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I. Einleitung

1. Zur Forschungssituation

Karl May und sein Werk sind seit annähernd 100 Jahren ein unübersehbarer Bestandteil der deutschen Geistesgeschichte. Die Verbreitung seiner Romane und die zumindest rudimentäre Präsenz seiner Figuren im Bewußtsein der allermeisten Deutschen übertreffen mutmaßlich (vielleicht von Goethes 'Faust'-Figur abgesehen) die Wirkung jedes anderen Autors. In den letzten Jahren ist sein Werk in erstaunlichem Maße in den Mittelpunkt wissenschaftlicher Betrachtung gerückt. Diese Tatsache hebt ihn ebenso wie der anhaltende Dauererfolg seines Oeuvre aus der kaum überschaubaren, heute jedoch weitgehend vergessenen Fülle der Abenteuer- bzw. Jugendliteratur des 19.Jahrhunderts heraus. Nicht nur May selbst und sein Werk, sondern auch sein biographisches und literarisches Umfeld, seine Quellen und seine Wirkungsgeschichte werden in einer Weise erforscht, wie es bei kaum einem anderen, von der historischen Erscheinung her ähnlich einzuordnenden Autor (etwa Gerstäcker oder Möllhausen) geschieht. Die in den letzten Jahren sich häufenden Untersuchungen zum Abenteuer- und Kolportageroman des 19.Jahrhunderts nehmen regelmäßig ihren Ausgangspunkt bei May und verwenden ihn als trigonometrischen Punkt, um von ihm aus das wenig erforschte Terrain zu vermessen(1).


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Dabei entwickelte sich die wissenschaftliche Interpretation und Darstellung des Mayschen Werks im wesentlichen auf drei Ebenen.

Erster Ausgangspunkt war das "Massenphänomen Karl May"(2), d.h. die Frage nach den Gründen für die Wirkung seiner in riesigen Auflagen verbreiteten Erzählungen, also, etwas vereinfacht gesagt, das Bemühen, hinter "das Geheimnis seines Erfolgs"(3) zu kommen. Die bedeutendste Untersuchung zu diesem Thema ist sicher Helmut Schmiedts Dissertation "Karl May. Studien zu Leben, Werk und Wirkung eines Erfolgsschriftstellers"(4). In ihr werden nach einem biographischen und werkgeschichtlichen Überblick die wesentlichen ideologischen und wirkungsästhetischen Momente der May-Texte ebenso präzis analysiert wie die im engeren Sinn literarischen Mittel. Dabei geht Schmiedt - wie die meisten Interpreten Mays - von einer überwiegend synchronen Werksicht aus(5): die Reiseerzählungen, d.h. das Corpus der im Verlag Fehsenfeld in Buchform erschienenen Texte, sowie die in der Jugendzeitschrift "Der gute Kamerad" (bzw. in Buchausgaben beim Union-Verlag) veröffentlichten Jugenderzählungen werden als einheitliches Werk betrachtet, in dem sich die immer gleichen Darstellungsweisen und Handlungsformen verwirklichen. Diese Ubersicht ist ertragreich und arbeitet wesentliche Grundlinien von Mays "Leben und Streben"(6) treffend heraus. Allerdings zerfällt aus dieser Sicht Mays Werk in zwei inkohärente, scharf voneinander getrennte Bereiche: der geschlossenen


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Gruppe "der berühmten Abenteuerwerke" steht das "Spätwerk" mit den nach 1900 entstandenen Werken gegenüber(7). Beide sind durch eine tiefe Kluft voneinander getrennt: während May nach Schmiedts Meinung wenigstens in seinen späten Werken "die Bedingungen seines Schreibens [...] zumindest andeuten konnte"(8), war der Schreibvorgang in den Jahren der "Abfassung der Abenteuerromane [...] für ihn noch ein weitgehend unreflektiertes Hilfsmittel gegenüber den Demütigungen", die aus seiner Biographie resultierten und die die Umwelt ihm zumutete(9). Diese Sicht unterstreicht die These von der Einheit des vor 1900 entstandenen Werks; sie beruft sich auf Mays Art des Schreibens:

May schrieb beinahe wie im Trancezustand; seine Einfälle brachte er sofort zu Papier, ohne sie später einer Zensur durch die zur rationalen Kalkulation fähigen Instanzen seines Ich oder einer Korrektur nach ästhetischen Gesichtspunkten zu unterziehen.(10)

Damit erscheint die "Wiederkehr immergleicher Motive und Formen"(11) zureichend erklärt; eine Untersuchung der Entwicklung des Werks erübrigt sich, weil es keine derartige Entwicklung gibt. Andererseits attestiert Schmiedt dem Werk Mays "in seinen de facto quantitativ beschränkten Motiven und Bildern [...] eine Fülle komplexer Beziehungen"(12), die alledings "ganz gegen den Willen des Autors", "quasi bewußtlos"(13) sich verwirkliche: "[...] dies alles ist keine Komplexität, die als Erfolg im Sinne der gelungenen intellektuellen Leistung zu analysieren wäre."(14) Abgesehen von der Frage, ob künstlerisches Gelingen und intellektuelle Leistung sich tatsächlich gegenseitig stets


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bedingen, kann sich diese Auffassung immerhin doch auf das Wort des Autors selbst stützen:

Es gibt [...] in meinen Werken keine einzige Gestalt, die ich künstlerisch durchgeführt und vollendet hatte, selbst Winnetou und Hadschi Halef Omar nicht, über die ich doch am meisten geschrieben habe. Ich bin ja mit mir selbst noch nicht fertig, bin ein Werdender. Es ist in mir noch Alles in Vorwärtsbewegung, und alle meine inneren Gestalten, alle meine Sujets bewegen sich mit mir. (L & Str, 229)

