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IV. Der Roman der Krise: "Im Reiche des silbernen Löwen", Band I/II

1. Die Entstehung der beiden Bände

Als sich im Frühherbst 1898 abzeichnete, daß der als "Jubiläumsband" XXV der Fehsenfeld-Ausgabe konzipierte Roman "Am Jenseits" auf keinen Fall mehr rechtzeitig für das gewinnträchtige Weihnachtsgeschäft zur Verfügung stehen würde, sollte die soeben in den letzten beiden Jahrgängen des "Deutschen Hausschatz" veröffentlichte Reiseerzählung "Im Reiche des silbernen Löwen" die Lücke füllen. Fehsenfelds Vorschlag, die beiden geplanten Bände in die fortlaufende Numerierung einzuordnen und damit als Band XXV/XXVI an "Weihnacht!" (Bd. XXIV) anzuschließen, wurde von May mit großer Heftigkeit abgelehnt (vgl. oben S.84), Indiz für den hohen Stellenwert, den "Am Jenseits" im Selbstverständnis seines Autors einnahm. Die Eile allerdings, mit der die "Silberlöwen"-Ausgabe, zudem nicht ohne Pannen, zusammengestellt werden mußte, produzierte über die den 'Hausschatz'-Text bereits kennzeichnenden Strukturmängel hinaus "eine der schwächsten Leistungen Mays", wenngleich es sich um "eine [...] im Gang von Mays Leben und literarischer Entwicklung signifikante Schwäche" (1) handelt.

Ähnlich wie bereits bei den Bänden "Winnetou II/III" und "Old Surehand II" fügte May hier mehrere, von


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Entstehung und Inhalt disparate Textteile ohne grundlegende Überarbeitung und teilweise ohne zureichende Verbindung zusammen; sie entstanden in den Jahren 1893 bis 1898 und repräsentieren damit höchst unterschiedliche Entwicklungsstufen seiner Schreibweise.

Die Kompilation der einzelnen Elemente wird aus schließlich von kurzsichtigen Verwertungszusammenhängen, ohne jedes kompositorische Konzept, bestimmt; die beiden Haupterzählungen, die Episode um den Perser Dschafar im Wilden Westen einerseits ("Dschafar-Episode") und die Entlarvung einer Schmugglerbande am Turm zu Babel andererseits werden ergänzt durch eine ältere, bereits 1895 entstandene und im "Regensburger Marienkalender" für 1898 publizierte kürzere Erzählung "Scheba et Thar" ("Der Löwe der Blutrache") (2) sowie durch eine vom übrigen Text völlig abgetrennte Marah-Durimeh-Geschichte, "Ein Räthsel".

"Scheba et Thar" sollte offenbar die für einen Band zu lange, für zwei Bände aber zu kurze 'Silberlöwen'-Erzählung des "Deutschen Hausschatz" auf den Umfang zweier Fehsenfeld-Bände strecken, obwohl diese Kalendergeschichte sich sowohl inhaltlich wie auch vom Erzählduktus her deutlich von den anderen beiden Teilen abhebt. (3)

Beim Satz stellte sich jedoch, zum Schrecken von Verleger und Autor, heraus, daß die Umfangsberechnungen fehlerhaft waren; May hatte am 1.Oktober 1898


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an Fehsenfeld "die übrigen (=restlichen) vier Kapitel" geschickt (4), womit Bd. 27 voll ist, auch 39 Bogen wie 26." Die Annahme erwies sich als Irrtum: der dem Verlag übersandte Text füllte im Band XXVII nur 452 Seiten, also ca.28 Bogen. Die fehlenden 170 Seiten lieferte May offenbar bis 10.November. Da briefliche Zeugnisse für den fraglichen Zeitraum nicht erhalten sind, läßt sich das Datum nur aus einem späteren Brief Mays an Fehsenfeld (29.11.1898) erschließen, in dem er "die Correctur zum Schluß des 27ten Bandes" anmahnt; die Druckerei Krais habe das "Manuscript dazu schon seit dem l0ten in Händen."

Roland Schmid hat die Problematik des Texts eingehend erörtert; die Frage, ob May den Text völlig neu geschrieben oder ob er auf ein schon vorhandenes Manuskript zurückgegriffen bzw. es erweitert hat, läßt sich nicht schlüssig beantworten (5), wobei der Manuskriptbefund mit den im zweiten Teil verwendeten Blättern aus Resten älterer Leserpostvordrucke, untypisch für Mays Handschriften, neben anderen Indizien vermuten läßt, daß hier eine bereits begonnene Erzählung rasch und improvisiert zu einem vorläufigen Ende geführt wurde, um die notwendige Seitenzahl zu erreichen. Die Geschichte zeigt enge thematische und strukturelle Zusammenhänge mit der ebenfalls 1898 entstandenen und im "Regensburger Marienkalender" für 1899 veröffentlichten "Umm ed Dschamahl" (6).


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2. Analyse der einzelnen Werkteile

a. Die 'Dschafar-Episode'

Die parallele Entstehungszeit, der Hinweis zu Beginn des Schlußteils von "Winnetou III" ("Das Testament des Apachen") und die zu erschließende Beschaffenheit des (nicht erhaltenen) Manuskripts legen die zwingende Vermutung nahe,

daß der [...] Text ursprünglich direkt für Fehsenfeld bestimmt war und wohl den Anschluß an "Winnetous Tod" für Band 9 ("W III") hatte bilden sollen.(7)

Das grundlegende Handlungsgerüst der Episode referiert May selbst eingangs des Schlußkapitels im dritten "Winnetou"-Band, indem er zwei Aktionselemente heraushebt; zunächst den Ritt des Comanchenhäuptlings To-kei-chun und seiner Krieger zu den Häuptlingsgräbern an "dem ihnen heiligen Makik-Natun", um dort "den Kriegstanz aufzuführen und die 'Medizin' zu befragen" (W III, S.478). Zum anderen aber nennt er die durch Old Shatterhand vollbrachte Rettung mehrerer Weißer, "die an dem Marterpfahl sterben sollten" (W III, S.479). Damit ist das entscheidende Handlungselement bezeichnet: Gefangennahme und anschließende Befreiung durch den Austausch von Geiseln, wobei nicht nur die Abläufe sich mehrmals wiederholen, sondern auch die Personenkonstellation die ganze Erzählung durch gleichbleibt. Ausgangspunkt der Handlung ist wohl, nur in Umrissen erkennbar, die Absicht, durch die Gestalt des im


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Wilden Westen hilflos herumirrenden Persers Dschafar eine Verklammerung der ersten neun Bände der Fehsenfeld-Ausgabe, d.h. des Orientromans und der "Winnetou"-Trilogie, zu erreichen; einzelne Elemente des Erzähleinsatzes finden sich dann auch in "Das Testament des Apachen":

- Old Shatterhand verstellt sich nach Winnetous Tod, gibt sich für einen andern aus und wird verkannt.

- er begegnet unfähigen, aber sehr von sich überzeugten Westmännern (8).

- er wird mit ihnen zusammen von feindlichen Indianern gefangengenommen, wobei die Comanchen der 'Dschafar-Episode' an die ersten vier Kapitel von "Winnetou III" ("Deadly Dust") anknüpfen, wo ebenfalls To-kei-chun auftritt, die Kiowas der endgültigen "Winnetou"-Fassung dagegen passender und die Trilogie stärker verklammernd an die Handlung von "Winnetou I", wo der Häuptling Tangua ebenso wie sein Sohn Pida und der weiße Mörder Santer eine entscheidende Rolle spielen.

- beidemale spielen Teile der Handlung an einer Hügelgruppe mit Gräbern (9).

Die beiden - neben Old Shatterhand - wichtigsten Personen der Episode, der Perser Dschafar und der Comantschen-Häuptling To-kei-chun, weisen einige signifikante Besonderheiten auf, in denen Mays bereits konstatierte, durch den problematischen Abschluß der "Winnetou"-Handlung ausgelöste schriftstellerische Krise zutagetritt (10).

Dschafar bleibt auffallend blaß und farblos. Nicht so sehr die Äußerlichkeiten wie seine skurrile Dichter-Lektüre in den Gefahren des Wilden Westens, die Zerstreutheit oder sein persischer Habitus wirken absonderlich, sondern vor allem seine Schweigsamkeit in allen wesentlichen Fragen. Fast alle näheren Angaben


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über seine persönlichen Umstände sind retrospektiv und beziehen sich nur auf Abenteuer Kara ben Nemsis mit den Haddedihn und mit Dschafars Verwandtem Hassan Ardschir Mirza (11).

Selbst über die Art der Verwandtschaft erfährt der Leser nichts Näheres, nur, daß Dschafar nicht mit Hassan selbst, sondern mit dessen Frau Dschanah verwandt war; über Dschafars Absichten oder Aufträge in Amerika schweigt er sich ebenso wie der Erzähler aus. Die Handlung enthält auch keine Hinweise auf eine Fortsetzung, mit Ausnahme der Schlußworte Dschafars, als er dem Ich-Erzähler einen persischen Chandschar (=Dolch) schenkt:

Aber ich bin überzeugt, daß Ihr von Mirza Dschafar hören werdet, der ein Sohn von Mirza Masuk ist. Merkt Euch diesen Namen! (SL I, S.265)

Der Comantschen-Häuptling To-kei-chun dagegen zeigt ein auf andere Weise seltsames Verhalten und offenbart da mit ein erzähltechnisches Dilemma, in das May der Wandel seiner Reiseerzählungen zu "Predigten an die Völker" (12) bringt.

