Rezensionen

Archiv, Rezensionen

Rezension zu “Der Wegbereiter und der Lieblingsschriftsteller des ‚Führers“‘

Mat9Albrecht Götz von Olenhusen hat eine Rezension zu Hartmut Wörners Studie zur Rezeption Houston Stewart Chamberlains bei Karl May verfasst. Die Rezension ist unter der folgenden URL abrufbar:

https://wiki.koeblergerhard.de/zier/9598

Hartmut Wörner: Der Wegbereiter und der Lieblingsschriftsteller des „Führers“. Eine Studie zur Rezeption von Houston Stewart Chamberlains „Grundlagen des neunzehnten Jahrhunderts“ durch Karl May. Materialien zum Werk Karl Mays, Band 9. Hansa Verlag, Husum. 148 Seiten. Broschiert. ISBN 978-3-941629-25-7. Preis: 14,- Eur

 

 

 

Archiv, Rezensionen

Nachtrag zum ‚Roten Baron‘

Vor ein paar Tagen berichtete Heinz Lepper in diesem Blog über einen Lesefund. In dem Buch „Der rote Baron und der Schriftsteller aus Radebeul“ von Tomos Forrest findet eine Begegnung zwischen Karl May und Freiherr Manfred von Richthofen statt. In Anbetracht der historischen Hintergründe und der Biografie von Richthofens weist Klaus Eggers darauf hin, dass ein Zusammentreffen mit von Richthofen für May ein zweifelhaftes Vergnügen gewesen wäre:

Zur Meldung vom 21. Oktober 2020

von Klaus Eggers

Karl May im September 1906 an Sascha Schneider:

Sie sagen, die Menschheit brauche den Krieg, damit wir wieder ein Geschlecht von Männern bekommen? Wo sind die Männer, die durch die letzten Kriege entstanden? Ich sehe sie nicht!!! Ich meine vielmehr, daß wir auf den Krieg eingingen, weil wir Männer hatten, ihn zu führen. Wehe und tausendmal wehe dem Volke, welches das Blut und das Leben von Hunderttausenden vergießt, um anderthalb Schock Ritter des eisernen Kreuzes erster Klasse dekoriren zu können!

Mays Warnung war berechtigt, aber fruchtlos, seine Prophezeiung bewahrheitete sich, wo sie nicht von der Realität noch übertroffen wurde. Zu den anderthalb Schock Dekorierten aber gehörte Manfred von Richthofen. Zu seiner Charakterisierung einige Sätze aus seinem Buch ›Der rote Kampfflieger‹:

„So hatte ich mich mal für eine Weile für dieses Bombenfliegen begeistert. Es machte mir einen unheimlichen Spaß, die Brüder da unten zu bepflastern.

Der Sechzehnte ist gefallen. Ich stand somit an der Spitze sämtlicher Jagdflieger. […]Nach zwei Tagen […] kommt das Telegramm aus dem Hauptquartier, daß Majestät die Gnade hatte, mir den Pour le mérite zu verleihen. Da war die Freude natürlich groß. Es soll immer englisches Pilotenblut regnen.

Pardon kenne ich nicht mehr, deshalb attackierte ich ihn noch ein zweites Mal, worauf das Flugzeug in meiner Geschoßgarbe auseinanderklappte. Die Flächen fielen wie ein Blatt Papier, jede einzeln, und der Rumpf sauste wie ein Stein brennend in die Tiefe. Fünfzig sind abgeschossen. […] Aber so ein halbes [kein ganzes] Hundert macht einem eben doch auch Spaß.“

Ich erspare dem Leser Weiteres. Wer mehr wissen möchte, findet das Buch beim Projekt Gutenberg. Eiserne und Ritterkreuze wurden Richthofen mehrfach verliehen.

Ob es eine Ehre für May sein kann, mit so jemandem im Orientexpress gemeinsam plaudernd in die Schluchten des Balkan gefahren zu werden?

Archiv, Rezensionen

Rezension zum Briefwechsel mit seinen ‚Kindern‘ Bd. 1-2 (GW 95-96)

gw96Albrecht Götz von Olenhusen hat eine Rezension zu den beiden Briefbänden Briefwechsel mit seinen ‚Kindern‘ Bd. 1-2 (GW 95-96) verfasst. Die Besprechung ist online frei verfügbar und kann unter https://wiki.koeblergerhard.de/zier/9570 abgerufen werden.

