließlich doch selbst Christ wird, ohne es zu ahnen!13


    Mit dem Lob des Autors durch den Verleger wird, wie schon früher im 'Hausschatz',14 zugleich die Identität des Verfassers mit seinem literarischen Ich suggeriert. Der Weg zur 'Old-Shatterhand-Legende',15 zur ausdrücklichen Behauptung dieser Identität, ist nicht mehr sehr weit!

    Bis zum Jahre 1899, dem Zeitpunkt der bedeutendsten Wende im Leben und Werk Karl Mays, erschienen in Freiburg die Bände I bis XXVII. Einige Erzählungen wie der große Orientzyklus (Bd. I-VI ohne 'Anhang' zu Bd. VI) und eine Reihe von Kurzgeschichten in den Sammelbänden X Orangen und Datteln, XI Am Stillen Ocean (beide 1893/94) und XXIII Auf fremden Pfaden (1897) wurden - nur wenig verändert - aus dem 'Hausschatz' und anderen Zeitschriften übernommen. Weitere ebenfalls (teils in mehreren Varianten) schon früher edierte Texte wurden von Karl May - mehr oder weniger substantiell - überarbeitet und für neu entstehende Roman-Trilogien zusammengesetzt: integriert nun in die Bände VIII Winnetou II, IX Winnetou III (beide 1893) und XV Old Surehand II (1895).

    Für die Fehsenfeld-Reihe neu verfaßt wurden bis 1899, außer dem Anhang zu Band VI Der Schut (1892), die Bände VII Winnetou I (1893) und XIV Old Surehand I (1894),16 der größere Teil von Band XVIII Im Lande des Mahdi III (1896) sowie die Bände XIX Old Surehand III (1896), XXIV "Weihnacht!" (1897) und - eigentlich schon zum Spätwerk gehörend17 - XXV Am Jenseits (1899).

    Der Absatz war zuerst noch enttäuschend. Aus diesem Grunde wurde der Kaufpreis für die Lieferungshefte (die Bände kamen zunächst als zehnteilige Lieferungsausgaben heraus und erschienen unmittelbar darauf als Buchausgaben) am 3. März 1892 von 50 Pfennig auf 30 Pfennig heruntergesetzt.18 Karl May kommentierte diesen Entschluß im Brief vom 12.3.1892 an Fehsenfeld: "Theuerster Freund, vielliebster Bruder, hochwehrthester Rad- und Meisterfahrer, ja es ist schauderhaft, das mit den 30 Pfennigen pro Heft! Ich fühle lebhaft mit Ihnen, aber Sie haben recht: wir machen VIEL mehr Abonnenten "19

    Von jetzt an war der Erfolg gewaltig. Das Lesepublikum Mays verbreiterte sich "geradezu schlagartig".20 Denn die (freilich nie exklusiv gewesene) Ausrichtung auf bestimmte Zielgruppen - Katholiken bei Pustet, untere Volksschichten bei Münchmeyer und Gymnasiasten bei Spemann - wurde jetzt völlig aufgegeben.

    Die Gesamtauflage der bei Fehsenfeld erschienenen Werke Karl Mays betrug im Jahre 1896 bereits 359.000 und im Jahre 1899 schon 722.000 Exemplare.21 Mays Einkommen steigerte sich dementsprechend. Noch im Jahre 1892 gab es finanzielle Engpässe, die Feh-


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senfeld mit Vorschüssen überbrückte. Doch dann kam der große Aufstieg: Fehsenfelds Honorare begannen 1892 - nach Claus Roxin -


mit 5.000 Mark, erreichten aber 1895 und 1896 schon jeweils mehr als 60.000 Mark. Durchschnittlich erzielte May mit den bei Fehsenfeld erschienenen Werken eine Einnahme von 30.000 Mark jährlich. Dazu kamen die Bezüge aus den Zeitschriftenabdrucken beim 'Hausschatz' und beim 'Guten Kameraden', die Erträge aus kleineren Erzählungen, die May in katholischen 'Marienkalendern' veröffentlichte,22 und aus den Buchausgaben der Jugendschriften, die im Verlage der 'Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart' erschienen.23


    Im Anschluß an einen Besuch in Freiburg, im Sommer 1893, leistete sich das Ehepaar May zusammen mit der Familie Fehsenfeld eine Erholungsreise in die Schweiz, nach Bönigen am Brienzer See. Aus der Sicht seiner Frau Emma, die - wie Pauline Fehsenfeld meinte - "unter den unsicheren Verhältnissen in den ersten Jahren ihrer Ehe gelitten hat und sich in die spätere pekuniäre Lage, als Karl May Erfolg hatte, noch nicht hineinfinden konnte",24 war der Schriftsteller in Bönigen wohl zu großzügig im Geldausgeben. Später, im Kapitel über das Privatleben Mays in den neunziger Jahren,25 werden wir auf die Schweiz-Reise - in einem anderen Zusammenhang - noch zurückkommen.

    Karl May wurde ein sehr wohlhabender Mann. Während die Edelhelden seiner Romane den Pomp und den Luxus verachten,26 pflegte der bürgerliche May nun einen, im Vergleich zu früheren Jahren, üppigen Lebensstil. Allerdings hatte er, wie wir sehen werden, auch stets ein Herz für die Armen.27

    Am 30. Dezember 1895 erwarb sich May für 37.300 Mark ein Renommier-Haus, die (seit 1985 als Karl-May-Museum bekannte) 'Villa Shatterhand' in der Kirchstraße 5 in Radebeul bei Dresden. Am 14. Januar 1896 bezogen Karl und Emma diese stattliche Neubau-Villa, die der Dichter bis zum Lebensende bewohnte. Rückblickend schrieb Emma:


Es verging kein Abend, wo wir uns nicht beim gute Nacht sagen, in voller Glückseligkeit die Worte zuriefen: "Hühnelchen, die Villa ist unser. Kein Mensch kann sie uns rauben." Wir freuten uns wie ein paar Kinder über ihre Puppenstube.28


   Den finanziellen Erfolg hatte May seiner literarischen Leistung, aber - zum Teil - wohl auch seiner eigenen Reklame-Strategie zu verdanken. Bis 1891 hatte der Autor auf den Vertrieb seiner Schriften kaum Einfluß genommen. Nach dem Abschluß des Vertrages mit Fehsenfeld aber "kümmerte er sich praktisch um alles, was mit den Buchausgaben seiner Werke zusammenhing."29 Insofern war May - in den neunziger Jahren - kein Phantast, kein weltflüchtiger Träumer, sondern ein geschäftstüchtiger, auf Public Relations bedachter30 Manager in eigener Sache.

   Fehsenfeld gegenüber erklärte May sich bereit, positive Rezensionen zu beschaffen;31 er verfaßte Annoncen und Vorworte;32 er nahm Stellung zum Verkaufspreis, zu Werbeprospekten und Titelbild-Entwürfen;33 er beschäftigte sich mit der äußeren Gestaltung der Bände;34 er nützte persönliche Beziehungen zu Buchhändlern in Kötzschenbroda und Hohenstein-Ernstthal35 und ließ, seit 1896, spektakuläre Werbe-Fotos verbreiten.36

   Auch um die kräftige Unterstützung durch höchste geistliche Würdenträger bemühte Karl May sich wohl selbst:37 Über seine Verbindung zum katholischen 'Hausschatz' und den Redaktionen der 'Marienkalender' ermöglichte der Schriftsteller eine Fehsenfeld-Annonce (im November 1895 im Deutschen Hausschatz) mit 'Empfehlenden Worten Deutscher Bischöfe über Karl May's Gesammelte Reiseerzählungen'.38

   Der Würzburger Bischof Dr. Franz Joseph v. Stein (ab 1897 Erzbischof von München und Freising) zum Beispiel erklärte mit Datum vom 9.12.1894: "Der sprachgewandte Verfasser besitzt in hohem Grade die Gabe, frisch, packend und volkstümlich zu schreiben Was dabei besonders zu betonen ist, das ist die christliche Grundlage "39


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Auch die Exzellenzen von Breslau, Eichstätt, Freiburg, Culm, Mainz, Münster, Osnabrück und Passau bezeichneten Mays Werke - laut Fehsenfeld-Annonce - "als in jeder Beziehung empfehlenswerte Bücher für das katholische Haus".40

   Für das 'katholische' Haus! In ökumenischer Weit- und ökonomischer Umsicht regte May, im Brief vom 22.10.1897 an Fehsenfeld, dann allerdings an: "Der Prospekt müßte so ausgearbeitet werden, daß er für Alle, ohne Unterschied der Confession, zugkräftig ist."41

   Nicht zu bestreiten: Karl May hatte einen Sinn fürs Geschäftliche. Daß es ihm ausschließlich oder vorzugsweise ums Geld ging, wäre nun freilich ein Trugschluß. Seine eigentlichen Triebquellen waren, wie sich zeigen wird, von ganz anderer Art. Und in seinen Romanen werden nicht der Mammon und nicht das Gewinnstreben, sondern ganz andere Werte beschworen. Ein Materialist hätte solche Romane nie schreiben können.



Anmerkungen


1Näheres über Fehsenfeld bei Karl May: Mein Leben und Streben. Freiburg 1910. Hrsg. von Hainer Plaul. Hildesheim, New York 21982, S. 431ff. (Anm. 245).
2Mitgeteilt bei Konrad Guenther: Karl May und sein Verleger (1934); neu abgedruckt in: Karl May: Freiburger Erstausgaben, Bd. XX Satan und Ischariot I. Hrsg. von Roland Schmid. Bamberg 1983, A 2-35 (8).
3Vgl. Christian Heermann: Der Mann, der Old Shatterhand war. Eine Karl-May-Biographie. Berlin 1988, S. 188.
4Vgl. Wilhelm Vinzenz: Karl Mays Reichspost-Briefe. Zur Beziehung Karl Mays zum 'Deutschen Hausschatz'. In: JbKMG 1982, S. 211-233 (S. 218).
5Claus Roxin: Mays Leben. In: Karl-May-Handbuch. Hrsg. von Gert Ueding in Zusammenarbeit mit Reinhard Tschapke. Stuttgart 1987, S. 62-123 (S. 99).
6Mitgeteilt bei Guenther, wie Anm. 2, A 8.
7Ebd., A 8f.
8Zit. nach Roxin, wie Anm. 5, S. 99.
9So hieß es in Mays Brief vom 8.11.1891 an Fehsenfeld; zit. nach Ulrich Schmid: Das Werk Karl Mays 1895-1905. Erzählstrukturen und editorischer Befund. Materialien zur Karl-May-Forschung, Bd. 12. Ubstadt 1989, S. 53.
10Zit. nach Guenther, wie Anm. 2, A 10.
11Vgl. oben, S. 173ff.
12Aus Mays Brief vom 28.2.1892 an Fehsenfeld geht dies hervor; Hinweis bei Schmid, wie Anm. 9, S. 53.
13Zit. nach Gerhard Klußmeier - Hainer Plaul (Hrsg.): Karl May. Biographie in Dokumenten und Bildern. Hildesheim, New York 1978, S. 127.
14Vgl. oben, S. 175f. u. 199.
15Vgl. unten, S. 321ff.
16In den Beginn dieses Romans hat May allerdings zwei ältere Kurzerzählungen (vgl. unten, S. 260) integriert.
17Vgl. unten, S. 356.
18Faksimile-Wiedergabe der entsprechenden Annonce aus dem 'Börsenblatt' bei Klußmeier - Plaul, wie Anm. 13, S. 126.
19Zit. nach Guenther, wie Anm. 2, A 10, und Klußmeier - Plaul, wie Anm. 13, S. 126.
20Klußmeier - Plaul: Ebd., S. 121.
21Nach Hans-Dieter Steinmetz: Die Villa "Shatterhand" in Radebeul. In: JbKMG 1981, S. 300-338 (S. 308), und Roxin, wie Anm. 5, S. 101.
22Vgl. unten, S. 305ff.
23Roxin, wie Anm. 5, S. 99f.
24Zit. nach Ekke W. Guenther: Karl May und sein Verleger Friedrich Ernst Fehsenfeld. In: JbKMG 1978, S. 154-167 (S. 160).
25Vgl. unten, S. 338ff.