Die Wendung vom Straf- und Rachegedanken zur Milde gegen Feinde beraubt den Handelnden aller Druckmittel seinen Gegnern gegenüber und macht ein Erzählen nach den Regeln der Abenteuererzählung weitgehend unmöglich. Sobald nach langer und mühevoller Verfolgung der Bösewicht ergriffen wird, beginnen die Schwierigkeiten, was nun mit ihm anzufangen ist. Eine Tötung durch den stets zur Nächstenliebe aufrufenden Helden ist ebenso unmöglich


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wie jede Form der ehrverletzenden oder grausamen Bestrafung. Infolgedessen bleibt nur die Übertragung der Strafe auf eine andere Instanz, um den Ich-Erzähler und seine moralischen Grundsätze zu retten (13). Aus dieser Schwierigkeit ergeben sich zwangsläufig die oft kritisierten, in der Tradition christlicher Erbauungsgeschichten stehenden Strafgerichte Gottes in den Erzählungen der neunziger Jahre (14); immer wieder bestrafen Naturgewalten und/oder wilde Tiere die Bösen. Trotz seiner warnenden Prophezeiungen ist dem Ich-Erzähler jede Einflußnahme verwehrt; fast in jedem Fall kann er nur noch die Erfüllung seiner Vorhersage konstatieren (15).

Damit verliert auch jede Drohung Old Shatterhands mit von ihm selbst vollzogenen Strafen ihre Wirkung, da die Bösewichter die Milde des Helden in ihr Kalkül einbeziehen (16). Besonders deutlich zeigt sich das Dilemma bei To-kei-chun. Zwar durchziehen noch die gewohnten Drohungen mit Martern oder dem Tode den Text, aber das geradezu freche Auftreten des Häuptlings gegenüber dem Helden zeigt, wie wenig ernst alle Beteiligten die hergebrachten Gefährdungsfloskeln nehmen:

Dann ist Old Shatterhand, welcher glaubt, wunder welche Berühmtheit er besitze, kurzsichtig oder gar blind [...] Bist du denn nicht stolz auf den Ruhm, daß du niemals ohne Not einen Menschen tötest? [...] So bin ich also sicher vor dir [...] (SL I, S. 119)

Insbesondere im zweiten, offenbar unmittelbar für den "Deutschen Hausschatz" geschriebenen Teil (2.Kapitel) häufen sich die Unstimmigkeiten der Handlungsführung und


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die Unwahrscheinlichkeiten der Personencharakteristik in einer Weise, daß selbst dem Erzähler immer wieder kritische Kommentare zum Handlungsablauf in die Feder fließen (17) :

Dschafar mußte befreit werden: Sehr einfach! Da seitwärts unter mir lag ja der Häuptling. [...] Er war doch leichter zu bekommen als der Perser, und wenn mir der Streich gelang, so war der Gefangene so gut wie gerettet, beide konnten gegeneinander ausgelöst werden. Lächerlich! Wieder Auslösung! Ich hatte immer nur die Fehler anderer gutzu machen. (SL I, S.219)

Insgesamt sechsmal wiederholt sich der Wechsel von Gefangennahme und Befreiung, ohne daß andere Aktionen dazutreten oder erkennbare Steigerungen bzw. Variationen des Geschehens die Wiederholung rechtfertigen. Auf Dschafars Bemerkung "Jetzt habt Ihr mich wieder befreit." äußert infolgedessen der Icherzähler selbst "ernst":

Aber zum letztenmal! Ich scheine nur zu dem Zwecke mit Euch zusammengetroffen zu sein, die fortgesetzten Fehler anderer Leute immer wieder gutmachen zu müssen. Das geschah vom ersten Augenblicke bis jetzt und scheint gar nicht anders werden zu wollen. (SL I, S.253 f.)


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b. "Am Turm zu Babel"

Das Geschehen um den "Turm zu Babel" umfaßt mit 745 Seiten der Fehsenfeld-Ausgabe (von 1252) mehr als die Hälfte des gesamten "Silberlöwen"-Textes. Da diese Erzählung zudem von allen Teilen der beiden ersten Bände am ehesten eine in sich abgeschlossene Handlung bietet, in der "alles ganz richtig in Karl-May-Manier" (18) abläuft, erfüllt sie besser als die anderen Texte die auf Abenteuer und Spannung gerichteten Lesererwartungen.

Hier liegt folglich der eigentlich handlungstragende Text des "Silberlöwen"-Komplexes vor, und eine nähere Betrachtung zeigt, in welcher Weise Mays schriftstellerische und psychologische Krise vor der Orientreise hier ihren Ausdruck findet (19).

Zu Beginn der Erzählung erprobt May verschiedene Handlungsansätze, mehrfach - z.T. wörtlich - aus bereits publizierten Werken übernommen (20). Sie werden stets rasch wieder aufgegeben, ohne daß die in ihnen angelegten Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Zusätzlich wird der Anfang der Geschichte noch dadurch zerrissen, daß May die ausgedehnte "Scheba et Thar"-Handlung zwischen die Erzählansätze einschiebt.

Nach {1} einem Exkurs über die "Lehre vom Zufalle" erinnert der Erzähler {2} an den Dolch des Persers Dschafar; die Ankündigung, "nach einer Reihe von Jahren" habe "diese halbvergessene Episode mit Mirza Dschafar ihre Konsequenzen" (SL I, S.267 f.) gezeigt, wird im folgenden allerdings nicht eingelöst, da der Chandschar im weiteren Verlauf keine Rolle mehr spielt.


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Die nun folgenden Handlungsansätze sind retrospektiv: der {3} Erinnerung an frühere Abenteuer bei den Ruinen von Babylon (21) und einem {4} ausführlichen, im Wortlaut mitgeteilten Brief Halefs (22) folgt {5} eine Verkennungsszene. Kara ben Nemsi, inzwischen bereits auf dem Weg zu den Haddedihn, wird von dem Boten, der Halefs eben mitgeteilten Brief nach Mossul zur Post bringen soll, nicht erkannt (23).

Erst nach {6} längerem Aufenthalt bei den Haddedihn und {7} einem Ausflug zur Löwenjagd ("Scheba et Thar") brechen die beiden Helden auf, wobei noch einmal QI ausdrücklich der beabsichtigte Erinnerungsbesuch in Babylon hervorgehoben wird.

Zeigten schon diese acht Handlungsansätze immer wieder Rückgriffe auf frühere Reiseerzählungen, so erweist die Analyse der gesamten Struktur, daß darüber hinaus fast alle Handlungselemente aus früheren Werken stammen. Diese Parallelen, besonders zum großen Orientroman "Giölgeda padishanün", sind in der Forschung bereits konstatiert worden, ohne daß daraus weitergehende Schlüsse gezogen worden wären (24).

In der eigentlichen Abenteuerhandlung lassen sich drei Großabschnitte unterscheiden:

A. Die Fahrt auf dem Tigris mit
1. dem Abenteuer auf der Flußbank
2. dem Abenteuer in der Schilfhütte

B. Der Aufenthalt in Bagdad mit
1. der Beschreibung von Dozorcas Haushalt
2. Dozorcas Erzählung über sein Schicksal

C. Die erfolgreiche Auseinandersetzung Kara ben Nemsis mit den Schmugglern ("Sillan").

Während die Teile A. und B. einsträngig mit der Reisebewegung des Ich-Erzählers fortlaufen, enthält C. mehrere


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parallel laufende Handlungsstränge an verschiedenen Orten. Dabei speisen sich die Teile A. und B. fast völlig aus dem Fundus älterer narrativer Elemente; den Grundriß des dritten Teils dagegen liefert weitgehend die Binnenerzählung Dozorcas über seine Erlebnisse im Birs Nimrud, d.h. Kara ben Nemsi und Halef wiederholen - jetzt mit glücklichem Ergebnis - das, was dem Polen einst zu seinem Unglück widerfahren ist:

Nun, so höre, wir waren die Gefangenen des Säfir -- ! Ich habe meine Peitsche mit in den Turm genommen -- ! Wir haben uns frei gemacht--- ! Der Säfir wurde von uns gefangen, gebunden und geprügelt --- ! Und hier sind deine zweimalhunderttausend Piaster--- ! Der Säfir hat sie wieder hergeben müssen und wird aufgehängt --- ! (SL I, S. 438)

Damit zählt Halef nach bestandenem Abenteuer noch einmal alle wesentlichen Elemente auf, die sich aus der Erzählung des Polen ergaben; darüber hinaus enthält die Handlung des letzten Teils noch weitere Motive aus dem Bericht Dozorcas (25).

Dieser selbst, gebürtiger Pole, ist eine Figur aus dem großen Orientroman, wo er allerdings namenlos blieb. Er beherbergte damals in seinem Bagdader Haus Kara ben Nemsi und seine Begleiter (Stambul, S. 276 ff.). Aber außer dieser Figur übernimmt May noch zahlreiche weitere Personen wie auch Aktionsabläufe aus dem früheren Werk, so daß die "Turm zu Babel"-Handlung sich als Montage älterer Erzählelemente erweist (26):

- Im Khan Mohawid tritt ein Beduine auf, der Kara ben Nemsi und Halef aus den in "Durch die Wüste" geschilderten Ereignissen kennt (Fußnote Mays, SL II, S.178: "Siehe Karl May, "Durch die Wüste" Seite 422.").


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- Kara ben Nemsi hat Osman Pascha in Stambul kennengelernt; diese Angabe verweist auf Bd. III der "Gesammelten Reiseerzählungen", "Von Bagdad nach Stambul", auch wenn Osman Pascha dort nicht genannt wird.

- Hassan Ardschir-Mirza, Anführer einer kleinen persischen Karawane in demselben Band, ist über seine Frau Dschanah mit dem persischen Prinzen Dschafar verwandt. Dschafar aber steht in einer rätselhaften Verbindung zu den "Sillan" und zur "Gul-i-Schiraz", einer hohen Persönlichkeit der Schmugglerbande.

- Ein Mir Alai tritt beim Gerichtshof in Hilleh auf, um die Identität der Angeklagten zu bezeugen. Er war als Leutnant bei den Abenteuern im "wilden Kurdistan" (Bd.II der "Ges.Reiseerzählungen") beteiligt. (Auch hier weist May in einer Fußnote mit Seitenangabe auf die Parallele hin).