Hartmut Vollmer/Hans-Dieter Steinmetz/Florian Schleburg (Hrsg.). Briefwechsel mit seinen ‚Kindern‘ I-II. Band 95-96 der Gesammelten Werke. Karl-May-Verlag. Bamberg/Radebeul. 608 / 640 Seiten. Hardcover. ISBN 978-3-7802-0095-2 / 978-3-7802-0096-9. Preis: jeweils 25,00€

erschienen im Karl-May-Verlag

 

 

 

 

Archiv, Rezensionen

Der rote Baron und der Schriftsteller aus Radebeul

RoteBaronvon Heinz Lepper

Wer vermutet bei diesem Titel des kleinen Taschenbuchs von Thomos Forrest, dass es etwas mit Karl May zu tun hat. Trotzdem machte mich der Namen Radebeul neugierig. War es doch der letzte Wohnort von Karl May. Überrascht und erfreut war ich, in diesen eher traurigen Zeiten wo etliche Karl-May-Veranstaltungen ausgefallen sind, ihm in diesem Buch zu begegnen. Karl May wird als älterer Herr auf einen Berliner Bahnhof überfallen. Der Dieb wird allerdings gefasst. Dabei begegnet Karl May dem Freiherrn Manfred von Richthofen. Dieser ist hocherfreut den bekannten Schriftsteller aus Radebeul kennen zu lernen. Es stellt sich heraus, beide haben das gleiche Ziel – Siebenbürgen. Gemeinsam starten sie eine Zugfahrt in ein ungewolltes Abenteuer.

Tomos Forrest: Der Rote Baron und der Schriftsteller aus Radebeul. Der Romankiosk München. 108 Seiten. Paperback. ISBN 978-3-7529-7950-3. Preis: 8,99€

Archiv, Rezensionen

Winnetous Erben – Abenteuer und Symbol (Teil 3)

GW33Der Autor Rolf Kamradek, Verfasser von „Die seltsamen Reisen des R.K.“ und des Schauspiels „Karl May – der Traum vom Fliegen“, hat erstmals seit seiner Kindheit den Band „Winnetous Erben“ wieder gelesen und seine Gedanken dazu notiert. Seine Rezension bringen wir hier in drei Teilen. Der erste Teil betrachtet den Roman unter dem Aspekt des Abenteuers, der zweite stellt die Symbolik heraus und der dritte Teil schließlich liefert einen historischen Nachtrag.

Den Band „Winnetous Erben“ können Sie im Karl-May-Verlag erwerben. Die ursprüngliche, unter dem Titel „Winnetou IV“ erschienene Fassung ist noch als Reprint zum Sonderpreis von nur 9,90€ lieferbar. Bestellungen des Reprints richten Sie bitte an: reprints@karl-may-gesellschaft.de

 

Winnetous Erben – Abenteuer und Symbol

zwei unterschiedliche Inhaltsangaben.

von Rolf Kamradek

3. Nachtrag: Karl May, Winnetous Erben und Indianerdenkmäler

In dem symbolischen Roman Winnetous Erben widersetzt sich Karl May vehement dem Bau eines Winnetoudenkmals. Winnetou hat Seele, nur Seele zu sein. Er soll nicht unter Metall und Stein begraben werden.

Im Nachwort des Romans aber weist Karl May hoffnungsvoll auf ein Projekt Lewis Rodman Wanemakers hin. Er wollte 1909 im New Yorker Hafen das überdimensionale Monument eines Indianers errichten. Es sollte, gegenüber der Freiheitsstatue, die Weißen mit ausgestreckten Händen begrüßen. Das Projekt wurde nicht verwirklicht.

Und im ersten Kapitel des Romans stehen Karl May und das Herzle ergriffen vor dem Denkmal des Indianerhäuptlings Sa-go-ye-wat-ha, des weisen Sprechers der Seneca.

In diesen beiden Fällen bejaht May also ein Denkmal.

Im Roman lässt Karl May die Söhne seiner halbindianischen Freunde, des Westmannes Old Surehand und des Komantschen Apanatschka, als Bildhauer auftreten, die Winnetou als Kolossalstatue, in der Hand eine Pistole, das besagte Denkmal setzen wollen. Im Jahre 1907

Es gibt eine Parallele zur Wirklichkeit, allerdings erst nach Karl Mays Tod:

Allan Houser, (1914 – 1994), Sohn eines Apachenkriegers und Großneffe Geronimos (1829 – 1909), des letzten Kriegshäuptlings der Apachen, studierte Kunstgeschichte und schuf als Bildhauer beeindruckende Bronzeskulpturen. Oft sind mehrere Personen in einem Block vereint, was manchmal an Ernst Barlachs erinnert.