Andererseits behauptet May in seiner Autobiographie, aus der diese Zeilen stammen, unmißverständlich, sein Werk habe sich nach einem festen, bereits in seiner Gefängniszeit nicht nur ausgedachten, sondern sogar in einer "Art von Buchhaltung" festgehaltenen Plan entwickelt:

Ich stellte sogar ein Verzeichnis über die Titel und den Inhalt aller Reiseerzählungen auf, die ich bringen wollte. Ich bin zwar dann nicht genau nach diesem Verzeichnisse gegangen, aber es hat mir doch viel genützt, und ich zehre noch heut von Sujets, die schon damals in mir entstanden. (L & Str, 152)

Diese Hinweise des Autors, von ihm nach 1900 immer wieder vehement vorgetragen, wurden und werden von der Forschung bisher fast stets als bloße Schutzbehauptungen abgetan(15), mit denen sich der wegen seiner Kolportageromane damals heftig umstrittene May ein Alibi für sein Werk durch den Anschein literarischer Ernsthaftigkeit zu geben suchte. Das nicht zuletzt optisch vermittelte Leitbild eines monolithischen, in den einheitlichen 'grünen Bänden' der Freiburger/Radebeuler/Bamberger Ausgabe repräsentierten Oeuvres steht zudem diametral zu dieser Selbstdeutung des Autors und scheint sie schon allein durch die bloße Reihen-Existenz zu widerlegen. In Wirklichkeit ist diese Chimäre eines homogenen, in sich widerspruchslosen und stimmig verfaßten


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Werks, der selbst um Differenzierung bemühte Autoren wie Helmut Schmiedt nicht stets entgehen, ein Ergebnis jahrzehntelanger, intensiver Arbeit an den Texten. Zwar ist es müßig, den Streit um die Bearbeitungspraxis des Karl-MayVerlags noch einmal aufzugreifen(16), aber die Forschungsgeschichte von Mays Werk bis hin zu den späten siebziger Jahren steht derart im Bann der Ergebnisse dieser Praxis, daß eine diachrone Betrachtung des Mayschen Oeuvres erstaunlicherweise noch kaum versucht wurde(16a).


Schroff geschieden von dieser Untersuchung der Abenteuer-Erzählungen etablierte sich ein zweiter Schwerpunkt der May-Interpretation: ausgehend von Arno Schmidts Funk-Essays in den fünfziger Jahren, die im Spätwerk den "neuen Großmystiker" entdeckten(17), und von Hans Wollschlägers Arbeiten zu diesen nach 1900 entstandenen Texten setzt sich diese Richtung die Erforschung und Deutung der letzten Romane und Erzählungen zum Ziel, bis hin zu der extremen Forderung an die 1969 gegründete Karl-May-Gesellschaft, sich ausschließlich die Erforschung des Spätwerks zur Aufgabe zu machen(18). Dabei wurden - vor allem durch die Mitglieder der genannten Gesellschaft - die Ermittlung und die Sicherung der biographischen und textgeschichtlichen Daten für die Zeit nach der Jahrhundertwende weit vorangetrieben(19); auch zur Deutung dieses Werkbereichs erschienen wesentliche Einzelinterpretationen, die in unterschiedlichem Ausmaß zur Erhellung des Phänomens beitrugen(20).


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Eine dritte Richtung der May-Forschung, in den letzten Jahren vor allem innerhalb der Karl-May-Gesellschaft zu großer Blüte gelangt, geht aus von der Annahme, Mays Erzählungen stellten in erster Linie eine um der kathartischen Wirkung willen verfaßte Aufarbeitung biographischer Widerfahrnisse des Autors dar. Die Texte werden deshalb nach "biographischen Spiegelungen" durchforscht; Mays Produktion entstamme nicht einem - wie auch immer unzureichenden - literarischen Streben, sondern

im Tiefsten einem nicht enden wollenden, nicht enden dürfenden, geradezu manischen seelischen Drang und Zwang, die eigene Geschichte, den Grundkonflikt seines Lebens im Schreiben zu fixieren, um sich dadurch von der belastenden Schuld zu befreien.(21)

Das Zitat zeigt nicht nur exemplarisch den Wortreichtum dieser Interpretationsrichtung, sondern auch, wie sich hier Prämisse und Ergebnis verschränken: der Interpret findet das wieder, was er als Voraussetzung seiner Suche gesetzt hat:

Bei aller heilsamen Wirkung der Phantasie, bei allen fiktiven Leidenswegen Mays - auszulöschen war die Vergangenheit nicht, niemals; es war geschehen, unabänderlich. Für May war diese bedrückende, leidvolle Erkenntnis gleichzeitig die Bedingung, die Antriebskraft, in ewiger Ruhelosigkeit seine unheilige Geschichte literarisch zu vergegenwärtigen, in immer neuen Bildern befreiende Distanz vom Eigentlichen zu gewinnen. (22)

Mays gesamtes Werk verschwimmt hier zu einer endlosen Wiederkehr des Immergleichen; alle Werke sind Ausdruck derselben psychischen Konflikte und damit nur in geringem Maße durch eine individuelle Faktur geprägt. Trotz all der beachtlichen Arbeiten der letzten Jahre und eines zunehmenden Stroms an Primärpublikationen (Werkreprints, Editionen von Briefen und Selbstzeugnissen Mays