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26Vgl. Gert Ueding: Der Traum des Gefangenen. Geschichte und Geschichten im Werk Karl Mays. In: JbKMG 1978, S. 60-86 (S. 81).
27Vgl. unten, S. 329.
28Mays frühere Ehefrau Emma am 12.9.1910 an Louise Achilles; wiedergegeben bei Rudolf Lebius: Die Zeugen Karl May und Klara May. Ein Beitrag zur Kriminalgeschichte unserer Zeit. Berlin-Charlottenburg 1910, S. 226; zit. nach Steinmetz, wie Anm. 21, S. 309.
29Ekkehard Bartsch: "Indem ich die Preisliste beilege". In: MKMG 8 (1971), S. 11-13 (S. 12).
30Vgl. unten, S. 325ff.
31Vgl. Mays Briefe vom 8.11.1891, vom 3.12.1891 und vom 1.2.1892 an Fehsenfeld; mitgeteilt bei Schmid, wie Anm. 9, S. 246 (Anm. 95).
32Vgl. Schmid: Ebd., S. 53.
33Vgl. Bartsch, wie Anm. 29, S. 12. - Zu den Titelbildern und den kritischen Äußerungen Mays vgl. unten, S. 352f.
34Vgl. Schmid, wie Anm. 9, S. 54.
35Vgl. Bartsch, wie Anm. 29, S. 12.
36Vgl. unten, S. 323f.
37Vgl. Bartsch, wie Anm. 29, S. 12.
38Die einzelnen Bischofs-Worte sind wiedergegeben bei Karl May: Der dankbare Leser. Reprint der Ausgabe von 1902. Materialien zur Karl-May-Forschung, Bd. 1. Ubstadt 1982, S. 143ff.
39Zit. nach May: Ebd., S. 145.
40Zit. nach der Faksimile-Wiedergabe der Fehsenfeld-Annonce bei Klußmeier - Plaul, wie Anm. 13,S. 112.
41Zit. nach Bartsch, wie Anm. 29, S. 12.



8.2

Die weitere Zusammenarbeit mit dem Pustet-Verlag:"Ich habe Korrekturen und Kürzungen nie geduldet"


Der berühmt gewordene Schriftsteller erfreute mit immer neuen Verkaufsschlagern. Und der Predigerton, das religiöse Fühlen, durchdrang immer mehr seine Werke: "Was ich bin, und was ich schaffe, das bin und schaffe ich durch Gottes Barmherzigkeit."1

   Mit dem katholischen Pustet-Verlag arbeitete Karl May weiterhin zusammen. Der 'Deutsche Hausschatz' blieb, nach der Veröffentlichung des Mahdi2 im 18. und 19. Jahrgang (1891-93), ein wichtiges Publikationsmittel für den Autor. Die meisten bis 1898 erschienenen Fehsenfeld-Bände wurden zunächst als Journalgeschichten im Regensburger Verlag gebracht.

   Bis August 1892 lieferte May für Pustet die Manuskripte zu einem spannenden Abenteuerroman, der unter den Fortsetzungs-Titeln Die Felsenburg, Krüger Bei und Die Jagd auf den Millionendieb im Hausschatz, ab Herbst 1893, erschien. Von Juli bis Oktober 1893 sandte May ein weiteres Roman-Manuskript nach Regensburg: die - im Wilden Westen spielende - 'Einleitung'3 der (erst 1897 weitergeführten) Reiseerzählung Im Reiche des silbernen Löwen.

   Für knappe drei Jahre, von Herbst 1893 bis etwa Mitte 1896, stellte der Schriftsteller seine Manuskriptsendungen für Pustet ein. Doch der Vorrat an May-Text in der Redaktion des Hausschatzes war reichlich genug, noch für die Jahre 1894 bis 1896.

   Im Herbst 1896 brachte der Hausschatz die kurze Zeit vorher entstandene, "trotz aller heiteren Obertöne so viel innerste Lebensangst verratende"4 autobiographische Skizze Freuden und Leiden eines Vielgelesenen5 - eine religiös zum Teil überspannte, halb ernste, halb groteske, an vielen Stellen selbstironische Persiflage aus der Feder Karl Mays.6

Mitte 1897 folgte das, von May nun auch (für Männerchor) vertonte, Gedicht Ave


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Abb. 8: Die vermutlich früheste Aufnahme von Karl May, um 1875 als Redakteur.


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Abb. 9: Jugendbildnis Emma Pollmers.


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Maria.7 Im Verlauf des Jahres 1897 bis spätestens Juni 1898 entstand, ebenfalls für den Hausschatz, der Hauptteil der Erzählung Im Reiche des silbernen Löwen.

   Da der Silberlöwe zu einer speziellen, von den 'klassischen' Reiseerzählungen Karl Mays zu unterscheidenden Werksgruppe zählt, soll dieser Roman erst später, im Kapitel über die 'späten Reiseerzählungen',8 vorgestellt und besprochen werden.


8.2.1

Satan und Ischariot: Ein Spannungsroman mit biblischen Motiven


Die Felsenburg und ihre Fortsetzungstexte sind NACH der - unmittelbar für die Fehsenfeld-Reihe im Jahre 1893 verfaßten bzw. zusammengestellten - Winnetou-Trilogie erschienen: von September 1893 bis August 1896, im 20.-22. Jahrgang des Deutschen Hausschatzes; entstanden ist der Roman, in der Journal-Fassung, aber noch VOR den Winnetou-Bänden: von Mai 1891 bis August 1892 vermutlich.9 In der späteren Buchausgabe bei Fehsenfeld wurden Die Felsenburg und ihre Fortsetzungen als Trilogie-Bände XX-XXII Satan und Ischariot I-III (1896/97) publiziert. Der biblisch klingende Titel, der den Spannungsroman - sehr deutlich - aus der bloßen Abenteuersphäre herausnehmen und in theologische Zusammenhänge einordnen sollte, geht auf den persönlichen (gegen Fehsenfeld durchgesetzten) Wunsch des Schriftstellers zurück.10

   Die Hausschatz-Redaktion, der das Gesamtmanuskript, wie schon erwähnt, seit Herbst 1892 vorlag, lobte das Werk im Juni 1895: Mays neuer Roman sei "der spannendste, den wir aus der Feder des beliebten Erzählers besitzen. Neue Reisen hatten ihn erfrischt, als er den Roman niederschrieb, und der Einfluß einer glücklichen Gemütsstimmung macht sich überall geltend."11

   Die Felsenburg zeigt, zum ersten Mal in den Ich-Erzählungen, Winnetou und Old Shatterhand als ideales Freundespaar auf den Rücken der Wunderrappen Iltschi und Hatatitla. Die äußere Handlung ist leicht zu skizzieren: Der verbrecherische Mormone Harry Melton, dessen Aussehen den Erzähler an die Satansdarstellung Gustave Dorés (1832-1883) erinnert, will deutsche Auswanderer in eine tödliche Falle locken; im giftigen Quecksilber-Bergwerk 'Almaden alto'12 sollen sie Sklavenarbeit verrichten und elend zugrundegehen. Der teuflische Plan gelingt. Doch sterben müssen die Gefangenen nicht. Old Shatterhand befreit seine Landsleute und stiftet, obendrein, noch Frieden zwischen verfeindeten Indianerstämmen. Mit diesen, recht wenigen, Elementen füllt Karl May - so Walther Ilmer -


750 Seiten13 ohne einen Augenblick Leerlauf [...] indem er immer neuen Verzögerungen, neuen Ablenkungen, neuen Nebenabenteuern und unvermuteten Zwischenfällen Raum gibt, die sich - heterogen wie sie scheinen - verblüffend zu einem integralen Ganzen ineinanderschieben.14


   Diverse aus Mays Kolportageromanen bekannte Motive tauchen wieder auf.15 Und die Darstellungsweise des Autors mögen anspruchsvollere Leser für 'trivial' ansehen. Wie in früheren Ich-Erzählungen Karl Mays gelingt jedoch - zum Teil auch mit Hilfe von neuen, in den bisherigen Werken noch nicht erprobten Kunstgriffen des Schriftstellers - die bruchlose Verschränkung von mehreren Bedeutungsebenen: dem vordergründigen Abenteuer, der autobiographischen Spiegelung und der religiös-mythologischen Botschaft.16

   Die Felsenburg ist, wie die Fortsetzungstexte, ein durchaus komplexes, zugleich sehr straff komponiertes Werk: zunächst eine "Reiseerzählung mit rasanten Aktionen und als solche ein voll befriedigendes Leseerlebnis".17 Doch allein schon die planvolle Topographie - Aufstieg vom niederen Tal in höhere Bergregionen; Beginn und Ende aller drei Bände (in der Hausschatz-Einteilung) am Wasser, dem Symbol des Lebens und der Le-


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bensbedrohung18 läßt eine allegorische Interpretation des Romans nicht abwegig erscheinen.

   Im zweiten Teil Krüger Bei wechseln die Schauplätze. Wie in den Kolportageromanen werden, ohne daß die innere Geschlossenheit der gesamten Erzählung dadurch beeinträchtigt würde, mehrere Erdteile durchschritten. Von Mexiko über Deutschland wird der Leser nach Kairo und Tunis geführt.

   In der sächsischen Heimat erlebt Old Shatterhand eine besondere Überraschung: Winnetou besucht - eine Sensation, die die Hausschatz-Abonnenten zu Weihnachten 189419 vom Stuhl reißen wird - seinen weißen Bruder beim Dresdner Gesangsverein!


Und da stand er unter der Thür! [...] Und wie sah der gewaltige Krieger aus! Eine dunkle Hose, eine ebensolche Weste, um welche ein Gürtel geschnallt war, einen kurzen Saccorock; in der Hand einen starken Stock und auf dem Kopfe einen hohen Cylinderhut, den er nicht abgenommen hatte!20


   Der rote Häuptling begleitet Old Shatterhand alias Kara Ben Nemsi nach Afrika, um Thomas und Jonathan Melton, den Bruder bzw. Neffen des Hauptschurken, zu jagen. Ohne Orts- und Sprachkenntnisse bewährt sich Winnetou im Orient als mindestens ebenso großer Held und kluger Stratege wie in Mexiko und in Nordamerika. Nur - dem Triumph folgt, als böser Ausgleich, eine schwere Gallen- und Lebererkrankung des Indianers. Winnetous starke Natur ist den fremden Lebensbedingungen eben doch nicht gewachsen. Deutungs-Möglichkeiten gibt es hier viele.21 Zum Beispiel: Der Untergang der roten Rasse, "die von außen her infiziert [...] wird",22 zeichnet sich symbolisch in der Krankheit Winnetous ab!

Die Felsenburg, aber auch Krüger Bei und Die Jagd auf den Millionendieb rangieren, nach Walther Ilmer, "als fesselnde Lektüre [...] weit oben in Mays Gesamtwerk".23 Auch der Afrika-Einschub im zweiten Band ist keineswegs "verunglückt",24 sondern - wie Ilmer erklärt - "eine der bemerkenswertesten Leistungen Karl Mays"25 in dieser Schaffensperiode.

   Winnetou in Dresden! Und Old Shatterhand mit dem Häuptling in Afrika! Ein, nach Ilmer, literarisch gelungener Coup, dessen Kehrseite freilich äußerst bedenklich ist. Denn der Schriftsteller hat sich in eine Position hineinmanövriert, die ihm später, um die Jahrhundertwende, zum Verhängnis wird.

   Eine gefährliche, weil trügerische und ver-rückte, Legende nimmt in Krüger Bei eine feste Gestalt an.26 Und in den folgenden Jahren wird May diese Legende (der die Hausschatz-Redaktion schon zu Beginn der achtziger Jahre den Boden bereitet hat) noch ausbauen - aus Gründen, die weiter unten, im Kapitel über die 'Shatterhand-Legende',27 analysiert werden sollen.

   Daß die - vom Autor als 'Edelmenschen' gezeichneten, manchmal aber doch zur Arroganz, zum Selbstgenuß ihrer Überlegenheit neigenden28 - Ich-Helden des Orients, des Wilden Westens und des südamerikanischen Kontinents ein und dieselbe Person seien, war den Hausschatz-Lesern wohl lange schon klar. Aber 'bewiesen' wird diese Identität erst jetzt, in der Reiseerzählung Krüger Bei. Und daß Old Shatterhand/Kara Ben Nemsi (bzw. Charley in Sendador) kein anderer sei als der Autor Karl May, wird im Satan-Roman keineswegs, wie in früheren Texten, nur suggeriert und nahegelegt, sondern dem Leser eindeutig aufoktroyiert.

   Am weitesten, im Vergleich zu den bisherigen Werken, geht May im (von der Hausschatz-Redaktion allerdings gestrichenen) Krüger Bei-Kapitel 'In der Heimath': Der Ich-Erzähler, ein "Linguist", ein Gelehrter mit Doktortitel, ist ein berühmter Schriftsteller in


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Sachsen, war zeitweilig Redakteur, kennt das Erzgebirge ebenso wie Südamerika29 und heißt - "May"!30

   In Krüger Bei hat der Autor seine öffentliche Selbstdarstellung als Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi (in den Jahren 1896 bis 1899) literarisch endgültig vorbereitet. Die Flucht des ehemaligen Straftäters in die Maske der Omnipotenz hat ihren ersten Höhepunkt erreicht.

   Autobiographisch relevant ist in den Satan-Bänden freilich nicht nur der wachsende Geltungstrieb des Autors und nicht nur der - in allen May-Schriften mehr oder weniger virulente - Versuch, die kriminelle Vergangenheit zu 'bewältigen', sondern vor allem auch die Auseinandersetzung des Schriftstellers mit der Realität seiner Ehe.