Er zeigt jedoch auch Realistisches aus der indianischen Vergangenheit: Tanzende, Betende, Singende, Trommelnde, Büsten mit den Köpfen von Häuptlingen oder schönen Indianerinnen.

Aber auch die kriegerische Vergangenheit wird bearbeitet: Bewaffnete, sich anschleichende Apachen, Kundschafter, Bogenschützen.

Bestimmt erfreut hätte Karl May wohl die Bronzeplastik einer Apachenfamilie. Sie zeigt wahrscheinlich den Häuptling Cochise, mit seiner Schwester.

Und gerade dieser Cochise, der letzte große Häuptling, von Zeitgenossen als edelmütig und gut aussehend geschildert, war es wohl, der Karl May zur Gestalt seines Winnetou anregte.

Cochises Schwiegervater Mangas Colorado kämpfte wie Winnetous Vater Intschu tschuna gegen Goldgräber. Wie er wurde er von Weißen ermordet (allerdings bei seiner Friedenmission von Soldaten). Wie Cochise kämpfte auch Winnetou anfangs gegen die Weißen, wie Cochise schloss er Frieden und wie er hatte er auch einen weißen Westmann zum Freund. Seine Schwester soll großen Einfluss auf Cochise gehabt haben, so wie Nscho-tschi auf Winnetou. In Winnetous Erben erwähnt Karl May diesen großen Einfluss der Frauen und spricht von der weiblichen Erbfolge bei der Häuptlingswahl. Tatsächlich war ja Cochise der Schwiegersohn Mangas Colorados.

Ganz gewiss hätte Karl May eine weitere Skulptur Housers gefreut: Ein Apache reckt seine Friedenspfeife in die Höhe.

Teil 1 „Abenteuer“ finden Sie hier

Teil 2 „Symbolik und bewusstes Wunschdenken“ finden Sie hier

Archiv, Rezensionen

Winnetous Erben – Abenteuer und Symbol (Teil 2)

GW33Der Autor Rolf Kamradek, Verfasser von „Die seltsamen Reisen des R.K.“ und des Schauspiels „Karl May – der Traum vom Fliegen“, hat erstmals seit seiner Kindheit den Band „Winnetous Erben“ wieder gelesen und seine Gedanken dazu notiert. Seine Rezension bringen wir hier in drei Teilen. Der erste Teil betrachtet den Roman unter dem Aspekt des Abenteuers, der zweite stellt die Symbolik heraus und der dritte Teil schließlich liefert einen historischen Nachtrag.

Den Band „Winnetous Erben“ können Sie im Karl-May-Verlag erwerben. Die ursprüngliche, unter dem Titel „Winnetou IV“ erschienene Fassung ist noch als Reprint zum Sonderpreis von nur 9,90€ lieferbar. Bestellungen des Reprints richten Sie bitte an: reprints@karl-may-gesellschaft.de

 

Winnetous Erben – Abenteuer und Symbol

zwei unterschiedliche Inhaltsangaben.

von Rolf Kamradek

2. Symbolik und bewusstes Wunschdenken

Wenn Karl May im Jahre 1907 tausende Apatschen, und Sioux als frei lebende Indianer auf den Kriegspfad schickt und man weiß, dass der letzte Apachenhäuptling Geronimo und seine letzten 23 Krieger schon 1886 von der ganzen US-Army gejagt und gefangen wurden, dass man danach alle Apachen nach Florida verschleppte, dass die Sioux nach der Schlacht am Little Bighorn nach Kanada flohen, dann erscheint das Geschilderte oft etwas albern.

Karl May war 1908 in Amerika. Man kann doch annehmen, dass er um diese Wirklichkeit wusste.

Aber die Wirklichkeit verfremdet er bewusst. Er will den Roman symbolisch verstanden wissen.