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sowie von Materialien aus seiner biographischen und literarischen Umgebung(23) sind wesentliche Bereiche des Lebens ebenso wie der Werksgeschichte noch unzureichend erhellt. Das gilt für große Abschnitte der Biographie: während die Frühjahre, insbesondere Mays Kindheit, seine Zeit am Lehrerseminar und seine Haftzeiten aufgrund der - auch methodisch - vorbildlichen Analysen Hainer Plauls gut erschlossen sind, ist beispielsweise über Mays persönliche Existenz in den Jahren von 1880 bis etwa Anfang (oder auch Mitte) der neunziger Jahre nur wenig mehr bekannt als die häufig wechselnden Anschriften. Auch die Erschließung von Material zu Mays späten Jahren ist noch in vollem Gange; zwar wurden in den letzten Jahren von der Karl-May-Gesellschaft zahlreiche Zeugnisse der Auseinandersetzungen, in die May nach 1900 verwickelt war, vorgelegt, aber wichtige Quellen wie etwa der Briefwechsel mit dem Verleger Fehsenfeld oder auch Klara Mays Tagebuch, das offenbar entscheidende Auskünfte über die künstlerischen Einflüsse der letzten Lebensjahre liefern könnte, sind nur in Ausschnitten veröffentlicht.(24)

Auch die bibliographische und entstehungsgeschichtliche Aufarbeitung des Werks ist noch nicht abgeschlossen: eine seit Jahren geplante (und für die nächste Zeit angekündigte) Bibliographie der zu Mays Lebzeiten erschienenen Texte fehlt ebenso wie eine umfassende Darstellung der Beziehungen Mays zu den Verlagen Spemann, Pustet und Fehsenfeld, um nur die Verlage zu nennen, die nach 1887 den Großteil seiner Werke veröffentlichten(25).


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Aufgrund von Differenzen zwischen der Karl-May-Gesellschaft und dem Karl-May-Verlag, der den Nachlaß Karl Mays besitzt und als "Karl-May-Archiv" verwaltet, stagnierte die Auswertung des in Bamberg erhaltenen Materials, von mehreren Reprintdrucken abgesehen(26), im vergangenen Jahrzehnt weitgehend. Erst seit etwa 1980 hat sich hier eine erfreuliche Annäherung vollzogen, so daß in den letzten Jahren der Karl-May-Verlag zunehmend nicht nur selbst editorisch hervortritt, etwa durch die wichtige Reprint-Ausgabe der im Verlag Fehsenfeld erschienenen "Gesammelten Reiseerzählungen"(27), oder durch die Herausgabe der Prozeßschriften Karl Mays(28), sondern daß er auch der Karl-May-Gesellschaft für ihre Jahrbücher immer wieder Materialien aus dem Nachlaß zur Verfügung stellt. (29)

Im Jubiläumsjahr 1987 häuften sich die May-Publikationen;(30) schon allein die Verlagsnamen signalisierten dabei die endgültige Aufnahme des Autors in das germanistische Pantheon. In der "Sammlung Metzler" erschien Martin Lowskys klug und kenntnisreich die bisherige Forschung referierende und wertende Überblicksdarstellung, während das von Gert Ueding in Zusammenarbeit mit Reinhard Tschapke edierte "Karl-May-Handbuch" des Kröner-Verlags seinen Gegenstand in eine Reihe mit (beispielsweise) Shakespeare und Kafka einordnet. Es beabsichtigt einen umfassenden Zugriff auf Leben, Werk und Wirkung, ohne allerdings den Anspruch zu erheben, neue, über den bisherigen Forschungsstand hinausreichende Einsichten zu

vermitteln. Der Akzent liegt dabei auf den Werken vor 1900, die äußerst detailreich und mit akribischer Vollzähligkeit


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vorgestellt werden; die Artikel über die späten Romane dagegen werden ihrem Gegenstand nicht immer in zureichendem Maße gerecht.

Neben dem von Axel Eggebrecht herausgegebenen bunten, sowohl durch die Autoren selbst wie auch durch ihre Beiträge verblüffenden Fischer-Taschenbuch ist schließlich noch ein Sonderband der Reihe "text + kritik" zu nennen, der insbesondere zu den frühen Werken wesentlich neue Erkenntnisse bietet, aber auch zur Kontinuität von Mays Werk wichtige Einsichten vermittelt.

Das zweifellos ehrgeizigste Projekt der letzten Jahre, die von Hermann Wiedenroth und Hans Wollschläger verantwortete und bereits entscheidend vorangetriebene "Historisch-kritische Ausgabe" aller von May stammenden Texte, erregte nicht nur großes Aufsehen in der literarischen Öffentlichkeit, sondern entwickelte sich inzwischen zu einem stetig voranschreitenden, vom Verlag her offenbar solide gesicherten Unternehmen, bei dem allerdings die eigentlichen Problemkomplexe, nämlich die Edition des Spätwerks und der biographischen Zeugnisse, bisher noch ausgeklammert blieben. Das abschließende Kapitel der vorliegenden Arbeit wird auf die Schwierigkeiten einer derartigen Ausgabe noch näher eingehen; die bis jetzt erschienenen Bände bieten sorgfältig erarbeitete Textausgaben von Romanen, deren Manuskripte nicht erhalten sind, so daß eine im strengen Sinn historisch-kritische Edition als Dokumentation der Textgenese hier nur rudimentär möglich ist, da die in den editorischen Berichten nachgewiesenen Varianten der Druckfassungen in der Regel nicht auf May zurückgehen.