- Die Gerichtsszene in Hilleh hat ihr Vorbild im Gerichtshof von Ostromdscha (Bd.V, Skipetaren, 1.Kap.), taucht in ähnlicher Form (die Angeklagten sind dem korrupten Gericht souverän überlegen) aber vielfach in Mays Werk auf (27).

- Die Schilderung der Todeskarawane übernimmt eine Reihe von wörtlichen Zitaten aus der früheren Beschreibung in Band III, erweitert den dortigen Text aber beträchtlich, ein Zeichen sowohl für Mays Zuwachs an Gestaltungs- und Sprachvermögen als auch für eine (infolge des Wohlstands) erweiterte Quellenbasis seiner Schilderungen.

- Das Schicksal der "Karawane des Kammerherrn" wiederholt, wenn auch in variierter Form, den Untergang der Karawane Hassan Ardschir-Mirzas: beide mißachten die Warnungen Kara ben Nemsis, beide erregen durch den Wert der mitgeführten Waren die Habgier der Verfolger, beide kommen aus Persien und wollen zu den schiitischen Wallfahrtsstätten, beide Überfälle geschehen bei den Ruinen von Babylon und enden tödlich (nur der Kammerherr selbst wird im "Silberlöwen" durch Kara ben Nemsi gerettet).

- Die Beschreibungen der Orte Bagdad (SL I, S.490-493), Babylon (SL II, S.54-59) und Basra (SL III, S.1-4) stimmen auf weite Strecken mit Formulierungen in früheren Werken überein (28).

- Weitere Parallelen weisen Otto Eicke und Walther Ilmer in ihren Aufsätzen nach (29).

Während dieser Montagecharakter der Abenteuerhandlung Mays Unlust und Unfähigkeit, die alte "Maschinerie" (30) fortzubetreiben, deutlich erkennen läßt, zeigt die Gestaltung von insbesondere zwei Figuren, daß sich sein Erzählinteresse inzwischen auf psychische Dimensionen verlagert hat: der polnische Offizier Dozorca und die


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Frau Halefs, Hanneh (31), weisen signifikante Unterschiede zu früheren Darstellungen auf.

Im Band III, "Von Bagdad nach Stambul", wurde der Pole als schrulliger, pensionierter Offizier gezeichnet, der mit seinem dicken, ewig hungrigen und sehr faulen Diener Kepek zurückgezogen hinter den hohen Mauern seines Bagdader Hauses lebt. Uber die Gründe seines Abschieds vom Militär erfährt der Leser nichts, kann aber aus Hinweisen des Erzählers vermuten, daß er altershalber erfolgte.

Diese Darstellung erfährt im "Silberlöwen" eine entschiedene Umdeutung. Selbst der Diener Kepek erweist sich zwar als noch immer ebenso faul und mit Appetit gesegnet wie früher, wird aber von seinem ehemaligen Vorgesetzten Dozorca ausdrücklich als "treuer und mutiger Helfer" charakterisiert (SL I, S.564). Er sei "einer der brauchbarsten und mutigsten Unteroffiziere" gewesen und habe seinen Herrn "mehreremale mitten aus den Feinden herausgehauen" (SL I, S. 522). Als Dozorca zu Unrecht zum Tode verurteilt wurde und kurz vor der Hinrichtung stand, rettete ihn Kepek durch eine rasche und entschlossene Aktion. Durch die Informationen über die Vorgeschichte erhält die Figur eine entscheidende Vertiefung. War der Diener im früheren Roman eine der bei May beliebten komischen Chargen, wie sie, nicht zuletzt beeinflußt durch das Unterhaltungstheater im 19.Jahrhundert, in den frühen Humoresken häufig auftreten, so wird diese Nebenfigur nun von der bloßen Schablonenhaftigkeit befreit und differenzierter durchgezeichnet.


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Dozorca selbst wird als verbittert vorgestellt, ein Mensch, der infolge seiner schlimmen Erfahrungen mit Gott und den Menschen zerfallen ist, und der sich nach außen vollständig abkapselt. Dozorcas Frage an Kara ben Nemsi ist die nach der Gerechtigkeit Gottes, für May unlösbar gekoppelt mit der Frage nach der Liebe und Güte des Vatergottes. Der Pole ist ein Vater, der seine Kinder verloren hat; zugleich aber wird er als "Kind" bezeichnet, das "die giftige Frucht aus der sie verweigernden Hand des Vaters gerissen" hat (SL I, S.541). Er sucht also nicht nur seine eigenen Kinder, sondern ist auch selbst auf der Suche nach dem 'rechten' Vaterbild. Im Weinen akzeptiert er Kara ben Nemsis Vorwürfe (der jetzt als liebende Vater-Instanz auftritt) und kehrt in den Zustand der Kindheit zurück. Das Streben nach Rache und Vergeltung löst sich; die Passivität, der er sich überläßt,wird durch Wassermetaphern ausgedrückt (32):

Ich bin überhaupt so weich, so sonderbar gestimmt, wie ich es noch nie in meinem Leben war. Ich gleiche einer Pflanze, welche einen schweren Regen aufsich fallen lassen muß [...] (SL I, S.612)

Hanneh erlaubt ebenfalls einen Vergleich mit früheren Werken. Dort, auch noch in den Marienkalendergeschichten, tauchte sie fast durchweg nur in rühmenden Erwähnungen durch Halef auf, spielt aber für den Verlauf der Handlung nirgends eine bestimmende Rolle. Das bleibt zwar auch in der "Silberlöwen"-Fassung des "Deutschen Hausschatz" so, aber das in die Buchausgabe neu einge fügte "Nachtgesprächll (besonders herausgehoben durch


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Halefs Bedenken wegen der nächtlichen Stunde, zu der Hanneh Kara ben Nemsi sprechen will) und die in "Scheba et Thar" für die Buchausgabe neu eingefügten Varianten sind wichtige Anzeichen neuer Dimensionen in der Charakterisierung der Frau. Besonders deutlich zeigt sich der Wandel in "Scheba et Thar", wo Hanneh in der Erstfassung keine besondere Hervorhebung findet, während sie in der Buchausgabe bei der Planung der Reise ein gewichtiges Wort mitzureden hat.

Ihre diplomatischen Fähigkeiten und ihre Lenkung des "kleine[n] Hadschi", beides auf kommunikativer Oberlegenheit basierend, lassen sie das Reiseziel und den Modus des Unternehmens zumindest mitbestimmen. Doch sie wird nicht nur als Regentin Halefs und des Stammes vorgestellt, sondern auch als Mutter, die für ihren Sohn Sorge trägt. Gerade die Isoliertheit dieser Einschübe und der Verzicht auf andere, weitergehende Uberarbeitungsschritte unterstreichen, wie bedeutsam die Neuakzentuierung seines Personals für May zu dieser Zeit war. (33)


Die folgende Synopse bietet in der linken Spalte den Text des "Regensburger Marienkalenders", in der rechten Spalte den Text der Buchausgabe; beiden Fassungen gemeinsame Textteile sind in der Mitte angeordnet.

In den beiden Spalten sind gemeinsame Formulierungen durch Unterstreichen gekennzeichnet.

[ ] = in der Buchausgabe weggelassene Formulierungen der Kalenderfassung
( ) = zusätzliche Wörter/Ausdrücke der Buchausgabe


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"Scheba et Thar"SL I, S.292
Der [kleine] Hadschi war nicht nur ein [tüchtiger] (mutiger)Krieger, sondern auch ein kluger Diplomat (,) und
Als solcher überzeugt, daß diese neue seine Hanneh stand ihm in letzterer Beziehung mit den besten Ratschlägen zur Seite. Beide hegten die Meinung, daß eine Erneuerung dieser
Verbindung [seinen] (ihren)Haddedihn (großen) Nutzen bringen und ein bedeutendes übergewicht über die umwohnenden Stämme, denen
man nie recht trauen konnte, nie recht zu trauen war,
geben werde. Nach den Gepflogenheiten der Beduinen und
noch ausaus noch
andern Gründen hätte er diese Reise,
eigentlich mit eigner großen, möglichst glänzenden Reiterschar unternehmen sollen, denn es galt, am Dschel Schammar zu imponieren;




da erfolgte mein unerwarteter Besuch bei den Haddedihn, durch Ze-ner sich veranlaßt sah, diesen Vorsatz aufzugeben.
, um am Dschebel Schammar zu imponieren, eigentlich mit einer großen, glänzenden Reiterschar unternehmen sollen; aber das wäre ein ganz gefahr- und wagnisloses Unternehmen gewesen, bei dem kein Ruhm zu ernten war. Er wollte Abenteuer erleben, von denen er dann später in seiner tief in den "Topf des Lobpreises" greifenden Weise erzählen konnte, und so war er sehr ernstlich mit sich zu Rate gegangen, ob er nicht lieber allein reiten solle. Da aber war ihm Hanneh, wie er sich gegen mich ausdrückte, "mit seiner Waghalsigkeit an den Kopf gesprungen" und hatte ihm im Tone "strenger Liebe und zorniger Hingebung" gesagt, daß sie das nicht gestatten werde. Glücklicherweise war da die Ansage meines Besuches gekommen, welche der Sache eine ganz unerwartet andere Wendung gegeben hatte .


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Die Buchausgabe setzt die Passage noch weiter fort:

Welch eine Wonne, mit Kara ben Nemsi nach dem Dschebel Schammar reiten und sich den dortigen Schammar als "Freund und Beschützer" dieses "größten Helden des Erdreiches" zeigen zu können! Da war freilich keine Begleitung nötig, und da standen Erlebnisse zu erwarten, über welche "noch die späteste Nachwelt staunen würde". Zugleich konnte da ein Wunsch in Erfüllung gehen, welchen nicht nur der wagemutige Hadschi, sondern auch seine vorsichtige Hanneh längst gehegt hatten: Kara ben Halef, ihr Sohn, fand da vielleicht Gelegenheit, den Haddedihn zu zeigen, daß er der würdige Sohn eines tapfern, mutigen Vaters sei. Das war einer der größten Herzenswünsche seiner Eltern. Halef war zwar überzeugt, daß es keinen bessern Behüter seines Sohnes als ihn selbst geben könne,doch war Hanneh nicht ganz derselben Meinung; sie vertraute mir ihr Kind viel lieber an als ihm allein, und als sie gelesen hatten, daß ich kommen werde, hatten sie sich darüber geeinigt, daß Kara ben Halef uns begleiten solle. (SL I, S.292 f.)