   Unter höchstem Leidensdruck wohl erst in späteren Jahren,31 ansatzweise aber schon damals (und auch schon früher) sah Karl May in seiner Ehefrau Emma die femme fatale, die seinen Aufstieg in reinere Sphären des Geistes und der Seele blockierte. Die, gelinde gesagt, problematische Beziehung Mays zu Emma spiegelt sich, erstmals durchgehend und nicht nur in punktuellen Hinweisen, im Satan-Roman.32

   In mehrfacher Weise wird das Privatleben mit Emma literarisch durchgespielt: wie es, Karls Wunschbild entsprechend, sein sollte; wie es, aus der Sicht des Schriftstellers, tatsächlich war; und wie es, in Mays Angst-Projektionen, sich zu entwickeln drohte.

   Interessant ist in diesem Zusammenhang die ideale Beziehung zwischen Emery Bothwell und Kara Ben Nemsi,33 aber auch das nur vordergründig immer harmonische, in Wirklichkeit aber von unterschwelligen Empfindlichkeiten tangierte Verhältnis zwischen Winnetou (dessen psychographische Funktion in den Satan-Bänden, unter anderem, auf Emma verweist34) und dem Ich-Erzähler.

   Im Hinblick auf Emma noch aufschlußreicher ist, mit einiger Wahrscheinlichkeit, die Romangestalt Judith Silberstein: ein rassiges Weib von, im wörtlichen Sinne, männermordender Schönheit. Sie unterstützt und provoziert mit dämonischer Tücke den 'Satan' Harry Melton - das Spaltprodukt des Ich-Erzählers,35 den ins Böse verkehrten 'Doppelgänger' Old Shatterhands.36 Und sie stürzt den früheren Kunstreiter Herkules (ein heimliches Selbstporträt des Autors) ins Verderben: Der Artist, der gemütskranke Geliebte der treulosen Jüdin,37 bleibt abhängig von dieser Frau; er kann sich, in seinem Verlangen, nicht lösen von ihr; er verliert seine Braut und - nimmt sich das Leben.

   Auch die Einstellung des Ich-Helden zu Judith Silberstein läßt, bei aller gebotenen Vorsicht, autobiographische Rückschlüsse zu. Der fromm-kluge Shatterhand und die gewissenlose Judith sind die eigentlichen Kontrahenten. Die Beziehung des mutigen Kämpfers zu seiner attraktiven Widersacherin wirkt aber zwiegespalten - eine Haßliebe im klassischen Sinne:


Zwischen Empörung und Nachsicht, zwischen Grimm und Verzeihen bewegt sie sich unaufhörlich [...] Auf weite Strecken hin ist 'Die Jagd auf den Millionendieb' in Wahrheit die Jagd auf Judith Silberstein, ein Duell zwischen ihren Fähigkeiten und denen Old Shatterhands [...] Pikant erschütternder, im Verhältnis des Helden zu einer der Frauengestalten, geht es bei Karl May kaum zu [...]38


   Der Schriftsteller läßt, bezeichnenderweise, am Ende das Teufelsweib - ihrer perfiden Schönheit zuliebe? - der irdischen Strafe entkommen: "solches Unkraut geht nicht zu Grunde"!39

   Dem Buchtitel Satan und Ischariot nach zu schließen, sind - über das äußere Abenteuer und die Spiegelung von seelischen Prozessen im Autor hinaus - auch religiöse Botschaften


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und biblische Handlungsstrukturen zu erwarten. Trifft diese Annahme für die Trilogie-Bände zu?

   Zunächst ist zu sagen: Wie fast allen Erzählungen Mays liegt auch diesem Roman die Anerkennung einer höheren Macht, der Glaube an die göttliche Führung, die Liebe und Gerechtigkeit des wirklichen "Herrn der Heerscharen"40 zugrunde. Denn "das Gute siegt stets, und das Böse muß untergehen".41 Die Spuren der Transzendenz - der Literaturwissenschaftler und May-Kenner Gert Ueding weist darauf hin42 - werden sichtbar. Gottes Allmacht wird, in grundsätzlicher Demut, die Ehre gegeben. Und alles, was lebt, wird als Schöpfung Gottes geachtet: "es ist kein Geschöpf [...] so schwach, gering und klein, daß man seine Liebe von sich weisen darf"!43

   Eine religiöse Tendenz des Romangeschehens ist offenkundig. An biblischen Einzelmotiven sind zu erwähnen: Harry Melton wird, aus Selbstsucht und Ressentiment, von seinem - ihm geistig unterlegenen - Bruder Thomas ermordet. In den Grundzügen ist dieses Motiv "die Wiederholung der Ur-Situation Kain/Abel, nur völlig auf der Negativebene angesiedelt."44 Der habsüchtige Thomas Melton, der Selbstmord begeht und zur echten Reue nicht fähig ist, stellt "im weitesten Sinne Judas Ischariot dar, der seinen Herrn [...] aus Geldgier verriet und sich dann [...] selbst aus Verzweiflung tötete (vgl. Matth. 27, 3-5)."45 Und die biblische Judith, die, um ihr Volk zu retten, den Holofernes enthauptete (Jud 13, 1-10), könnte sich, in negativer Motivabwandlung, in Judith Silbersteins "Erprobung ihrer sinnlichen Macht über Männer schlechthin"46 wiederfinden.

   Auch lichtvolle Ereignisse des Satan-Romans erinnern an die Bibel: Die Rettung der deutschen Auswanderer durch Old Shatterhand läßt - assoziativ - an die Befreiung des Gottesvolks aus der Sklaverei in Ägypten (Ex 1-18) denken. Die Auswanderer stehen, so darf man interpretieren, stellvertretend für alle 'Wanderer', für alle Suchenden und Bedrängten. Diese Deutung liegt nahe. Denn das Rettungsmotiv wird am Ende der Trilogie in Verbindung gebracht mit dem Neuen Testament, mit der Heilsbotschaft Jesu. Den Leser und auch sich selbst spricht der Autor unmittelbar an:


Lieber Leser, auch ich werde und du wirst einst zu den Verlassenen gehören, wenn alles, was wir unser nennen, vor unserm sterbenden Auge verschwindet; dann öffnet sich uns jene Heimat, von welcher der Erlöser sagt : "Im Hause meines Vaters sind viele Wohnungen, und ich gehe hin, sie für euch zu bereiten!"47


   Eher "blaß",48 nicht immer stimmig und nicht immer überzeugend wirkt die biblische Folie des Satan-Romans allerdings insofern, als die religiöse Sinnschicht und die biblischen Motiv-Adaptionen - wie der Literaturwissenschaftler Helmut Mojem in einer Spezialuntersuchung49 gezeigt hat - die Handlung nicht durchgehend (wie es später, in den Altersromanen, der Fall sein wird) strukturieren. Eine reine Abenteuergeschichte sind die Satan-Bände zwar mindestens ebensowenig wie frühere Erzählungen Mays; von der prophetischen Dichtung, der theologischen Poesie des Alterswerks ist der Roman aber noch weit entfernt.

   Doch immerhin kann Satan und Ischariot, hinter der vordergründigen Fabel, als "Mysterienspiel" verstanden werden: "Ewig-Gültiges" erscheint "im May-typischen Gewand"50 des spannenden Abenteuers; zeitlose Symbolik wird, in populärer Darstellungsweise, transformiert in fließende Handlung. Wer - wie der Verfasser dieser May-Biographie - das religiös-metaphorische Spätwerk Karl Mays bevorzugt, kann im Satan-Roman schon die "Anzeichen eines solchen Stils wahrnehmen. Wer die klassische Abenteuererzählung sucht, findet hier eines der wohl letzten Exempel dafür. Der Roman lohnt also eigentlich immer."51


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8.2.2

Das Kapitel 'In der Heimath': Erstes Zerwürfnis mit der 'Hausschatz'-Redaktion


Die Fehsenfeld-Bände Satan und Ischariot I-III erschienen zunächst, wie gesagt, im 'Deutschen Hausschatz' unter den Fortsetzungs-Titeln Die Felsenburg, Krüger Bei und Die Jagd auf den Millionendieb. Von beiden Versionen, der späteren Buch- und der früheren Zeitschriften-Fassung, ist eine weitere - ursprüngliche - Version zu unterscheiden: das Manuskript Karl Mays. Zwischen der Handschrift des Autors und den gedruckten Texten gibt es interessante Abweichungen, die - in knapper Zusammenfassung - im folgenden zu erörtern sind.

   Mays Beziehung zum Pustet-Verlag war nicht immer frei von Irritationen. Zwar verband unsern Autor, wie er in der Selbstbiographie versichert, mit Friedrich Pustet (1831 - 1902), dem Sohn des Verlagsgründers, eine persönliche Sympathie: Kommerzienrat Pustet "war ein Ehrenmann [...] Wir hatten einander gern."52 Doch mit der Redaktion des Hausschatzes gab es Probleme.

   In seinem in der Wiener 'Reichspost' veröffentlichten Brief vom 12.5.1901 behauptet May:


Ich brach ZUM ERSTEN MALE mit dem "Hausschatze", als mir unter der Redaction von Venanz Müller ein Manuscript verändert worden war. Man versprach mir, dies nie wieder zu thun, und bat mich, weiter zu schreiben. Ich that es Venanz Müller zu Liebe.53


   Da Müller im Herbst 1888 als Redakteur ausschied, müßte der Skipetaren-Text wohl gemeint sein. Konkrete Beweise für größere Eingriffe von seiten der Redaktion gibt es in diesem Fall allerdings nicht.54

   Nachweislichen Ärger gab es jedoch mit Heinrich Keiter, dem Nachfolger Müllers: Der Schriftleiter, der schon das Sendador-Manuskript Karl Mays ziemlich eigenmächtig 'korrigiert' hatte, liquidierte in Krüger Bei das Kapitel 'In der Heimath', das 440 Manuskriptseiten umfaßte!55 Den Rest der Erzählung verkleisterte der Redakteur mit selbstgebastelten Übergängen, wodurch - wie Walther Ilmer erläutert - "die innere Ausgewogenheit des Werkes empfindlich gestört"56 wurde. Eine wichtige Schilderung (die Bekanntschaft des Erzählers mit der Familie Vogel), die das folgende Roman-Geschehen überhaupt erst möglich macht, wurde auf wenige Zeilen zusammengestrichen. Andrerseits blieben "Textstellen unverändert, die nur im Lichte der zwischen Old Shatterhand und Martha Vogel schwebenden Romanze Sinn und Berechtigung haben und nun im 'Hausschatz' deplaziert wirkten, weil sie des Zusammenhangs mit dem Früheren beraubt waren."57

   'In der Heimath' ist ein brisanter Text, der zum Teil sehr schöne, tiefernste und zartsinnig empfundene Passagen, wie die vergebliche Liebe der Sängerin Martha Vogel zum Ich-Erzähler,58 enthält. Ein entscheidender Grund für die Streichung des ganzen Kapitels durch die Redaktion liegt, nach Wilhelm Vinzenz, "darin, daß schon damals May überwiegend von Jugendlichen gelesen wurde, die Abenteuer in fernen Ländern erwarteten, nicht aber 'In der Heimath'."59

   Kleinere Kürzungen und Veränderungen durch die Redaktion gab es auch im Schlußteil des Satan-Romans mit dem - wahrscheinlich nicht auf May zurückgehenden - Hausschatz-Titel Die Jagd auf den Millionendieb:60 Gewisse Szenen mit Judith Silberstein schienen dem Hausschatz wohl "nicht tragbar";61 'Sinnliches' wurde abgeschwächt; aus "Geliebte" z.B. wurde "Verlobte"; und "in dem verführerischen Negligé" wurde getilgt.62

   Die Millionendieb-Korrekturen wird May nicht weiter beachtet haben. Aber nach der Veröffentlichung des Krüger Bei im Hausschatz (September 1894 bis Mai 1895) war der Schriftsteller sehr verärgert:


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Heinrich Keiter [...] hatte mir eine meiner Arbeiten ganz bedeutend gekürzt, ohne mich um Erlaubnis zu fragen. Ich habe Korrekturen und Kürzungen nie geduldet. Der Leser soll mich so kennen lernen, wie ich bin, mit allen Fehlern und Schwächen, nicht aber wie der Redakteur mich zustutzt.63


   Karl May, der seit Herbst 1893 ohnehin keine Texte an Pustet geliefert hatte, teilte - laut Selbstbiographie - dem Verleger mit, daß er "kein Manuskript mehr" senden werde. Pustet "versuchte, mich brieflich umzustimmen, doch vergeblich".64

   Der zeitliche Verlauf der dem Briefwechsel folgenden Auseinandersetzung ist nicht mehr exakt zu bestimmen.65 Karl Pustet (1839-1910), der Bruder des Verlegers, reiste nach Radebeul und versuchte, den Autor zu beschwichtigen: durch die Aussicht auf höheres Honorar. Die Atmosphäre war, wie Pustets Brief vom 13. Juli 1896 an May vermuten läßt, durchaus herzlich. Aber May war noch keineswegs zufrieden. Auch der Neffe des Verlegers, Friedrich Pustet jun., sprach nun in Radebeul vor. Dann kam "der Richtige",66 der lungenkranke Redakteur Heinrich Keiter. Er machte "Kotau" vor May und bat um Verzeihung. Und jetzt nahm der Schriftsteller seine "Absage", seine Drohung, kein Manuskript mehr zu senden, zurück.