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2. Zur vorliegenden Arbeit

Angesichts des einleitend skizzierten Horizonts, insbesondere des scharf geschiedenen Dualismus zweier Werk- und Forschungsbereiche - Abenteuererzählung vs. Spätwerk soll die folgende Arbeit den Knotenpunkt dieser beiden -scheinbar gegensätzlichen - Komplexe näher untersuchen und damit die Frage aufgreifen, ob und inwieweit Mays These von der folgerichtigen und planmäßigen Entwicklung seines Oeuvre berechtigt ist. Mays Texte sollen nicht als erratische Einheit, sondern als "work in progress" verstanden werden; damit stellt sich die Frage, ob dem Wandel um 1900 tatsächlich ein "Bruch im Bau" (31) zugrundeliegt, der Ursache dafür ist, daß Mays Werk in zwei disparate Abteilungen zerfällt.

Ausgangspunkt ist dabei die schlichte Forderung Harald Frickes, "das klassische literaturwissenschaftliche Verfahren" einzusetzen, "für dessen Anwendung auf Karl May noch ein beträchtlicher Nachholbedarf besteht: erst einmal den Text genau zu lesen"(32). Die germanistische Auseinandersetzung mit Mays Werk war und ist in einer nicht geringen Zahl von Fällen auf erstaunliche Weise dadurch gekennzeichnet, daß beim Umgang mit diesem Autor elementare Regeln der Literaturwissenschaft außer Kraft treten: das beginnt damit, daß Texte zugrundegelegt werden, die nur noch teilweise den vom Verfasser autorisierten Wortlaut wiedergeben (33), setzt sich fort in der Verwendung von Zitaten aus dritter und vierter Hand und mündet schließlich in


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einem Verfahren, das unter dem Vorsatz, den Autor ideologiekritisch unter die Lupe zu nehmen, ihn dadurch denunziert, daß apologetische Aussagen aus der nach seinem Tod entstandenen Sekundärliteratur gleichgesetzt werden mit seiner eigenen Meinung. (34)

Im Mittelpunkt der folgenden Untersuchung stehen Mays epische Texte um 1900: die Analyse ihrer Erzählstrukturen soll ergänzt werden durch eine Prüfung erhaltener Manuskripte sowie durch die Auswertung von Mays eigenen Äußerungen zu seinem Werk. Der Schwerpunkt der Darstellung ist dabei durch das Jahrzehnt um die Jahrhundertwende begrenzt, wobei die Jahre 1895 und 1905 nicht rein schematisch ausgewählt wurden, sondern sich jeweils durch Besonderheiten innerhalb der Geschichte von Mays Oeuvre herausheben.

Um die Jahreswende 1895/96 kaufte May nicht nur seine "Villa Shatterhand" (35) in Radebeul, äußeres Zeichen seines gelungenen Aufstiegs ins arrivierte Bürgertum, sondern er schrieb auch seine letzte Jugenderzählung, "Der schwarze Mustang", für den Verlag Spemann, zu dem er anschließend die seit 1887 bestehende Verbindung weitgehend abbrach (36). Außer dieser Erzählung und einigen kürzeren Kalendergeschichten (37) verfaßte er in diesem Jahr weder eine Reiseerzählung für den "Deutschen Hausschatz" (38) noch setzte er für den Verlag Fehsenfeld seinen Roman "Old Surehand" fort, von dem erst zwei Bände als Torso erschienen waren. 1895 erfolgte mutmaßlich (39) auch die große Auseinandersetzung mit Heinrich Keiter, dem Redakteur des "Deutschen Hausschatz", der eigenmächtig in Mays "Krüger Bei"


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umfangreiche Kürzungen vorgenommen hatte. Der Streit ist ein deutliches Indiz dafür, daß May zu dieser Zeit ein neues schriftstellerisches Bewußtsein entwickelte. Andererseits vollzog sich im Lauf dieses Jahres 1895 die weitgehende Verwandlung des Autors in seine eigene Romanfigur "Old Shatterhand resp. Kara ben Nemsi"(40) ausgedrückt in dem in Großbuchstaben angebrachten Namen der Villa ebenso wie in über 100 Kostümfotos und in der Änderung der Gattungsbezeichnung der bei Fehsenfeld erscheinenden Werke im folgenden Jahr 1896: aus dem die Annahme fiktionaler Erzähltexte nahelegenden Begriff "Reiseromane" wurde der neutrale Terminus "Reiseerzählungen", wobei schon vom ersten Band an für das einzelne Werk auch die Bezeichnung "Reiseerlebnisse" verwendet worden war.(41)

Noch weitaus deutlicher als das Jahr 1895 bildet 1905 einen Einschnitt in der Werksgeschichte. Im Vorjahr 1904 hatte May seinen ersten nach der Orientreise entstandenen Roman, "Et in terra pax", für die Fehsenfeld-Ausgabe eingehend überarbeitet und in einer auch optisch von den bisherigen Bänden abgehobenen Aufmachung, mit einem Titelbild des symbolistischen Malers Sascha Schneider, erscheinen lassen. Nun wandte er sich einer völlig neuen Gattung zu: sein Vorsatz, "etwas Künstlerisches schreiben [zu] wollen" (L & Str, 229), sollte sich in einem Drama verwirklichen, an dem er das Jahr 1905 über und auch noch in der ersten Jahreshälfte 1906 mit großer Intensität arbeitete. Erstmals verwarf er die gesamte Erstfassung eines seiner Werke; er überarbeitete den Text mehrfach


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und erhoffte sich von dieser - ihm ungewohnten - Mühe die endgültige künstlerische Anerkennung durch die literarische Öffentlichkeit(42).