Das früher noch unbewusste Wunschdenken Mays, das er sich mit Überhöhung seiner eigenen Person in seinen Abenteuerromanen verwirklichte, erkannte schon Hermann Hesse. Jetzt in Mays Alterswerk wird dieses Wunschdenken auch bewusst eingesetzt, wobei der Dichter die traurige Wirklichkeit verschweigt. Hartmut Wörner hat das mit der Interpretation des Gedichtes „Schön“ aus dem Spätwerk Mays gezeigt. Seine verunglückte Ehe mit Emma Pollmer verschweigt May darin, idealisiert sie bewusst ins Gegenteil, in die Wunschdarstellung einer Ehe (Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft No 204, Juni 2020).

So arbeitet er auch in Winnetous Erben.

Deshalb hier eine zweite Inhaltsangabe:

In Mays Wunschvorstellung entstammen alle Indianer einer großen, gemeinsamen Nation. Aus Asien kommend, haben sie, unter Beibehalten der Verbindung zu ihrer Heimat deren Hochkultur und geistige Reife auch in Amerika bewahrt, mussten aber später ihren Niedergang, beschleunigt durch die Weißen, zur traurigen Gegenwart erleben. Jetzt aber stehe ihnen wieder eine große Zukunft bevor. Sinnbild daf

ür ist der Niagara, der sich aus erhabenen Seen kommend zu einem Fall verengt, sich aber unten wieder zur erneuten Größe weitet. Tatellah-Satha, der Bewahrer der Medizinen, war der Lehrer Winnetous. Er besitzt am Mount Winnetou ein altes Schloss, das im Laufe der Jahrhunderte mit allen Bauelementen indianischer Hochkulturen errichtet wurde. (Nur einen emporstrebenden Dom vermisst Karl May). In dem weisen Medizinmann erkennt er das Pendant seiner asiatischen „Seele“ Marah Durimeh in Kurdistan, die man aus anderen Spätwerken Mays kennt. Sogar die Gesichtszüge sind identisch. Die unermesslichen bibliophilen und kunstgeschichtlichen Schätze der Indianer werden nun mit Hilfe Karl Mays und des fliegenden „Jungen Adlers“ entdeckt.

Dem Wiederaufstieg der roten Rasse steht also nichts mehr im Wege. Aber die Sioux wollen ein nationales indianisches Großreich unter Ausschluss der Bleichgesichter und deren Helfer der Apatschen. Old Shatterhand und Winnetou stehen dem als Symbole für die Gemeinsamkeit aller Menschen im Wege.

Old Shatterhand beginnt nochmals an Winnetous Grab zu graben und entdeckt die Tagebücher des Apatschen. Die werden nun jeden Abend vorgelesen und das Herzle wirft mit einem Projektor das Bild Sasha Schneiders an den Wasserfall, auf dem der nackte Winnetou, eine Adlerfeder verlierend, gegen das fallende Wasser emporsteigt, empor ins Reich der Edelmenschen. Das ist das Gegenbild zu dem Rowdy im Denkmal. Alle, auch die nun befreiten Sioux, Utahs und Kiowas, sogar die beiden Bildhauer werden so vom richtigen Weg überzeugt. Alle treten dem Clan der edel gesinnten „Winnetous und Winnetas“ bei, die, alle wie Winnetou gekleidet, einen Stern an der Brust tragen, auf deren Rückseite der Name eines Menschen steht, dessen Schutzengel sie sein wollen. Interessant ist auch Mays modern anmutende Kritik an der Zerstörung der Natur durch die Technik, ebenso der den Frauen gewährte Anteil am Erfolg der Geschichte, insbesondere des „Herzles“, das sich im emotionalen Erfassen einer Situation oft sogar Old Shatterhand überlegen zeigt. Auch einige Indianerinnen und die Siouxfrauen, die sich dem Kriegszug ihrer Männer widersetzen und selbst einen friedlichen Zug zum Mount Winnetou unternehmen, passen hierzu.

Mays alle Menschen vereinenden und damit die Welt verbessernden Ziele sind sicher edel und bejahenswert, liegen aber, so wie hier dargestellt, meist allzu fern aller Realität. Diese sollte sich eigentlich auch im Symbol erkennbar spiegeln, ist aber allenfalls in Ansätzen erkennbar. May beschwört diese Ziele oft in seitenlangen, emotionalen und sich wiederholenden Monologen.

Nun ja – ich lege das Buch zur Seite. Ich werde mal wieder „Unter Geiern“ lesen.