   Sehr merkwürdig ist nun die folgende Tatsache: Für die Fehsenfeld-Buchfassung Satan und Ischariot I-III lagen May die Original-Manuskripte vollständig vor; alle Streichungen und Korrekturen der Hausschatz-Redaktion - ganz oder teilweise - rückgängig zu machen, wäre ohne weiteres möglich gewesen; aber Karl May hat es nicht getan. Die Hausschatz-Version übernahm er fast unverändert, "obwohl der ungekürzte Roman ziemlich genau drei normgerechte Fehsenfeld-Bände gefüllt hätte (je 640 S.), während die Übernahme der Kürzungen zu den beiden mit Abstand schmälsten Bänden der Reihe führte (Satan I: 550 S.; Satan II. 540 S.)."67

   Anstelle des 'Heimath'-Kapitels schuf May nun eine neue Zusammenfassung. Dieser Text ist zwar wesentlich besser als die Fehlleistung Keiters;68 aber auch die Lösung Mays befriedigt nicht ganz: Denn im ursprünglichen 'Heimath'-Kapitel gibt es, so Ilmer, "viele Stellen, von denen man aufrichtig wünschen mag, Karl May hätte sie für die Buchausgabe nicht übertüncht, sondern übernommen."69

   'In der Heimath' fehlt nun auch in der, von May autorisierten, Buchausgabe. Warum? Erkannte May, wie Ulrich Schmid vermutet, die Streichungen Keiters im nachhinein als berechtigt an?70 Oder wollte er, wie der Bamberger Verleger Roland Schmid das Fehlen des 'Heimath'-Textes in der Fehsenfeld-Ausgabe zu begründen versuchte, das von Keiter gestrichene Kapitel für seine Reiseerzählung "Weihnacht!" (1897) neu konzipieren?71

   Besonders einleuchtend wirkt keine dieser Erklärungen. Wäre May, aus literarischen Gründen, mit dem Vorgehen Keiters nachträglich einverstanden gewesen, so hätte er in Mein Leben und Streben die ganze Affäre doch kaum so ausführlich und indigniert wiederaufleben lassen. Und um die vier Strophen des Weihnachtsgedichtes, die das 'Heimath'-Kapitel enthält, für einen neuen Roman verwenden zu können, hätte May doch nicht die Liquidierung des ganzen langen Kapitels (das sich im Weihnachts-Motiv ja keineswegs erschöpft und dessen literarische Qualität im Vergleich zu den anderen Teilen des Satan-Romans in keiner Weise abfällt) in Kauf nehmen müssen.

   Warum also hat der Autor die Verstümmelung eines Hauptteils seiner Erzählung durch den Redakteur letztlich doch toleriert? Vielleicht hatte er, wie Ilmer in Erwägung zog, zur Martha-Vogel-Episode "inneren Abstand"72 gewonnen. In eine ähnliche Richtung verweist auch die Hypothese Roxins:


Als May den Satan-Roman schrieb, war seine bürgerliche Existenz praktisch unbekannt. Als aber die Fehsenfeld-Ausgabe erschien, hatte er gerade im Hausschatz (Herbst 1896)73 seine überaus


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glückliche Ehe bekanntgegeben und schickte sich an, dies auch in den Fehsenfeld-Bänden zu tun.74 Da mußte es ihm unpassend erscheinen und auch peinliche Nachforschungen hervorrufen, wenn er ausgerechnet jetzt mit der breiten Ausmalung einer alten Liebesgeschichte aufgewartet hätte. Wie hätte Emmeh75 das aufnehmen und was hätte sie sagen sollen, wenn sie darüber befragt worden wäre?76



Anmerkungen


1Karl May: Freuden und Leiden eines Vielgelesenen. In: Deutscher Hausschatz. 23. Jg. 1897 (erschienen im Herbst 1896); hier zit. nach der Original-Wiedergabe in. 'Der Rabe'. Magazin für jede Art von Literatur Nr. 27. Hrsg. von Hermann Wiedenroth und Hans Wollschläger. Zürich 1989, S. 175-211 (S. 203).
2Vgl. oben, S. 221 f.
3Vgl. unten, S. 290.
4Walther Ilmer: Karl Mays Weihnachten in Karl Mays "Weihnacht!" In: JbKMG 1987, S. 101-137 (S. 110) - Vgl. unten, S. 331f.
5Im Karl-May-Verlag erschien diese Skizze (von den Herausgebern sehr stark bearbeitet) unter dem Titel Old Shatterhand a.D. in Bd. 48 Das Zauberwasser.
6Vgl. Walther Ilmer: (Werkartikel zu) Freuden und Leiden eines Vielgelesenen. In: Karl-May-Handbuch. Hrsg. von Gert Ueding in Zusammenarbeit mit Reinhard Tschapke. Stuttgart 1987, S. 541f.
7Die erste und dritte Strophe dieses Gedichts hatte May schon für 'Winnetous Tod' (Im "wilden Westen" Nordamerikas bzw. Winnetou III) verfaßt.
8Vgl. unten, S. 283ff.
9Nach Roland Schmid: Anhang. In: Karl May: Freiburger Erstausgaben, Bd. XXIII. Hrsg. von Roland Schmid. Bamberg 1984, A 1-42 (38 u. 40).
10Nach Ulrich Schmid: Das Werk Karl Mays 1895-1905. Erzählstrukturen und editorischer Befund. Materialien zur Karl-May-Forschung, Bd. 12. Ubstadt 1989, S. 61.
11Faksimile-Wiedergabe bei Gerhard Klußmeier: Karl May und Deutscher Hausschatz IV. In: MKMG 19 (1974), S. 17-20 (S. 19).
12Zur Entschlüsselung dieses Namens als 'mütterliche' Ortsmetapher vgl. Wolf-Dieter Bach: Fluchtlandschaften. In: JbKMG 1971, S. 39-73 (S. 53).
13Die ersten beiden Kapitel von Satan und Ischariot II (Fehsenfeld-Buchausgabe) gehören noch zum Felsenburg-Text der Hausschatz-Fassung.
14Walther Ilmer: Einführung. In: Karl May: Die Felsenburg. 'Deutscher Hausschatz' 20. Jg. (1894) Reprint der KMG. Hamburg, Regensburg 1980, S. 3-8 (S. 3f.).
15Näheres bei Walther Ilmer: Nachwort. In: Karl May: Krüger Bei - Die Jagd auf den Millionendieb. 'Deutscher Hausschatz' 21./22. Jg. (1895/96) Reprint der KMG. Hamburg, Regensburg 1980, S. 275-284 (S. 281, Anm. 2) - Hartmut Kühne: (Werkartikel zu) Satan und Ischariot I-III. In: Karl-May-Handbuch, wie Anm. 6, S. 259-266 (S. 264).
16Vgl. Ilmer: Einführung (zu Die Felsenburg), wie Anm. 14, S. 5f.
17Ebd., S. 6. - Vgl. Rudi Schweikert: Artistisches Erzählen bei Karl May: "Felsenburg" einst und jetzt. Der erste Teil der 'Satan und Ischariot'-Trilogie vor dem Hintergrund des ersten Teils der 'Wunderlichen Fata' von Johann Gottfried Schnabel - und ein Seitenblick auf Ernst Willkomms 'Die Europamüden'. In: JbKMG 1992, S. 238-276.
18Vgl. Ilmer: Einführung, wie Anm. 14, S. 5 - Kühne, wie Anm. 15, S. 264f. - Vgl. unten, Anm. 60.
19Man beachte die zeitliche Differenz zwischen Entstehung und Abdruck des Romans im Hausschatz.
20Karl May: Satan und Ischariot II. Gesammelte Reiseerzählungen, Bd. XXI. Freiburg 1896/97, S. 248 - Zur Interpretation vgl. Walther Ilmer: Winnetou beim Gesangverein. Ein Traum des Gefangenen. SKMG Nr. 35 (1982), S. 9ff.
21Vgl. z.B. Martin Lowsky: Der kranke Effendi. Über das Motiv der Krankheit in Karl Mays Werk. In: JbKMG 1980, S. 78-97 (S. 81f.).
22Ilmer: Einführung (zu Krüger Bei / Millionendieb), wie Anm. 15, S. 2-10 (S. 10, Anm. 34).
23Ebd., S. 4.


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24So meinte Otto Forst-Battaglia: Karl May. Traum eines Lebens - Leben eines Träumers. Beiträge zur Karl-May-Forschung 1. Bamberg 1966, S. 171. - Auch Lowsky, wie Anm. 21, S. 81, sieht in Mays Idee, Winnetou nach Afrika reisen zu lassen, einen "literarischen Fehler".
25Ilmer: Einführung (zu Krüger Bei / Millionendieb), wie Anm. 15, S. 10 (Anm. 46).
26Vgl. Walther Ilmer: Karl May - Mensch und Schriftsteller. Tragik und Triumph. Husum 1992, s. 110.
27Vgl. unten, S. 321ff.
28Zur Charakterisierung des Ich-Helden vgl. unten, S. 314ff.
29Vgl. May: Satan und Ischariot II, wie Anm. 20, S. 201 u. 229.
30Vgl. Ilmer: Einführung (zu Krüger Bei / Millionendieb), wie Anm. 15, S. 2 - Kühne, wie Anm. 15, S. 263f.
31Vgl. unten, S. 419ff.
32Ausführliche Erörterung bei Ilmer: Nachwort (zu Die Felsenburg), wie Anm. 14, S. 216-226 - Ders.: Winnetou beim Gesangverein, wie Anm. 20, pass.
33Vgl. Ilmer: Nachwort (zu Krüger Bei / Millionendieb), wie Anm. 15, S. 275f.
34Die 'symbolische Bedeutung' Winnetous ist sehr komplex: Der Häuptling 'ist' u.a. die ideale Verkörperung der 'roten Rasse', zugleich ein Wunsch-Ich des Autors Karl May und, gelegentlich, wohl auch die Spiegelung einer Komponente des (vielschichtigen) Emma-Bildes; auch Mays Mutter-Bild kann sich bisweilen in Winnetou spiegeln. - Vgl. unten, S. 284.
35Vgl. Karl May, Satan und Ischariot I. Gesammelte Reiseerzählungen, Bd. XX. Freiburg 1896/97, S. 25!
36Vgl. Gert Ueding: Die Rückkehr des Fremden. Spuren der anderen Welt in Karl Mays Werk. In: JbKMG 1982, S. 15-39 (S. 20ff.) - Kühne, wie Anm. 15, S. 264.
37Eine 'antisemitische' Einstellung Karl Mays kann man daraus nicht folgern. - Vgl. Rainer Jeglin: Karl May und der antisemitische Zeitgeist. In: JbKMG 1990, S. 107-131 (S. 121-126).
38Ilmer: Einführung (zu Krüger Bei/Millionendieb), wie Anm. 15, S. 6f.
39Karl May: Satan und Ischariot III. Gesammelte Reiseerzählungen, Bd. XXII. Freiburg 1897, S.365.
40May: Satan und Ischariot II, wie Anm. 20, S. 275 - Auch Krüger Bei, der deutsche Würdenträger in tunesischen Diensten, läßt sich in dieser Weise betiteln. - Zur historischen Gestalt des Johann Gottlieb Krüger ('Krüger Bei') vgl. Mounir Fendri: Neues zu Karl Mays Krüger-Bei. Das Manuskript des Muhammad ben Abdallah Nimsi alias Johann Gottlieb Krüger. In: JbKMG 1992, S. 277-298.
41May: Satan II, wie Anm. 20, S. 197.
42Ueding, wie Anm. 36, passim.
43May: Satan und Ischariot II, wie Anm. 20, S. 474.
44Ilmer: Einführung (zu Krüger Bei/Millionendieb), wie Anm. 15, S. 4.
45Kühne, wie Anm. 15, S. 265.
46Ilmer: Nachwort (zu Die Felsenburg), wie Anm. 14, S. 225.
47May: Satan und Ischariot III, wie Anm. 39, S. 615 (vgl. Joh 14, 2).
48Kühne, wie Anm. 15, S. 265.
49Helmut Mojem: Karl May: Satan und Ischariot. Über die Besonderheit eines Abenteuerromans mit religiösen Motiven. In: JbKMG 1989, S. 84-100.
50Ilmer: Einführung (zu Die Felsenburg), wie Anm. 14, S. 6.
51Mojem, wie Anm. 49, S. 100.
52Karl May: Mein Leben und Streben. Freiburg 1910. Hrsg. von Hainer Plaul. Hildesheim, New York 21982, S. 234.
53Zit. nach Wilhelm Vinzenz: Karl Mays Reichspost-Briefe. Zur Beziehung Karl Mays zum 'Deutschen Hausschatz'. In: JbKMG 1982, S. 211-233 (S. 216).
54Nach Vinzenz: Ebd., S. 221.
55Vgl. Roland Schmid: Nachwort (zu Satan und Ischariot). In: Karl May: Freiburger Erstausgaben, Bd. XXII. Hrsg. von Roland Schmid. Bamberg 1983, N 1-8 (2). - Franz Kandolf hat aus dem von Keiter gestrichenen Text zwei hübsche Novellen (Professor Vitzliputzli und Wenn sich zwei Herzen scheiden) geformt, die den Anfang von 'Karl May's Gesammelten Werken', Bd. 47 (Bamberg 122. Tsd.) bilden.
56Ilmer: Einführung (zu Krüger Bei/Millionendieb), wie Anm. 15, S. 3.
57Ebd.


