Offener Brief von Christian Wacker zu seinem Rücktritt

Liebe Freundinnen und Freunde des Karl May Museums,

Liebe Karl May Fans,

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Aus Gründen der Transparenz habe ich mich entschlossen, meine Gründe und Motive für die Kündigung der Stelle als Geschäftsführer und Museumsdirektor im Karl May Museum gGmbH der Karl May Stiftung darzulegen. Mit diesem Schreiben verbinde ich die Hoffnung, dass eine selbstkritische Betrachtung der Strukturen des Karl May Museums und der Karl May Stiftung Veränderungen und Verbesserungen bewirken, die einer Zukunft dieser Institution förderlich sind.

Schon im Vorstellungsgespräch im Dezember 2017 sowie in den darauffolgenden Monaten wurden die Prioritäten meines Arbeitsauftrags von Seiten der Stiftung mündlich und schriftlich festgelegt. Primäres Anliegen war es, das Museum in die Zukunft zu führen und die Neukonzeption einschließlich Neubau zu gestalten. In den ersten Monaten meiner Tätigkeit arbeitete ich gemeinsam mit dem Museumsteam die inhaltliche Konzeption um und erweiterte diese auf die beiden renovierungsbedürftigen bestehenden Gebäude. Die von mir vorgefundene Konzeption war inhaltlich nicht tragfähig, weshalb die neuen Ideen vom Vorstand angenommen und akzeptiert wurden. Die bestehenden Pläne hätten entsprechend modifiziert werden müssen, um einen Förderantrag bei Bund, Land und Stadt einreichen zu können. Diese Pläne hätten innerhalb von wenigen Wochen erarbeitet und damit die Grundlage für die Fortsetzung des Projektes Neukonzeption geschaffen werden können. Zum Zeitpunkt meiner Einstellung zum 1.4.2018 war das Konto der Stiftung gut gefüllt, was mehr als ausreichend dafür gewesen wäre, das gesamte Projekt soweit vorzubereiten, dass Förderanträge offiziell gestellt hätten werden können.

Erst nach Unterzeichnung des Geschäftsführervertrags wurde mir offenbart, dass die Stiftung bereits förderschädlich gehandelt hatte, noch bevor Förderanträge gestellt worden waren, indem sie einen Generalplanervertrag mit einem Radebeuler Architekturbüro unterschrieben hatte. Dieser fahrlässige Fehler wurde von Seiten der Stiftung „behoben“, indem die ehemalige Geschäftsführerin fristlos entlassen wurde und mit Hilfe eines überteuerten Rechtsanwaltsbüros ein Aufhebungsvertrag mit dem Architekturbüro ausgehandelt wurde. Aus dem Generalplanervertrag wurde ein Vertrag zur Umsetzung aller Planungsleistung bis Leistungs-Phase 4-5, der nebenbei bemerkt ebenfalls förderschädlich ist. Das Thema der Förderschädlichkeit sollte von Mitgliedern der Stiftung – ich sollte nur bei Bedarf hinzugezogen werden – mit dem Bund diskutiert und behoben werden. Über 1,5 Jahre und bis heute wurde die Stiftung hier nicht aktiv. Von Beginn an war ich äußerst verwundert darüber und habe dies bei verschiedenen Gelegenheiten auch angesprochen, dass ich in originäre Prozesse eines Geschäftsführers (z.B.: Diskussion mit dem Architekturbüro zum Thema Generalvertrag, Thema Förderschädlichkeit gegenüber dem Bund) nicht eingebunden werden sollte.

In jedem Fall wurde das Budget darauf verwendet, die fristlose Kündigung der ehemaligen Geschäftsführerin zu finanzieren (Abfindung, Rechtsanwalt), den Aufhebungsvertrag mit dem Architekturbüro abzuschließen (Rechtsberatung), ausstehende Honorare aus den Jahren 2016 und 2017 an das Architekturbüro zu bezahlen und die Skulptur des Brunnenengels umzusetzen, der im Januar 2018 noch vor meiner Zeit beauftragt wurde. Es wurde innerhalb des Vorstands der Stiftung vereinbart, keine weiteren Planungsschritte zur Neukonzeption zu unternehmen, bevor nicht das Problem der Förderschädlichkeit mit dem Bund geklärt ist. Für mich sind dieses Verhalten und die Verzögerungen des Stiftungsvorstands maßgeblich verantwortlich dafür, dass sich meine Begeisterung für das Projekt und meine Motivation dafür in den letzten beiden Jahren sukzessive gemindert hat. Ich war angetreten, um die Neukonzeption inhaltlich zu überarbeiten und in ein Neu- und Umbauprojekt zu überführen und umzusetzen. Tatsächlich habe ich die Neukonzeption mit dem Museumsteam inhaltlich überarbeitet und zum 90. Geburtstag des Museums am 1.12.2018 öffentlich präsentiert. Seitdem ist allerdings nichts geschehen!