Der Wunsch, Kara ben Halef mitzunehmen, geht in der Erstfassung allein von Halef aus, wobei offenbleibt, wieweit Hanneh mitzuentscheiden hat; von ihr ist in der Kalenderfassung nur an dieser Stelle überhaupt die Rede:

Wir reiten allein, Sihdi, Du, ich und mein Sohn Kara ben Halef, dem es die größte aller Ehren sein wird, an Deiner Seite diese Reise machen zu dürfen. Ich werde mit Hanneh, meinem Weibe, sprechen. Sie ist die beste, die herrlichste der Frauen, die lieblichste der Blumen unter allen Blumen und Rosen der Welt und wird uns das feinste Mehl und eine Fülle der saftigsten Datteln einpacken, so daß wir unterwegs weder Mangel noch gar Hunger leiden.

(RMK 1898, Sp.155 = SL 1, S.295)

Der zweite Einschub der Buchausgabe findet sich wenige Seiten später:


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Schon drei Tage später verließen wir das Lager, Ich brauche wohl nicht erst zu sagen, daß Hanneh uns in Beziehung auf die Sicherheit ihres Sohnes eine Menge Ermahnungen und Verhaltensmaßregeln erteilte, welche vollständig überflüssig waren, obgleich sie aus ihrem Mutterherzen flossen. Kara ben Halef war unendlich stolz darauf, von uns auf eine so weite und nicht ungefährliche Reise mitgenommen zu werden. Nachdem wir Abschied genommen hatten, ritt er, im Sattel hoch aufgerichtet, voran, als wir das Lager verließen
begleitet von einer Anzahl Haddedihn, welche die Ziegenfelle transportierten, aus denen das Kellek (Floß) zur Oberfahrt über den Euphrat hergestellt werden sollte.
(RMK 1898, Sp.15S)(SL I, S. 296)

Die Neubewertung Hannehs tritt in diesen Einschüben deutlich hervor; das 'Nachtgespräch' mit Kara ben Nemsi akzentuiert ihre Bedeutung noch stärker, nicht nur durch die ungewöhnliche Zeit, "fast zwei Stunden nach Mitternacht", und den Treffpunkt außerhalb des Lagers, in aller Heimlichkeit, sondern vor allem durch die überraschend hymnische Gestaltung des Dialogbeginns und durch den Verlauf der Unterredung (SL 1, S. 370 ff.). In Hannehs Eröffnungspartien verwendet May (m.W. zum ersten Mal) in Ansätzen die rhythmisierte Prosa als Ausdrucksmittel; daneben schildert Hanneh ihre seelische Situation in metaphorischer Ausdrucksweise:

Es wogt ein weites, tiefes Meer in meiner Seele; seine Wellen sind Gedanken, welche bald mich töten, bald mich an das feste Ufer tragen wollen. Es giebt in meinem Herzen einen Himmel, von welchem tausend Sterne strahlen und den bald wieder finstre Wolken decken; die Sterne wollen mir zu Allah leuchten; die Wolken sind die Zweifel, welche mich den rechten Weg nicht finden lassen. In meinem Innern lebt


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eine Stimme heißer Angst, die nie zur Ruhe kommt; ich höre sie bei Tag und Nacht, im Wachen und im Traume [...] (SL I, S.370 f.)

Mays eigene Suche nach der "Mutterliebe" artikuliert sich hier, wie der Erzähler "mehr als überrascht" feststellt, als "seelische Eruption" (SL 1, S.371). Aber der Autor bzw. sein Ich-Erzähler weicht diesen "unterirdischen Gewalten" (ebd.) aus:

Ich wollte anders, ganz anders antworten, aber es floß mir die Frage über die Zunge: "Warum wendest du dich an mich, an keinen andern?" (SL I, S.371)

Mit der Antwort Hannehs ("Weil du ein Christ und nicht ein Moslem bist.") wird zwar der jambische Vers des Anfangs noch fortgeführt, aber inhaltlich ist der Vorhang wieder zugezogen: der vertraute religiöse Argumentationsbereich der Marienkalender-Geschichten ist erreicht und das Gespräch mündet in den erprobten Lobpreis des Christentums. Bezeichnenderweise ändert sich mit dem thematischen Ausweichen des Erzählers auch die formale Gestalt des Gesprächs: der Dialog kehrt zu ungebundener Alltagsprosa zurück, an die Stelle der Metaphern treten Bibelparaphrasen, und das so hymnisch begonnene 'Nachtgespräch' endet in Alltagsproblemen und Mahnungen wegen Halefs "Verwegenheit".

Gegenüber Hanneh und Dozorca spielt der Kol Agasi Amuhd Mahuli zwar eine wichtige Rolle im zweiten Teil des Romans, bei der Ausschaltung der Schmuggler, aber seine Gespräche mit Kara ben Nemsi greifen letztlich nur Themen der anderen beiden 'Nachtgespräche' erneut auf. Während er bei seinem ersten Auftreten als zwar redlicher, aber doch auch beschränkter alter Soldat geschildert


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wird, gewinnt er im weiteren Verlauf der Handlung, besonders bei den Aktionen am Birs Nimrud, eine psychologisch vertiefte Kontur. Im Mittelpunkt der Unterhaltung mit ihm steht der Kismet-Glaube. Er macht die Menschen zu "Schatten", zu "Schattenspiel-Figuren". Dieser "eiserne[n], um seinen Nacken gekrallte[n] Faust des Kismet" stellt der Erzähler ein anderes Gottesbild gegenüber:

Allah ist kein Tyrann, welcher seine Unterthanen knechtet, sondern ein liebevoller Vater, der keine Sklaven, sondern Kinder hat, die frei und fröhlich seine Wege wallen sollen. (SL II, S.413)

Damit ist die Kehrseite der Neuakzentuierung des Mutterbilds angesprochen: nicht nur in der Erzählerfigur, sondern auch in der Handlungsführung treffen gegensätzliche Impulse aufeinander, die sich in keine Einheit mehr integrieren lassen. Besonders auffallend ist das Nebeneinander von 'Liebespredigt' (wie in der eben zitierten Stelle) und grausamsten Strafgerichten.

Die Verlagerung der Rachephantasien auf Halef ermöglicht dem Erzähler zunächst noch die Distanzierung ("so denke ich, daß meine Gegenwart bei der widerlichen Szene nicht notwendig ist" SL I, S.484), aber im Schlußteil erfolgen exzessive Prügelaufträge ("Halef, haue ihn, bis er schweigt! [...] Haue ihn, wohin du triffst!") im gleichen Atemzug mit Mitleidsbekundungen und Warnungen, gegeben, um "eine sehr leicht mögliche Ausartung der Strenge in Grausamkeit zu verhüten." (SL II, S.395/399).


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Sowohl der Führer der Schmuggler, der Säfir, wie auch der Anführer ihrer Komplizen, der Beduinen, erweisen sich als autobiographische Vaterbilder. Der letztere wird in einem sprachlichen Kontext vorgestellt, der, wie Hans Wollschläger zwingend nachgewiesen hat, in all seinen Elementen auf das Bild des Webervaters Heinrich May verweist (34):

[...] aus dem Beutel zahlte er [der Säfir] einem alten, graubärtigen Kerl, der wohl der Vormann der Schurken war, den auf sie entfallenden Anteil vom Werte aus. Daß es dabei sehr laut, erregt und nicht ohne recht gefährlich klingendes Wettern und Fluchen abging, versteht sich ganz von selbst. (SL II, S.310)

Nachdem schließlich Kara ben Nemsi die Leichen der ermordeten Perser gefunden hat, soll "der alte Ghasai" bzw. "der Alte" die versprochenen 55 Hiebe auf die Fußsohlen bekommen (SL II, S.409). Als der Beduine nach wie vor die Morde leugnet und Kara ben Nemsi der Lüge bezichtigt, reißt dieser selbst Halef die Peitsche aus dem Gürtel und zieht "dem unverschämten Menschen einen solchen Hieb über das Gesicht, daß es sofort aufsprang und das Blut ihm an beiden Seiten herunterlief."(SL II, S.409 f.). Damit sind alle drei Anführer der Schmuggler auf dieselbe Weise gezeichnet; der Pädär hatte schon am Tigris von Halef einen Hieb quer über das Gesicht erhalten, der Säfir dann am Birs Nimrud (SL 1, S.380; SL 11, S. 387).


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Die eingeschobene Erzählung "Scheba et Thar" ist eine typische Abenteuererzählung mit dem in den Marienkalendern mehrfach vorkommenden 'Gottesgericht' als Höhepunkt (35).

Die Handlung läßt sich auf einige wenige Grundstrukturen zurückführen:

A. Gefangennahme und Befreiung
a. Befreiung eines Gefangengenommenen und dabei Gefangennahme des gegnerischen Anführers als Geisel
b. Die Geiselnahme ermöglicht Austausch der Besitztümer, die bei der Gefangenahme in die Hände des Gegners fielen.
c. Gefangennahme mit Schutzersuchen
d. Schutz wird gewährt: Freiheit bei Erfüllen einer Bedingung (Löwenjagd)

B. Drohung und ihre Erfüllung
a. am Drohenden selbst (Sohn des Zauberer und Zauberer)
b. Prophezeiung der 'guten' Partei trifft ein (Kara ben Nemsi/Halef)
c. Kampf gegen ein wildes Tier (Löwe) und Sieg

Diese Einzelelemente treten in Mays Werk mehrfach auf; im Zusammenhang mit Mays Schreibkrise sind hier mehrere Sachverhalte bemerkenswert:

1. Die Gestaltung der Handlung durch Aneinanderreihen von Einzelmotiven gelingt May 1895 ohne Probleme. Ganz ähnlich wie in anderen Werken dieser Zeit zeigt sich, daß er das bisher erworbene Motivrepertoire geläufig einsetzt und in jeweils variierter Form zu geschlossenen Handlungen zusammenfügt.