Fortsetzung folgt …

Teil 1 „Abenteuer“ finden Sie hier

Archiv, Rezensionen

Winnetous Erben – Abenteuer und Symbol (Teil 1)

GW33Der Autor Rolf Kamradek, Verfasser von „Die seltsamen Reisen des R.K.“ und des Schauspiels „Karl May – der Traum vom Fliegen“, hat erstmals seit seiner Kindheit den Band „Winnetous Erben“ wieder gelesen und seine Gedanken dazu notiert. Seine Rezension bringen wir hier in drei Teilen. Der erste Teil betrachtet den Roman unter dem Aspekt des Abenteuers, der zweite stellt die Symbolik heraus und der dritte Teil schließlich liefert einen historischen Nachtrag.

Den Band „Winnetous Erben“ können Sie im Karl-May-Verlag erwerben. Die ursprüngliche, unter dem Titel „Winnetou IV“ erschienene Fassung ist noch als Reprint zum Sonderpreis von nur 9,90€ lieferbar. Bestellungen des Reprints richten Sie bitte an: reprints@karl-may-gesellschaft.de

 

Winnetous Erben – Abenteuer und Symbol

zwei unterschiedliche Inhaltsangaben.

von Rolf Kamradek

1. Abenteuer

Da steht ein etwa zehnjähriger Junge und möchte einen Karl-May-Band kaufen. Einen, in dem Winnetou vorkommt.

Tatsächlich. Das gibt es? Ein Junge, der sich den Winnetou noch erliest!

„Da hab ich was liegen“, sagt der Buchhändler. „Der Band wurde bestellt und nicht abgeholt.“

Mit Federkrone und nacktem Oberkörper sitzt ein Indianer, das Gewehr aufrecht in der linken Hand haltend, stolz auf einem Pferd. Im Hintergrund tummeln sich, etwas verschwommen, weitere berittene und gefiederte Rothäute.

„Winnetous Erben“, sagt der Buchhändler.

„Nein! Um Gottes Wille nein!“, mische ich mich ein. „Dem Jungen wird der ganze Karl May zerstört!“ Und ich empfehle ihm „Unter Geiern“.

Der Buchhändler will es bestellen.

Ich kaufe ihm Winnetous Erben ab. Vielleicht lese ich es mit Erwachsenenaugen anders.

Da reist der senile Karl May mit seiner zweiten Frau Klara – im Roman nur „Herzle“ genannt, zu einem Mount Winnetou in Neu Mexiko. Um sich Geltung zu verschaffen haben dort die Söhne Old Surehands und Apanatschkas, beide Bildhauer, begonnen, ein überdimensionales Standbild Winnetous zu errichten. Winnetou, als indianischer Held, eine Pistole in der Hand, soll den erhofften Aufbruch der roten Rasse symbolisieren. Eine grandiose Landschaft wird dabei zerstört.

Apatschen, befreundete Stämme und Old Shatterhand wollen dies verhindern, denn Winnetou, für Karl May nur „Seele“, sieht auf dem Strandbild aus wie ein Rowdy.

Sioux, Utahs und Kiowas ziehen zu tausenden herbei um die Gelegenheit zu nutzen, ihre alten Feinde, die Apatschen und den wieder aufgetauchten Old Shatterhand endlich zu vernichten.

Das hört sich alles nach einem echten Karl May an. Und manchmal verzichtet der Dichter tatsächlich nicht auf die bewährten, wirkungsvollen Szenen:

Ein Bär wird erlegt. Überhebliche Strolche erkennen Old Shatterhand nicht, wissen nicht, mit wem sie sich da anlegen und blamieren sich natürlich gründlich. Die im Wilden Westen anscheinend wichtige Frage, wer zuerst grüßt, wird mit Gewalt ausgetragen. Old Shatterhand erlauscht aus dem Brennpunkt einer Ellipse die Pläne der feindlichen Häuptlinge durch ein akustisches Phänomen. Er erbeutet deren Medizinen und schließt die Feinde schließlich in einer Schlucht ein. Bei der Eröffnungsfeier bricht das schwere Denkmal Winnetous durch die Decke der unter ihm liegenden grandiosen Tropfsteinhöhle (das Vorbild sind wohl die Carlsbad Caverns), in dem sich die dort versteckten Feinde befinden. Old Shatterhand und die Apatschen retten sie, und der junge Apatschenhäuptling „Junger Adler“ kommt in einem selbst gebauten Flieger angeflogen und bringt den dankbaren Häuptlingen ihre Medizinen wieder. So scheiden alle als Freunde, und die Söhne Santers, des Mörders von Winnetous Vater und Schwester, die gekommen sind um sich an Old Shatterhand zu rächen, opfern sich sogar für ihn und das Herzle.