Das Museum hatte ich in einem vollständig veralteten Zustand übernommen und in den letzten beiden Jahren mit dem Team und einigen neuen qualifizierten MitarbeiterInnen in allen Bereichen musealer Arbeit weiterentwickelt. Es ist freilich zentrale Aufgabe eines Museumsdirektors, dies zu leisten, weshalb er als Professioneller seines Faches auch verpflichtet wird. Ich habe diese Aufgaben von Beginn an mit großer Leidenschaft verfolgt, zumal das Image des Museums innerhalb der Kulturszene aber auch der Karl-May-Szene ein schlechtes war. Um eine solche Institution zukunftsfähig machen zu können, muss sie inhaltlich und technisch aber vor allem ideologisch entstaubt werden. Neue Inhalte wurden geschaffen, neue Sichtweisen angeboten und Arbeitsweisen digitalisiert (z.B.: Inventarisierung). Ein modernes Museum muss als Ort des Diskurses verstanden werden, an dem Meinungen unterschiedlichster Art zum Thema der Einrichtung geäußert und beschrieben werden dürfen. Wenn sich eine Kultureinrichtung heutzutage nicht den Diskussionen der Gesellschaft stellt, darf sie auch keine Unterstützung derselben erwarten. Für das Karl-May-Museum übersetzt bedeutet dies, die gesamte Karl-May-Szene und alle Interessierten darüber hinaus mitzunehmen und eine Bühne zu schaffen, Karl May auch anders deuten, ihm gegenüber auch Kritik äußern zu dürfen und ihn eben nicht nur auf einen Sockel zu stellen. Anfangs irritiert, später schockiert war ich darüber, dass in der Stiftung eine Meinung vertreten werden sollte, die der eines Mitglieds des Vorstands entsprechen musste. Sämtliche Themen zu Karl May wurden so über eine einzige Person kanalisiert, deren Einschätzungen als regelkonforme Stiftungswahrheit galten. Warum nur verfügt die Stiftung nicht über einen Pool an Karl-May-Spezialisten, die zu kniffligen Fragen gemeinsam entscheiden?

Natürlich sind inhaltliche Themen zu Karl May nicht von musealen Themen zu trennen und ich habe meine Aufgabe immer so definiert, dass ich für die Weiterentwicklung des Museums zuständig bin. In einem Museumsbeirat wurden die großen Themen auch diskutiert, die Umsetzung sollte man tunlichst den Museumsprofis überlassen. Ich habe zu Beginn meiner Amtszeit wohlgemeinte Ratschläge von besagtem Mitglied des Vorstands erhalten, sah mich aber bald mit Gegendarstellungen konfrontiert und wurde daran erinnert, Weisungsbefugnisse umzusetzen zu haben. Als promoviertem Kulturwissenschaftler erachte ich es als Anmaßung, mich in stundenlangen Telefonaten oder seitenlangen emails dorfschulmeisterlich belehren lassen zu müssen. Solche Diskurse können in einem Beirat geführt werden, dürfen aber nicht die Alltagsarbeit im Museum belasten. Ich kenne keine vergleichbare Institution, in der eine derartige Einmischung in die Museumsarbeit geschieht!

Moralisch absolut indiskutabel finde ich dabei, dass meine Person von selbigem Mitglied des Vorstandes hinter meinem Rücken diskreditiert wurde, meine Kompetenzen in Frage gestellt werden und unter Ausbeutung meiner privaten facebook-Seite Sachverhalte skizziert werden, die ich gar nicht kenne. Es handelt sich hier um klassisches Mobbing, dem ich mich nicht weiter aussetzen werde.

Ich bin nach wie schockiert darüber, dass ein Beitrag einer anerkannten amerikanischen Professorin für den letzten „Beobachter“ abgelehnt wurde, nur weil er „dem Gerücht, May sei homosexuell gewesen, neue Nahrung geben“ könnte. Ein weiteres Mitglied des Vorstands der Stiftung unterstrich, May solle nicht mit „Schwulengeschichten in Verbindung“ gebracht werden. Solche Äußerungen vertragen sich nicht mit dem Stiftungszweck unserer Satzung §2.1 der „[…] erzieherische[n] Absicht der Ausbreitung von Toleranz […]“.

Trotz allem war ich stets hochmotiviert, das Museum in die Zukunft zu führen und habe zwei Jobangebote für Direktorenstellen in Kairo im Sommer 2019 und im Saarland im Herbst 2019 ausgeschlagen. Mittlerweilen ist meine Begeisterung für das Projekt Neukonzeption des Karl May Museums unter den gegebenen Voraussetzungen derart getrübt, dass es mir nicht schwer fiel, ein Angebot aus Kuwait als Generaldirektor einer Museums- und Kultureinrichtung ab 1.6.2020 anzunehmen.

Hochachtungsvoll!

Dr. Christian Wacker

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