Das Material der Untersuchung ergibt sich somit aus dem gewählten Zeitraum: aus der Zeit vor der Orientreise stehen die "Winnetou"- und die "Old Surehand"-Trilogie, der ihnen folgende Band "Weihnacht" sowie die ersten beiden Bände von "Im Reiche des silbernen Löwen" im Mittelpunkt; als für die Zeit nach der Jahrhundertwende repräsentativ werden die beiden letzten Bände des 'Silberlöwen' genauer analysiert. Diese Schwerpunkte bedürfen der Ergänzung, um sie richtig einzuordnen und ihren Stellenwert zutreffend zu bestimmen. Deshalb wird einleitend die Entwicklung von Mays Werk in seinen wesentlichen Gattungen (mit Ausnahme der Kolportageromane) umrißhaft skizziert; die Analyse der "Winnetou"-Trilogie liefert dann den Ausgangspunkt, um die Wandlungen der neunziger Jahre präziser nachzuzeichnen, ebenso wie die spezifischen Merkmale des Romans "Et in terra pax" (und seiner späteren Uberarbeitung) die Folie zur Beurteilung der nach 1900 einsetzenden Textveränderungen bieten.

Mehr und mehr wandelte sich die Editionswissenschaft - nicht zuletzt durch die Rezeption des tschechischen und russischen Strukturalismus - in den letzten Jahren zu einer Lehre vom Text (Textologie), bei der über die getreue Darbietung der Varianten hinaus wesentliche Aspekte der schöpferischen Kreativität und der Rezeption literarischer Werke ins Blickfeld kamen(43). Die Varianten wurden


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als Textsignale begriffen, deren Auswahl nicht nur über die ästhetischen Konzepte und die Wirkungsabsichten des Verfassers wichtige Aufschlüsse liefert, sondern die als Parameter auch entscheidend die Rezeption beim Leser steuern. An die Stelle eines statischen Textbegriffs, wie er in der Auffassung vom vollendeten Kunstwerk alsabgeschlossenem, "selig in ihm selbst" ruhenden Gebilde zum Vorschein kommt, trat die Untersuchung der Textdynamik; die Veränderungen, die der Autor am Werk vornimmt, bis es endgültig in der Offentlichkeit erscheint (und eventuell auch noch später), geben wichtige Hinweise zur Interpretation des Werks, indem sie die Alternativen, zwischen denen der Verfasser auswählt, offenlegen, und damit die Möglichkeit bieten, zumindest ansatzweise seinen Verständnishorizont zu rekonstruieren.(44)

Karl Mays Werk scheint dieser Forschungsmethode diametral entgegengesetzt: sowohl die Selbstaussagen des Autors ("Ich lese keine Manuskripte noch einmal durch; ich ändere kein Wort."(45) ) wie auch die Zeugnisse aus seiner Umgebung(46) und die bereits zitierte Meinung eines Teils der Forschung scheinen die Meinung zu stützen, daß es in Mays Manuskripten keine Varianten und damit keine Textsteuerungsprozesse gebe.

Bei genauer Untersuchung zeigt sich aber sehr schnell, daß diese verbreitete Ansicht nicht zutrifft. In den Manuskripten der Werke nach 1900 finden sich Korrekturen in zunehmendem Maße, ja, man stellt fest, daß die Entwicklung dieses Spätwerks ganz deutlich durch eine immer intensi-


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vere [intensivere] Textbearbeitung gekennzeichnet ist.(47) Aber auch für die Zeit vor 1900 lassen sich aus Mays Selbstaussagen ebenso wie aus der Analyse der Werke Erkenntnisse über seine ästhetischen Konzepte und insbesondere über deren Wandel gewinnen.

Die folgende Arbeit soll diesen Wandel der ästhetischen Leitvorstellungen im Werk Karl Mays, wie er sich vor und nach der Jahrhundertwende vollzieht, aus den Texten selbst ebenso wie aus dem Manuskriptbefund belegen.


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Anmerkungen zu: I. Einleitung

1 Weiterführende (Literatur-) Angaben bei R. Jeglin: Die literarische Tradition, in: KMHb, 11-38.

2 Heinz Stolte: Das Phänomen Karl May. Bamberg: Karl-May-Verlag (KMV) 1969. - Von Stolte stammt die erste Dissertation über May: Stolte 1936 (Neuauflage 1979).

3 So der Untertitel der Arbeit von Viktor Böhm, 1955 (Neuauflage 1979); außer ihm sind die Untersuchungen von Kainz, 1949, Bröning, 1973, Oel-Willenborg, 1973, zu nennen.

4 Helmut Schmiedts Dissertation verarbeitet nicht nur umfassend die ältere Sekundärliteratur (z.T. mit ihren Irrtümern; vgl. unten Anm.32), sondern übertrifft sie auch im methodischen Zugriff und in der Aspektbreite. Er liefert einen derart umfassenden Überblick über die wesentlichen Aspekte des Themas, daß seine Darstellung exemplarisch für die ganze Forschungsrichtung stehen kann. Die Literatur zu May ist seit dem Erscheinen von Schmiedts Arbeit zwar immer mächtiger am Anschwellen, aber dieser Strom wälzt auch manches mit sich, was wenig neue Einsichten vermittelt. Einen umfassenden Zugriff auf Mays Werk und auf die dazu erschienene Sekundärliteratur ermöglichen die beiden im Jubiläumsjahr 1987 veröffentlichten Standardwerke: Martin Lowskys in der "Sammlung Metzler" erschienener Band (Lowsky 1987) und das im Kröner-Verlag von Gert Ueding in Zusammenarbeit mit Reinhart Tschapke edierte "Karl-May-Handbuch"(künftig: KMHb).