2. Deutlich wird auch in "Scheba et Thar", wieweit er hier von der Humanitäts- und Liebesidee noch entfernt ist; der Erzähler distanziert sich zwar von den Kampf-"Scenen zwischen den Siegern und


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den Besiegten", die er "lieber nicht beschreiben will", aber andererseits wird die Schlacht zwischen den feindlichen Stämmen als wesentliches Aktionselement ausführlich dargestellt (SL 1, S. 322).

3. Die Frauen, die dann in "Ein Rätsel" und in "Die 'Umm ed Dschamahl'" wie auch schon vorher in "Old Surehand III" und in "Weihnacht!" handlungsbestimmend werden, fehlen in dieser Kalendergeschichte so gut wie völlig; sie spielt in einer rein männlichen Welt.

4. Das Motiv des "Gottesgerichts" ist besonders bezeichnend für die Epoche der "späten Reiseerzählungen" in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre; ganz ähnliche Unglücksfälle, stets verbunden mit sich erfüllenden Drohungen oder Prophezeiungen, finden sich beispielsweise in "Old Cursing-Dry" (RMK 1897) oder auch in "Old Surehand III' und in "Weihnacht!".

5. Die Personen der Handlung sind stark typisiert und wenig individuell gezeichnet. Nur Gadub es Sahhar, der Zauberer, wird überhaupt ausführlicher beschrieben, doch auch diese Darstellung überschreitet nicht Mays Zeichnung anderer skurriler Gestalten (36).


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c. "Ein Rätsel"/ "Die 'Umm ed Dschamahl' "

Beide Erzählungen, in engem zeitlichem Zusammenhang entstanden, gestalten Grundkonstellationen des Mayschen Erzählwerks. In der "Umm ed Dschamahl" tritt neben die Rettungsaktion (häufigstes Thema in den Marienkalender-Geschichten) noch die dem Publikationsort angemessene Bekehrung zum Christentum (auch dies regelmäßiger Bestandteil), während in "Ein Räthsel" zwar ein Religionsgespräch geführt wird, die Bekehrungsabsicht aber keine entscheidende Rolle spielt. Die grundlegende Aktion ist hier die Befreiung in zweifacher Weise, Marah Durimehs und des Kurdenhäuptlings Jamir samt seinem Sohn Khudyr aus der Gefangenschaft in dem alten Wachtturm.

Gegenüber diesen Konstanten fallen die Abweichungen in der Handlungsstruktur gegenüber dem bisherigen Werk umso stärker auf. Schon der Anlaß beider Ritte, die Suche nach einer geheimnisvollen Schönheitssalbe, der "Umm ed Dschamahl", ist in Mays Werk ein Novum, durch das ein Wandel der gesamten Mechanismen des Geschehens angezeigt wird. Zahlreiche Übereinstimmungen im Aufbau und in einzelnen Motiven verbinden die beiden Geschichten und weisen ihnen eine Sonderstellung im Werk zu; am nächsten kommt ihnen - in einigen Motiven - die für den "Einsiedler Marienkalender", Jg.1898, im Frühjahr 1897 entstandene Erzählung "Mutterliebe" (37).


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Beide Erzählungen werden durch ein Gespräch mit einem Salbenhändler in Bagdad eingeleitet, das May vermutlich in "Ein Rätsel" übernahm, um das Manuskript auf die notwendige Länge zu bringen und um zu erklären, warum die Reise jetzt statt ins "Reich des silbernen Löwen", also nach Persien, ins "wilde Kurdistan" geht (38).

Darüber hinaus lassen sich zwischen beiden Texten zahlreiche Übereinstimmungen feststellen:

- Im Mittelpunkt der Handlung steht jeweils eine Frau und Mutter, die auch männliche Züge aufweist: die Nezaneh ist als Anführerin ihres Stammes "stolz und selbstbewußt", Adsy, die Frau Jamirs, dagegen ist als Mann verkleidet, wobei der Erzähler lange offenläßt, ob es sich um einen Mann oder um eine Frau handelt (39).

- In beiden Texten wird ein Heilmittel gesucht: die "Salbe der Schönheit" als ein Mittel, das Eheprobleme heilt bzw. die Entfremdung zwischen Ehepartnern verhindert; in "Ein Rätsel" sucht Adsy nach einem Mittel gegen die Giftwunde ihres Kindes.

- Kara ben Nemsi wird in beiden Fällen die Befreiung sehr leicht, da er als 'Hoheitsträger' auftritt und so die Gefangenen auf legale Weise retten kann, ohne Anwendung von Gewalt, wobei er sogar mehr erreicht, als er eigentlich plante. Beidemale verbirgt er zunächst das Gelingen, um bei den Müttern einen Überraschungseffekt zu erzielen.

- Auffallend sind auch die intensiven Bezüge zu psychischen Grunderfahrungen Mays: dem Komplex 'Feuer Lichter-Weihnachten' und zur Gefangenschaft (40).

Die Abenteuerhandlung der "Umm ed Dschamahl" ist in sich abgeschlossen; die beiden Söhne sind gerettet, die geraubten Pferde wieder beschafft, und Halef hat seine gewünschte "Salbe der Schönheit" erhalten.

Das Geschehen von "Ein Rätsel" dagegen läßt - und der Titel mag von May durchaus mit einiger Ironie gesetzt worden sein - noch zahlreiche Fragen offen. Die Gefangenen


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sind zwar befreit, aber die zweite Handlungsebene, das Schicksal Marah Durimehs, bleibt am Ende tatsächlich "Ein Räthsel", ein "Torso" (41), der wie die Einleitung zu einem größeren Erzählganzen wirkt, allerdings nicht als Exposition zu einem Geschehen "im Reiche des silbernen Löwen", da die Ereignisse um Marah Durimeh keinerlei Bezug zur geplanten Persienreise aufweisen, vielmehr im Bereich des "wilden Kurdistan" verbleiben.


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d. Ein "Bruch im Bau"?

Immer wieder im Lauf seiner schriftstellerischen Entwicklung griff Karl May - gerade in den neunziger Jahren - auf früher erschienene Werke zurück, indem er ältere Texte in neue Zusammenhänge einfügte oder einzelne Motive bzw. Handlungselemente in neu verfaßte Erzählungen übernahm. Insofern bietet die Reminiszenzentechnik der ersten beiden 'Silberlöwen'-Bände nichts Neues; auffallend ist hier aber im Gegensatz zu fast allen anderen Werken der Zeit vor 1900, daß die Handlungsstruktur sich nun fast ausschließlich - bis in die Details - aus Elementen früherer Werke zusammensetzt. Dabei ist allerdings festzuhalten, daß an einer Stelle, nämlich in dem 'Nachtgespräch' auf dem Dach von Dozorcas Bagdader Haus, May ein geschlossener Handlungsentwurf in der Binnenerzählung Dozorcas gelingt. Die Verbalisierung eines seelischen Konflikts, der Auseinandersetzung des verbitterten Polen mit der Frage nach der Gerechtigkeit bzw. Liebe Gottes und zugleich des Vaters, erzeugt einen produktiven Schub; erst nachdem der psychische Konflikt ausgesprochen ist (zu Beginn des'Nachtgesprächs', SL I, S. S41-544), kann Dozorca mit seiner Binnenerzählung einsetzen. Sie zeigt - sehr viel stärker als die übrigen Teile der "Turm zu Babel"-Erzählung nicht nur Bezüge zum Spätwerk, sondern auch zu


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Lessings "Nathan der Weise": Dozorca hat, wie Nathan, auf tragische Weise bei einem durch religiösen Fanatismus ausgelösten Pogrom seine ganze Familie verloren. Infolge dieses Verlusts ist er auch beruflich gescheitert.

Seine Erzählung bestimmt die gesamte anschließende Handlung; der Aufenthalt am "Turm zu Babel" tritt nun an die Stelle der geplanten Reise nach Persien unter weitgehender Aufgabe des ursprünglichen Entwurfs. Dieser 'eigentliche' Plan, wenn es ihn denn je als schlüssiges Konzept gab, läßt sich nur andeutungsweise aus den Überschriften rekonstruieren; im Text selbst finden sich kaum Hinweise.

Der Roman sollte, nach den Kapitelüberschriften der 'Hausschatz'-Fassung, mehrere "Abtheilungen" umfassen. Im Mittelpunkt der ersten Abteilung sollte "Die Rose von Schiras", wohl eine in Persien beheimatete oder dort befindliche Frauengestalt, stehen. Nach einer "Einleitung", in der der Ich-Erzähler im Wilden Westen den Perser Dschafar kennenlernt und vom ihm ein Andenken (den "Chandschar") geschenkt bekommt ("Dschafar-Episode"), sollte das "Erste Kapitel. Am Turm zu Babel" wohl eine Exposition der Themen, Motive und Personen des gesamten "Silberlöwen"-Komplexes bieten: der Schmugglerbund der Sillan und seine Anführer (darunter möglicherweise die "Rose von Schiras") sollten dem Leser vorgestellt werden. Zur Begegnung mit den Schmugglern sollte es bei den Ruinen von Babylon kommen, die der Erzähler


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zur Erinnerung an einen früheren Aufenthalt aufsuchen will. Im dritten Textteil, ursprünglich "Der Löwe von Farsistan" überschrieben, sollten die beiden Reisenden dann offenbar die persische Provinz Farsistan und ihre Hauptstadt Schiras erreichen.