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58Zur autobiographischen Bedeutung dieser Episode vgl. oben, S. 155 (sowie die oben, S. 160, Anm. 6 genannte Sekundärliteratur).
59Vinzenz, wie Anm. 53, S. 227.
60May hatte den Roman ursprünglich nicht drei-, sondern zweiteilig angelegt (Die Felsenburg und Krüger Bei, Der Herr der Heerscharen); das 3. Krüger Bei-Manuskript-Kapitel 'Der Schluß' entspricht Satan und Ischariot III. Im Blick auf die ursprüngliche Anlage des Manuskripts kann man also nicht von einer 'Trilogie' sprechen (vgl. Kühne, wie Anm. 15, S. 259), im Blick auf die von May autorisierte Fehsenfeld-Ausgabe aber durchaus.
61Vinzenz, wie Anm. 53, S. 227.
62Vgl. ebd.
63May: Mein Leben und Streben, wie Anm. 52, S. 234.
64Ebd., S. 235.
65Nach Vinzenz, wie Anm. 53, S. 221 - Die Darstellung in Mays Selbstbiographie (S. 235) dürfte, was die zeitliche Reihenfolge der Besucher betrifft, nicht ganz korrekt sein.
66May: Mein Leben und Streben, wie Anm. 52, S. 235 - Dem Briefwechsel nach (vgl. Vinzenz, wie Anm. 53, S. 222f.) kam Pustets Neffe erst nach Keiter.
67Schmid, wie Anm. 10, S. 51.
68Vgl. R. Schmid: Nachwort, wie Anm. 55, N 7 - Kühne, wie Anm. 15, S. 260.
69Ilmer: Einführung (zu Krüger Bei/Millionendieb), wie Anm. 15, S. 3.
70Vgl. Schmid, wie Anm. 10, S. 51.
71Vgl. Roland Schmid: Nachwort (zu "Weihnacht!"). In: Karl May: Freiburger Erstausgaben, Bd. XXV. Hrsg. von Roland Schmid. Bamberg 1984, N 2-13 (2f.).
72Ilmer: Einführung (zu Krüger Bei/Millionendieb), wie Anm. 15, S. 3.
73Vgl. May: Freuden und Leiden, wie Anm. 1, S. 209: Ich bin noch nicht lange verheiratet, aber sehr glücklich."
74Die Reiseerzählung Im Reiche des silbernen Löwen ist gemeint; vgl. unten, S. 293.
75Emmeh ist im Silberlöwen die Gattin Kara Ben Nemsis.
76Claus Roxin in einem Brief vom 11.3.1991 an den Verfasser.



8.3

'The dark and bloody grounds': Mays eigentliches Terrain?


Große Teile des Satan-Romans, Die Felsenburg und Die Jagd auf den Millionendieb, handeln im Wilden Westen. Seit Beginn der literarischen Tätigkeit Karl Mays gehört dieses in der Abenteuerliteratur beliebte Gebiet zu den Schauplätzen seiner Erzählungen. Zwar spielen die meisten seiner Bücher im Orient, einige auch in Deutschland und anderen europäischen oder exotischen Ländern; den größten Erfolg hatte May aber mit seinen Indianer- und Trappergeschichten.

   Speziell die Winnetou-Bände wurden so berühmt, daß anderen, noch besseren Werken des sächsischen Schriftstellers im Bewußtsein der breiten Öffentlichkeit bis heute eine vergleichsweise geringere Bedeutung zukommt. Für viele gilt Karl May fast ausschließlich als der Erfinder Winnetous und Old Shatterhands. Die Kassetten und Schallplatten, die Filme und Karl-May-Festspiele (mit Pierre Brice als Winnetou)1 dürften dieses Image in der heutigen Zeit noch verstärkt und fixiert haben. Der Verfasser der erzgebirgischen Dorfgeschichten, des Orientzyklus, der Kolportageromane und des - weit anspruchsvolleren - Spätwerks droht, über Winnetou und Old Shatterhand, vergessen oder überhaupt nicht entdeckt zu werden.

   Andrerseits ist nicht zu bestreiten: Mays bekannt gewordene Indianergeschichten verdienen die Anerkennung. Als Vertreter des Western-Genres braucht Karl May den Vergleich mit hervorragenden Könnern, mit Cooper und Sealsfield, mit Gerstäcker oder


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Möllhausen (deren Schriften er kannte und zum Teil auch als Quellen benützte2) gewiß nicht zu scheuen.

   Ethnologisch gesehen sind Mays Indianerromane differenziert zu bewerten. "Sein von Indianern, Trappern, Auswanderern und Eroberern bevölkerter Wilder Westen ist in den Grundstrukturen seiner Population korrekt gezeichnet, wenngleich das Bild historisch um einige Jahrzehnte verspätet ist."3 Der vordergründige Realitätsgehalt speziell der Indianerszenen ist freilich gering; die Charakterisierung des Häuptlings Winnetou vor allem ist zweifellos idealisiert und ins Mythische überhöht. Eine authentische Schilderung der 'dark and bloody grounds' und des 'roten Mannes' wird das eigentliche Anliegen unseres Autors aber gar nicht gewesen sein. Denn der Literaturpädagoge Karl May hatte, primär, ein anderes Ziel: Das "Hohelied des Humanismus"4 wollte er singen, die Gottes- und Nächstenliebe wollte er künden!

   Von den tatsächlichen Lebensbedingungen der nordamerikanischen Indianer im ausgehenden 19. Jahrhundert, von den unwürdigen Zuständen in den Reservationen, konnte May nur einiges ahnen.5 In der zeitgenössischen Berichterstattung wurden die Indianer, besonders die Apachen, meist als 'Untermenschen', als minderwertiges Gesindel verachtet. Große Häuptlinge wie Cochise oder Geronimo wurden gebrandmarkt als Räuber, als feige Guerilleros und ehrlose Bandenführer. Angesichts solcher Darstellungen ist es "schon erstaunlich, mit welch sicherem Gespür Karl May die zum Teil dubiosen Quellen analysiert und seine Schlüsse zieht. Ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl und humanistische Gesinnung wecken seine Sympathie für die Apachen."6 Ausgerechnet DIESES Volk, "die am meisten verleumdeten"7 Rothäute, hat May für seine Dichtung erwählt!

   Dem Schöpfer Winnetous ist es gelungen, sich in die Volksseele, in die Herzen seiner immer zahlreicher werdenden Leser hineinzuschreiben. Eindrucksvoller und bewegender noch als James Fenimore Cooper in der Figur des Häuptlings Chingachgook hat Karl May in seinem Winnetou das Idealbild des Indianers gezeichnet. Nicht nur einen Heldenmythos, nicht nur eine Legende und nicht nur ein 'Denkmal der roten Nation', sondern ein sakrales Symbol, eine Verdichtung der - in Christus erlösten - 'Menschheitsseele' hat May in seinem Winnetou geschaffen.8


8.3.1

Die Winnetou-Trilogie: 'Heiligenlegende' und theologische Botschaft im Gewand der Abenteuergeschichte


Die Winnetou-Bände sind Mays berühmtestes Werk: nach Gunter G. Sehm "das neben der Luther-Bibel meistgedruckte, vor allem aber meistgelesene Buch deutscher Zunge".9

   Am 16. Oktober 1892, nach Abschluß des Satan-Romans (in der Hausschatz-Fassung), aber noch mitten in der Arbeit an der Jugenderzählung Der Oelprinz,10 schrieb May - mit Bezug auf die geplante Winnetou-Trilogie - an seinen Verleger Fehsenfeld:


Am Liebsten schriebe ich alle 3 Bände neu. Es müßte ein ethnographisch-novellistisches Meisterstück werden, nach welchem 100.000 Hände griffen, noch ganz anders als Lederstrumpf und Waldläufer, viel gediegener, wahrer, edler, eine große, verkannte, hingemordete, untergehende Nation als Einzelperson Winnetou geschildert. Es würde ein Denkmal der rothen Rasse sein [...]11


   Das klingt sehr hochtrabend. Aber der Schriftsteller hatte eher zuwenig als zuviel versprochen. Im Mai 1893 konnte Winnetou der Rote Gentleman. 1. Band (erst seit 1904 hieß der Titel Winnetou I) in Buchform erscheinen. "Nicht hunderttausend Hände, sondern Millionen und Abermillionen in aller Welt haben seither nach 'Winnetou' gegriffen."12 Das - zum Teil - von George Catlins Die Indianer Nord-Amerikas (London 1841)


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beeinflußte,13 von May sehr streng komponierte, im Aufbau und den Einzelmotiven stimmige14 Werk ist, nach Wollschlägers Urteil, "hervorragend"15 gelungen.

   Weniger geglückt sind die Fortsetzungsbände, die unter enormem Zeitdruck16 entstanden. Die älteren, der Qualität nach sehr unterschiedlichen Stücke Old Firehand (1875) - genauer: die Bearbeitung dieses Textes mit dem Titel Im fernen Westen (1879) - und Der Scout (1888/89) hat May neu gestaltet und zu Winnetou II verschmolzen. Lediglich das Schlußkapitel 'Der Pedlar' hat May, im Sommer 1893, für diesen Band neu verfaßt. Der nachgeschobene Text sollte den Handlungsfaden von Winnetou I wiederaufgreifen, dem Gleichnischarakter des ersten Teilbandes gerecht werden und die Geschlossenheit des Gesamtwerkes fördern.17

   Auch Winnetou III ist weithin eine Collage aus älteren Texten. Die ursprünglich selbständigen, disparaten und - im Gegensatz zu den Vorlagen für Winnetou II - von May nur sehr wenig veränderten Erzählungen Deadly Dust (1880) und "Ave Maria" (1890),18 d. i. Im "wilden Westen" Nordamerikas (1882/83), wurden die Kapitel 1-4 bzw. 5-7 von Winnetou III.

   Wie für den zweiten Teilband hat May, im September 1893, auch für Winnetou III ein neues Schlußkapitel verfaßt: 'Das Testament des Apachen'. Dieser abschließende Text sollte der neuen (hagiographischen) Gesamtkonzeption des Werkes entsprechen, d.h. die - mit Winnetous Tod besiegelte - Hinwendung des Titelhelden zum christlichen Glauben, zur Religion der Versöhnung, der verzeihenden Liebe bekräftigen.

   Kompositorisch wirken die Trilogie-Bände nicht ausgewogen. Da die Wesensmerkmale des früheren Winnetou (in Old Firehand und Deadly Dust) und des jetzigen Edelindianers (in Winnetou I) nicht identisch sind - mit dem Autor wuchs seine Romangestalt19 -, gibt es in der Collage eine Reihe von Widersprüchen und Unstimmigkeiten in der Charakterzeichnung des Häuptlings. Manche Greuelszenen in Old Firehand hat May für die Trilogie-Fassung zwar getilgt oder gemildert; konsequent hat er seine Korrekturen - in einer, angesichts des Zeitdrucks, verständlichen Flüchtigkeit - aber nicht durchgeführt.20 Literarisch gelungen ist das Winnetou-Porträt also nur teilweise.

   May selbst war, wie seine Briefe an Fehsenfeld zeigen,21 mit der Endgestalt von Winnetou I-III nicht völlig zufrieden. Die Zusammenstellung von älteren (und ungleichwertigen) Stücken war eine Notlösung - von Karl May "akzeptiert, um den Fortgang der neu begonnenen Ausgabe nicht zu gefährden."22 Und dennoch: trotz ihrer Mängel sind die Winnetou-Bände kein unbedeutendes Werk. Helmut Schmiedt hat, in seiner Untersuchung zur Form des Romans, den Willen des Autors zur Motivverflechtung gewürdigt: Ein "außerordentlich dichtes Netz von Verbindungslinien"23 durchzieht den gesamten, eben doch nicht gänzlich inkohärenten, Winnetou-Roman.

   Viele Motive der Trilogie sind in Wirklichkeit Allegorien. Ob sie von der Mehrzahl der Leser als solche verstanden werden, ist eine andere Frage. Dem tieferen Blick jedenfalls und der genaueren Textanalyse wird es nicht verborgen bleiben: Die 'finsteren und blutigen Gründe' des Wilden Westens sind als 'theatrum mundi', als Schauplatz der Welt, als Spiegel der - vom Tode bedrohten und doch zur Hoffnung befreiten - menschlichen Seele zu interpretieren. Winnetou weist, wie die Satan-Bände und auch frühere Erzählungen Mays, über die Abenteuerhandlung hinaus.