5 Die synchrone Sicht auf Mays Werk beginnt bereits bei Adolf Droop, der 1909 die erste nicht von May angeregte oder unmittelbar beeinflußte Analyse der Reiseerzählungen vorlegte: er "sieht Karl May und seine in dreißig Bänden versammelten Reiseabenteuer ohne den geringsten Vorbehalt als einzigartige, geschlossene, kohärente Einheit, geformt ausschließlich vom eigenen Willen und aus ursprünglicher Schöpferkraft." (Heinz Neumann, MKMG 39 (1979), 34).

6 So der Titel von Mays Autobiographie (1910 erschienen, künftig: L & Str), zitiert nach dem von Hainer Plaul 1975 vorgelegten Reprint.

7 Arbeiten zu Mays Spätwerk fehlten bis etwa Mitte der fünfziger Jahre fast völlig, nicht zuletzt, weil die Texte über Jahre hinweg "nicht lieferbar" waren (z.B. "Ardistan und Dschinnistan" ab 1928 bis 1955). Außer frühen Rezensionen sind vor allem zu nennen Wilhelm Kochs Aufsatz "Der Schlüssel" (in den Radebeuler Ausgaben von "Ich" (Bd.XXXIV» und seine Abhandlung "Karl Mays Baukunst und ihre Symbolik" (in: KMJB 1918, 113-12S), sowie die Arbeiten Amand von


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Ozoroczys, insbesondere "Karl May und der Friede" (in: KMJb 1928, 29-114; Neudruck in KMJb 1978, 193-245).

8 Schmiedt, 1979, 12; 19872 , 20.

9 Ebd.

10 Ebd.

11 Ebd., 1979, 15.

12 Ebd., 1979, 206.

13 Ebd., 1979, 207.

14 Ebd. - Gerade in diesen Passagen seiner Arbeit ("Das Verhältnis von Form und Inhalt") scheint Schmiedt noch am stärksten - teilweise im Gegensatz zu den vorher von ihm erarbeiteten Einschätzungen von Mays Werk - den tradierten literaturwissenschaftlichen Wertungen verhaftet. Inzwischen hat er in mehreren Beiträgen zu den Jahrbüchern der KMG die Mikro- und Makrostrukturen einzelner May-Texte eingehend analysiert und dabei seine ersten Urteile modifiziert und die artifizielle Komponente in Mays Schreiben stärker hervorgehoben (JbKMG 1982, 60-76, zu "Der Geist des Llano Estakado"; JbKMG 1986, 33-49, zu "Winnetou I"). Seine bisher letzte Äußerung zum Thema, das Kapitel "Handlungsführung und Prosastil" im KMHb (147-176, bes. "Arbeitsweise", 147-153), differenziert noch stärker und kommt zu einem Fazit, das sich mit den Ergebnissen der vorliegenden Arbeit deckt: "bewußte Kontrolle" und "phantastisch-verquere Kreativität" bildeten bei May zwei in dialektischer Weise unlösbar miteinander verbundene Komponenten des Schreibprozesses.

15 Dazu beispielsweise Forst-Battaglia, der den Tenor der älteren Forschung bezüglich Mays Behauptung, "daß sein Schaffen von Anbeginn her derlei tiefere Bedeutung gehabt" habe, so zusammenfaßt, daß May "vordringlich frisch, fromm, fröhlich und frei darauf loserzählte, daran seinen eigenen Spaß und davon Ruhm samt erklecklichem Einkommen hatte." (Forst-Battaglia 1966, 163 f.). Das hier skizzierte May-Bild des fröhlichen Fabulierers gibt die Leitvorstellung des Karl-May-Verlags von seinem Autor treffend wieder, soweit sie sich etwa in den Verlagspublikationen und in den Karl-May-Jahrbüchern bis 1945 niedergeschlagen hat.

16 Zu den Bearbeitungsgrundsätzen des KMV vgl. Jürgen Wehnerts ausführliche und ebenso präzis argumentierende wie abwägende Darstellung in: Schmiedt, 1983, 310-361. Andererseits hat Karl Konrad Polheim in seinem Vortrag auf der Tagung der KMG, Wien 1987, zu Recht darauf verwiesen, wie sehr Mays und seiner Figuren Aufstieg ins allgemeine Bewußtsein nach dem Tod des Autors an die Leistung Euchar A. Schmids und des KMV (und damit auch an die redigierenden Eingriffe in die Texte) gebunden ist (Polheims Vortrag in: JBKMG 1988, in Vorbereitung). Eine Analyse der sprachlichen Tendenzen der Bearbeitungen bei: Frigge, 1984, 172-190.


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16a Insbesondere Claus Roxins Analyse der Entwickluniz Mays in den Jahren von etwa 1894 bis 1899 ist (selbstverständlich neben Wollschlägers Monographie) als diachron angelegte Untersuchung bedeutsam. Sie sammelt nicht nur reichhaltiges Material zu den Wandlungen, in denen May selbst sich in dieser Zeit der Öffentlichkeit präsentierte, sondern geht auch den Spuren dieses Wandels im Werk nach und kommt dabei zu Ergebnissen, die nicht zuletzt Anlaß boten, diese "späten Reiseerzählungen" in der vorliegenden Arbeit näher zu untersuchen (JbKMG 1974, 15-73). - Heinz Stoltes Aufsatz "Der Fiedler auf dem Dach" (JbKMG 1986, 9-32) bietet ebenfalls eine Wertung von Mays Werk im diachronen Uberblick; er kommt dabei - unabhängig von der vorliegenden Arbeit - zu einer ganz ähnlichen Bewer tung der einzelnen Werkgruppen, wie sie im folgenden dargelegt wird.