Dieser Plan führte seit Mays Tod immer wieder zu Vermutungen über eine mögliche Fortsetzung der "Silberlöwen"-Handlung. Besonders ausführlich hat sich Otto Eicke, der das gesamte Spätwerk Mays als einen Irrweg betrachtet, in den Karl-May-Jahrbüchern 1928 ff. unter dem Titel "Der Bruch im Bau" mit dem Thema beschäftigt. Aber auch Walther Ilmer spricht von einem "Torso" und vom "erste[n] der unvollendet gebliebenen Werke." (42)

Entgegen dieser Feststellung nennt Ilmer aber nur drei Handlungselemente (43), die über das "Turm zu Babel"-Geschehen hinausweisen, und widerlegt damit die Annahme eines breit angelegten Romankonzepts:

a. Sicherlich sollte das Schicksal der Familienmitglieder Dozorcas in der Fortsetzung geklärt werden. Auf diese Absicht deuten nicht nur die 'sprechenden' Namen (44), sondern auch die Grundkonstellationen 'Kinder suchen ihre verlorenen Eltern' bzw. 'Eltern suchen ihre Kinder'.

b. Der Chandschar Dschafars, Relikt aus der Amerika-Episode, sollte sicher irgendwann bedeutungsvoll werden; die Tatsache aber, daß dieser Dolch außer ganz kurzen Erwähnungen nirgends eine handlungstragende Rolle spielt, läßt eher den Schluß zu, daß May mit dem Requisit nichts Rechtes mehr anzufangen wußte.

c. Das Porträt Dschafars und der 'Gul-i-Schiraz', im Birs Nimrud in Babylon unter den Schmugglerschätzen gefunden, sollte wohl ebenfalls als Handlungselement eingesetzt werden (45).


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Alle anderen Handlungslinien sind mit dem Ende der "Turm zu Babel"-Erzählung abgeschlossen. Damit erweist sich, wie schon Hans Wollschläger zu Recht vermutete (46), die Annahme von weiterreichenden Plänen Mays als hinfällig.

Im folgenden seien die wesentlichen Argumente gegen diese Annahme knapp aufgelistet:

1. Schon bei der Einführung des Reiseziels werden dem geplanten Aufenthalt in Babylon fast 20 Zeilen gewidmet, während die Persienreise nur beiläufig im Brief Halefs genannt wird (SL 1, S.268 f./271).

2. Auch die Planung des Reiseverlaufs reicht stets nur bis zu den Ruinen von Babylon; über die weitere Route zum Reiseziel Persien erfährt der Leser hier nichts (SL I, S.366)

3. Auch am Ende des Textes finden sich keinerlei Hinweise auf die weitere Reise oder den Weg nach Persien.

4. Von einer Schiffsreise nach Abuschehr vom Hafen Basra aus ist im "Turm zu Babel"-Teil nie die Rede; der Gedanke findet sich erstmals im "Basra"-Kapitel des dritten "Silberlöwen"-Bands.

5. Alle wesentlichen Handlungselemente werden abgeschlossen:
- Der Sandschaki ist abgesetzt und verhaftet.
- Alle Schmuggler sind verhaftet oder gar hingerichtet, die Helfer des Säfir sind in die Zollverwaltung übergewechselt.
- Die Schätze der Schmuggler sind sichergestellt.
- Der Kammerherr ist befreit, die Leichen seiner Begleiter sind bestattet; die Guten sind belohnt und die Bösen alle bestraft.

6. Das "Basra"-Kapitel erweist sich deutlich als zielloser Neuansatz.

7. Auch die ersten Notizen Mays zum Roman liefern keine Angaben, um eine tragfähige'Fortsetzung der Handlung zu ermöglichen.


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Anmerkungen zu IV. Der Roman der Krise. "Im Reiche des silbernen Löwen", Band I/II

1 J.Kalka, in KMHb, 288. - Zur Titelgebung des Romans vgl. R.Schmid (in F-R KMV "Jenseits" (XXV), N 45 f.): Die Farbgebung des persischen Wappentiers schwankt in verschiedenen Quellenwerken, so daß teils ein 'goldener', teils ein 'silberner' Löwe genannt wird.

2 May schrieb 1895 außer einer Teil-Fortsetzung für "Der schwarze Mustang" auffallenderweise als einzige Werke nur fünf Kalendergeschichten:

a) März: "Er Raml el Helahk" (später in: Auf fremden Pfaden, S. 197-158), veröffentlicht im Regensburger Marienkalender 1896

b) März/April: "Der Kys-Kaptschiji" (später in: Auf fremden Pfaden, S.387-454) veröffentlicht in Benzigers Marienkalender 1896/97 (in zwei Teilen)

c) Juni/Juli: "Old Cursing-Dry" (u.d.T. "Gott läßt sich nicht spotten" in: Auf fremden Pfaden, S. 501-566), veröffentlicht im Regensburger Marienkalender 1897

d) August: "Scheba et Thar" (später in: Silberlöwe 1), veröffentlicht im Regensburger Marienkalender 1898

e) Dezember: "Ein amerikanisches Doppelduell" (später u.d.T. "Ein Blizzard" in: Auf fremden Pfaden, S. 567-598), veröffentlicht im Einsiedler Marienkalender 1897.

Auffallend sind in diesen Erzählungen die Parallelen zu Werken der Folgejahre: während die beiden amerikanischen Geschichten (c/e) Züge aus "Old Surehand III" und aus "Weihnacht!" vorwegnehmen (Einleitung mit einer Kindheitserinnerung; Fluchen als Thema; alter Indianerhasser als Negativfigur, die sich selbst den Tod prophezeit; reuevoller und reueloser Tod), zeigt "Der Kys-Kaptschiji" zahlreiche Ubereinstimmungen mit der "Turm zu Babel"-Handlung.

Der Handlungsort ist Kurdistan, Kara ben Nemsi und Halef werden für die Verbrecher gehalten, die sie in Wirklichkeit verfolgen, und werden verhaftet; die Beschreibung des 'Kys-Kaptschiji' entspricht weitgehend der des Säfir im "Silberlöwe II"; beidemale warnt Kara ben Nemsi Perser vor einem Überfall, allerdings beidemale vergeblich, so daß bis auf jeweils einen alle Perser ums Leben kommen; die beiden Helden lassen sich überlisten und werden gefangengenommen; der Kys-Kaptschiji ist wie der Säfir nicht geständig, beide werden deshalb geprügelt, bleiben aber bis zu ihrem Tode verstockt; die Helfer des Mädchenhändlers werden ebenso durch eine Salve erschossen wie die Beduinen, die Helfer der Schmuggler, im "Silberlöwen II"; einmal werden also die Haupttäter (die Armenier im"Kys-Kaptschiji"), das andere Mal die Komplizen erschossen, während die jeweils andere Gruppe weitgehend straffrei ausgeht (die Schirwanikurden


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dürfen ihr Leben behalten, müssen aber "ihr Eigentum ( ... ) als Beute" zurücklassen; die früheren Schmuggler "am Turm zu Babel" dagegen werden zu Zöllnern gemacht).

Schließlich entspricht dem negativen Urteil über die Armenier, das für den "Kys-Kaptschiji" handlungsprägend ist, die armenierfeindliche Passage zu Beginn von "Ein Rätsel".

3 Als May das Manuskript zu "Auf fremden Pfaden" am 2.Februar 1897 abschloß, war "Scheba et Thar" bei Pustet noch nicht erschienen, so daß es in diese Zusammenstellung von Einzelerzählungen nicht aufgenommen werden konnte. Andererseits waren die beiden im "Deutschen Hausschatz" bereits veröffentlichten bzw. im Erscheinen begriffenen Teile von "Im Reiche des silbernen Löwen" für zwei Fehsenfeld-Bände zu schmal (266 + 745 S. = 1011 S.); aufgrund fehlerhafter Umfangsberechnungen war May überzeugt, mit der Aufnahme von "Scheba et Thar" den normalen Umfang zweier FehsenfeldBände zu erreichen (je 39 Bogen = 624 S.)

4 Brief an Fehsenfeld, 1.10.1898. Zit. nach F-R KMV "Jenseits" (XXV), N 46.

5 Ebd., N 46 - 54.

6 Regensburger Marienkalender 1899, Sp.171-200 (Reprint in R-KMG "Christus oder Muhammed"). - Unzutreffend ist J. Kalkas Annahme im KMHb, 283, "Die 'Umm ed Dschamahl" sei "zum Schlußkapitel 'Ein Rätsel' des II. (Silberlöwen-)Bandes" geworden, wobei Kalka offenbar eine Angabe H.Wollschlägers mißversteht (JbKMG 1979, 133, Anm.67; auch in: Schmiedt, 1983, S.224): beide Erzählstrukturen sind weitgehend unabhängig voneinander (mit Ausnahme der Einlei tung durch das 'Salbengespräch').

7 Wie Anm.4, N 27. R.Schmid führt als Beleg an:

"Die vergleichende Berechnung ergibt nämlich einwandfrei, daß die Blätter dieser 449-Seiten-Handschrift relativ eng beschrieben sein müssen, wie May dies zumeist bei den unmittelbar für die Fehsenfeld-Reihe verfaßten Bänden handhabte." (ebd.) Diese Feststellung ist ein weiterer Beleg für die Annahme, daß May nicht nur zwischen dem "Deutschen Hausschatz" und der Fehsenfeld-Ausgabe qualitative Unterschiede machte, sondern daß er auch im besonderen Fall der "Winnetou"-Trilogie um ein geschlossenes Gesamtkonzept bemüht war und deshalb die mißglückte Erstfassung (=Dschafar-Episode) verwarf, sie an den literarisch anspruchsloseren "Deutschen Hausschatz" abgab (der 1893 noch auf mehrere Jahre hinaus mit May-Text versorgt war) und für die Gesamtausgabe bei Fehsenfeld eine neue, in der Handlungsführung besser passende Fassung schrieb.