   Der spannende Western ist, wie Gerhard Neumann in einem wichtigen Aufsatz belegt,24 als theologisch fundierter und zugleich der Aufklärung25 verpflichteter Bildungs- und Entwicklungsroman zu verstehen. Insofern kann Winnetou, nach Neumann, sogar mit Werken Goethes, Thomas Manns oder Umberto Ecos verglichen werden.26


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   Das bei May zentrale Abenteuermotiv der Spurenlese setzt auf einer zweiten Bedeutungsebene die "Lesbarkeit der Welt"27 voraus: Das 'Buch der Natur' wird zuletzt als 'Buch Gottes' entziffert, in welchem "jedes Symptom, jedes Indiz sich als Zeichen des Heilsplans entpuppt, wenn nur der richtige Leser gefunden wird."28

   Als 'Bildungsroman' hat Winnetou einen - teils verschlüsselten, teils offenkundigen - metaphysischen Hintergrund. Ein anti-imperialistisches Fanal und ein anti-naturalistischer Mythos29 ist dieser 'Western"; und er ist, darüber hinaus, als hagiographische Legende zu deuten. Heinz Stolte, Gunter G. Sehm, Ulrich Schmid u.a. haben diese These begründet bzw. vertieft:30 in Textanalysen, die die theologische Dimension der Winnetou Bände zwar nur unzureichend berücksichtigen,31 einem neuen Verständnis der Trilogie aber den Weg bereiten.

   Relevant ist in diesem Zusammenhang der "Erwählte",32 der begnadete Ich-Held Old Shatterhand. Doch mit dem 'Ich' hat es ohnehin eine besondere Bewandtnis, auf die wir später zurückkommen werden.33 Von zentraler Bedeutung für die Interpretation des Romans als hagiographischer Legende sind, über die Person des Ich-Helden hinaus, die großen Sterbeszenen und die - mit ihnen verschränkten - Reflexionen des Autors.

   In der 'Einleitung' zu Winnetou I nimmt Karl May das Grundmotiv vorweg, das die Trilogie strukturiert:34 Der Häuptling der Apachen ist der idealisierte "Typus" der roten Nation, "und ganz so, wie sie untergeht, ist auch er untergegangen" (I 5).35 Sein Leben wird vom Autor als Selbsthingabe und sein Tod - der 'Heiligenvita' entsprechend - als Opfertod interpretiert: Winnetou "ist dahingegangen, indem er, wie immer, ein Retter seiner Freunde war" (I 5). Die spezifisch christliche Deutung dieses 'Opfertodes' als 'Nachfolge', als 'imitatio' Christi wird in der - vorwiegend elegisch gefärbten - 'Einleitung' nur vage angedeutet, im Verlauf der Erzählung aber deutlich herauskristallisiert.

   Winnetous Tod ist präfiguriert in der Selbsthingabe Klekih-petras, eines deutschen Lehrers, der - schuldig geworden - nach Amerika flüchtete, zu den Mescalero-Apachen ging und dort der Erzieher Winnetous wurde.36 Im selben Augenblick, da ein weißer Eroberer sein Gewehr auf den jungen Winnetou richtet, stellt sich Klekih-petra ('Weißer Vater') schützend vor den Apachen. Die Kugel trifft seine Brust. Er stirbt - an die Pietà-Bilder können wir denken37 - im Schoße des Indianers: wie später dann Winnetou im Schoße Old Shatterhands (III 472ff.). Sterbend ruft Klekih-petra den Ich-Erzähler in seine Nachfolge als Lehrer Winnetous: "Bleiben Sie bei ihm - ihm treu --- mein Werk fortführen ---!" (I 135) Und Shatterhand willigt gerne ein: "Ich thue es; ja, sicher, ich werde es thun!" (Ebd.)

   Durch Klekih-petra hat Winnetou die europäische Bildung (III 511), vor allem aber die Menschenfreundlichkeit Gottes und den christlichen Glauben kennengelernt (I 334). Das Missionswerk des 'Weißen Vaters' wird, in der Folge, durch Old Shatterhand weitergeführt.

   Die 'Schmetterfaust', das literarische Ich Karl Mays, in der Nachfolge Klekih-petras, des christlichen Missionars! Das könnte den Ausleger zu spöttischen Kommentaren verleiten. Doch das 'religiöse System', das der gesamten Erzählung zugrundeliegt, ist nicht nur ein "Vorwand"38 des Autors (um die Größe des Helden, des omnipotenten 'Ich', ins noch hellere Licht rücken zu können). Ironie und Süffisanz sind hier unangebracht. Denn die Botschaft der Winnetou-Bände erschöpft sich nicht, wie Gunter Sehm - am Ende seiner, ansonsten ergiebigen, Untersuchung - es nahelegt,39 in 'Deutschtümelei' und persönlichem Geltungsstreben des Autors. Das große Thema der Trilogie ist vielmehr - der


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Mensch, dessen Schicksal der Tod und dessen Zukunft das Leben, das "Leben in Fülle" (Joh 10, 10) ist.

   In seinem Buch ... und führen, wohin du nicht willst. Bericht einer Gefangenschaft hat Helmut Gollwitzer, ein angesehener Theologe unserer Tage, dem Schriftsteller Karl May - im Blick auf die Winnetou-Geschichten - "viel Verachtung [...] abgebeten!"40 Mit gutem Grund! Denn die abenteuerliche Handlung und die ganze Legenden-Struktur des Romans sind nur das bunte Gewand, das äußere Kleid einer theologischen Botschaft, die zeitlos und gültig ist.

   In Winnetou und besonders auch in der Klekih-petra-Episode wird die Transzendenz-Erfahrung des Autors sehr eindrucksvoll zur Anschauung gebracht. Der Tod des 'Weißen Vaters' hat einen doppelten Sinn. Zum einen stirbt der Erzieher stellvertretend für Winnetou; zum andern gibt er sein Leben - um Sühne zu leisten für seine eigene Schuld, seine (frühere) Abwendung von Gott:41 "Da fällt mein Blatt [...] es ist --- die letzte Sühne [...] Herrgott, vergieb -- vergieb! Gnade -- Gnade --! Ich komme -- komme --- Gnade ---!" (I 135)

   Auf die Problematik einer Deutung des Todes als 'Sühne-Leistung' kann im Rahmen dieser kurzen Werksbesprechung nicht eingegangen werden.42 Aber ein andrer Aspekt soll, wenn auch knapp, hier gewürdigt werden: Den Tod Klekih-petras und den Tod des Apachen versteht der Dichter nicht nur als passives Widerfahrnis, sondern - vor allem - als bewußtes und aktives Loslassen, als Übergabe des Lebens in die Gnadenhand Gottes. Diese Deutung ist durchaus bemerkenswert. Sie entspricht im wesentlichen der Auffassung Karl Rahners und anderer bekannter Vertreter der heutigen Theologie: Der Tod ist Passion, aber AUCH die - durch Gnade geschenkte - 'Tat' der menschlichen Freiheit, die das ganze Leben versammelt und in die Hand des Schöpfers zurückgibt.43

   Vor den Tod gestellt, kann und muß der Mensch sich entscheiden, ob er "alles gibt oder ob ihm alles geraubt wird, ob er der radikalen Verohnmächtigung mit einem glaubenden und hoffenden Ja [...] begegnet, [...] oder ob er sich auch da noch selbst behalten will".44 Diese letzte, diese endgültige Entscheidung für oder gegen die Selbsthingabe wird im Leben immer schon eingeübt. Die Kunst des richtigen Sterbens setzt die Kunst des richtigen Lebens also voraus.

   Das richtige Sterben muß, wie das richtige Leben, gelernt werden. Das Ziel dieses Lernprozesses, das Leben- und Sterbenkönnen, ist das eigentliche Thema des Bildungs- und Entwicklungsromans Winnetou.

   Das richtige Leben und Sterben ist, biblisch gesprochen, das Leben und Sterben der Heiligen. Die hagiographischen Züge der Winnetou-Trilogie wurden von May-Forschern erkannt und analysiert.45 Um falsche Töne in der Auslegung des Romans zu vermeiden, müßte nun allerdings gefragt werden: Was meint das Wort 'heilig' im ursprünglichen Sinne? Heilig im absoluten Sinne kann nur Gott selbst sein.46 In einem weiteren, abgeleiteten Sinne bezeichnet die Bibel dann freilich auch Menschen als 'heilig'.47 In diesem Falle ist 'heilig' aber nicht identisch mit 'fehlerfrei' und 'vollkommen'! Neutestamentlich verstanden sind Heilige: grundsätzlich fehlbare, aber von Gott geliebte, durch seine Gnade erwählte, in Christus erlöste Menschen, die sich - wie es im Kolosser-Brief heißt - "mit aufrichtigem Erbarmen, mit Güte, Demut und Geduld bekleiden" (Kol 3, 12).

   Das Wort 'heilig' kommt, auf Menschen bezogen, in der Winnetou-Trilogie zwar nicht vor; doch die Titelfigur der Erzählung ist - im biblischen Sinne - tatsächlich ein 'Heiliger': ein Mensch auf dem Weg zur 'imitatio Christi', zur Hingabe des Lebens, zur endgültigen Teilhabe an der Herrlichkeit Gottes.


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   Für die hagiographische Gesamtkonzeption des Romans signifikant ist ein wichtiger Dialog im fünften Kapitel des ersten Winnetou-Bandes. Old Shatterhand sucht das "Glück", das im "Reichtum" besteht (I 423); Winnetou aber erschrickt:


"Meinst du denn wirklich, daß Reichtum glücklich macht?" - "Ja." - "Da irrst du dich. Das Gold hat die roten Männer nur unglücklich gemacht [...] Das Gold ist die Ursache unsers Todes. Mein Bruder mag ja nicht danach trachten." - "Das thu ich auch nicht." - "Nicht? Und doch sagtest du, daß du das Glück im Reichtum suchest." - "Na, das ist wahr. Aber es giebt Reichtum verschiedener Art, Reichtum an Gold, an Weisheit und Erfahrung, an Gesundheit, an Ehre und Ruhm, an Gnade bei Gott und den Menschen." (I 423f.)


   Der 'Bildungsweg', den der Roman dem Leser erschließen will, ist markiert in dieser Zwiesprache Winnetous und Old Shatterhands.48 Das letzte Ziel des Entwicklungsweges, der wahre Reichtum, ist ein 'Leben in Heiligkeit', das der "Gnade bei Gott" entspricht und den Menschen dient. Im - durch die Übernahme von älteren Texten in die Trilogie-Bände II und III freilich nicht immer stimmigen - Reifungsprozeß Winnetous wird dieser Weg zum richtigen Leben (und richtigen Sterben) dem Leser nahegebracht.

   Winnetou ist, wie gesagt, sehr früh schon, in Klekih-petra, der christlichen Religion begegnet. Doch das ausdrückliche Ja des Apachen zum Evangelium bleibt sehr lange noch aus. Denn allzu betrüblich sind seine Erfahrungen mit den ''Bleichgesichtern'.

   Eine, nach dem Tode Klekih-petras, weitere Katastrophe für Winnetou ist die Ermordung seines Vaters Intschu-tschuna und seiner Schwester Nscho-tschi ('Schöner Tag') durch den - aufs Gold der Apachen versessenen - Verbrecher Santer alias Burton. Außer sich vor Schmerz und vor Zorn will der Indianer entsetzliche Rache nehmen an sämtlichen weißen Eroberern. Aber Shatterhand bittet den Apachen, seinen Racheschwur zunächst noch nicht auszusprechen (I 499). Winnetou überwindet sich selbst und verzichtet auf seinen Vergeltungsplan. Nur EINEM, Santer, kann er noch nicht verzeihen; ihn zu verfolgen und an ihm sich zu rächen, kann er, ebenso wie Shatterhand, noch lange nicht lassen.

   Eine andere Prüfung war für Winnetou - vor Jahren, zu einer im II. Band nicht näher bestimmten (und zu den Ereignissen in Winnetou I in keine Beziehung gebrachten) Zeit - die Begegnung mit einer Frau: Ribanna,49 der Tochter der Assineboins. Außer der verstorbenen Mutter und der Schwester Nscho-tschi war das schöne Indianermädchen die einzige Frau in Winnetous Leben (II 462 u. 504). Doch seine Jugendliebe blieb ohne Erfüllung. Ribanna liebte einen anderen, einen Weißen: Old Firehand.50 Der junge Winnetou mußte verzichten. In der Entsagung, im Loslassen, hat er, so können wir die Ribanna-Episode interpretieren, das 'Sterben' schon eingeübt und das 'neue Leben' gewonnen: Sein Verzicht macht ihn fähig - dieser innere Zusammenhang wird im Text freilich nicht verdeutlicht und nicht reflektiert - zur größeren Liebe, zur wirklichen Hingabe. Denn der ehemalige Skalpjäger51 wird der gütige, zwar stolze und selbstbewußte, zugleich aber bescheidene und nie den eigenen Glanz suchende Retter der Bedrängten, der Verfolgten und der Gefangenen.