17 Arno Schmidt: Abu Kital/Vom neuen Großmystiker. In: Der sanfte Unmensch. Essays. Berlin: Ullstein 1963 (Ullstein-TB 448), 44-74 (Erstausgabe: Karlsruhe: Stahlberg 1958, in: Dya Na Sore, 150-193; auch in: Schmiedt, 1983, 45-74). Zwei weitere May-Arbeiten Schmidts in: Das Leptothe-Herz. 16 Erklärungen zur Lage der Literaturen. Zürich: Haffmans 1987.

18 Der Antrag wurde auf der Tagung der KMG in Regensburg 1983 gestellt, aber mit Mehrheit abgelehnt.

19 Zu nennen sind hier insbesondere die Arbeiten Hans Wollschlägers, Ekkehard Bartschs, Hansotto Hatzigs, Hainer Plauls und Gerhard Klußmeiers, überwiegend in den Jahrbüchern der KMG, 1970 ff., publiziert (Einzelnachweise bei Lowsky, 1987).

20 Neben Wollschlägers Arbeiten als Quellenpublikation und Interpretation wichtig Hatzig, 1967.

21 Vollmer, JbKMG 1986, 156. - Neben H. Vollmer ist Walther Ilmer der Hauptvertreter dieser Interpretationsrichtung; zur Auseinandersetzung mit ihr vgl. G.Scholdt, in: JbKMG 1985, 110-115.

22 Vollmer, ebd., 182.

23 Eine Ubersicht über die Reprints der KMG bei Lowsky, 1987, 6, sowie im KMHb, 142-145; beide Zusammenstellungen erfassen auch die anderweitig erschienenen Reprints und -serien. Die von Hermann Wiedenroth und Hans Wollschläger edierte "Historisch-kritische Ausgabe in 99 Bänden" will die "Texte aller Schriften Karl Mays zugänglich machen", einschließlich der Briefe und persönlichen Zeugnisse.

24 Hinweise darauf bei Hatzig, 1967, 135 f., 233 f., sowie bei Bartsch, JbKMG 1986, 367-375. - Bezeichnend auch hier wieder Forst-Battaglias Aussage, May habe von der zeitgenössischen Literatur "keine Notiz genommen oder nur insoweit, daß sie ihm alle schlecht behagten." (Forst-Battaglia, 1966, 167). Diese Aussage ist aufgrund


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von Klaras Tagebuch eindeutig widerlegbar; sie zeichnete nicht nur die Daten von Mays Theater- und Konzertbesuchen auf, sondern auch Mays Reaktionen und Urteile.

25 Eine exakte Gesamtbibliographie aller zu Mays Lebzeiten erschienenen Textpublikationen des Radebeuler Autors erscheint 1988 im DDR-Verlag Edition Leipzig, zusammengestellt von Hainer Plaul.

26 Der KMV edierte in den siebziger Jahren insbesondere die sog. "Union-Bände", d.h. die Buchausgaben der Jugenderzählungen, in Zusammenarbeit mit dem A.Graff-Verlag, Braunschweig, sowie die erste Fassung von "Und Friede auf Erden!", die 1901 unter dem Titel "Et in terra pax" erschienen war.

27 Die Bände sind aufgrund eingehender bibliographischer Ermittlungen jeweils nach den Erstauflagen gestaltet, wobei diese Erstausgaben einige Unstimmigkeiten aufweisen; sie enthalten in den Nachworten Roland Schmids wertvolle und umfangreiche Materialien und Informationen aus dem Karl-May-Archiv (einen Überblick über die Anhänge bietet Claus Roxin in: MKMG 55 (1983), MKMG 59 (1984), MKMG 62 (1984)).

28 Karl May: Prozeß-Schriften. 3 Bände. Hgg.v.Roland Schmid. Bamberg: KMV 1982.

29 Seit 1983 stellt der KMV regelmäßig Material aus seinen Archiv-Beständen zur Publiaktion in den Jahrbüchern der KMG zur Verfügung.

30 Lowsky, 1987; Eggebrecht, 1987; KMHb; Text + Kritik Sonderband, 1987.

31 So der Titel eines Aufsatzes von Otto Eicke (KMJb 1930, 77126), in dem das Spätwerk als ein bedauerlicher Irrweg Mays klassifiziert wird.

32 Fricke, 1984, 126.

33 Böhms Feststellung, May komme "mit einem Wortschatz von rund 3.000 Vokabeln aus", wird selbst von Schmiedt noch übernommen (Schmiedt, 1979, 202; Böhm, 1955, 163); allerdings beruht sie auf der Untersuchung der Bamberger Ausgabe, die von einer "radikalen Ausmerzung aller von May verwendeten Fremdwörter" gekennzeichnet ist (Wehnert, in: Schmiedt, 1983, 319). Auch die Arbeiten von Bröning und Oel-Willenborg legen die Bamberger Ausgabe zugrunde.

34 Jochen Schulte-Sasse etwa argumentiert in seinem (teilweise sehr diskutierenswerten) Aufsatz über Karl "Mays Amerika-Exotik" (in: Schmiedt, 1983, 101-129) über Seiten nicht mit Belegen aus Mays Werk, sondern mit Zitaten aus Ludwig Gurlitts May-Verteidigung von 1919, deren "aus Karl May verwandtem Geiste formulierte, weil in denselben ideologischen Voraussetzungen wurzelnde" Thesen allzu vorschnell und ungeprüft


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mit Mays eigenen Auffassungen gleichgesetzt werden (ebd., 110114). Winnetous Tod betrachtet er nicht im Rückgriff auf den Urtext, sondern indem er die Eindrücke eines (namenlosen) May-Lesers (aus der Broschüre "Dankbarer Leser") wiedergibt und daraus Mays Weltbild ableitet (ebd., 122).