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8 Die bereits von verschiedenen Interpreten konstatierte Differenz in der Darstellung der beiden Snuffles, die im "Geist des Llano Estakado" als fähige Westmänner erscheinen, in der "Dschafar"-Episode dagegen unfähig und hilflos sind, hängt möglicherweise mit dem Wechsel von der "Er"Perspektive der Jugenderzählungen zur "Ich"-Perspektive der "Winnetou"-Trilogie zusammen, die - über die Ich-Reiseerzählungen des "Deutschen Hausschatz" hinaus - eine Neubewertung der Rollen und Rangordnungen auslöste (z.B. durch die Meisterschaft des "Greenhorns" gegenüber Sam Hawkens). Auch Mays Schreibkrise beim "Winnetou"-Abschluß mag eine Rolle spielen; bezeichnenderweise läßt er dann in der endgültigen Fassung, in "Winnetou III", unbekannte Westmänner als Agierende auftreten.

9 Zur Frage eines "Winnetou"-Kults vgl. U.Schmid: Winnetous fliegende Feder(wie oben Anm. 152, S. 252).

10 Zur Mischung der Handlungsregionen ist auf einen ähnlichen Versuch Mays in "Satan und Ischariot" (entstanden 1891/92) zu verweisen, vgl. H. Kühne im KMHb, 259-266.

11 Das Titelstichwort "Todeskarawane" und die in diesem Teil des großen Orientromans geschilderten Ereignisse spielen in Mays Werk mehrfach eine strukturbildende Rolle (zuerst in: "Deutscher Hausschatz", VIII.Jg.(1881 f.), Nr. 26-36 (März-Juni 1882), IX.Jg.(1882 f.), Nr.1-8(Okt.Nov.1882); dann in: Stambul, 170-347). Die Handlung beschreibt den Verlust von Freunden, die bei Überfällen ums Leben kommen (Mohammed Emin; später die persische Karawane Hassan Ardschir Mirzas), und später eine schwere Pest-Erkrankung des Ich-Erzählers und Halefs.

12 Die Aussage, seine Werke seien nicht Abenteuererzählungen, sondern "Predigten an die Völker", durchzieht in den neunziger Jahren in verschiedenen Formulierungen Mays Texte. Im "Surehand III" erklärt er sich als "Prediger der ewigen Liebe" (Surehand III, 308); mit dieser Predigerpose knüpft er an seine in der Tradition der deutschen Spätaufklärung konzipierten betrachtend-belehrenden "Geographischen Predigten" an (in der Marienkalendergeschichte "Maria oder Fatimall (Eichsfelder Marienkalender 1894) tritt der Ich-Erzähler sogar direkt als Prediger auf).

13 In der "Turm zu Babel"-Handlung übernimmt Osman Pascha die Exekution des Säfir; um den Ich-Erzähler moralisch zu entlasten, erfährt dieser erst im Nachhinein davon.

14 Zur Kritik vgl. C.Roxin, JbKMG 1974, 59 f. - Strukturell lassen sich drei Formen dieser Gottesgerichte unterscheiden:

1)die (seltenere) Form mit schwerem Strafcharakter, aber gutem Ausgang vertritt beispielsweise "Christ ist erstanden" (Benzigers Marienkalender 1894; nicht in die Fehsenfeldausgabe aufgenommen; Reprint in "Christus oder Muhammed11, S.149-159), wo der Bankierssohn Riberto (ein


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'verlorener Sohn') "viele Stunden lang" in einem Wasserloch steht,was ihn zur Einsicht und zum Schuldbekenntnis gegenüber dem Vater bringt, der ihm verzeiht (ähnlich wie es Hiller in "Weihnacht!" geht).

2) Old Wabble erfährt zwar ein schlimmes Ende, aber er bereut vor seinem Tod und findet Versöhnung mit seinen schon früher gestorbenen Eltern: "Ein verlorener Sohn kehrt jetzt zurück ins Vaterhaus." (Old Surehand, 498)

3) Er bildet damit den Gegensatz zu den Negativfiguren, die ein schlimmes und unbußfertiges Ende finden.

15 Die sich selbst erfüllenden Vorhersagen häufen sich besonders in den Werken der Jahre 1895-1897. Die Gratwanderung der Old-Shatterhand-Legende mit der ständig gegenwärtigen Furcht vor Entlarvung setzte in Mays Psyche Angstpotentiale frei, die er immer weniger "in den Handlungsrahmen seiner Reiseerzählungen zu integrieren" vermag (Roxin, wie Anm.14,60). Der steuernde Erzähler erklärt sich selbst zum Vollzugsorgan höherer Mächte.

16 Eine ganz ähnliche Aporie zeigt sich beispielsweise in "Der Ölprinz": dort ist es Ka-Maku, Häuptling der Pueblo-Indianer, der die Drohungen Old Shatterhands und Winnetous nicht ernst nimmt. "Er kannte die Humanität seiner Sieger und glaubte nicht, daß sie ihre Drohungen wahr machen würden", so daß er auf die Frage, was ihm wohl bevorstehe, nur mit "Nichts!" antwortet ("Ölprinz", 7.Kap. "Die Befreiung"). - Auch in "Der schwarze Mustang werden die beiden Schuldigen, der Häuptling und sein Enkel Ik Senanda, von Old Shatterhand nach einer Prügelstrafe in die Freiheit entlassen; bezeichnenderweise änderten die Bearbeiter der Radebeuler Ausgabe diesen Schluß, "indem der eine aufgehängt und der andere zu Tode gestürzt wird" (Frigge, 1984, S.181; vgl. auch R.Tschapke in KMHb, 360).

17 Ähnlich: "Aber es gibt hier einen Westmann, der nicht noch monatelang mit Euch herumreiten will, um bald den einen, bald den andern von Euch aus den Händen der Indianer zu holen."(SL I, 259).(Es spricht Old Shatterhand).

18 Ilmer, Einführung in KMG-R "Silberlöwe", S.4.

19 Der Text muß im Lauf des Jahres 1897 entstanden sein; die Tatsache, daß der "Deutsche Hausschatz" den Abdruck erst mit der Nr.7 des XXIV.Jahrgangs begann, legt den Schluß nahe, daß May sein Manuskript nicht rechtzeitig fertiggestellt hatte. Im Mai und Juli 1897 hatte Heinrich Keiter noch einmal dringend um Manuskript ersucht, so daß May bis Ende September dann offenbar noch eine größere Teilsendung schickte. Erst nachdem er "Weihnacht!" für Fehsenfeld geschrieben hatte, vollendete er von Anfang bis spätestens Juni 1898 den "Turm zu Babel", der weit umfangreicher wurde als von der Redaktion eingeplant, so daß der


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"Deutsche Hausschatz" zu den Heften 16 bis 18 (ein Heft bestand aus drei Nummern) "je eine besondere Beilage von 8 Seiten" liefern mußte, um den Roman im laufenden Jahrgang abzuschließen. Diese Ankündigung erfolgte in Nr.46, deren Redaktionsschluß Anfang Juli lag, was bedeutet, daß zu diesem Zeitpunkt spätestens Mays Manuskript vollständig in Regensburg vorlag (vgl. F-R KMV "Jenseits" (XXV), N 33 - N 38).

20 Der Erzähleinsatz erweist sich deutlich als erprobende Montage von Versatzstücken, offenbar, weil May noch über kein zielstrebig zu verwirklichendes Handlungskonzept verfügte. Nach R.Schmids Berechnungen waren die Erzählansätze des Orientteils (SL I, 267-279) die Schlußseiten der allerersten Manuskriptlieferung Mays, geschrieben und an Pustet geschickt zusammen mit der "Dschafar"-Episode, spätestens bis 30.10.1893, was auch die Parallelen zu 1892/93 geschriebenen bzw. bearbeiteten Werken erklärt (s.unten Anm.22). Die erste Teillieferung nach der mehrjährigen Pause, im Frühjahr 1897, reichte wohl bis zur Seite 451 der Buchausgabe, d.h. bis zur, wie May in einer Notiz festhielt, "Krümmung hinter Jehultijeh" (F-R KMV "Jenseits" (XXV), N 33 - 37). Erst der folgende Manuskripttteil (Sept. 1897) lieferte mit Dozorcas Binnenerzählung einen tragfähigen Aktionsrahmen.

21 Silberlöwe I, S.268 f.; die Reminiszenz bezieht sich auf "Die Todes-Karavane" (wie Anm.11).

22 Ein ganz ähnlicher Brief bildete den Abschluß von "Giölgeda padishanün" im "Deutschen Hausschatz" (Schut, 533-535); diesen Brief wiederholte May noch einmal wörtlich zu Beginn der Marienkalender-Geschichte "Blutrache" (RMK 1895 = Pfade, 259-320; 1893 geschrieben). - Ein Notizblatt Mays (1893) zur Handlung des "Silberlöwen" entwirft nach der "Einleitung" (Dschafar-Episode) im "Cap.l. Am Euphrat" den Reiseverlauf: von Basra "per Schiff nach Abu Schehr in Persien (...) und dann nach Schiras." Außer der Angabe der vorgesehenen Route nach Persien enthalten die Notizen ein Handlungselement und vier Personenangaben:

"Abd el Kadey (von May gestr.) Kahir, der berühmte Scheik der Muntefikaraber/Allan Forster. Kam von Bombay. Sein Vater = Richard. / Neuer Raubmord gestern./ Der alte Mebruk (Heilige)."

Die Personen verweisen auf verschiedene Werke: auf den Orientroman ("Der alte Mebruk", vgl. unten Anm.27), auf die Teilerzählung "Ein Pfahlmann" in "Die Rose von Kairwan" (1894 erschienen) und auf die Marienkalendergeschichte "Blutrache". Alle drei Texte bearbeitete bzw. schrieb May 1892/93. Interessant sind diese Notizen insoweit, als sie Auskunft über Mays Arbeitsweise beim Entwurf eines neuen Werks geben. Durch die Namen werden bestimmte Aktionsmöglichkeiten evoziert, die sich um den Handlungskern "Raubmord" gruppieren.


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Dieser Kern wird ergänzt durch zwei sich kreuzende geographische Bewegungen: von Südwesten nach Norden (die Forsters von Bombay) und von Nordosten nach Südwesten (Kara ben Nemsis Weg nach Persien). Die Grundstruktur liefert "Blutrache": auch dort steht ein Raubmord am Beginn der Handlung (deshalb "neuer" Raubmord).