Das liest sich zeitweise auch gewohnt amüsant, erreicht aber nie die Spannung der Reiseromane.

Nun – ich habe dem Jungen ja „Unter Geiern“ empfohlen.

Fortsetzung folgt …

Archiv, Rezensionen

Ein May-Gegner im Kontext der Zeitgeschichte – eine Rezension zu ‚Die Akte Rudolf Lebius‘

lebiusvon Hartmut Wörner

Rudolf Lebius (1868–1946) ist bis heute als der wohl skrupelloseste und auch kreativste Gegner Karl Mays bekannt. Aber wer war dieser schillernde Journalist, Verleger und Politiker wirklich, der im deutschen Kaiserreich, der Weimarer Republik und dem Dritten Reich öffentlich wirkte? Diese Frage beantwortet nun endlich das neue Buch von Jürgen Seul „Die Akte Rudolf Lebius“.

Erstmals werden die Auseinandersetzungen zwischen Lebius und May zwischen 1904 und 1912 in den Gesamtkontext der Biographie des „Skandaljournalisten“ eingeordnet. Dabei zeigt sich, dass auch das Leben und Schaffen von Rudolf Lebius exemplarische Qualität hat. Aus einer großbürgerlichen Tilsiter Kaufmannsfamilie stammend, war er im Kaiserreich zunächst Sozialdemokrat und Studienfreund Karl Liebknechts, wechselte dann aber die Seiten und wurde der führende Kopf der „Gelben“, einer von Wilhelm von Siemens lancierten wirtschaftsfriedlichen Arbeiterorganisation. In der Weimarer Republik profilierte sich Lebius als Vorsitzender einer völkisch-nationalistischen Splitterpartei und rief in seiner „Staatsbürger Zeitung“ zur Tötung von Pazifisten wie Albert Einstein auf. Trotz seiner nationalistischen Einstellung, die ihm im Dritten Reich zunächst die Fortsetzung seiner publizistischen Tätigkeit ermöglichte, wurde Lebius zum Gegner des NS-Regimes und produzierte ab 1935 kritische „Informationsberichte“ über die Lage in Deutschland für Vertreter ausländischer Zeitungen, die ihn schließlich ins Zuchthaus brachten. Ein schillernder Charakter, der – so Seul – getrieben war von „eine(r) Mischung aus Racheimpulsen, einem Gerechtigkeitsverlangen und einer narzisstisch begründeten Selbstüberschätzung“.

Seul beleuchtet Leben und Karriere von Rudolf Lebius auf der Basis einer akribischen Auswertung zeitgenössischer Dokumente. So entsteht nicht nur ein aufschlussreiches Bild eines Gegners von Karl May, sondern ein wirklich hochspannender Einblick in die wohl wechselhafteste Epoche der deutschen Geschichte. Dieses wirklich exzellente Buch gehört in jede May-Sammlung. Man wünscht ihm aber als profundem und fesselnd geschriebenem zeitgeschichtlichem Werk auch viele Leser über den engeren Kreis der May-Interessierten hinaus.

Jürgen Seul: Die Akte Rudolf Lebius. Auf den Spuren eines Skandaljournalisten zwischen Kaiserzeit und Drittem Reich. Eine Biografie. Karl-May-Verlag Bamberg/Radebeul. 416 Seiten. Hardcover. ISBN 978-3-7802-0565-0. Preis: 29,90€

Archiv, Rezensionen

Radiobeitrag zu ‚Märchen und Visionen‘

03088Ralf Bosse hat die Anthologie »Märchen und Visionen« in einem Rundfunkbeitrag für Radio WAF vorgestellt und gewürdigt:

Den kompletten Beitrag können Sie hier anhören.