35 Dazu H. Steinmetz, JbKMG 1981, 300-338.

36 Vgl. unten Kap. 11,2.

37 Vgl. den Fehsenfeld-Reprint des KMV (künftig F-R KMV), "Auf fremden Pfaden" (XXIII), A 40 f.

38 Für den "Deutschen Hausschatz" lieferte May zwischen 1893 und 1897 nur die kleine autobiographische Skizze "Freuden und Leiden eines Vielgelesenen" (DH, XXIII. Jg., Nr. l+2 (1896)).

39 Die genauen Daten lassen sich, weil Zeugnisse nur lückenhaft erhalten sind, nicht exakt rekonstruieren (vgl. Vinzenz, JbKMG 1982, 211-233).

40 So Mays Selbstvorstellung auf den Porträtpostkarten und in Briefen.

41 Die Umbenennung ordnete May in einem Brief an Fehsenfeld vom 17.März 1896 an, nachdem er den Wunsch vorher schon gelegentlich geäußert hatte; ab "Mahdi III" erschien dann die neue Bezeichnung (Hatzig, MKMG Nr.18 (1973), 15).

42 Vgl. M.Schenkel, in: Schmiedt, 1983, 278-309.

43 Entscheidende Impulse gaben hier Jan Muka(ovskýs Aufsätze, insbesondere "Varianten und Stilistik" (dt. in "Poetica 2" (1968), 399-403) sowie die daran anknüpfende Diskussion, eröffnet durch Wolf und Herta Schmid sowie Karl Maurer: Eine strukturalistische Theorie der Variante? Zu einem Text von Jan Muka(ovský. In: Poetica 2 (1968), 404-415. Sie fand ihren Niederschlag vor allem in dem großen Sammelband "Texte und Varianten. Probleme ihrer Edition und Interpretation" (München: C.H.Beck 1971).

44 Vgl.dazu in "Texte und Varianten" (wie Anm.43) v.a. die Beiträge von Miroslav (ervenka (Textologie und Semiotik, ebd., 143-163) und von Gunter Martens (Textdynamik und Edition. Überlegungen zur Bedeutung und Darstellung variierender Textstufen, ebd., 165-201); außerdem Hans Günther: Grundbegriffe der Rezeptions- und Wirkungsanalyse im tschechischen Strukturalismus (In: Poetica 4 (1971), 224-243) und Heft 80 der Zeitschrift "alternative"(14.Jg.(1971), H.80): Tschechischer Strukturalismus. Ergebnisse und Einwände.

An neueren Darstellungen zur Editionswissenschaft bzw. Texto logie sind v.a. zu nennen:

Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik (Lili), Jg.5 (1975), H.19/20 "Edition und Wirkung".


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Edition und Interpretation [...] Akten des deutsch-französischen Editoren-Kolloquiums Berlin 1979. Hgg.v.L.Hay u. W.Woesler. Bern u.a. 1981 (Jb.f.Internat.Germanistik, Reihe A, Bd.11).

Zeitschrift für deutsche Philologie. 101.Bd.(1982), Sonderheft "Probleme neugermanistischer Edition".

Edition et Manuscrits. Probleme der Prosa-Edition. Akten des [...] frz.-dt. Editorenkolloquiums Paris 1983. Hgg.v.M.Werner u. W.Woesler. Bern u.a. 1987 (Jb.f.Internat. Germanistik, Reihe A, Bd.19).

editio. Jahrbuch für Editionswissenschaft. Hgg.v.Winfried Woesler. 1 ff. (1987 ff.)

S. Scheibe u.a.: Vom Umgang mit Editionen. Eine Einführung in Verfahrensweisen und Methoden der Textologie. Berlin: AkademieVerlag 1988(Iag mir noch nicht vor bei Redaktionsschluß).

45 Mays Antwort auf Angriffe der "Frankfurter Zeitung" gegen ihn, unter Richard Plöhns Namen und durch diesen Freund an die Presse gegeben (Tremonia, Dortmund, Nr.404, 27.9.1899); zit.nach dem Neudruck in: JbKMG 1974, 131-152 (Zitat 134).

46 Die Zeugnisse gehen zumeist auf Klara May zurück; zum Wahrheitsgehalt vgl. unten Exkurs I.

47 Die Varianten des Spätwerks wurden noch nicht umfassend untersucht; einige Auflistungen oder Teilanalysen liegen jedoch vor, v.a. von Hansotto Hatzig. Daneben ist ein kurzer Aufsatz Udo Kittlers zu nennen (Karl May als Traumdeuter. In: MKMG 65 (1985), 18-21), weil er ein Faksimile einer Manuskriptseite aus "Ardistan und Dschinnistan" mit größeren Streichungen bietet, die wohl nicht von Mays Hand stammen, aber in der Buchausgabe berücksichtigt sind. - Nirgends allerdings wurde bisher versucht, die Varianten in ihrer handlungsstrukturierenden Funktion genauer auszuwerten; die Varianten in den Manuskripten werden in der vorliegenden Arbeit erstmals herangezogen, da alle genannten Zusammenstellungen nur die Unterschiede zwischen den Druckfassungen heranziehen.


Karl Mays Werk 1895-1905

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