   Zuletzt, in der "Gethsemane-Szene",52 mit Winnetous Tod, beim Klang des 'Ave Maria' geht der Same der göttlichen Liebe endgültig auf. "Scharlih, ich glaube an den Heiland. Winnetou ist ein Christ. Lebe wohl!" (III 474) Anders als in der Urfassung Im "wilden Westen" Nordamerika's53 ist die 'Conversio', die Bekehrung, die letzte Hingabe des Apachen von Anfang an - mit dem Wirken und dem Tode Klekih-petras schon - vorbereitet und motiviert. Sie fügt sich "treffend"54 in die Struktur des, als 'Heiligenvita' konzipierten, Entwicklungsromans.


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   Das 'mysterium mortis', die "Synthese [...] aus Untergang und Auferstehung, aus Sterben und Geboren werden",55 ist - wie auch Stolte in seinem Vortrag "Stirb und werde!" betont hat56 - die zentrale Botschaft der Winnetou-Trilogie und der künftigen Werke des Dichters.

   Der Tod als endgültige Hingabe, als Vollendung der Liebe, als Konfiguration mit Christus, müßte, der Gesamtkonzeption des Romans zufolge, auch das - zumindest unterschwellige - Grundmotiv des neu verfaßten Schlußkapitels 'Das Testament des Apachen' sein. Nach der Auffassung Ulrich Schmids ist dies aber nicht der Fall:57 Das Thema des letzten Kapitels sei lediglich die Jagd auf den Mörder Santer und dessen 'Höllenfahrt'58 in die Tiefe. Die "Zwiespältigkeit des endgültigen Konzepts"59 zeige schon die - in der Urfassung Im "wilden Westen" Nordamerikas noch nicht enthaltene - Testamentsankündigung des Indianers im vorletzten Kapitel 'Am Hancockberg'; im Testament (III 467) gehe es "ausschließlich um die Frage, wie der Vermögensnachlaß des Häuptlings verteilt werden soll"; von einem "geistigen Vermächtnis" sei "keine Rede"; und im Schlußkapitel habe sich May, mit der Vernichtung des Testaments durch Santer (III 622), der Notwendigkeit entzogen, einen "der schlüssigen Konzeption des ersten Bandes entsprechenden Vermächtnistext zu entwerfen."

   Ist Mays Gesamtkonzeption in der Trilogie tatsächlich so 'zwiespältig'? Wird die antimaterialistische Tendenz in Winnetou I durch das Testament des Apachen unterlaufen und praktisch zurückgenommen? Verblaßt die 'hagiographische Legende' in den Schlußpartien des dritten Bandes zur bloßen Abenteuergeschichte? Der Textbefund läßt eine solche Auffassung kaum zu.

   Winnetou war nie bereit, seinem Blutsbruder die Fundorte des Goldes zu verraten; denn Old Shatterhands Seele ist "zu Besserem bestimmt" (III 467). Nach Winnetous Tod aber wird Shatterhand, so meint der Häuptling, "Gold zu sehen bekommen, viel Gold, [...] aber es ist nicht für dich bestimmt [...] Ich habe meine Wünsche aufgezeichnet, und du wirst sie erfüllen." (Ebd.) Gewiß, hier geht es ums Geld; aber nicht ums Behalten, sondern ums Verteilen an die Bedürftigen. Der "Entsagungsethik"60 des Bildungs- und Entwicklungsromans entspricht die Testamentsankündigung des Apachen sehr wohl; und zur Liebesethik der Heiligenvita paßt sie nicht weniger.

   Die sakrale Dimension des Romans - die Selbsthingabe des Häuptlings, sein Ja zur Botschaft des Evangeliums - findet ihre Bestätigung im Schlußkapitel. Old Shatterhand gelingt es, einige Textpartikel des von Santer vernichteten Testaments zu retten. Er liest: "eine Hälfte erhalten .... weil Armut .... Felsen bersten .... Christ. .... austeilen .... keine Rache (III 625)

   Das 'neue Leben' - die Bereitschaft zum Teilen, das Ende aller Verhärtung ("Felsen bersten"), die verzeihende Liebe, die 'imitatio Christi' - hat den Verfasser des Testaments inspiriert. Ein Teil des Erlösungsprogramms im Spätwerk Winnetou IV (1909/10)61 - die Vergebung auch für den Mörder Intschu-tschunas und Nscho-tschis - dürfte sich im Finale der Trilogie bereits ankündigen: Der letzte Wille des Häuptlings "bestätigt", wie der Pfarrer und May-Kenner Joseph Höck schrieb, "die Ansicht, daß Winnetou auf seine Rache an Santer ganz verzichtet habe."62


//258//

Abb. 10: Karl May, um 1892.


//259//

Abb. 11: Karl May und seine Frau Emma geb. Pollmer, Anfang der 90er Jahre.


//260//

   Das Testament des Apachen, sein wahres und eigentliches Vermächtnis, wird den Dichter noch lange, bis zum eigenen Tode, beschäftigen. Old Shatterhand, der scheinbar vollendete, keiner Entwicklung bedürfende Lehrer Winnetous, ist der Schüler des Indianers geworden: in der Fiktion des Romans (beim Entziffern der Testamentsfragmente) und in der Realität des Schreibers in Sachsen. Denn der ehemalige 'Dr. Heilig' und künftige 'Dr. Karl May, genannt Old Shatterhand'63 hat den Bildungsweg zum reiferen Mensch- und zum wirklichen Christsein noch längst nicht durchschritten. Winnetou ist: sein besserer Traum, seine Vision, sein Gewissen.


8.3.2

Die Bände I/II der Old Surehand-Trilogie: Dokument einer Schaffenskrise?


Im Sommer 1894 plante May seine zweite Wildwest-Trilogie, die ursprünglich den Titel Old Firehand tragen sollte.64 Am 27. Juli 1894 gingen die ersten zwei Bogen (60 Seiten) an Fehsenfeld; doch die Titelfigur hieß jetzt "Old Surehand, weil Surehand als Westmann und Mensch noch bedeutend höher steht als Firehand [...] Surehand ist unter den Weißen das, was Winnetou unter den Rothen war, die Verkörperung des Rassenideales."65

   Anfang Dezember 1894 lieferte May den Schluß des ersten Bandes. Wie viele Künstler beflügelte ihn die Vorstellung, daß jedes seiner Werke das vorausgehende übertreffen werde: "'Old Surehand' soll wo möglich noch besser sein als 'Winnetou'. Grad darum habe ich nicht leichtsinnig drauflos geschrieben."66

   Diesmal hatte May, was die Bände I/II betrifft, wohl zuviel versprochen. Old Surehand I (zu Weihnachten 1894 als Band XIV der 'Gesammelten Reiseromane' erschienen) steht im großen und ganzen zwar "auf der Höhe"67 der klassischen Abenteuergeschichten unseres Autors; den literarischen Rang von Winnetou I erreicht der Surehand-Band aber nicht ganz. Kompositorische Schwächen sind nicht zu verkennen.68 Die älteren, in den Haupttext "geschickt"69 integrierten Binnenerzählungen Der erste Elk (1893) und Im Mistake Cannon (1889) verlieren im weiteren Handlungsverlauf an Bedeutung. "Die Grundidee, wie sie May zu Beginn des Schreibens vorschwebte, ist kaum noch zu rekonstruieren."70 Erst mit der Episode im Hasental: dem Auftritt einer geistesgestörten Frau, die in geheimnisvoller Weise von einem 'Wawa Derrick' und einem 'Myrthenkranz' spricht (I 248ff.),71 "beginnt die folgerichtige Handlungsentwicklung".72

   Inhaltlich stehen den aufbautechnischen Mängeln freilich gewichtige, dem ethischen Niveau des ersten Winnetou-Bandes entsprechende Vorzüge gegenüber: die zahlreichen Reflexionen über den Gottesgedanken (z.B. I 396ff.); die Grundthematik von Sünde und Reue, von Schuld und Vergebung;73 das Nein zur rassistischen Intoleranz und Menschenverachtung;74 das Zurücktreten der Gewalt hinter Klugheit und Milde.75

   Auch die scheinbar widersprüchliche Charakterzeichnung Old Wabbles und, besonders im dritten Band, auch des Titelhelden Old Surehand spricht für die Qualität des Romans: Nicht nur typisierte 'Verkörperungen' (wie die Ankündigung des Schriftstellers suggeriert), sondern echte, d.h. komplexe und 'gebrochene' Charaktere werden geschildert. Zudem verbirgt sich hinter Surehand und Wabble eine Brisanz, die autobiographisch sehr aufschlußreich ist.76 Übrigens berichtet May, wenn auch verzerrt, hier zum ersten Mal - in der Reihe der Ich-Erzählungen - von der Bitterkeit seiner Kindheitserlebnisse (I 406ff. u. 412)!

   Surehand I darf, insgesamt, als geglückt angesehen werden. Relativ schwach und enttäuschend wirkt nun freilich der - im März 1895 erschienene - zweite Band des Old Surehand,77 den May "teilweise gleichzeitig mit dem einleitenden Band sehr schnell und unter


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erheblichem Zeitdruck"78 aus älteren, für die Buchausgabe überarbeiteten Journalgeschichten zusammengestückelt hat. Auch ein (eher unschönes) Kapitel aus Waldröschen hat May übernommen.79 Fast ausschließlich gehören diese Binnenerzählungen zum Frühwerk des Autors. Mit der Haupthandlung stehen sie nur im indirekten Zusammenhang. Sie sind, nach Claus Roxin,


überreich an wild-phantastischen Abenteuern mit vielfach blutigem Ausgang; die Handlungsführung ist ziemlich planlos, die Personenzeichnung undifferenziert, und die ethische Vertiefung, um die May sich später so sehr bemüht hat, fehlt noch völlig.80


   Als "allergröbste Pfuscherei"81 hat Wollschläger den zweiten Surehand-Band kritisiert. An eine Ermüdung, eine physisch und psychisch bedingte Schaffenskrise könnte man denken: Im Februar 1894 erkrankte May an einer schweren Influenza mit Rippenfellentzündung; auch ein Augenleiden setzte ihm - seit Anfang 1893 - immer noch zu; nach einer Erholungsfahrt (Anfang Mai) in den Harz war seine Arbeitskraft noch Ende 1894, dem Entstehungsjahr von Surehand I/II, reduziert.82 Außerdem hatte May sich mit seinen 'klassischen Reiseerzählungen' ohnehin 'ausgeschrieben'! Er sah, so Roxin, "die Gefahr, sich nur noch wiederholen zu können".83 Aus diesem Grund hat der Schriftsteller May, seit 1896, neue Akzente gesetzt, deren Eigenart in einem späteren Kapitel84 noch zu erläutern ist.

   Mit Surehand II hatte May eine Grenze erreicht, einen 'toten Punkt' sozusagen. Daß dieser Band als Dokument einer wirklich gravierenden Leistungskrise zu betrachten sei, kann aber dennoch nicht behauptet werden.85 Old Surehand II ist zweifellos schwächer als der Einleitungsband. Von reiner 'Pfuscherei' und, gemessen an früheren Werken, dramatischem Leistungsabfall kann - bei näherem Hinsehen - aber doch nicht die Rede sein. Denn die älteren Journalgeschichten hat May, wie erwähnt, für die Buchfassung in Surehand II neu bearbeitet. Diese endgültigen Texte sind, wie Ekkehard Koch gezeigt hat,86 im Vergleich zu den Urfassungen immerhin als Verbesserung zu bewerten. Zudem hat May diese ehemaligen Zeitschriften-Stories neu integriert durch eine, im Herbst 1894 verfaßte, Rahmenerzählung, die den literarischen Wert des zweiten Teilbandes hebt und diesen, durch "zahlreiche Motivverknüpfungen",87 doch noch zu einem (halbwegs) geschlossenen Erzählkorpus verdichtet.

   Karl Mays - der literarischen Romantik entlehnte - Verfahrensweise könnte formal, den weniger geschickt kompilierten Winnetou-Bänden II/III gegenüber, sogar als Fortschritt betrachtet werden.88 Der Germanist Harald Fricke hat auf die "große Raffinesse"89 der Rahmengestaltung in Surehand II hingewiesen: Durch die Zuhörer (Old Shatterhand und die Tafelrunde bei Mutter Thick) werden die Binnenerzählungen, recht feinsinnig, kommentiert; durch "Ironisierung und Distanzierung werden diese schwächeren Geschichten", wie Roxin bemerkt, "in eine andere und reizvolle Perspektive gerückt".90 Roxin schränkt allerdings ein: "Gleichwohl belasten diese Erzählungen durch ihren zu großen Umfang und ihren Niveauabfall die Gesamtkonstruktion, so daß die von May gewählte Lösung fragwürdig bleibt."91

   Eine interessante und, im positiven Sinne, merk-würdige Leistung des Autors ist seine Surehand-Erzählung - trotz der Schwächen des zweiten Teilbandes - allemal. Old Surehand I/II ist, wie die Winnetou-Trilogie, kein 'richtiger', kein reiner Wildwestroman. Verschiedene Erzählstile und literarische Gattungen - Indianergeschichte, Detektivroman, Humoreske, Bekehrungsgeschichte und philosophisch-theologische Reflexion - werden von May kombiniert: so daß, wie Fricke (wohl etwas zu überschwenglich) erklärt, eine romantische "Universalpoesie" im Sinne Friedrich Schlegels entsteht!92


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   Insgesamt könnten die Surehand-Bände, so Fricke, "als eine große 'Geographische Predigt', als eine epische Allegorie"93 aufgefaßt werden! Trifft diese Bewertung zu? Wird der tiefere Inhalt, die theologische Botschaft der Winnetou-Bände in der Surehand-Trilogie wieder aufgegriffen und weitergeführt? Im Blick auf Surehand I, vor allem aber auf Surehand III, den - nach zweijähriger Unterbrechung der Arbeit am Surehand-Stoff - im Herbst 1896 entstandenen Schlußband, muß diese Frage bejaht werden.