Karl May: Märchen und Visionen. Mit Fotografien von Timm Stütz. Herausgegeben von Hartmut Wörner. Hardcover. Karl-May-Verlag. 192 Seiten. ISBN: 978-3-7802-3088-1. Preis: 20,00€

erschienen im Karl-May-Verlag

 

 

 

 

 

Archiv, Rezensionen

Rezension zum Roman ‚Das Flimmern der Wahrheit über der Wüste‘

9783462051070Ein neuer „Karl-May-Roman“

von Hartmut Wörner

Auch im 21. Jahrhundert fordert die schillernde Persönlichkeit des einstigen Bestsellerautors Karl May zur literarischen Auseinandersetzung heraus. In diesem Bücherherbst 2018 hat der bekannte Journalist und Buchautor Philipp Schwenke in einem dickleibigen ‚Karl-May-Roman‘ eine neue Variante der Befassung mit dem Phänomen Karl May geliefert. Inspiration der auf eine breitere Leserschaft zugeschnittenen Erzählung ist die legendäre und einzige Orientreise Mays in den Jahren 1899/1900. Schwenkes fiktiver Hauptdarsteller Karl, Erfolgsschriftsteller aus Radebeul, macht sich im April 1899 auf den Weg in die Region, die ein zentraler Handlungsraum seiner – für ihn ständig im Kopf präsenten – Reiseerzählungen ist. Schwenkes Karl sieht sich dabei einer Gratwanderung zwischen extrem auseinanderfallender äußerer und innerer Realität ausgesetzt; kein Wunder, denn, so der zeitgenössische auktoriale Erzähler von Schwenkes Roman: „Karl erschuf Wirklichkeit, indem er sie niederschrieb, Gedanken wurden wahr, wenn er sie in Worte fasste.“ So ist der fiktive Karl May in dem Buch eine tragische, aber keine lächerliche Figur. Der nun real reisende deutsche Reiseschriftsteller, dessen Auftreten bereits auf dem Dampfer ‚Preussen‘ zwischen Genua und Port Said für eine Polarisierung der Passagiere der ersten Klasse in May-Fans und May-Gegner sorgt, ist ein intelligenter, wohlwollender und sympathischer Mann. Angestoßen durch den Verlust seines bürgerlichen Lehrerberufs durch einen Diebstahl, der keiner war, ist er aber seit langem tief in sich selbst und seine literarische Phantasiewelt verstrickt.

Schwenkes Karl ist kein berechnender Lügner und Geschäftsmann, sondern ein ebenso begabter wie mit menschlichen Schwächen gesegneter Hauptdarsteller, der sich im Rahmen seiner Möglichkeiten ehrlich bemüht, es allen, auch seiner mit ihm nicht mehr harmonierenden Ehefrau Emma, irgendwie recht zu machen. Karl, der es gewöhnt war, dass ihm von der Öffentlichkeit seine Phantasien als Realität ‚abgekauft‘ wurden, erlebt nun eine äußerst schmerzliche Konfrontation mit der äußeren Wahrheit. Verfolgt von einem investigativen Journalisten, geplagt von Hitze, peinlichen körperlichen Folgeerscheinungen orientalischer Speisen und Getränke und behindert durch die totale Abwesenheit der von ihm behaupteten umfassenden Sprachkenntnisse kämpft er sich mit dem Baedecker in der Hand oder im Schlepptau von Mitreisenden wacker durch einen ihm fremden realen Orient. Eine Stütze ist ihm dabei die Arbeit an seinen Gedichten und die nach und nach entstehende Ambition, persönlich und literarisch neue, edlere Wege zu gehen.

Schwenke erschafft in seinem Roman natürlich einen fiktiven Karl. Man hat jedoch durchaus den Eindruck, dass er so ähnlich gewesen sein könnte, der reale Karl May, dessen Charakter bis heute zu Spekulationen Anlass gibt. Das liegt beileibe nicht nur an der äußerst soliden Fundierung der Handlung mit wissenschaftlich ermittelten Fakten zur Biographie Mays – der Autor bezieht sich in seiner Danksagung auf die Jahrbücher der KMG sowie die Karl-May-Chronik von Sudhoff und Steinmetz -, sondern an einer, wenn auch immer journalistisch reflektierten, fast liebevollen Zuwendung Schwenkes zu ‚seinem‘ Karl, in dessen Figur sich exemplarisch das menschliche Ringen um die Herstellung einer Kohärenz zwischen Innen- und Außenwelt spiegelt.

Ein Buch somit, dem man eine breite Leserschaft wünscht, das aber auch für den May-Spezialisten sehr lesenswert ist.

Philipp Schwenke: Das Flimmern der Wahrheit über der Wüste. Ein Karl-May-Roman. Kiepenheuer&Witsch. Köln. 608 Seiten. Hardcover. ISBN 978-3-462-05107-0. Preis: 23,00€

Nach oben scrollen