23 Eine Verkennungsszene findet sich beispielsweise ähnlich in "Winnetou III", zu Beginn von "Old Surehand I" und in der "Dschafar"-Episode.

24 Eicke, KMJb 1930; Ilmer, wie Anm.19.

25 Im einzelnen wiederholen Kara ben Nemsi und Halef folgende Elemente der Erzählung des Polen:

- Die Sillan als Schmugglerbund und als Gegner, Safran als Schmuggelgut (SL I, 564), Aftab und Safi als Namen der Sillan (1, 569 f.), der Plan vom Birs Nimrud und die Keilschriftinschriften als 'Schlüssel' (1, 572, 591).

- Der Gang der Stachelschweine, der in das unterirdische Gefängnis führt; in diesem Gefängnis werden sowohl Dozorca wie auch Kara ben Nemsi inhaftiert, wobei beide das unterirdische Warenlager im Birs Nimrud kennenlernen.

- Die Figur der "Gul-i-Schiraz" bildet den Ausgangspunkt für Dozorcas Bericht; Kara ben Nemsi begegnet dem Namen wieder bei den Sillan, insbesondere in der Aussage des Säfir (II, 324 ff.) und auf dem Doppelporträt, das sich unter den Schätzen im Birs Nimrud findet (II, 384 ff.).

- Die Beduinen spielen in beiden Geschichten eine Rolle als Helfer der Schmuggler.

Aufgrund von Dozorcas Beschreibung erkennt Kara ben Nemsi den Säfir vor Gericht sofort wieder.

26 Zur ähnlich angewandten Montage in "Mutterliebe" vgl. D.Sudhoff, JbKMG 1985, 221-233 ("zusammengefügt aus altvertrauten und publikumswirksamen Motiven der frühen Reiseerzählungen").

27 Die Parallelen zu Band V ("Skipetaren") gehen über die Übereinstimmung der Grundsituation hinaus: ähnlich wie damals der Richter einen 'Einflüsterer' in der Gestalt des alten Mübarek hatte, der auf die Verurteilung der beiden Angeklagten Kara ben Nemsi und Halef hinarbeitete, tritt in Hilleh der Säfir als Ankläger auf und fordert den Richter auf, scharf vorzugehen. In den Notizen Mays zum "Silberlöwen" taucht eine Figur auf, der möglicherweise eine ähnliche Funktion zugedacht war wie dem alten Mübarek: "Neuer Raubmord gestern. Der alte Mebruk (Heilige)." Die Namensform ist identisch; auch dieser "Heilige" sollte offenbar in einen Gerichtszusammenhang gestellt werden.


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28 Die Beschreibung von Bagdad und Babylon im "Silberlöwen" entspricht weitgehend dem Text in "Stambul", 300-303/ 313-318; die Beschreibung Basras der in "Blutrache" (wie Anm.34).

29 Ilmer, wie Anm.18, S.6; Eicke, KMJb 1930, S.84.

30 J. Kalka, KMHb, 287.

31 Die Klärung von Lebensfragen der Figuren in 'Nachtgesprächen' mit dem Ich-Erzähler erfolgt nicht zufällig; die zeitliche Parallele zu Mays eigener, nächtlicher Schreibsituation macht den persönlichen Bezug und den Charakter der Gespräche als Selbstverständigung deutlich und weist zugleich voraus auf die weitaus gewichtigeren Nachtgespräche des Spätwerks.

32 Wassermetaphern spielen später vor allem in "Ardistan und Dschinnistan" eine bewußt gesetzte Rolle.

33 Art und Umfang der Korrekturen sind typisch für Mays Überarbeitung älterer Texte in dieser Zeit, wenn er sie in die Fehsenfeld-Ausgabe übernahm. Nur selten ging er dabei über die Anpassung äußerer Daten hinaus. Hier strich er in der Buchausgabe alle Hinweise auf Hitze und fügte stattdessen an vier Stellen Passagen über drohende Kälte zur Nachtzeit ein, da Kara ben Nemsi im "Vorfrühlinge" (Silberlöwe I, S.278; Deutscher Hausschatz, S.115 f. dagegen: "Frühlinge") bei Halef eintrifft, während "Scheba et Thar" in der ursprünglichen Fassung im Sommer spielte.

Die Änderungen konzentrieren sich auf drei Seiten der "Silberlöwen"-Ausgabe:

* eingefügtes Wort [] gestrichener Text

SL I, 326:

und es gab [in dieser Jahreszeit am Tage eine solche Sonnenglut,daß wir die fünfte Nacht unseres Heimrittes zur Reise benutzten und lieber am nächsten Tage im Wadi Achdar schlafen wollten, wo es Wasser und auch Schatten gab;] Wasser in den zwei dortigen Brunnen [...](=Regensburger Marienkalender, Sp.170)

SL I, ebd.:

daß dort Löwen gesehen worden seien.
(Fassung Marienkalender)
daß dort Löwen gesehen worden seien, ob auch im Winter und Frühjahr wußten wir nicht.
(Fassung Buchausgabe)

SL I, 327:

Ich war sehr müde, schlief *ein [aber wegen der Hitze, die selbst im Schatten bedeutend war, so unruhig, daß ich es hörte, als nach zwei Stunden Halef seinen Sohn leise weckte. Dann] *und fiel [ich] in Träume.

SL I, 350, 2.Absatz bis 351, Ende 1.Absatz:

längere Bemerkung über die Nachtkälte in Arabien neu eingefügt (etwa eine Seite). Dafür in der Buchausgabe der Satz gestrichen (Regensburger Marienkalender, Sp.182): "Sie <Halef und Kara ben Halef> besaßen gute europäische Gewehre, die ich ihnen besorgt hatte."


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34 Wollschläger, JbKMG 1974, 158 f. - Die entscheidenden Stichworte im "Silberlöwen"-Zitat sind "alt", "Beutel", "die Stickerei, deren Gold bis zu mir herüberflimmerte", als Streitobjekt, "Wettern und Fluchen". Hans Wollschlägers Feststellung über den Ghani in "Am Jenseits" gilt auch für den Säfir und den Scheik der Ghasai im "Silberlöwen": "[...] seine Züge, nicht nur 'einmal gesehen', waren für May so gegenwärtig und bestimmt, daß die Pflicht des Erzählers darüber vergessen werden konnte", d.h. eine nähere Beschreibung fehlt, weil es sich um das Bild des Vaters handelt.

35 wie Anm.2 und Anm.14.

36 Die Beschreibung arbeitet vor allem mit Tierassoziatio nen: "seine kleinen, tückischen Augen lagen tief in ihren Höhlen; weit wie ein Geierschnabei stand seine Nase vor, während sein zahnloser Mund desto mehr zurückwich" (RMK 1898, Sp.174 = SL I, 334).

37 Zwischen "Mutterliebe" und "Ein Rätsel" bestehen v.a. folgende Parallelen:

- Eine Mutter bricht auf, um ihr(e) Kind(er) zu suchen.

- In beiden Fällen muß eine Giftwunde geheilt werden.

- Während die Illustrationen zu "Mutterliebe" deutlich in der Darstellung Old Shatterhands den Kostümfotos Mays nachgestaltet sind, werden in "Ein Räthsel" im Text Elemente dieser Fotos hervorgehoben (SL II, 501).

Vgl. zu "Mutterliebe" die Interpretation von D.Sudhoff, JbKMG 1985, 218-262; zur Gesprächsführung in dieser Erzählung Ingmar Winter, JbKMG 1987, 47-68.

38 Zur Reisebewegung vgl. R.Schmid, F-R KMV "Jenseits", N 43 f.

39 Die Textsignale bezüglich des Geschlechts sind widersprüchlich (SL II, 489 f.), wobei sich die Zweideutigkeit auch in den Varianten zeigt; vgl. etwa SL II, 511, wo die Druckausgabe "ihn" setzt, während im Manuskript "sie" steht (ähnlich 512).

Zur Androgynität bei May (bezogen v.a. auf die "Winnetou"-Trilogie) vgl. Bossinade, JbKMG 1986, 241-267.

40 Die den Söhnen der Nezaneh angedrohte Todesart verbindet die Motive "Feuer(Weihnachten)-Lichter", die bei May einen zentralen traumatischen Komplex bilden: "Ihr Tod wird ein schrecklicher sein; denn die Babis pflegt man auf die Weise zu töten, daß man ihnen Löcher in den Leib schneidet, in welche brennende Lichter gesteckt werden. Oh Emir, wüßtest Du, was eine Mutter dabei fühlt!"(RMK 1899, Sp.191 = KMG-R "Christus", 131). Zu "Wasser-Feuer" bzw. "Weihnachten-Lichter" vgl. Wollschläger, JbKMG 1972/73, 35 ff.; Lowsky, JbKMG 1978, 111-141; Vinzenz: Feuer und Wasser (Sonderheft KMG Nr.26 (1980)).


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41 Ilmer, wie Anm. 18, S.2.

42 Ebd.

43 Ebd.

44 Der Sohn Dozorcas heißt "lkbal"(=Glück), die Tochter "Sefa"(=Wonne), seine Frau "Aelmas"(=Diamant"). Auffallenderweise paßt der Schwiegervater, nach dessen Namen Kara ben Nemsi "ohne eigentlichen Grund" fragt, nicht in diese Reihe: "Er nannte sich Mirza Sibil oder auch Agha Sibil" ("Sibil" = Schnurrbart: "Er hatte wirklich einen so starken Schnurrbart, wie ich keinen zweiten gesehen habe.") (SL I, 548 f.).

45 Möglicherweise sollte auch, obwohl dazu im Text explizite Hinweise fehlen, die Herkunft von Halefs stammbaumlosem Hengst "Barkh" in der Fortsetzung aufgeklärt werden.

46 Wollschläger, JbKMG 1979, 120.


Karl Mays Werk 1895-1905

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