   Von den bisherigen Reiseerzählungen Mays, einschließlich Surehand I/II, unterscheidet sich der dritte Old Surehand durch eine Reihe von Besonderheiten. Der Schlußband soll deshalb erst später, zusammen mit den anderen 'späten Reiseerzählungen' (Im Reiche des silbernen Löwen I/II und "Weihnacht!") besprochen werden.



Anmerkungen


1Vgl. Michael Petzel: Formen der kommerziellen Verwertung. In: Karl-May-Handbuch. Hrsg. von Gert Ueding in Zusammenarbeit mit Reinhard Tschapke. Stuttgart 1987, S. 666ff. - Ders.: Comics und Bildergeschichten. In: Ebd., S. 669-675.
2Zu Mays Quellen vgl. z.B. Siegfried Augustin - Rudolf Beissel: Quellen und Vorbilder Mays. Vorstudien zu einer Monographie. In: Vom Lederstrumpf zum Winnetou. Autoren und Werke der Volksliteratur. Hrsg. von Siegfried Augustin und Axel Mittelstaedt. München 1981, S. 59-80.
3Martin Lowsky: Karl May. Stuttgart 1987, S. 59.
4Christian Heermann: Der Mann, der Old Shatterhand war. Eine Karl-May-Biographie. Berlin 1988, S. 233.
5Vgl. ebd., S. 224-233.
6Ebd., S. 233f.
7Ebd., S. 232.
8Vgl. oben, S. 180f.
9Gunter G. Sehm: Der Erwählte. Erzählstrukturen in Karl Mays 'Winnetou'-Trilogie. In: JbKMG 1976, S. 9-28 (S. 10).
10Nach Roland Schmid: Anhang. In: Karl May: Freiburger Erstausgaben, Bd. XXIII. Hrsg. von Roland Schmid. Bamberg 1984, A 1-42 (41), ist diese Erzählung von August 1892 bis Anfang 1893 entstanden.
11Zit. nach Roland Schmid: Nachwort. In: Karl May: Freiburger Erstausgaben, Bd. VII. Hrsg. von Roland Schmid. Bamberg 1982 (ohne Paginierung).
12Heermann, wie Anm. 4, S. 207.
13Vgl. Gabriele Wolff: George Catlin: Die Indianer Nord-Amerikas. Das Material zum Traum. In: JbKMG 1985, S. 348-363 - Helmut Schmiedt: (Werkartikel zu) Winnetou I-III. In: Karl-May-Handbuch, wie Anm. 1, S. 205-218 (S. 205f.).
14Nach Ulrich Schmid: Das Werk Karl Mays 1895-1905. Erzählstrukturen und editorischer Befund. Materialien zur Karl-May-Forschung, Bd. 12. Ubstadt 1989, S. 64f.
15Hans Wollschläger: Karl May. Grundriß eines gebrochenen Lebens. Zürich 1976, S. 78.
16Vgl. U. Schmid, wie Anm. 14, S. 68.
17Nach Schmid: Ebd., S. 68f., ist dieses Kapitel erzählerisch geglückt.
18Unter diesem Titel ist die Erzählung Im "wilden Westen" Nordamerikas im Herbst 1890 in der 'Fuldaer Zeitung' erschienen.
19Vgl. Franz Kandolf: Der werdende Winnetou. In: KMJB 1921. Radebeul 1920, S. 336-360; auch in Karl Mays 'Winnetou'. Studien zu einem Mythos. Hrsg. von Dieter Sudhoff und Hartmut Vollmer. Frankfurt/M. 1989, S. 179-195.
20Vgl. R. Schmid: Nachwort, wie Anm. 11.
21Vgl. U. Schmid, wie Anm. 14, S. 67.
22Ebd.
23Helmut Schmiedt: "Einer der besten deutschen Erzähler... "? Karl Mays 'Winnetou'- Roman unter dem Aspekt der Form. In: JbKMG 1986, S. 33-49 (S. 48).
24Gerhard Neumann: Karl Mays 'Winnetou' - ein Bildungsroman? In: JbKMG 1988, S. 10-37.


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25Vgl. auch Claus Roxin: Vernunft und Aufklärung bei Karl May - zur Deutung der Klekih-petra-Episode im "Winnetou". In: MKMG 28 (1976), S. 25-30.
26Vgl. Neumann, wie Anm. 24, S. 32f. u. passim.
27Ebd., S. 33, mit Bezug auf Hans Blumenberg: Die Lesbarkeit der Welt. Frankfurt/M. 1981.
28Neumann, wie Anm. 24, S. 33
29Nach Claus Roxin: Einführung. In: Karl May: Der Scout - Deadly Dust. 'Deutscher Hausschatz'. Reprint der KMG. Hamburg, Regensburg 1977, S. 2-5 (S. 2). - Vgl. Ulrich Melk: Das Werte- und Normensystem in Karl Mays Winnetou-Trilogie. Paderborn 1992.
30Vgl. Heinz Stolte: Der Volksschriftsteller Karl May. Beitrag zur literarischen Volkskunde (Reprint der Erstausgabe von 1936). Bamberg 1979, S. 83-00 - Sehm, wie Anm. 9, passim - U. Schmid, wie Anm. 14, S. 65ff.
31Wesentlich stärker wird dieser Aspekt dann allerdings berücksichtigt bei Heinz Stolte: "Stirb und werde!" Existentielle Grenzsituation als episches Motiv bei Karl May. In: JbKMG 1990, S. 51-70.
32Sehm, wie Anm. 9, passim.
33Vgl. unten, S. 314ff.
34Vgl. U. Schmid, wie Anm. 14, S. 64f.
35Seitenangaben in () beziehen sich auf Karl May: Winnetou der Rote Gentleman. 1.-3. Band. Gesammelte Reiseromane, Bd. VII-IX. Freiburg 1893.
36Vgl. Roxin: Vernunft und Aufklärung, wie Anm. 25.
37Vgl. Ingmar Winter: "Er lag in meinem Schoße". Gedanken zu Sterbeszenen im Winnetou-Roman. In: MKMG 67/1986, S. 38ff.
38So sieht es Sehm, wie Anm. 9, S. 23.
39Ebd., S. 23-27.
40Helmut Gollwitzer: ... und führen, wohin du nicht willst. Bericht einer Gefangenschaft. München 61953, S. 80.
41Zur autobiographischen Relevanz dieser Passage vgl. oben, S. 120. - Auch der Tod des Old Death (vgl. II 374-383) fügt sich gut in diesen Zusammenhang; vgl. oben, S. 219.
42Vgl. aber unten, S. 721ff.
43Vgl. z.B. Karl Rahner: Über das christliche Sterben. In: Ders.: Schriften zur Theologie, Bd. VII. Einsiedeln, Zürich, Köln 1966, S. 273-280.
44Ebd., S. 277.
45Wie Anm. 30.
46Vgl. Bibel-Lexikon. Hrsg. von Herbert Haag. Einsiedeln, Zürich, Köln 21968, Sp. 686-691 (Sp. 687).
47Zahlreiche Belegstellen ebd.
48Vgl. Neumann, wie Anm. 24, S. 12ff.
49Der Name Ribanna könnte auf die "erste Liebe" Karl Mays verweisen; vgl. oben, S. 64f.
50Dazu Neumann, wie Anm. 24, S. 14f.
51In Old Firehand und Deadly Dust bzw., abgemildert, in Winnetou II; vgl. Horst Wolf Müller: Winnetou. Vom Skalpjäger zum roten Heiland. In: Karl Mays 'Winnetou', wie Anm. 19, S. 196-213.
52Sehm, wie Anm. 9, S. 22.
53Vgl. oben, S. 180f.
54U. Schmid, wie Anm. 14, S. 70.
55So heißt es schon bei Karl May: Ange et Diable. In: JbKMG 1971, S. 128-132 (S. 129). - Vgl. oben S. 118ff.
56Vgl. Stolte: "Stirb und werde", wie Anm. 31, S. 68 - dazu Jürgen Hahn: 'Nekyia und Anabasis'. Spurensuche auf subterranen Itineraren im Werke Karl Mays. Ein Brief. In: JbKMG 1993, S. 229-280.
57Vgl. U. Schmid, wie Anm. 14, S. 71f.
58Vgl. Sehm, wie Anm. 14, S. 71;
59U. Schmid, wie Anm. 14, S. 71; dort auch die folgenden Zitate.
60Neumann, wie Anm. 24, S. 15.
61Vgl. unten, S. 712ff.


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62Joseph Höck: Zum Aufbau des Romans "Winnetou" (1926 erstmals gedruckt). In: Karl Mays 'Winnetou', wie Anm. 19, S. 43-52 (S. 51).
63Vgl. unten, S. 321ff.
64Nach Mays Brief vom 17.7.1894 an Fehsenfeld; wiedergegeben bei U. Schmid, wie Anm. 14, S.58.
65Aus Mays Brief vom 27.7.1894 an Fehsenfeld; Faksimile-Wiedergabe bei Roland Schmid: Nachwort. In: Karl May: Freiburger Erstausgaben, Bd. XIV. Hrsg. von Roland Schmid. Bamberg 1983, N 1-12 (7).
66Aus Mays Brief vom 6.12.1894 an Fehsenfeld; zit. nach U. Schmid, wie Anm. 14, S. 60.
67Claus Roxin: (Werkartikel zu) Old Surehand I-III. In: Karl-May-Handbuch, wie Anm. 1, S. 238-252 (S. 246). - Vgl. Walther Ilmer: Karl May - Mensch und Schriftsteller. Tragik und Triumph. Husum 1992, S. 125ff.
68Vgl. Walther Ilmer: Sichere Hand auf wackligen Füßen: Old Surehand. In: MKMG 29 (1976), S. 4-20.
69Roxin: Old Surehand, wie Anm. 67, S. 239.
70U. Schmid, wie Anm. 14, S. 75.
71Seitenangaben in () beziehen sich auf Karl May: Old Surehand I. Gesammelte Reiseromane, Bd. XIV. Freiburg 1894.
72U. Schmid, wie Anm. 14, S. 254 (Anm. 160).
73Vgl. Roxin: Old Surehand, wie Anm. 67, S. 250.
74Dazu U. Schmid, wie Anm. 14, S. 76.
75Vgl. Roxin: Old Surehand, wie Anm. 67, S. 246.
76Vgl. unten, S. 286ff.
77Karl May: Old Surehand II. Gesammelte Reiseromane, Bd. XV. Freiburg 1895. Aus diesem Band machte der Karl-May-Verlag den Bd. 19 (Kapitän Kaiman) der 'Gesammelten Werke'; der Zusammenhang mit den (auf zwei reduzierten ) Surehand-Bänden wurde völlig aufgegeben.
78R. Schmid: Nachwort, wie Anm. 65, N 9.
79May wollte auf diese Weise wohl seine Urheberrechte gegen den Münchmeyer-Verlag geltend machen! - Vgl. Roxin: Old Surehand, wie Anm. 67, S. 247.
80Roxin: Ebd., S. 246.
81Wollschläger, wie Anm. 15, S. 79.
82Näheres bei Fritz Maschke: Karl May und Emma Pollmer. Die Geschichte einer Ehe. Beiträge zur Karl-May-Forschung 3. Bamberg 1973, S. 58f.
83Claus Roxin in einem Brief vom 11.3.1991 an den Verfasser.
84Vgl. unten, S. 283ff.
85Wichtige Hinweise gibt U. Schmid, wie Anm. 14, S. 247f. (Anm. 121).
86Vgl. Ekkehard Koch: Der 'Kanada-Bill'. Variationen eines Motivs bei Karl May. In: JbKMG 1976, S. 29-46.
87Roxin: Old Surehand, wie Anm. 67, S. 248.
88Nach U. Schmid, wie Anm. 14, S. 77.
89Harald Fricke: Karl May und die literarische Romantik. In: JbKMG 1981, S. 11-35 (S. 28).
90Roxin, Old Surehand, wie Anm. 67, S. 248.
91Ebd.
92Vgl. Fricke: Karl May, wie Anm. 89, S. 29ff. (S. 32).
93Harald Fricke: Wie trivial sind Wiederholungen? Probleme der Gattungszuordnung von Karl Mays Reiseerzählungen. In: Erzählgattungen der Trivialliteratur. Hrsg. von Zdenko Skreb und Uwe Baur. Innsbruck 1984, S. 125-148 (S. 134); zit. nach U. Schmid, wie Anm. 14, S. 256 (Anm. 166).




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